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346. An Goethe, 23. Juli 1797

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Jena den 23. Juli 1797.

Das Warten, bei schon geschnürtem Bündel, ist ein höchst fataler Zustand, von dem ich Sie recht bald erlöst wünsche. Es ist gut, daß Sie gerade jetzt kleinere Beschäftigungen und Spiele vor sich sehen, wozu eine unterbrochene und halbe Stimmung allenfalls hinreicht.

Humboldt schreibt mir, daß seine Frau wieder das Fieber habe. Das wird eine schöne Reise werden, denn sie müssen jetzt schon in Dresden über die Zeit liegen bleiben. Ich sage Ihnen das zum Troste, wie jener Jude zum Shylock: Andre Leute haben auch Unglück.

Die drei Stücke, die mir Humboldt eben zurückschickt, lege ich hier bei. An dem nadowessischen Liede findet Humboldt ein Grauen, und was er dagegen vorbringt ist bloß von der Rohheit des Stoffs hergenommen. Es ist doch sonderbar, daß man in poetischen Dingen und bei einer großen Annäherung auf Einer Seite doch wieder in so directen Oppositionen sein kann.

Den Zauberlehrling habe ich an meinen Stuttgarter Componisten geschickt; mir däucht daß er sich vortrefflich zu einer heitern Melodie qualificirt, da er in unaufhörlicher leidenschaftlicher Bewegung ist.

Leben Sie recht wohl. Ich schreibe übermorgen noch, wenn sich indeß nichts ereignet.

Sch.

An Böttigern schicke ich heut die Klopstockiana und hab‘ auch ein paar Zeilen dazu geschrieben.