HomeDie Horen1797 - Stück 4IV. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

IV. Benvenuto Cellini. [Benvenuto Cellini]

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Fortsetzung.

Zu der Zeit entstand der Krieg von Siena und der Herzog, der Florenz befestigen wollte, vertheilte die Thore unter geschickte Bildhauer und Baukünstler. Mir theilte man das Thor al Prato zu und das Thörchen am Arno, das nach den Mühlen gehet; dem Cavalier Bandinell das Thor bey S. Friano; Pasqualino von Ancona ward bey dem Thor S. Pier Gattolini angestellt; Julian von Baccio d’Agnolo, der Zimmermeister, bey S. Georg; Particino, der Zimmermeister bey S. Nikolas; Franceskus von S. Gallo, der Bildhauer, Margolla genannt, beym Creutze, und Johann Baptista, Tasso genannt, bey dem Thore Pinti, Und so wurden andere Bastionen und Thore andern Ingenieuren übergeben, deren ich mich nicht erinnere, und die auch auf meine Geschichte keinen Einfluß haben.

Der Herzog, der immer von gutem Verstande war, ging selbst in die Stadt, und da seine Exzellenz alles wohl überlegt und sich entschlossen hatte, rief er Lactantio Gorrini seinen Cassier, der sich auch ein wenig mit dieser Profession abgab, und ließ ihn alle die Art und Weise zeichnen, wie die Stadt und gedachte Thore befestigt werden sollten, und schickte einem jeden sein gezeichnetes Thor.

Da ich nun diejenigen Risse betrachtete, die man mir zugeschickt hatte, schien es mir, daß sie keinesweges nach den Umständen eingerichtet, sondern äusserst fehlerhaft wären. Sogleich eilte ich, mit der Zeichnung in der Hand, meinen Herzog aufzusuchen, und als ich seiner Exzellenz die Mängel dieser Arbeit zeigen wollte, hatte ich kaum zu reden angefangen, als der Herzog sich ergrimmt zu mir wendet und sagte: wenn die Rede ist, wie man treffliche Figuren machen soll, so will ich dir nachgeben; aber in dieser Kunst mußt du mir gehorchen; drum befolge die Zeichnung, die ich dir gegeben habe. Auf diese kurzen Worte antwortete ich, so gelind als ich in der Welt nur wußte, und sagte: gnädiger Herr, auch die gute Art, Figuren zu machen, habe ich von Ew. Exzellenz gelernt, denn wir haben immer ein wenig darüber gestritten; nun ist die Rede von der Befestigung eurer Stadt, einer Sache von viel grösserer Bedeutung, als Figuren zu machen, deßhalb bitte ich Ew. Exzellenz mich anzuhören, und wenn ich so mit Ihnen spreche, werden Sie mir die Art und Weise zeigen, wie ich Ihnen zu dienen habe. Diese meine gefälligen Worte nahm der Herzog sehr gütig auf und fing an mit mir über die Sache zu disputiren; ich zeigte sodann, mit lebhaften und deutlichen Gründen, daß die Art, die man mir vorgeschrieben hatte, nicht gut sey. Darauf sagte der Herzog: nun gehe und mache selbst eine Zeichnung und ich will sehen, ob sie mir gefällt. So machte ich ein paar Zeichnungen von der wahren Art, wie die beyden Thore befestigt werden mußten und brachte sie ihm; er unterschied das Wahre vom Falschen, und sagte mir sehr freundlich: nun gehe, und mach es nach deiner Art, ich bin es zufrieden. Da fing ich denn mit grosser Sorgfalt an.

Die Wache des Thors al Prato hatte ein Lombardischer Capitain, von schrecklicher, starker Gestalt und von gemeinen Redensarten. Dabey war er eingebildet und äusserst unwissend; dieser fragte mich sogleich: was ich machen wollte? Darauf ließ ich ihm gefällig meine Zeichnungen sehen und mit der äussersten Mühe erklärte ich ihm die Art, nach der ich verfahren wolle. Nun schüttelte diese Bestie den Kopf, wendete sich da und dort hin, trat von einem Bein aufs andere, wickelte seinen ungeheuren Knebelbart, strich sich am Kinn, zog die Mütze über die Augen und sagte nur immer: zum Henker! ich verstehe das alles nicht! Verdrießlich über diese Bestie, sagte ich: so laßt es mich machen, der ichs verstehe, dabey wendete ich ihm den Rücken, das er höchst übel nahm und sagte: du willst gewiss, daß ich mit dir aufs Blut rechten soll. Ich wendete mich erzürnt herum und sagte: es sollte mir lieber seyn, mit dir als mit der Bastion zu thun zu haben. Sogleich legten wir Hand an die Degen; wir hatten sie aber nicht einmal ganz gezogen, als sich viele wackre Leute, von unsern Florentinern und andern Hofleuten, dazwischen legten. Der grosse Theil schalt ihn aus und sagte: er habe unrecht! ich sey ein Mann, es mit ihm aufzunehmen, und wenn es der Herzog erführe, sollte es ihm übel bekommen. Nun bekümmerte er sich um seine Geschäfte und ich fing meine Bastion an. Als ich nun die gehörige Anstalt getroffen hatte, ging ich zu dem kleinen Thor am Arno, wo ich einen Capitain von Cesena fand, den artigsten Mann, den ich jemals von dieser Profession gekannt hatte. Äusserlich zeigte er sich wie ein zierliches Mädchen und im Nothfalle war er einer der bravsten und tödlichsten Menschen, die man sich denken kann. Dieser Edelmann beobachtete mich so genau, daß er mir oft Nachdenken erregte, er wünschte meine Arbeit zu verstehen, und ich zeigte ihm alles aufs gefälligste. Genug wir wetteiferten, wer sich gegen den andern freundlicher bezeugen könne, so daß ich diese Bastion weit besser als jene zu Stande brachte.

Als ich mit meinen Festungswerken fertig war, hatten die Völker des Herrn Peter Strozzi im Lande gesteift, und das ganze Gebiet von Prato war so in Furcht gesetzt, daß alles ausräumte und flüchtete. Nun kamen sie mit allen ihren Karren herbey und jeder fuhr seine Habe in die Stadt, ein Wagen berührte den andern, und es war eine unendliche Menge. Da ich nun solche Unordnung sah, sagte ich zur Thorwache: sie sollten Acht haben, daß unter dem Thore nicht das Unglück begegne, wie in Turin, wo das Fallgatter, als man es brauchen wollte, von einem solchen Wagen in der Höhe gehalten wurde und seinen Dienst nicht leisten konnte. Als das Ungeheuer von Capitain diese meine Worte hörte, wendete er sich mit Schimpfreden gegen mich, die ich ihm sogleich zurückgab, so daß es zwischen uns hätte schlimmer als vorher werden können; doch trennte man uns wieder. Da ich nun meine Bastion vollendet hatte, erhielt ich unerwartet vieles Geld, mit dem ich mir wieder aufhalf und mich wieder an die Arbeit begab, um meine Perseus zu vollenden.

In diesen Tagen hatte man einige Alterthümer in der Gegend von Arezzo ausgegraben, worunter sich auch die Chimära befand, nämlich der eherne Löwe, den man in den nächsten Zimmern am grossen Saal des Pallastes noch sehen kann, und zugleich hatte man viele kleine Statuen von Erz gefunden, die ganz mit Erde und Rost bedeckt waren und einer jeden fehlte entweder der Kopf, oder Hände, oder Füsse. Der Herzog hatte Vergnügen, sie selbst mit gewissen Grabsticheln rein zu machen, und einst, als ich mit Seiner Exzellenz sprach, reichte er mir einen Hammer, womit ich auf die Meiselchen, die er in der Hand hielt, schlug, so daß die Figuren von Erde und Rost gereinigt wurden. So vergiengen einige Abende und der Herzog veranlaßte mich, daß ich die fehlenden Glieder wieder herstellte, und da er so viel Vergnügen an dem wenigen Meiseln hatte, so ließ er mich auch des Tages arbeiten, und wenn ich mich verspätete, so mußte ich gerufen werden. Öfters gab ich Seiner Exzellenz zu verstehen, daß ich mich von meinem Perseus abzöge, und daß daraus gar manches unangenehme entstehen könnte. Erstlich fürchtete ich, daß die lange Zeit, die ich zu meinem Werke brauchte, zuletzt Seiner Exzellenz verdrießlich fallen möchte, wie es denn auch wirklich nachher geschah; das andere war, daß meine Arbeiter, wenn ich mich nicht gegenwärtig befand, mir theils mein Werk verdarben, theils so wenig als möglich arbeiteten. Darauf begnügte sich der Herzog, daß ich nur beym Einbruche der Nacht in den Pallast kommen sollte. Seine Exzellenz war äusserst sanft und gütig gegen mich geworden, und jeden Abend, den ich zu ihm kam, nahmen die Liebkosungen zu.

In diesen Tagen baute man an jenen neuen Zimmern gegen die Löwen, so daß Seine Exzellenz, um abgesondert zu seyn, sich in den neuern Gemächern eine kleine Wohnung einrichten ließ, mir aber hatte er befohlen: ich sollte durch seine Garderobe kommen, da ich denn heimlich über die Gallerie des grossen Saals ging und durch gewisse Schlupflöcher zu jenem Gemach gelangte. Wenige Tage darauf brachte mich die Herzogin um diese Zugänge und ließ alle diese Thüren verschliessen, so daß ich alle Abende, wenn ich in den Pallast kam, eine Weile warten mußte, weil sie sich selbst in diesen Vorzimmern befand, wo man von ihrer Bequemlichkeit vorbey mußte, und weil sie nicht wohl war, so kam ich niemals, ohne sie zu stören. Nun warf sie deswegen, und wegen der schon bekannten Ursache den äussersten Groll auf mich und konnte mich auf keine Weise weder sehen noch leiden. Doch mit aller dieser grossen Noth und diesem unendlichen Verdruß fuhr ich gelassen fort hinzugehen. Der Herzog hatte ausdrücklich befohlen, daß man mir, wenn ich an die Thüre pochte, sogleich aufmachen sollte, und so liessen sie mich, ohne mir etwas weiter zu sagen, durch alle Zimmer. Nun begegnete es manchmal, wenn ich ruhig und unerwartet durchging, daß ich die Herzogin bey ihrer Bequemlichkeit fand, die sich denn mit einem so wüthenden Zorne gegen mich herausließ, daß ich mich entsetzte. Sie sagte mir immer: wann wirst du denn einmal mit den kleinen Figuren fertig seyn! Dein Kommen wird mir allzu lästig. Darauf antwortete ich mit der grösten Gelassenheit: gnädige Frau und einzige Gönnerin! ich verlange nichts mehr als Ihnen mit Treue und äusserstem gehorsam zu dienen. Die Werke, die mir der Herzog befohlen hat, werden mehrere Monate brauchen; wenn aber Ew. Exzellenz nicht will, daß ich mehr hierher kommen soll, so werde ich auch nicht kommen, es rufe mich wer will, und wenn der Herzog zu mir schickt, so will ich sagen, daß ich krank bin, und Sie sollen mich auf keine Weise hier wieder sehen. Darauf versetzte sie: ich sage nicht, daß du dem Herzog nicht gehorchen sollst, aber mir scheint, daß deine Arbeit kein Ende nehmen wird. Mochte nun der Herzog hievon etwas gemerkt haben oder auf andere Weise veranlaßt worden seyn, genug wenn vier und zwanzig Uhr herbeykam, so ließ er mich rufen und der Bote sagte jederzeit: verfehle nicht zu kommen, der Herzog erwartet dich; und so fuhr ich fort, mit eben denselben Schwierigkeiten mehrere Abende hinzugehen. Einmal unter andern, als ich nach meiner Gewohnheit hereintrat, sprach der Herzog wahrscheinlich von geheimen Dingen mit seiner Gemahlin und wendete sich mit heftigem Zorne gegen mich, darüber ich einigermasen erschreckt eilig zurükgehen wollte; er aber sagte schnell zu mir: komm herein, mein Benvenuto! gehe an deine Arbeit und ich werde bald bey dir seyn. Indessen ich vorbey ging nahm mich Prinz Grazia, ein Kind von wenigen Jahren, bey der Jacke und trieb so artige Scherze, als ein solches Kind nur machen kann. Der Herzog verwunderte sich darüber und sagte: was ist das für eine anmuthige Freundschaft, die meine Kinder zu dir haben?

Indessen ich nun an diesen Kleinigkeiten arbeitete, waren die Prinzen Don Giovanni, Don Arnando und Don Grazia den ganzen Abend um mich herum, und stachen mich, ohne daß es der Herzog sah, ich aber bat sie ruhig zu seyn. Sie antworteten: wir können nicht! und ich versetzte, was man nicht kann, will man auch nicht, drum laßt mich ruhen. Darüber fingen der Herzog und die Herzogin an laut zu lachen.

Einen andern Abend, als ich jene vier Figuren von Erz fertig hatte, die an der Base des Perseus angebracht sind, nämlich Jupiter, Merkur, Minerva und Danae, Mutter des Persens mit ihrem kleinen Knaben zu Füssen. Diese hatte ich zusammen in gedachtes Zimmer bringen lassen, wo ich Abends arbeitete, und stellte sie in eine Reihe, ein wenig höher als das Auge, wo sie sich wirklich sehr gut ausnahmen. Der Herzog, der es gehört hatte, kam etwas früher als gewöhnlich, und weil die Person, die ihm die Nachricht brachte, diese Arbeiten über Verdienst gerühmt und gesagt hatte: sie seyen besser als die alten, und mehr solche Dinge; so kam nun der Herzog mit der Herzogin und sprach mit Zufriedenheit von meinen Werken; ich aber stand geschwind auf und ging ihm entgegen. Er hub darauf nach seiner fürstlichen und edlen Art die rechte Hand auf, worin er eine Birn hielt, so groß und schön, als man sie nur sehen kann und sagte dabey: nimm hier, mein Benvenuto, und bringe diese Birn in den Garen dieses Hauses. Darauf antwortete ich gefällig: o gnädiger Herr! ist es Ihr Ernst, daß ich diese Birn in den Garten meines Hauses legen soll. Der Herzog sagte von neuem: in den Garten des Hauses, das dein ist. Verstehst du mich recht? Darauf dankte ich Seiner Exzellenz und der Herzog in mit den besten Ceremonien, die ich nur in der Welt zu machen wußte. Dann setzten sie sich gegen die Figuren über und sprachen über zwey Stunden von nichts als von denselben, so daß die Herzogin ein unmäßiges Verlangen darnach empfand und zu mir sagte: ich will nicht, daß du diese schönen Figuren da unten auf dem Platz verschwendest, wo sie in Gefahr kämen verdorben zu werden, vielmehr sollst du sie mir in einem meiner Zimmer anbringen, wo ich sie aufs beste will halten lassen, wie ihre seltne Tugend verdient. Gegen diese Worte setzte ich mich mit unendlichen Gründen, weil ich aber sah, wie fest sie entschlossen war, daß ich die Figuren nicht an die Base, wo sie sich jetzo befinden, aufstellen sollte, so wartete ich den andern Tag ab, und ging um zwey und zwanzig in den Pallast, und als ich fand, daß der Herzog und die Herzogin ausgeritten waren, ließ ich die Figuren hinunter tragen, und weil ich an der Base schon alles zurechte gemacht hatte, so löthete ich sie sogleich ein, wie sie bleiben sollten. Als die Herzogin es hörte, wurde sie so zornig, daß sie mir, wenn ihr Gemahl nicht gewesen wäre, gewiß vieles Übel zugefügt hätte. Nun kam dieser Verdruß noch zu jenem wegen der Perlen und sie wirkte so viel, daß der Herzog sein weniges Vergnügen aufgab. Ich kam also Abends nicht mehr hin, denn ich fand alle die vorigen Schwierigkeiten, wenn ich in den Pallast wollte.

Ich wohnte nun wieder, wo ich meinen Perseus hingebracht hatte, und arbeitete an seiner Vollendung, unter allen den Hindernissen, deren ich schon erwähnt habe, das heißt, ohne Geld und unter so vielen andern Vorfällen, deren Hälfte schon einen Mann von Diamanten zur Verzweiflung gebracht hätte. Als der Herzog vernahm, daß ich den Perseus schon als geendigt zeigen konnte, kam er einen Tag das Werk zu sehen, und gab auf eine deutliche Art zu erkennen, daß es ihm außerordentlich gefalle. Darauf wendete er sich zu gewissen Herrn, die mit ihm waren und sagte: ob uns gleich dieses Werk sehr schön vorkömmt, so muß es doch auch dem Volke gefallen, deswegen, mein Benvenuto! ehe du die letzte Hand anlegst, wünschte ich, daß du mir zu Liebe diese vordere Thüre nach meinem Platze zu öffnetest, um zu sehen, was das Volk dazu sagt, denn es ist keine Frage, daß es ein Unterschied seyn muß, es frey oder in einer solchen Enge zu sehen, und es wird sich gewiss anders als gegenwärtig zeigen. Auf diese Worte sagte ich demüthig zu Seiner Exzellenz: es wird gewiss um die Hälfte besser aussehen. Erinnern sich Ew. Exzellenz nicht, es in dem Garten meines Hauses gesehen zu haben, wo es sich so gut zeigte. Ja sogar Bandinello, der es daselbst sah, war genöthigt, ohngeachtet seiner bösen Natur, gutes davon zu reden, er der sein ganzes Lebenlang von niemand gutes gesprochen hat, und ich fürchte, Ew. Exzellenz trauen ihm zu viel.

Darauf sagte der Herzog ein wenig verdrießlich, aber mit gefälligen Worten: thue es, mein Benvenuto, zu meiner geringen Genugthuung.

Als er weg war, machte ich mich daran, die Statue aufzudecken, weil aber noch ein wenig Gold fehlte, und ein gewisser Firniß und andere Kleinigkeiten, die zu Vollendung eines Werks gehören, murmelte ich verdrießlich, schalt und betrübte mich und verwünschte den verfluchten Tag, der mich veranlaßt hatte, nach Florenz zu gehen. Denn ich sah freilich den grossen Verlust, den ich mir zugezogen hatte, indem ich Frankreich verließ, und sah und wußte noch nicht, was ich gutes von meinem Herrn in Florenz erwarten sollte, denn alles, was ich vom Anfang bis zur Mitte und bis zum Ende gethan hatte, war alles zu meinem größten Schaden geschehen. Und so mit gröstem Verdrusse deckte ich die Bildsäule des folgenden Tages auf.

Nun gefiel es Gott, daß sobald als sie gesehen wurde, sich ein unmäßiges Geschrey zum Lobe des Werks erhub, wobey ich mich ein wenig getröstet fühlte. Die Leute hörten nicht auf, immerfort Sonette an die Thürgewände anzuheften, wodurch gleichsam ein festliches Ansehen entstand. Indessen suchte ich das Werk zu vollenden und arbeitete an demselben Tage daran, an welchem es mehrere Stunden aufgedeckt blieb, und mehr als zwanzig Sonette zum unmäßigen Lobe meiner Arbeit angeheftet wurden. Das hörte nicht auf, nachdem ich sie wieder zugedeckt hatte, alle Tage fanden sich neue Gedichte, lateinische Sonette und griechische Verse; denn eben waren Ferien auf der Universität Pisa und alle die vortrefflichsten Lehrer und Schüler bemühten sich um die Wette. Was mir aber das gröste Vergnügen machte und mir die gröste Hoffnung wegen der Gesinnung des Herzogs gab, war, daß die von der Kunst, Mahler und Bildhauer gleichfalls wetteiferten, wer das meiste Gute davon sagen könnte, und unter andern, der geschickte Mahler Jacob von Pontormo. Am höchsten aber schätzte ich das Lob des trefflichen Bronzino, des Mahlers, dem es nicht genug war, verschiedene Gedichte öffentlich anheften zu lassen, sondern der mir derselben auch noch ins Haus schickte, die so viel Gtues, auf seine seltne und angenehme Weise sagten, daß ich mich wieder einigermasen beruhigte. Und so hatte ich das Werk wieder bedeckt, und suchte es mit allem Fleiß zu vollenden.

Als mein Herzog die Gunst erfuhr, welche mir die treffliche Schule bey diesem kurzen Anblick erzeigt hatte, sagte er: ich freue mich, daß Benvenuto diese kleine Zufriedenheit gehabt hat, so wird er desto geschwinder die Arbeit vollenden: aber er denke nur nicht, wenn sie ganz aufgedeckt ist, daß die Leute noch immer auf gleiche Weise sprechen werden. Es werden dann auch alle Fehler, die daran sind, aufgedeckt seyn, und man wird andere, die nicht daran sind, hinzuthun, so mag er sich mit Geduld waffnen. An diesen Reden war Bandinell schuld, denn der hatte bey dieser Gelegenheit die Werke des Andrea del Verrocchio angeführt, der den schönen Christus und St. Thomas von Erz gemacht hatte, den man an der Facade Orsanmichele sieht, und noch andere Werke, sogar den verwundernswürdigen David des göttlichen Michelagnolo Buonarotti, von dem er auch behauptete, er zeige sich nur von vorn gut. Dann sprach er von seinem Herkules und seinen unendlichen Sonetten, die daran geheftet wurden, und sprach alles Übel vom Volk. Der Herzog hatte ihn zu diesen Reden veranlaßt und glaubte wirklich, die Sache werde auch so ablaufen, denn der neidische Bandinell hörte nicht auf, Übels zu reden. So sagte auch einmal, in der Gegenwart des Herzogs, der Schurke Bernardon, der Mäkler, nur um dem Bandinell zu schmeicheln: wißt, gnädiger Herr! grosse Figuren zu machen ist eine andere Kost, als kleine zu arbeiten! Ich will nicht sagen, daß er die kleinen Figürchen nicht gut gemacht habe; aber ihr werdet sehen, die grosse gelingt ihm nicht. Und unter diese hämischen Worte mischte er nach seiner Spionenart noch andere, und häufte Lügen auf Lügen.

Nun gefiel es aber meinem glorreichen Herrn und unsterblichen Gotte, daß ich meine Statue vollendete und sie an einem Donnerstag ganz aufdecken konnte. Alsobald, es war noch nicht ganz Tag, vereinigte sich eine solche Menge Volks, daß es nicht zu zählen war, und alle wetteiferten, das Beste davon zu sprechen. Der Herzog stand an einem niedern Fenster des Pallastes, das über der Thüre war, und so vernahm er, halb verborgen, alles, was man sagte. Als er nun einige Stunden zugehört hatte, stand er mit so viel Zufriedenheit und Lebhaftigkeit auf, wendete sich zu Herrn Sforza und sagte: Sforza! geh zu Benvenuto, und sag ihm von meinetwegen, daß er mich mehr als ich hoffte befriedigt hat, ich will ihn auch zufrieden stellen, er soll sich verwundern und sag ihm, er soll gutes Muths seyn. Herr Sforza brachte mir diesen Ruhmvollen Auftrag, wodurch ich äusserst gestärkt ward und denselben Tag sehr vergnügt zubrachte, weil das Volk auf mich mit Fingern weiß, und mich dem und jenem als eine neue und wundersame Sache zeigte. Unter andern waren zwey Edelleute, die der Vicekönig von Sicilien an unsern Herzog in Geschäften gesendet hatte. Als man mich diesen beyden gefälligen Männern auf dem Platze zeigte, kamen sie heftig auf mich los, und, mit ihren Mützen in der Hand, hielten sie mir eine so umständliche Rede, die für einen Papst zu viel gewesen wäre. Ich demüthigte mich so sehr ich konnte, aber sie deckten mich dergestalt zu, daß ich sie inständig bat, mit mir vom Platze wegzugehen, weil die Leute bey uns stillstanden und mich schärfer ansahen als unsern Perseus selbst. Unter diesen Ceremonien waren sie so kühn, und verlangten, ich möchte nach Sicilien kommen, da sie mir denn einen solchen Contract versprachen, mit dem ich zufrieden seyn sollte. Sei sagten mir, Johann, Bruder Angiolo, von den Serviten, habe ihnen einen Brunnen gemacht, mit vielen Figuren verziert, aber sie seyen lange nicht von der Vortrefflichkeit, wie der Perseus und er wäre dabey reich geworden. ich ließ sie nicht alles, was sie sagen wollten, vollenden, sondern versetzte: ich verwundere mich sehr, daß ihr von mir verlangt, daß ich einen Herrn verlassen soll, der die Talente mehr schätzt, als irgend ein andrer Fürst, der je gebohren wurde, um so mehr, da ich ihn in meinem Vaterlande finde, der Schule aller der grösten Künste. Hätte ich Lust zu grossen Gewinnen, so könnte ich in Frankreich blieben, im Dienste des grossen König Franziskus, der mir tausend Goldgülden für meinen Unterhalt gab, und dazu die Arbeit meiner sämmtlichen Werke bezahlte, so da ich mich alle Jahre über vier tausend Goldgülden stand; nun bin ich aber doch weggegangen und habe den Lohn meiner Werke von vier Jahren in Paris zurückgelassen. Mit diesen und andern Worten schnitt ich die Ceremonien durch, dankte ihnen für das grosse Lob, das sie mir gegeben hatten, und versicherte sie, das sey die gröste Belohnung für jeden, der sich ernsthaft bemühe, ich setzte hinzu, sie hätten meine Lust, gut zu arbeiten, so vermehrt, daß ich in wenigen Jahren ein andres Werk aufzustellen hoffte, mit dem ich der vortrefflichen florentinischen Schule noch mehr als mit diesem zu gefallen gedächte. Die beyden Edelleute hätten gerne den Faden der Ceremonien wieder angeknüpft, aber ich mit einer Mützenbewegung und einem tiefen Bückling nahm sogleich von ihnen Abschied.

Auf diese Weise ließ ich zwey Tage vorübergehen, und als ich sah, daß das große Lob immer zunahm, entschloß ich mich meinem Herzog aufzuwarten, der mit großer Freundlichkeit zu mir sagte: mein Benvenuto, du hast mich und das ganze Volk zufrieden gestellt, aber ich verspreche dir, daß ich dich auch auf eine Weise befriedigen will, über welche du dich verwundern sollst, und ich sage dir, der morgende Tag soll nicht vorübergehen. Auf diese herrliche Versprechungen wendete ich alle Kräfte der Seele und des Leibes in Einem Augenblicke zu Gott, und dankte ihm aufrichtig, zugleich hörte ich meinen Herzog an, und halb weinend für Freude küßte ich ihm das Kleid und sagte: mein glorreicher Herr, freygebig gegen alle Talente und gegen die Menschen die sie ausüben! Ich bitte Ew. Excellenz um gnädigen Urlaub auf acht Tage, damit ich Gott danken möge, denn ich weiß wohl wie übermäßig ich mich angestrengt habe, und bin überzeugt, daß mein fester Glaube Gott zu meiner Hülfe bewogen hat. Wegen diesem und so manchem andern wunderbaren Beystand will ich acht Tage als Pilgrim auswandern und meinem unsterblichen Gott und Herrn danken, der immer demjenigen hilft, der ihn mit Wahrheit anruft.

Darauf fragte mich der Herzog, wohin ich gehen wollte? und ich versezte, morgen frühe will ich weggehen auf Vallombrosa zu, von da nach Camaldoli und zu den Eremiten, dann zu den Bädern der heiligen Marie und vielleicht bis Sestile, weil ich höre, daß daselbst schöne Alterhümer sind. Dann will ich über S. Fancesko della Vernia zurückkehren, unter beständigem Danke gegen Gott, und mit dem lebhaften Wunsch Ew. Exzellenz weiter zu dienen. Darauf sagte mir der Herzog mit heiterem Gesichte: geh und kehre zurück! Wirklich so gefällst du mir, lasse mir zwey Verse zum Andenken und sey unbesorgt.

Sogleich machte ich vier Verse, indem ich Seiner Exzellenz dankte, und gab sie Herrn Sforza, der sie dem Herzog in meinem Nahmen überreichte. Dieser nahm sie, gab sie sodann zurück und sagte: lege sie mir täglich vor die Augen! Denn wenn Benvenuto zurückkäme und seine Sache nicht ausgefertigt fände, ich glaube er brächte mich um. Auf diese scherzhafte Weise verlangte der Herzog erinnert zu werden. Diese bestimmten Worte sagte mir Herr Sforza noch selbigen Abend, verwunderte sich über die große Gunst, und sagte mir auf eine sehr gefällige Weise: Geh’ Benvenuto und komme bald wieder. Ich beneide dich.

Nun gieng ich im Nahmen Gottes von Florenz weg, immer Psalmen und Gebete zur Verherrlichung des Göttlichen Nahmens, auf der ganzen Reise, singend und aussprechend. Auf dem Wege hatte ich das größte Vergnügen, denn es war die schönste Sommerzeit und die Aussicht in ein Land, wo ich nie gewesen war, schien mir so schön, daß ich erstaunte und mich ergötzte. Zum Führer hatte ich einen jungen Mann aus meiner Werkstatt mitgenommen, der von Bagno war und Cäsar heiß, von dessen Eltern ich auf das freundschaftlichste aufgenommen ward. unter andern war ein alter Mann in der Familie, über siebzig Jahre, vom gefälligsten Wesen, ein Oheim des gedachten Cäsars, eine Art von chirurgischem Arzt, der ein wenig nach der Alchimie hinzielte. Dieser Mann zeigte mir, daß die Gegend Minen von Gold und Silber habe; er ließ mich viele schöne Sachen des Landes sehen, so daß ich daran ein großes Vergnügen hatte. Als er nun auf diese Weise mit mir bekannt geworden war, sagte er unter andern eines Tages zu mir: Ich will euch einen Gedanken nicht verhelen, woraus was sehr nützliches entstehen könnte, wenn Seine Excellenz darauf hören wollte. Nämlich in der Gegend von Camaldoli ist ein so verdecktes Paß, daß Peter Strozzi nicht allein sicher durchkommen, sondern auch Poppi ohne Widerstand wegnehmen könnte. Als er mir die Sache mit Worten erklärt hatte, zog er ein Blatt aus der Tasche, worauf der gute Alte die ganze Gegend dergestalt gezeichnet hatte, daß man die grosse Gefahr sehr wohl sehen und deutlich erkennen konnte. Ich nahm die Zeichnung und ging sogleich von Bagno weg, nahm meinen Weg über Prato Magno und über St. Francesko della Vernia, und so kam ich nach Florenz zurück. Ohne Verweilen, nur daß ich die Stiefeln auszog, ging ich nach dem Pallaste, und begegnete dem Herzog bey der Abtey, der eben aus dem Pallast des Potesta zurückkehrte. Als er mich sah, empfing er mich aufs freundlichste, doch mit ein wenig Verwunderung, und sagte: Warum bist du so geschwind zurückgekommen? Ich erwartete dich noch nicht in acht Tagen. Darauf versetzte ich, zum Dienst Ew. Excellenz bin ich zurückgekehrt, denn gern wäre ich noch mehrere Tage in jenen schönen Gegenden geblieben. Und was Gutes bringst du denn, bey deiner schnellen Wiederkehr? sagte der Herzog. Darauf versetzte ich: mein Herr, es ist nöthig, daß ich euch Dinge von großer Bedeutung sage und vorzeige, und so ging ich mit ihm nach dem Pallast, daselbst führte er mich in ein Zimmer, wo wir allein waren. Ich sagte ihm alles und ließ ihm die wenige Zeichnung sehen, und es schien ihm angenehm zu seyn. Darauf sagte ich zu Seiner Excellenz, es sey nöthig, einer Sache von solcher Wichtigkeit bald abzuhelfen. Der Herzog dacht darauf ein wenig nach und sagte: Wisse, daß wir mit dem Herzog von Urbino einig sind, der nun selbst dafür sorgen mag; aber behalte das bey dir. Und so kehrte ich mit großen Zeichen seiner Gnade wieder nach Hause.

Den andern Tag ließ ich mich wieder sehen, und der Herzog, nachdem er ein wenig gesprochen hatte, sagte mit Heiterkeit: morgen ganz gewiss soll deine Sache ausgefertigt werden, deswegen sey gutes Muths. Ich hielt es nun für gewiss, und erwartete den andern Tag mit großem Verlangen. Der Tag kam, ich ging nach dem Pallast, und wie es gewöhnlich ist, daß man böse Neuigkeiten früher als die guten erfährt, so rief mich Herr Jacob Guidi, Secretair Seiner Excellenz, mit seinem schiefen Maule und stolzem Ton, dabey zog er sich auf sich zurük, stand wie angepfählt und wie ein erstarrter Mensch, dann fing er an folgendermaßen zu reden: Der Herzog sagt, er wolle von dir wissen, was du für deinen Perseus verlangst. Ich stand erstaunt und erschroken, und antwortete sogleich: es sey meine Art nicht, den Preiß meiner Arbeiten zu bestimmen; Seine Exzellenz habe mir vor zwey Tagen ganz was anders versprochen. Sogleich sagte mir der Mensch, mit noch stärkerer Stimme: ich befehle dir ausdrüklich von Seiten des Herzogs, daß du mir sagst was du verlangst, bey Strafe völlig in Ungnade Seiner Excellenz zu fallen. Ich hatte mir geschmeichelt, bey den großen Liebkosungen, die mir der Herzog erzeigt hatte, nicht sowohl etwas zu gewinnen, sondern ich hoffte nur seine ganze Gnade erlangt zu haben. Nun kam ich über das unerwartete Betragen dergestalt in Wuth, und besonders, daß mir die Botschaft durch diese giftige Kröte, nach ihrer Weise, vorgetragen wurde, und antwortete sogleich: wenn der Herzog mir zehntausend Scudi gäbe, so würde er mir die Statue nicht bezahlen, und wenn ich geglaubt hätte, auf solche Weise behandelt zu werden, so wäre ich nie geblieben. Sogleich sagte mir der verdrießliche Mensch eine Menge schimpflicher Worte, und ich that desgleichen. Den andern Tag wartete ich dem Herzog auf, er winkte mir und ich näherte mich. Darauf sagte er zornig: die Städte und großen Palläste der Fürsten und Könige bauet man mit zehntausend Ducaten. Darauf antwortete ich schnell, indem ich das Haupt neigte: Seine Excellenz würde sehr viele Menschen finden, die ihr Städte und Palläste zu vollenden verstünden, aber Statuen wie der Perseus möchte vielleicht niemand in der Welt so zu machen im Stande seyn. Sogleich ging ich weg, ohne noch was weiter zu sagen und zu thun.

Wenige Tage darauf ließ mich die Herzogin rufen und sagte mir: ich solle den Zwist, den ich mit dem Herzog habe, ihr überlassen, denn sie glaube etwas thun zu können, womit ich zufrieden seyn würde. Auf diese gütigen Worte antwortete ich, daß ich nie eine größere Belohnung meiner Mühe verlangt hätte, als die Gnade des Herzogs, Seine Excellenz habe mir sie zugesichert, und es sey nicht nöthig erst gegenwärtig mich ihnen beyderseits gänzlich zu überlassen, da ich es, von der ersten Zeit meines Dienstes an, mit aller Freundlichkeit schon gethan habe. Dann setzte ich hinzu: wenn Seine Exzellenz mir nur für meine Arbeit ein Gnadenzeichen gäben, das nur fünf Pfennige werth wäre, so würde ich vergnügt und zufrieden seyn, wenn ich mich dabey nur ihrer Gnade versichern könnte. Darauf sagte mir die Herzogin lächelnd: du würdest am besten thun, wenn du meinem Rathe folgtest. Sogleich wendete sie mir den Rücken und ging hinweg.

Ich dachte mein bestes gethan zu haben, indem ich so demüthige Worte brauchte: denn ob sie gleich vorher ein wenig über mich gezürnt hatte, so war ihr doch eine gewisse gute Art zu handeln eigen. Aber die Sache nahm für mich leider eine schlimme Wendung. Ich war zu der Zeit sehr vertraut mit Hieronimus Albicci, Vorgesetzten der Truppen des Herzogs, der mir eines Tages unter andern sagte: O Benvenuto! es wäre doch gut, die kleine Differenz, die du mit dem Herzog hast, ins gleiche zu bringen. Hättest du Vertrauen in mich, so glaubte ich wohl damit fertig zu werden, denn ich weiß, was ich sage. Wird der Herzog wirklich einmal böse, so wirst du dich dabey sehr übel befinden; das sey dir genug, ich kann dir nicht alles sagen. Nun hatte mich vorher schon wieder ein Schalk gegen die Herzogin misstrauisch gemacht, denn er erzählte mir, er habe sie bey irgend einer Gelegenheit sagen hören: er will ja für weniger als zwey Pfennige den Perseus wegwerfen, und damit wird der ganze Streit geendigt seyn.

Wegen dieses Verdachtes sagte ich Herrn Albicci: ich überlasse ihm alles, und ich würde mit dem was er thue, völlig zufrieden seyn, wenn ich nur in der Gnade des Herzogs bliebe. Dieser Ehrenmann, der sich recht gut auf die Soldatenkunst verstand, besonders aber auf die Anführung leichter Truppen, das alles rohe Menschen sind, hatte keine Lust an der Bildhauerey, und verstand auch deswegen nicht das mindeste davon. Als er nun mit dem Herzog sprach. Sagte er: Benvenuto hat sich mir ganz überlassen und mich gebeten, ich solle ihn Ew. Excellenz empfehlen. Darauf sagte der Herzog, auch ich will euch die Entscheidung übertragen, und mit allem was ihr bestimmt, zufrieden seyn. Darauf machte Herr Hieronymus einen Aufsatz, der sehr gut und zu meinen Gunsten geschrieben war, und bestimmte: der Herzog solle mir dreytausend fünfhundert Goldgülden reichen lassen, wodurch zwar ein solches Werk nicht völlig bezahlt, aber doch einigermassen für meinen Unterhalt gesorgt wäre, und womit ich zufrieden seyn könnte. Es waren noch viele Worte hinzugefügt, die sich alle auf diesen Preis bezogen. Diesen Aufsatz unterschrieb der Herzog so gern, als ich übel damit zufrieden war. Als es die Herzogin vernahm, sagte sie: es wäre besser für den armen Mann gewesen, wenn er sich auf mich verlassen hätte, ich würde ihm wenigstens fünftausend Goldgülden verschaft haben, und dieselbigen Worte sagte sie mir eines Tages, als ich in den Pallast kam, in Gegenwart des Herrn Alamanni Salviati; sie lachte mich aus und sagte: das Übel, das mir begegne, treffe mich mit Recht.

Der Herzog hatte befohlen, mir sollten hundert Goldgülden monatlich bezahlt werden, nachher fing Herr Antonio de Nobili, der gedachten Auftrag hatte, mir nur funfzig zu zahlen an, und dann gab er mir nur manchmal fünfundzwanzig, manchmal auch gar nichts. Da ich nun sahe daß ich so hingehalten ward, wendete ich mich aufs höflichste an ihn und bat ihn, mir die Ursache zu sagen, warum er die Zahlung nicht vollendete? Er antwortete mir sehr gütig, und es schien mir, daß er sich gar zu weit herausliesse, denn er sagte: er könne die Zahlung nicht regelmäßig fortsetzen, weil man im Pallast nicht zum besten mit Geld versehen seyn, er verspreche aber, daß er mich bezahlen wolle, sobald er Geld erhalte. Dann setzte er hinzu: ich müßte ein großer Schelm seyn, wenn ich dich nicht bezahlte. Ich verwunderte mich, ein solches Wort von ihm zu hören, und hoffte nun, ich würde mich sobald als möglich befriedigt sehen. Allein es erfolgte gerade das Gegentheil, und da ich mich so aufziehen sah, erzürnte ich mich mit ihm, und sagte ihm kühne und heftige Worte, und erinnerte ihn an seine eigne Ausdrücke. Indessen starb er, und man blieb mir fünfhundert Goldgülden schuldig, bis heute da wir nahe am Endes des Jahres 1566 sind.

Auch war ein Theil meiner Besoldung rückständig geblieben, und ich dachte nicht diesen Rest jemals zu erhalten, denn es waren schon drey Jahre verflossen. Aber der Herzog fiel in eine gefährliche Krankheit, und konnte in acht und vierzig Stunden das Wasser nicht lassen. Als er nun merkte, daß ihm die Ärzte mit ihren Mitteln nicht helfen konnten, wendete er sich vielleicht zu Gott, und beschloß, daß jeder seinen Rückstand erhalten solle, da wurde ich denn auch bezahlt, aber für meinen Perseus erhielt ich nicht die ganze Summe.

Fast hatte ich mir vorgesetzt, dem Leser von meinem unglücklichen Perseus nichts mehr zu erzählen, doch kann ich einen merkwürdigen Umstand nicht verschweigen, und nehme daher den Faden ein wenig rückwärts wieder auf. Damals, als ich mit der Herzogin sprach, und mit aller Demuth zu erkennen gab, daß ich mit allem zufrieden seyn wolle, was der Herzog mir geben würde, hatte ich die Absicht, mich wieder allmählich in Gunst zu setzen, und bey dieser Gelegenheit den Herzog einigermaßen zu besänftigen. Denn wenige Tage vorher, ehe Albicci den Accord machte, hatte sich der Herzog heftig über mich erzürnt. Denn als ich mich bey Ihrer Excellenz über die äusserst schlechte Behandlung beklagte, die ich von Alfonos Quistello, Herrn Jacob Polverino, dem Fiskal, und besonders von Baptista Bandini von Volterra dulden mußte, und mit einiger Leidenschaft meine Gründe vortrug, sah ich den Herzog in so großen Zorn gerathen, als man sich denken kann, er sagte mir dabey: das ist ein Fall wie mit deinem Perseus, für den du mir zehentausend Scudi gefordert hast, du bist zu sehr auf deinen Vortheil bedacht, ich will die Statute schätzen lassen, und was man recht findet, sollst du haben. Hierauf antwortete ich ein wenig zu kühn und halb erzürnt, wie man sich gegen große Herren nicht betragen soll: wie wäre es möglich, daß mein Werk nach seinem Werth geschätzt würde, da gegenwärtig niemand in Florenz ist, der ein gleiches machen kann. Darauf ward der Herzog noch zorniger und sagte mir viele heftige Worte, unter andern rief er aus: ja es ist gegenwärtig ein Mann in Florenz, der ein solches Werk machen könnte, und deswegen wird er es auch zu beurtheilen wissen! Er meinte den Bandinell, Cavalier von S. Jacob. Darauf versetzte ich: Ew. Excellenz hat mich in den Stand gesetzt, in der größten Schule der Welt ein großes und schweres Werk zu vollenden, das mir mehr gelobt worden ist als irgend eins das jemals in dieser göttlichen Schule aufgedeckt worden, und was mir am meisten schmeichelte war, daß die trefflichen Männer, die von der Kunst sind und sich darauf verstehen, wie z. B. Bronzino der Mahler, mir allen Beyfall gaben. Dieser trefliche Mann bemühte sich und machte mir vier Sonette, worinn er die edelsten und herrlichsten Worte sagte, die man nur ausdrücken kann, und oben dieser wundersame Mann war schuld, daß die ganze Stadt so sehr in Bewegung kam. Freylich wenn sich dieser Mann so gut mit der Bildhauerkunst als der Mahlerey abgäbe, so würde er vielleicht ein solches Werk vollenden können. Auch gestehe ich Ew. Excellenz, daß mein Meister Michel Agnolo Buonarotti, als er jünger war, gleichfalls ein ähnliches gemacht hatte, aber nicht mit weniger Anstrengung als ich selbst; nun aber, da er sehr alt ist, wird ihm eine solche Arbeit gewiss nicht gelingen, so daß ich gewiss überzeugt bin, daß zu unserer Zeit niemand bekannt sey, der sie ausführen könne. Nun hat meine Arbeit den größten Lohn erhalten, den ich in der Welt erlangen kann, besonders da Ew. Excellenz sich davon so zufrieden zeigten und mir sie mehr als ein andrer lobten; was konnte ich für eine grössere und ehrenvollere Belohnung verlangen? Gewiss, Ew. Excellenz konnte mir sie nicht mit einer herrlichern Münze bezahlen. Denn keine Art von Schatz kann sich mit diesem vergleichen: so bin ich überflüßig belohnt, und ich danke Ew. Excellenz dafür von Herzen.

Darauf antwortete der Herzog: du denkst nicht, daß ich reich genug bin dich zu bezahlen, aber ich sage dir, du sollst mehr haben als sie werth ist. Darauf versetzte ich: ich dachte an keine andere Belohnung als die mir Ew. Excellenz und die Schule schon gegeben haben, und nun will ich mit Gott fortgehen, ohne das Haus jemals wieder zu betreten, das Ew. Excellenz mir schenkte, und ich will nicht denken jemals Florenz wieder zu sehen.

Wir waren eben bey S. Felice, denn der Herzog ging nach dem Pallaste zurück, und auf meine heftigen Worte wendete er sich schnell in großem Zorn gegen mich um und sagte: du gehst nicht weg! hüte dich wohl wegzugehen! Halb erschrocken begleitete ich ihn nach dem Pallast, dort gab er dem Erzbischoff von Pisa Bartholini, und Herrn Pundolfo della Stuffa den Auftrag, die sollten Baccio Bandinelli von seinetwegen sagen, er möge meinen Perseus wohl betrachten und das Werk schätzen, denn der Herzog wolle mir den rechten Preiß bezahlen. Diese beyden wackern Männer gingen sogleich zum Badinell und verrichteten ihren Auftrag. Er wußte sehr gut was sie werth war, aber weil er mit mir über vergangene Dinge erzürnt war, so wollte er sich in meine Angelegenheiten auf keine Weise mischen. Darauf fügten die beyden Edelleute hinzu: der Herzog hat uns gesagt, daß er bey Strafe seiner Ungnade euch befiehlt, ihm den Preiß zu bestimmen. Wollt ihr zwey, drey Tage, um sie recht zu betrachten, so nehmt euch die Zeit und dann sagt uns, was die Arbeit verdiene. Darauf antwortete jener: er habe sie genug betrachtet und wolle gern den Befehlen des Herzogs gehorchen, das Werk sey reich und schön gerathen, so daß es wohl sechzehntausend Goldgülden und mehr werth seye. Diese Worte hinterbrachten sogleich die guten Edelleute dem Herzog, welcher sich sehr darüber erzürnte, auch sagten sie mir es wieder, worauf ich antwortete, daß ich auf keine Weise das Lob des Bandinells annehmen wolle, da er nur übels von jedermann spreche. Diese meine Worte sagte man dem Herzog wieder, und deshalb verlangte die Herzogin, daß ich ihr die Sache überlassen sollte. Das ist nun alles die reine Wahrheit, genug, ich hätte besser gethan die Herzogin walten zu lassen, denn ich wäre in kurzem bezahlt gewesen, und hätte einen grössern Lohn empfangen.

Der Herzog ließ mir durch Herrn Celio Torelli seinen Auditor sagen: er verlange, daß ich gewisse Geschichten, in halb erhobener Arbeit von Erz, rings um den Chor von Santa Maria del Fiore verfertigen solle. Weil aber dieser Chor ein Unternehmen des Bandinells war, so wollte ich sein Zeug nicht durch meine Bemühungen bereichern. Zwar hatte er selbst die Zeichnung dazu nicht gemacht, denn er verstand nichts in der Welt von Architectur, vielmehr war der Riß von Julian di Baccio d’Agnolo, dem Zimmermann, der die Kuppel verdarb. Genug, es ist nicht die mindeste Kunst daran. Aus dieser doppelten Ursache wollte ich das Werk nicht machen, doch hatte ich immer auf das ergebenste dem Herzog versichert, daß ich alles thun würde, was Seine Excellenz mir befehle. Nun hatte der Herzog den Werkmeistern von Santa Maria del Fiore befohlen, sie sollten mit mir übereinkommen, er wolle mir eine Besoldung von zweyhundert Scudi des Jahrs geben, und meine Arbeit sollten sie mir aus der Baukasse bezahlen. So erschien ich vor gedachten Werkmeistern, welche mir den erhaltenen Befehl bekannt machten. Da ich nun glaubte meine Gründe ihnen sicher vorlegen zu können, zeigte ich ihnen, daß so viele Geschichten von Erz eine große Ausgabe machen würden, die völlig weggeworfen wäre, dabey führte ich meine Ursachen an, welche sie alle sehr wohl begriffen. Die erste war, die Zeichnung des Chors sey ganz falsch und ohne die mindeste Vernunft gemacht, man sehe weder Kunst noch Bequemlichkeit, weder Anmuth noch Proportion daran. Die zweyte Ursache war, weil gedachte Geschichten so niedrig zu stehen kämen, daß sie unter dem Auge blieben, von Hunden besudelt und immer von Staub und allem Unrath voll seyn würden, deswegen wollte ich sie nicht machen, denn ich möchte nicht gern den Überrest meiner besten Jahre wegwerfen und dabey seiner Excellenz nicht dienen, da ich ihr doch so sehr zu gefallen und zu dienen wünsche. Wenn aber der Herzog mir etwas wolle zu thun geben, so möchte er mich die Mittelthüre von Santa Maria del Fiore machen lassen; dieses Werk würde gesehen werden und Seiner Excellenz zu grösserm Ruhme gereichen. Ich wollte mich durch einen Contract verbinden, daß wenn ich sie nicht besser machte als die schönste Thüre von Sanct Johann, so verlange ich nichts für meine Arbeit, wenn ich aber sie nach meinem Versprechen vollendete, so wäre ich zufrieden, daß man sie schätzen lasse, und man solle mir alsdann tausend Scudi weniger geben als sie von Kunstverständigen geschätzt würde.

Denen Bauherrn gefiel mein Vorschlag sehr wohl, und sie gingen, um mit dem Herzog zu reden, unter andern Peter Salviati, der dem Herzog das Angenehmste zu sagen glaubte, es war aber gerade das Gegentheil, denn dieser versetzte: ich wolle nur immer das nicht thun, was er verlange. Und so ging Herr Peter weg, ohne daß etwas entschieden worden wäre.

Als ich das vernahm, suchte ich schnell den Herzog auf, der einigermaßen über mich erzürnt schien. Ich bat ihn nur, daß er mich anhören möchte und er versprach mirs. So fing ich umständlich an, und zeigte ihm die Reinheit der Sache mit so viel Gründen, und daß eine große Ausgabe nur würde weggeworfen seyn, daß ich ihn endlich besänftigt hatte. Dann setzte ich hinzu: wenn es Seiner Excellenz nicht gefalle, daß gedachte Thüre gemacht würde, so gebrauche man in jenem Chor zwey Kanzeln, das zwey große Werke seyen und seiner Excellenz zum Ruhm gereichen würden. Ich wolle daran eine Menge Geschichten, in erhabner Arbeit, von Erz, verfertigen und viele Zierrathen anbringen; dergestalt erweichte ich ihn, und er trug mir auf, Modelle zu machen. Ich machte deren verschiedene, mit der äussersten Anstrengung, unter andern eins, zu acht Seiten, mit mehr Fleiß als die andern, und es schien mir viel bequemer zu dem Dienste, wozu es bestimmt war. Ich hatte sie oft in den Pallast getragen, und der Herzog ließ mir durch seinen Cämmerer sagen, ich sollte sie da lassen. Nachdem sie der Herzog gesehen, bemerkte ich wohl, daß Seine Excellenz nicht das beste gewählt hatte. Eines Tages ließ er mich rufen, und im Gespräch über die Modelle zeigte ich mit vielen Gründen, daß das zu acht Seiten das bequemste zum Dienst und das schönste zur Ansicht sey. Der Herzog antwortete mir: daß es ihm zu vier Seiten besser gefalle, und daß er es so haben wolle, und sprach lange auf eine freundliche Weise mit mir. Ich that alles was mir möglich war um die Kunst zu vertheidigen. Ob nun der Herzog einsah daß ich wahr redete und es doch auf seine Art wollte gemacht haben, weiß ich nicht; genug, es verging viel Zeit, daß mir nichts weiter gesagt wurde.

Zu dieser Zeit hatte man den großen Marmor, woraus nachher der Neptun gemacht wurde, auf dem Arno hergebracht, man fuhr ihn sodann auf den Weg nach Poccio zu Kajano, um ihn besser auf der flachen Strasse nach Florenz zu bringen, und ich ging ihn zu besehen, und ob ich gleich gewiss wußte, daß die Herzogin, aus ganz besonderer Gunst, ihn dem Cavalier Bandinell zugedacht hatte, so jammerte mich doch der arme, unglückliche Marmor, und ich hatte die besten Absichten für ihn. Denke nur aber niemand irgend einer Sache, die unter der Herrschaft eines bösen Geschicks liegt, auf irgend eine Weise zu Hülfe zu kommen; denn wenn er sie auch aus einem offenbaren Übel errettet, so wird sie doch in ein viel schlimmeres fallen, so wie dieser Marmor in die Hände des Bartholomäus Ammanati kam, wie ich zu seiner Zeit wahrhaft erzählen werde. Als ich nun den schönen Marmor gesehen hatte, nahm ich sogleich seine Höhe und seine Stärke nach allen Seiten, und kehrte nach Florenz zurück, wo ich verschiedene zweckmäßige Modelle machte, dann ging ich auf die Höhe von Kajano, wo sich der Herzog und die Herzogin mit dem Prinzen ihrem Sohn befanden, sie waren sämtlich bey Tafel, jene aber speißten allein und ich suchte diesen zu unterhalten. Da ich eine ganze Weile mit dem Prinzen gesprochen hatte, hörte mich der Herzog, der in einem benachbarten Zimmer saß und ließ mich, mit sehr günstigen Ausdrücken, rufen. Als ich in ihre Gegenwart kam, fing die Herzog in mit vielen gefälligen Worten an, mit mir zu reden, und ich leitete nach und nach das Gespräch auf den sehr schönen Marmor, den ich gesehen hatte, und sagte: wie Ihre Vorfahren diese edelste Schule nur dadurch so vollkommen gemacht hätten, daß sie den Wetteifer aller Künstler unter einander zu erregen gewußt; auf diese Weise sey die wundersame Kuppel und die schönen Thüren von S. Johann, und so viel andere schöne Tempel und Statuen fertig, und Ihre Stadt durch Talente so berühmt worden, als seit den alten keine bisher gewesen. Sogleich sagte die Herzog in mit Verdruß: sie wisse recht gut alles was ich sagen wolle, ich solle in ihrer Gegenwart nicht mehr von dem Marmor sprechen, denn ich mache ihr Verdruß. Ich aber versetzte: also mache ich Euch Verdruß, weil ich vor Ew. Excellenz besorgt bin, und alles bedenke, damit Sie besser bedient seyn mögen. Beherzigt nur, gnädige Frau! wenn Ew. Excellenzen zufrieden wären, daß jeder ein Modell des Neptuns machte, wenn ihr auch schon entschlossen sey, daß Bandinell denselben machen soll, so würde dieser, um seiner Ehre willen, mit grösserm Fleiße arbeiten, ein schönes Modell hervorzubringen, als wenn er weiß, daß er keine Mitwerber hat. Auf diese Weise werdet ihr besser bedient seyn, und der treflichen Schule den Muth nicht nehmen, und ihr werdet sehen, wer nach dem Guten strebt; ich meyne nach der schönen Art dieser wundersamen Kunst, und ihr werdet zeigen, daß ihr euch daran ergötzt und sie versteht. Darauf sagte die Herzogin in großem Zorne: meine Worte seyen umsonst, sie wolle daß Bandinell den Marmor haben solle. Frage den Herzog, setzte sie hinzu, ob dies nicht auch sein Wille sey? Darauf sagte der Herzog, der bisher immer still gewesen war: Es sind zwanzig Jahre, daß ich diesen schönen Marmor ausdrücklich für Bandinell brechen ließ, und so will ich auch, daß er ihn haben und darin arbeiten soll. Sogleich wendete ich mich zum Herzog und sagte: ich bitte Ew. Excellenz, mir die Gnade zu erzeigen, daß ich nur wenige Worte zu Ihrem eignen Vortheil sage. Der Herzog versetzte: ich solle sagen was ich wolle, er werde mich anhören. Darauf fuhr ich fort: wisset, mein Herr, der Marmor, woraus Bandinell seinen Herkules und Kakus machte, ward für den fürtreflichen Michelagnolo Buonarotti geborchen, der das Modell eines Simsons mit vier Figuren gemacht hatte, wornach er das schönste Werk der Welt ausgearbeitet hätte, und Bandinell brachte nur zwey einzige Figuren heraus, übel gebildet und geflickt, deswegen schreyt die trefliche Schule noch über das große Unrecht, das man jenem Marmor angethan, ich glaube, daß mehr als tausend Sonetten zur Schmach dieser schlechten Arbeit angeschlagen worden, und ich weiß, daß Ew. Excellenz dieses Vorfalls sich sehr gut erinnert, deswegen, mein treflicher Herr, wenn die Männer, denen das Geschäft aufgetragen war, so unweise handelten, dem Michelagnolo seinen schönen Marmor zu nehmen, und ihn dem Bandinell zu geben, der ihn verdarb, wie man sieht; könntet ihr jemals ertragen, daß dieser viel schönere Marmor, ob er gleich dem Bandinell zugedacht ist, von ihm verdorben werde? und wolltet ihr ihn nicht lieber einem andern geschickten Manne geben, der ihn zu eurem Vergnügen bearbeitet? Laßt, mein Herr, einen jeden der will, ein Modell machen, laßt sie vor der Schule sämtlich aufstellen! Ew. Excellenz wird hören, was man sagt, und mit ihrem richtigen Urtheil das beste wählen. Auf diese Weise werft ihr euer Geld nicht weg, und nehmt einer so treflichen Schule nicht den Muth auf dem Wege der Kunst; einer Schule, die jezt einzig auf der Welt ist, und Ew. Excellenz zum größten Ruhm gereicht. Als der Herzog mich gütigst angehört hatte, stand er sogleich von Tafel auf, wendete sich zu mir und sagte: Gehe, mein Benvenuto, gewinne dir den schönen Marmor, denn du sagst mir die Wahrheit und ich erkenne sie. Die Herzogin drohte mir mit dem Kopfe und murmelte, erzürnt, ich weiß nicht was. Ich beurlaubte mich und kehrte nach Florenz zurück, und es schienen mir tausend Jahre ehe ich die Hand an das Modell legen konnte.

Als der Herzog nach Florenz zurückkehrte, kam er, ohne mich etwas wissen zu lassen, in meine Wohnung, wo ich ihm zwey Modelle zeigte, die beyde von einander unterschieden waren. Er lobte sie, doch sagte er mir, das eine gefalle ihm besser als das andere, und dieses, womit er zufrieden sey, solle ich nun ausarbeiten, es werde mein Vortheil seyn.

Seine Excellenz hatten schon dasjenige gesehen, was Bandinell gemacht hatte, und auch die Modelle einiger andern, und doch lobte er meines vor allen, wie mir viele seiner Hofleute sagten, die es gehört hatten. Unter andern merkwürdigen Nachrichten über diese Sache ist aber folgende von großem Werth. Es kam nämlich der Cardinal Santa Fiore nach Florenz, der Herzog führte ihn auf die Höhe nach Kajano, und als der Kardinal unterwegs gedachten Marmor erblickte, lobte er ihn sehr, und fragte, wem er zur Arbeit bestimmt sey. Der Herzog antwortete sogleich: meinem Benvenuto, der ein sehr schönes Modell dazu gemacht hat. Diese Rede ward mir von glaubwürdigen Leuten hinterbracht. Deshalb ging ich die Herzogin aufzusuchen, und brachte ihr einige angenehme Kleinigkeiten meiner Kunst, welche sie sehr gut aufnahm; dann fragte sie, was ich arbeite? Darauf versetzte ich: gnädige Frau, ich habe, zum Vergnügen, eine der schwersten Arbeiten in der Welt unternommen, ein Cruzifix, von dem weissesten Marmor, auf einem Kreutze von dem schwärzesten, so groß als ein lebendiger Mensch. Sogleich fragte sie mich, was ich damit machen wolle? Ich aber versetzte: wisset, gnädige Frau, daß ich es nicht für zweytausend Goldgülden hingäbe, denn so hat wohl eine Arbeit niemals einem Menschen zu schaffen gemacht, auch hätte ich mich niemals unterstanden, sie für irgend einen Herrn zu unternehmen, aus Furcht damit in Schande zu gerathen, deswegen habe ich mir den Marmor für mein Geld gekauft, und einen Arbeiter zwey Jahre gehalten, der mir helfen mußte, und wenn ich alles rechne, Marmor und Eisen, besonders da der Stein hart ist, dazu das Arbeitslohn, so kommt er mich über dreyhundert Scudi zu stehen, so daß ich ihn nicht für zweytausend Goldgülden geben möchte. Wenn aber Ew. Excellenz mir die erlaubteste Gnade erzeigen will, so mache ich Ihnen gern damit ein reines Geschenk, nur bitte ich, daß Sie mir, bey Gelegenheit der Modelle die zum Neptun befohlen sind, weder Gunst noch Ungunst erzeigen. Darauf sagte sie zornig: also schätzest du weder meine Hülfe noch meinen Widerstand? Ich antwortete: ja, gnädige Frau, ich weiß sie zu schätzen, denn ich biete Ihnen ein Werk an, das ich zweytausend Goldgülden werth halte, aber ich verlasse mich zugleich auf meine mühsamen und kunstmäßigen Studien, womit ich die Palmen zu erringen gedenke, und wenn der große Michelagnolo Buonarotti selbst gegenwärtig wäre, von welchem und von sonst niemanden ich das was ich weiß erlernt habe. Ja, es wäre mir lieber, daß der, der so viel versteht, ein Modell machte, als die welche nur wenig wissen, denn durch den Wetteifer mit meinem großen Meister könnte ich gewinnen, damit den andern nichts zu gewinnen ist. Als ich ausgesprochen hatte, stand sie halb erzürnt auf, und ich kehrte an meine Arbeit zurück, und suchte mein Modell, so gut ich nur konnte, vorwärts zu bringen.

Als ich fertig war, kam der Herzog es zu besehen, und mit ihm zwey Gesandten, der eine von dem Herzog von Ferrara, der andere von der Stadt Lucca. Das Modell gefiel sehr wohl, und der Herzog sagte zu den Herren: wirklich, Benvenuto verdients. Da begünstigten ich beyde gar sehr, am meisten der Gesandte von Lucca, der ein Gelehrter und Doctor war. Ich hatte mich ein wenig entfernt, damit sie alles sagen möchten was ihnen gefiele, als ich aber vernahm, daß ich begünstigt wurde, trat ich sogleich näher, wendete mich zum Herzog und sagte: Ew. Excellenz sollte noch eine andere wundersame Vorsicht brauchen und befehlen: daß wer will ein Modell von Erde, und gerade so groß als es der Marmor fordert, verfertigen solle, und Sie werden sich dadurch am besten überzeugen können, wer ihn verdient. Denn sollte der Marmor unrecht zugesprochen werden, so werden Sie nicht dem verdienten Manne, sondern sich selbst grossen Schaden thun, und es wird Ihnen zur Schaam und grossen Schande gereichen; im Gegentheil wenn die Arbeit an den rechten kommt, werden Sie zuerst den größten Ruhm erlangen, Sie werden Ihr Geld nützlich verwenden, und einsichtsvolle Personen werden sich überzeugen, daß Sie an der Kunst Freude haben und sich darauf verstehen. Auf diese Worte zog der Herzog die Achseln, und indem er wegging, sagte der Luccesische Abgesandte zu ihm: Herr! euer Benvenuto ist ein schrecklicher Mensch. Der Herzog sagte darauf: er ist viel schrecklicher als ihr glaubt, und es wäre gut für ihn, wenn er es nicht gewesen wäre, denn er würde Sachen erhalten haben die ihm entgangen sind. Diese ausdrücklichen Worte sagte mir derselbe Gesandte, und schien mich über meine Handelsweise zu tadeln. Worauf ich versetzte: ich will meinem Herrn wohl, als ein treuer und liebevoller Diener, aber es ist mir nicht möglich zu schmeicheln.

Verschiedene Wochen hernach starb Bandinello, und man glaube, daß, ausser seiner unordentlichen Lebensart, der Verdruß den Marmor verloren zu haben, wohl die Ursache seines Todes gewesen sey. Denn als er vernommen hatte, daß ich obengedachtes Cruzifix in der Arbeit habe, so legte er auch eilig Hand an ein wenig Marmor, und machte jenes Bild der Mutter Gottes, den todten Sohn auf dem Schooße, wie man es in der Kirche der Verkündigung sieht; nun hatte ich mein Cruzifix nach Santa Maria Novella bestimmt, und schon die Haken befestigt, um es anzuhängen, nur verlangte ich, zu Füßen meines Bildes eine kleine Gruft, um nach meinem Tode darein gebracht zu werden. Darauf sagten mir die Geistlichen, sie könnten mir das nicht zugestehn, ohne von ihrem Bauherrn die Erlaubniß zu haben. Darauf sagte ich: warum verlangt ihr nicht erst die Erlaubniß des Bauherrn, um das Cruzifix aufstellen zu lassen? und laßt mich die Haken und andere Dinge dazu einrichten? Deshalb wollte ich auch dieser Kirche die Frucht meiner äussersten Bemühung nicht mehr überlassen, wenn gleich nachher die Werkmeister zu mir kamen und mich darum baten. Ich warf sogleich meine Gedanken auf die Kirche der Verkündigung, und als ich angezeigt, auf welche Bedingung ich mein Cruzifix dahin zu verehren gedächte, so waren die treflichen Geistlichen auf der Stelle willig und einig, daß ich es in ihre Kirche bringen, und mein Grab auf alle Weise, wie es mir gefalle, darinne zurichten sollte. Bandinello hatte dieses gemerkt, und eilte, sein Bild mit großem Fleiß zu vollenden. Auch verlangte er von der Herzogin, sie solle ihm die Capelle, welche dem Pazzi gehört hatte, verschaffen, die ihm auch, nicht ohne große Schwierigkeit, zu Theil wurde. Alsobald stellte er sein Werk hinein, das noch keineswegs fertig war, als er starb.

Da sagte die Herzogin: sie habe ihm im Leben geholfen, sie wolle ihm im Tode auch noch beystehn, und ob er gleich weg sey, sollte ich mir doch niemals Hoffnung machen den Marmor zu bearbeiten. Darauf erzählte mir Bernardone, der Mäkler, eines Tages als ich ihm begegnete: die Herzogin habe den Marmor weggegeben! Ich aber rief aus: unglücklicher Marmor! warlich, in den Händen des Bandinells wärest du übel gefahren, aber in den Händen des Ammanato wird dirs noch übler ergehen.

Ich hatte, wie oben gesagt, Befehl vom Herzog, ein Modell von Erde zum Neptun zu machen, so groß als er aus dem Marmor kommen könnte. Er hatte mich mit Holz und Thon versehen lassen, und ließ mir ein wenig Schirm in der Loge, wo mein Perseus stand, aufrichten. Auch bezahlte er mir einen Arbeiter. Ich legte mit allem möglichen Fleiße Hand ans Werk, machte das Gerippe von Holz, nach meiner guten Ordnung, und arbeitete glücklich vorwärts, ohne daran zu denken, daß ich ihn von Marmor machen wollte; denn ich wußte wohl, daß die Herzogin sich vorgesetzt hatte, mir ihn nicht zu überlassen. Und doch hatte ich Freude an der Arbeit, denn ich versprach mir, wenn die Herzogin mein Modell geendigt sehen würde, daß sie, als eine Person von Einsicht, es selbst bedauern würde, dem Marmor und sich selbst einen so ungeheuern Schaden zugefügt zu haben.

Noch verschiedene Künstler machten solche Modelle. Johann Fiammingo im Kloster Santa Croce, Vincencio Danti von Perugia, im Hause des Herrn Octavio Medici; der Sohn des Moshino zu Pisa fing auch eins an, und ein anderes machte Bartholomeo Ammanato in der Loge, die für uns getheilt wurde.

Da ich das Ganze gut broncirt hatte, und im Begriff war den Kopf zu vollenden, und man ihm schon ein wenig die letzte Hand ansah, kam der Herzog vom Pallaste herunter, mit Giorgetto dem Mahler, der ihn in den Raum des Ammanato geführt hatte, um ihm den Neptun zu zeigen, an welchem gedachter Girogetto, mehrere Tage, nebst Ammanato und allen seine Gesellen gearbeitet hatte. Indessen der Herzog das Modell ansah, war er damit, wie man mir erzählte, wenig zufrieden, und ob ihn gleich gedachter Georg mit vielem Geschwätz einnehmen wollte, schüttelte doch der Herzog den Kopf, und wandte sich zu seinem Herrn Stephan und sagte: geh’ und frage den Benvenuto, ob sein Koloß so weit vorwärts ist, daß ich einen Blick darauf werden könne. Herr Stephan richtete, sehr gefällig und gütig, den Auftrag des Herzogs aus, und sagte mir dazu: wenn ich glaubte, daß ich mein Werk noch nicht könne sehen lassen, so solle ich es frey sagen, denn der Herzog wisse wohl, daß ich wenig Hülfe bey einem so grossen Unternehmen gehabt habe. ich versetzte: daß er nach Belieben kommen möge, und obgleich mein Werk noch wenig vorwärts sey, so würde doch der Geist Seiner Excellenz hinlänglich beurtheilen, wie das Werk fertig aussehen könne. Das hinterbrachte gemeldeter Edelmann dem Herzog, welcher gerne kam, und sobald Seine Excellenz in den Verschlag trat, und die Augen auf mein Werk geworfen hatte, zeigte er sich sehr zufrieden damit; dann ging er rings herum, blieb an allen vier Ansichten stehen, nicht anders als der erfahrenste Künstler gethan hätte, dann ließ er viele Zeichen der Gebärden des Beyfalls sehen, und sagte nur: Benvenuto! du mußt ihm nun die letzte Oberhaut geben. Dann wendete er sich zu denen die bey ihm waren, und sagte viel Gutes von meinem Werke. Unter andern sprach er: das kleine Modell, das ich in seinem Hause gesehen habe, gefiel mir wohl, aber dieses Werk übertrift jenes weit.

(Die Fortsezung folgt.)

"]"]