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291. An Schiller, 5. April 1797

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Mir ergeht es gerade umgekehrt. Auf die Sammlung unserer Zustände in Jena bin ich in die lebhafte Zerstreuung vielerlei kleiner Geschäfte gerathen, die mich eine Zeit lang hin und her ziehen werden; indessen werde ich allerlei thun, wozu ich nicht die reinste Stimmung brauche.

Sie haben ganz recht daß in den Gestalten der alten Dichtkunst, wie in der Bildhauerkunst, ein Abstractum erscheint, das seine Höhe nur durch das was man Styl nennt, erreichen kann. Es giebt auch Abstracta durch Manier wie bei den Franzosen. Auf dem Glück der Fabel beruht freilich alles, man ist wegen des Hauptaufwandes sicher, die meisten Leser und Zuschauer nehmen denn doch nichts weiter mit davon, und dem Dichter bleibt doch das ganze Verdienst einer lebendigen Ausführung, die desto stetiger sein kann je besser die Fabel ist. Wir wollen auch deßhalb künftig sorgfältiger als bisher das was zu unternehmen ist, prüfen.

Hier kommt Vieilleville erster Theil, die übrigen kann ich nach und nach schicken.

Grüßen Sie Ihre liebe Frau; ich habe sie leider bei ihrem hiesigen Aufenthalte nicht gesehen.

Zu dem Diplom gratulire ich; dergleichen Erscheinungen sind, als barometrische Anzeigen der öffentlichen Meinung, nicht zu verachten.

Leben Sie recht wohl und schreiben Sie mir öfter, ob ich gleich in der ersten Zeit ein schlechter Correspondent sein werde.

Weimar am 5. April 1797.

G.