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633. An Schiller, 3. August 1799

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Meine Einsamkeit im Garten wende ich vor allen Dingen dazu an, daß ich meine kleinen Gedichte, die Unger nunmehr zum siebenten Band verlangt hat, noch näher zusammenstelle und abschreiben lasse. Zu einer solchen Redaction gehört Sammlung, Fassung und eine gewisse allgemeine Stimmung. Wenn ich noch ein paar Dutzend neue Gedichte dazu thun könnte, um gewisse Lücken auszufüllen und gewisse Rubriken, die sehr mager ausfallen, zu bereichern so könnte es ein recht interessantes Ganze geben. Doch wenn ich nicht Zeit finde das Publikum zu bedenken, so will ich wenigstens so redlich gegen mich selbst handeln, daß ich mich wenigstens von dem überzeuge was ich thun sollte, wenn ich es auch gerade jetzt nicht thun kann. Es giebt für die Zukunft leitende Fingerzeige.

Miltons verlornes Paradies, das ich Nachmittags lese, giebt mir zu vielen Betrachtungen Stoff, die ich Ihnen bald mitzutheilen wünsche. Der Hauptfehler den er begangen hat, nachdem er den Stoff einmal gewählt hatte, ist daß er seine Personen, Götter, Engel, Teufel, Menschen, sämmtlich gewissermaßen unbedingt einführt und sie nachher, um sie handeln zu lassen, von Zeit zu Zeit, in einzelnen Fällen, bedingen muß, wobei er sich denn, zwar auf eine geschickte, doch meistens auf eine witzige Weise zu entschuldigen sucht. Uebrigens bleibt’s dabei daß der Dichter ein fürtrefflicher und in jedem Sinne interessanter Mann ist, dessen Geist des Erhabenen fähig ist, und man kann bemerken daß der abgeschmackte Gegenstand ihn bei dieser Richtung oft mehr fördert als hindert, ja dem Gedicht bei Lesern, die nun einmal den Stoff gläubig verschlucken, zum großen Vortheil gereichen muß.

Uebrigens hat es noch manches gegeben wovon ich schweige, weil der Brief in die Stadt soll. Wann ich kommen kann, darüber will ich lieber nichts sagen, weil ich es noch nicht genau bestimmen kann. Lassen Sie sich daher von Ihrer kleinen Reise nicht abhalten. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 3. August 1799.

G.