HomeDie Horen1795 - Stück 10III. Pallas-Athene von Proklus. [Proclus]

III. Pallas-Athene von Proklus. [Proclus]

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Höre mich, Tochter Zeus, die aus dem Haupte des Vaters,
Wie aus dem lebenden Quell entsprang, der unendlichen Kette
Höchstes Glied, Du männlich gesinnte, die du den Schild trägst,
Und den Spieß, und den goldenen Helm, des Ewigen Tochter,
Pallas Tritogenia! Nimm an mit holdem Gemüthe
Meinen Gesang und laß mein Wort nicht öd’ in die Luft gehn.
Die du der Riesen Geschlecht, die Himmelsstürmer, gebändigt,
Die du der Brunst Vulkans, des Lüsternen, züchtig entfliehend,
Deiner Jungfräulichkeit Blume mit ehernem Zügel bewahrtest,
Und des Dionysus Herz, als unter der Hand der Titanen
Er in den Lüften zerfleischt ward, unbeschadet erhieltest,
Und es dem Vater brachtest, damit nach heiligem Rathschluß
Uns in Semelens Schooß ein neuer Bacchus entspränge;
Du, die der zaubernden Hekate Hunden die Häupter hinabschlug,
Und die Ungeheuer der thierischen Lüste vertilgend,
Uns der Weisheit Pforten, wo Götter wandeln, eröffnet,
Heiliger Gipfel du der Menschen erweckenden Tugend,
Die, der Erfindung spürenden Sinn mittheilend den Seelen,
Unser Leben mit vielfach-blühenden Künsten geschmückt hat.
Auf dem Gipfel Athens, in Akropolis, stehet dein Tempel,
Sinnbild deiner Höh’ in der großen Kette der Wesen.

Liebend das heldenernährende Land, die Mutter der Schriften
Widerstandest du kühn Poseidons wildem Verlangen,
Und gabst deinen Namen der Stadt und weise Gemüther.
Dieses Sieges ein herrliches Zeichen den später gebohrnen,
Pflanzetest du hoch auf des Berges Gipfel den Ölbaum;
Indeß tausend Wellen des Meers von Poseidon erreget,
Aufs Cekropische Land mit wildem Gebrause sich stürzten.
Höre mich, du, deren Antlitz ein reines friedliches Licht strahlt,
Gib der Seele das Licht von deinen heiligen Lehren,
Gib ihr Weisheit und Liebe. Die Liebe stärke mit Kräften,
Daß sie vom Schooß der Erde sich schwinge zum Sitze des Vaters.

Bin ich aber bestrickt auf böser Irre des Lebens:
(Denn ich weiß, wie so viel, aus einer der Thaten die andre,
Mich unheilig bestürmt und mir den besseren Sinn raubt,)
O so verzeih, du Mildgesinnte, der Sterblichen Vormund,
Und laß marternden Strafen mich nicht zur Beute, gequälet,
Hingestreckt auf dem Boden, der ich doch dein zu seyn wünsche.
Gib den Gliedern zu stehen Gewalt, und halte mit deiner
Holden ambrosischen Rechte die Schaar der Plagen entfernt mir.
Gib dem Schiffer, das Leben hindurch, sanft tragende Winde,
Kinder und Weib und Güter und Ruhm und heitere Stunden,
Süß überredendes Freundegespräch und kluge Besinnung,
Kraft den Gegnern entgegen und in der Versammlung den Vorsitz.
Höre mich, höre mich, Königin! neig‘ ein günstiges Ohr mir.

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