HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1797333. An Schiller, 28. Juni 1797

333. An Schiller, 28. Juni 1797

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Denen beiden mir überschickten Gedichten, die hier zurückkommen, bin ich nicht ganz ungünstig und sie werden im Publico gewiß Freunde finden. Freilich ist die Afrikanische Wüste und der Nordpol weder durch sinnliches noch durch inneres Anschauen gemalt, vielmehr sind sie beide durch Negationen dargestellt, da sie denn nicht, wie die Absicht doch ist, mit dem heiteren deutsch-lieblichen Bilde genugsam contrastiren. So sieht auch das andere Gedicht mehr naturhistorisch als poetisch aus, und erinnert einen an die Gemälde wo sich die Thiere alle um Adam im Paradiese versammeln. Beide Gedichte drücken ein sanftes, in Genügsamkeit sich auflösendes Streben aus. Der Dichter hat einen heitern Blick über die Natur, mit der er doch nur durch Ueberlieferung bekannt zu sein scheint. Einige lebhafte Bilder überraschen, ob ich gleich den quellenden Wald, als negirendes Bild gegen die Wüste, nicht gern stehen sehe. In einzelnen Ausdrücken wie im Versmaß wäre noch hie und da einiges zu thun.

Ehe man mehreres von dem Verfasser gesehen hätte, daß man wüßte ob er noch andere Moyens und Talent in andern Versarten hat, wüßte ich nicht was ihm zu rathen wäre. Ich möchte sagen in beiden Gedichten sind gute Ingredienzien zu einem Dichter, die aber allein keinen Dichter machen. Vielleicht thäte er am besten, wenn er einmal ein ganz einfaches Idyllisches Factum wählte und es darstellte, so könnte man eher sehen wie es ihm mit der Menschenmalerei gelänge, worauf doch am Ende alles ankommt. Ich sollte denken der Aether würde nicht übel im Almanach und der Wanderer gelegentlich ganz gut in den Horen stehen.

Der Ring, den ich hier wieder zurückschicke, hält sich bei wiederholtem Lesen sehr gut, er wird vielmehr besser, wie es jedes Gedicht von Werth thun muß, indem es uns in die Stimmung nöthigt die wir beim ersten Hören und Lesen nicht gleich mitbringen.

Leben Sie wohl bei diesem regnerischen, nicht allein den Gartenbewohnern sondern auch der Heuernte feindseligen Wetter.

Weimar den 28. Juni 1797.

G.

Für die Schwämme danke schönstens.