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613. An Goethe, 26. Juni 1799

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Jena den 26. Juni 1799.

Die Fahrläßigkeit meiner Botenfrau, die meinen Brief gestern liegen ließ, ist Schuld daran, daß Sie heute nichts erhielten. Eben da ich Ihren Brief erhalte, bringt man mir den meinigen zurück.

Unger hat mir heute geschrieben, aber ohne mir auf den Wink, den ich ihm wegen Ihrer Gedichtsammlung neulich gab, etwas zu antworten. Vielleicht schrieb er Ihnen selbst. Aber meinen Vorschlag, eine Sammlung deutscher Schauspiele herauszugeben, und zwar so, daß des Jahrs zehn Stücke herauskämen, und über jedes eine Kritik, nimmt er mit Vergnügen an, und will hundert Carolin Honorar für diese zehn Stücke und deren Beurtheilung zahlen, wenn das Werk von uns herausgegeben würde. Wir können sehr leicht zu diesem Verdienste kommen, wenn wir das kritische Geschäft Gesprächsweise unter uns abthun, in zehn bis fünfzehn Abenden ist es abgethan und für jeden sind dreihundert Thaler verdient.

Endlich habe ich auch nach langem Warten etwas von Berlin aus über den Wallenstein gehört. Er ist den 17ten Mai zum erstenmal gespielt worden, also vier Wochen später als in Weimar. Unger lobt die Aufführung so wie die Aufnahme des Stücks bei dem Publikum gar sehr. Auch hat sich schon ein Berliner Schmierer weitläuftig in den Annalen der Preußischen Monarchie darüber herausgelassen, das Stück zwar sehr gepriesen, aber die Stellen auch recht à la Böttiger herausgezerrt und seinen Aufsatz damit gespickt.

Leben Sie recht wohl. Wir machen morgen einen Besuch bei Mellisch; schade, daß Sie nicht auch da sein können. Zu den optischen Beschäftigungen wünsche ich Glück. So lang Sie dafür noch etwas thun können, ist Ihre Zeit in Weimar immer wohl angewandt.

Sch.