HomeDie Horen1797 - Stück 9III. Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville. [V. Carloix]

III. Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville. [V. Carloix]

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Fortsetzung.

Sobald Vieilleville sich auf seinem Gut Durestal ganz erholt hatte, begab er sich gegen Ende des Jahrs 1557 nach Paris zum König, wo er diejenigen Anstalten verabredete, die sich in seinem Gouvernement von Mez nöthig machten; besonders suchte er die Garnison daselbst zu beruhigen, der man vier Monathe Sold schuldig und die deshalb zum Aufruhr sehr geneigt war. Diese aussenbleibende Zahlung sezte den unterdessen in Mez commandierenden Herrn von Sennecterre in grosse Verlegenheit, denn man hatte aus dieser Stadt zwölf Compagnien regulairer Truppen gezogen, um sie zu einer Expedition nach Neapel zu brauchen, und hatte dafür so viel von der Miliz von Champagne und Picardie, die undisciplinirtesten Truppen von der Welt, hineingelegt; ohne einige alte Officieren und ohne die Gensd’armes würde Herr von Sennecterre nicht mit ihnen fertig geworden seyn. Vieilleville schrieb indessen an den Großprofosen von Mez, unfehlbar genaue Untersuchungen über dieses tumultuarische Betragen anzustellen, und auch dabei die Capitaine, die dergleichen begünstiget, nicht zu verschonen, denn er wolle das Sprichwort: „Erst muß man den Hund, und dann den Löwen schlagen“ umkehren, und er habe es sich geschworen, die Löwen recht zu striegeln, damit die Hunde zittern und für Furcht umkommen möchten.

Vieilleville kam ganz unversehens eines Morgens mit siebenzig Pferden vor den Thoren von Mez an, welches die Schuldigen in grosses Schreken sezte. Der Großprofos fand sich sogleich mit seinem Untersuchungsgeschäft ein, und kurz darauf, nachdem auf verschiedenen Pläzen starke Detachements ausgestellt waren, wurden drei Capitains, die beschuldigt wurden, daß sie sich an der Person des Herrn von Sennecterre vergriffen, und auf seine Wache geschossen, vor ihn gebracht. Hier musten sie auf den Knieen Abbitte thun; der Scharfrichter war nicht weit entfernt, der ihnen sodann, nachdem sie in einen Keller geführet worden, die Köpfe abschlug. Diese Köpfe wurden an die drei Hauptplätze zum grossen Schreken der MilizTruppen, die unter dem Namen Legionaires dienten, aufgestekt. Sobald diese sich auch nur zeigten oder zusammentraten, um vielleicht Vorstellungen zu thun, wurden sie sogleich zurükgestossen, ja oft mit Kugeln abgewiesen. Hundert von diesen Soldaten hatten sich doch mit den Waffen auf einem Plaz versammelt. Vieilleville erfuhr es, und schikte sogleich den Sergeant-Major St. Chamans dahin ab mit einer zahlreichen Bedekung, um sie zu fragen, was sie da zu thun hätten. Sie waren so unklug, zu antworten, daß sie ihre Kameraden hier erwarteten, um Rechenschaft über ihre Capitains zu haben. Kaum hatten sie dies gesagt, so ließ St. Chamans eine solche Salve geben, daß vierzig bis fünfzig sogleich auf dem Plaze blieben, und die andern davon liefen, die jedoch alle arretirt und hingerichtet wurden. Die drei Lieutennants der enthaupteten Capitains fürchteten, es möchte auch an sie die Reihe kommen, liessen also Vieilleville um ihren Abschied bitten, denn sie konnten ohne diesen nicht aus den Thoren kommen, da sie sehr gut besezt waren. Er unterzeichnete ihn aber nicht, sondern ließ ihnen nur mündlich sagen, sie könnten gehen, wohin sie wollten; dergleichen Aufrührer brauchte weder der König, noch er. Sie machten sich sogleich auf und zogen zum Thor hinaus, hatten aber auch bei hundert Soldaten von ihrer Compagnie überredet, mitzugehen. Vieilleville erfuhr dieses und schikte sogleich ein Commando nach, und ließ alle niedermachen. Kaum durfte einer von den Legionaires sich regen, so wurde er bei dem Kopf genommen und zwar waren ihre Hauswirthe die ersten, welche die Schuldigen verriethen. Sie wurden dadurch so in Angst gebracht, daß sie nicht wusten, was sie thun sollten, bis man ihnen endlich rieth, sich an den Schwiegersohn von Vieilleville Herrn von Espinay zu wenden, um ihre Verzeihung zu erhalten, welches auch geschah, und Vieilleville ließ sie alle vor sich kommen, wo er ihnen noch eine grosse Strafpredigt hielt, und sie sodann aufstehen hieß, denn sie lagen alle vor ihm auf den Knieen. Diese Aussöhnung erregte eine grosse Freude, und das mit Recht, denn Vieilleville hatte schon die Idee, als er erfuhr, daß die Legionaires unter dem Herrn von Sennecterre zehen Tage lang nicht auf die Wache gezogen, und also die Stadt unbewacht gelassen, alle vor die Thore hinausrufen, sie da umzingeln und zusammenschiessen zu lassen. Vieilleville glaubte aber doch noch immer vorsichtig seyn zu müssen, und machte drei Monathe lang die Runden in der Stadt immer selbst, und das oft viermal die Woche. Einmal trift er einen Legionaire schlafend unter dem Gewehr an, den er sogleich mit den Worten niederstieß: er thue ihm nichts zu leid, denn er liesse ihn da, wie er ihn gefunden, und er solle wenigstens zum Exempel dienen, wenn er nicht zur Wache dienen wolle.

Vieilleville, nachdem er alles in Ordnung gebracht hatte, nahm sich nun vor, den Deutschen Thionville abzunehmen, und ließ sich deshalb in größter Eile und sehr geheim einen gewissen Hans Klauer von Trier kommen, dem er einmal das Leben geschenkt, und als einen tüchtigen Kerl hatte kennen lernen. Diesen beschenkte er sogleich, und suchte ihn zu seinen Projekten geschikt zu machen. Er versprach ihm noch überdieß eine Compagnie deutscher Reuter in des Königs Sold zu verschaffen, wenn er nach Thionville gieng, den ganzen Zustand des Orts und die Stärke der Besazung bis auf das Maaß der Gräben erforschte, und ihm in acht Tagen Nachricht gäbe. Nur solle er Morgens vor Tag aus einem, dem Weg nach Thionville entgegengesezten Thor gehen, an dem er sich selbst befinden wolle, um ihm zu sagen, was ihm allenfalls noch eingefallen wäre.

Hans Klauer brachte ihm auch in acht Tagen einen so umständlichen Bericht von Thionville, daß Vieilleville über seinen Fleiß und Geschicklichkeit ganz erstaunt war, und ihm sogleich eine Summe zustellte, mit der er nach Trier zurükgehen, und eine Compagnie Reuter aufrichten sollte; doch sollte sie durchgängig nur aus gebohrenen Deutschen bestehen. Diesen Bericht über Thionville ließ Vieilleville durch seinen Secretair Carloix sehr studieren, und gleichsam auswendig lernen, und schikte ihn zum König, damit er, wenn er vom Feinde würde aufgefangen werden, desto leichter durchkäme. Dieser traf den König in Amiens, und berichtete ihm, daß Vieilleville in sieben Tagen Thionville wegzunehmen sich anheischig mache, und da er wisse, daß alle Truppen nach Italien geschikt seyen, so wolle er sechs Regimenter Landsknechte und sieben Compagnien Reuter in Deutschland werben lassen; auch habe er dazu durch seinen Credit hunderttausend Livres irgendwo gefunden. Der König genehmigte alles sogleich, lobte Vieilleville sehr darüber, daß er immer wachsam, und in seinem Dienst geschäftig sey, wieß ihm die Einnahme der ganzen Provinz Champagne zu dieser Expedition an, und ernannte ihn zum Generallieutennant der Armee in Champagne, Lothringen, dem Lande Messin und Luxemburg. Die Werbung in Deutschland gieng so gut von statten, daß in kurzem die verlangten Regimenter marschieren konnten.

Sobald Vieilleville dieses erfuhr, zog er mit seiner Besazung aus Mez gegen Thionville, ließ die Truppen, welche zu Toul und Verdun in Besazung lagen, zu ihm stossen, und eröfnete, zu nicht geringem Erstaunen des Grafen von Carebbe, der in Thionville kommandierte, die Belagerung dieser Stadt. Gegen Luxemburg schikte er sechs Compagnien zu Fuß, um von Thionville aus mit dem Grafen von Mesgue die Communication zu verhindern. Jezt kam auch seine Artillerie an, die er in seinem Arsenal zu Mez hatte zurichten lassen; sie bestand aus zwölf Kanonen von starkem Caliber, aus zehen Feldschlangen von achtzehen Fuß lang, und auf andern leichten Stüken. Kurz darauf trafen auch die fremden Truppen ein, und alles dieses zusammen machte eine gar artige kleine Armee aus, denn es waren nur allein sechs junge deutsche Prinzen aus den Häusern Lüneburg, Simmern, Würtemberg u. a. dabei, die sich unter einem so grossen Meister in den Waffen versuchen wollten. Die ganze Armee mochte ungefähr aus zwölftausend Mann bestehen.

Unterdessen war der Herzog von Guise aus Italien zurükgekommen, und da der Connetable bei St. Quentin gefangen war, zum Generallieutenant von ganz Frankreich ernannt worden. Dieser bekam Nachricht von der Armee des Vieilleville, und schikte sogleich einen Courier an ihn ab, der eben ankam, als die Artillerie anfangen sollte gegen die Stadt zu spielen. Vieilleville bekam ein Schreiben des Inhalts, daß er warten möchte, indem der Herzog dabei seyn und die Entreprise führen wollte, wie es ihm als Generallieutenant von Frankreich zukäme.

Vieilleville war diese Dazwischenkunft höchst unangenehm, er ließ sich aber jedoch nichts merken, und sagte dem Courier, daß der Herzog von Guise willkommen seyn, und man ihm wie dem König gehorchen würde. Es wäre aber dem Unternehmen auf Thionville nichts so nachtheilig als der Verzug, und er sähe wohl voraus, daß die Verzögerung der Ankunft des Herzogs den Dienst des Königs bei dieser Sache nichts weniger als befördern würde. Der Courier versicherte ihn, daß er in zehen Tagen hier seyn würde. „Was“ sagte Vieilleville, „wenn er mir die Hände nicht gebunden hätte durch seinen Titel als Generallieutenant von ganz Frankreich, so stehe ich mit meinem Kopf dafür, ich wäre in zwei Stunden in Thionville und vielleicht in Luxemburg gewesen. Jetzt wird er vielleicht in drei Wochen nicht ankommen, und der Graf von Mesgue hat gute Zeit, sich in Luxemburg festzusetzen.“

Der Herzog von Guise kam auch wirklich erst in zwanzig Tagen an. Voraus schikte er den Großmeister der Artillerie nach Mez, um alles anzusehen. Dieser fand eine solche Ordnung und so hinreichende Maasregeln bei dieser Unternehmung, daß er öffentlich behauptete, der Herzog von Guise hätte wohl wegbleiben können, und es müsse einen Mann von Ehre sehr verdriesen, wenn die Prinzen ihnen kein Glük gönnten, und da, wo Ehre einzuerndten sey, gleich kämen, und ihnen die Frucht ihrer Mühe und Arbeit wegnähmen. Der Herzog hat gut hinunterschluken, rief er endlich ganz entrüstet aus, denn er findet alles vorgekaut. Als der Herzog die ganze Artillerie musterte, riefen Officiere zum grossen Gelächter: „Nur fort, vor Thionville, wo wir alle sterben wollen; es ist schon lange, daß wir Sie erwarten.“

Nun sollte Kriegsrath gehalten werden, wo der Ort am besten anzugreifen sei. Vieilleville sagte, daß er nicht so lange gewartet um dieses zu erfahren, und er zeigte ein kleines Türmchen, wo er auf sein Leben versicherte, daß dieses der schwächste Ort der Stadt sey. Allein der Marschall von Strozzy antwortete, daß man vorher die Meinung der andern Befehlshaber hören müsse. Sie versammelten sich daher aufs neue in der Wohnung des Herzogs. Als sie dahin giengen, nahm Herr von La Mark Vieillevillen bei Seite, und sagte ihm, daß er in dem Kriegsrath nicht auf seiner Meinung bestehen solle, denn der Herzog und Strozzy hätten schon beschlossen, Thionville an einem andern Ort anzugreifen, damit er die Ehre nicht haben sollte; auch sey der Herzog sehr aufgebracht, daß Vieilleville den Titel eines Generallieutenants über diese Armee ausgewirkt habe, denn er behauptete, es könne nur einen einzigen geben, und dieser sey er selbst.

In dem Kriegsrath stellte Strozzy nun vor, daß die Stadt von der Seite des Flusses, und nicht bei dem kleinen Thurm müsse angegriffen werden, welcher Meinung auch alle Anwesende beipflichteten, da sie Strozzy als einen vortreflichen und erfahrnen Feldherrn ansahen. Der Herzog fragte jedoch auch Vieillevillen darum, der dann antwortete, wenn er das Gegentheil behauptete, müsse er das ganze Conseil widerlegen, und er wolle sich nur dabei beruhigen, damit er in dem Dienst des Königs keinen Aufenthalt verursache.

Nun wurden die Kanonen aufgepflanzt und so gut bedient, daß in kurzer Zeit über dem Fluß die feindliche Artillerie zerschmettert wurde, und eine ansehnliche Bresche entstand; jezt triumphierte schon der Herzog und Strozzy, und es wurde mit Verachtung von dem Plan Vieilleville’s gesprochen. Ein Hauptsturm wurde angestellt, die Soldaten musten durch den Fluß waten, allein sie wurden bald abgewiesen, und konnten nicht einmal Handgemein werden, denn es fanden sich Schwierigkeiten mancher Art, die man nicht vorausgesehen hatte. Der Herzog und Strozzy waren sehr verlegen darüber; um aber doch ihren Plan auszuführen, liessen sie mit unendlicher Mühe die Kanonen über den Fluß bringen, und es gelang ihnen, sie bei der Bresche aufzuführen. Jezt aber entdekten sie, woran der Marschall nicht gedacht hatte, einen breiten Graben von vierzig Fuß Tiefe; diesen beim Sturmlaufen hinunter und wieder heraufzukommen, war unmöglich, und so geschah es sehr wunderbar, daß unsere Kanonen auf den Mauern standen, und wir doch nicht in die Stadt konnten.

Den sechzehnten Tag der Belagerung befahl Strozzy auch die Feldschlangen über den Fluß zu bringen, und die Stadt zusammenzuschiessen. Er wagte sich selbst so weit, daß er eine Musketenkugel in den Leib bekam, woran er nach einer halben Stunde starb. Der Herzog stand neben ihm, diesem sagte er: Beim Henker, mein Herr, der König verliert heute einen treuen Diener und Eure Gnaden auch. Der Herzog erinnerte ihn an sein Heil zu denken, und nannte ihm den Namen Jesus: „Was für einen Jesus führt Ihr mir hier an? Ich weiß nichts von Gott – mein Feuer ist aus – und als der Prinz seine Ermahnungen verdoppelte, und ihm sagte, daß er bald vor Gottes Angesicht seyn werde, antwortete er: „Nun beim T–! ich werde da seyn, wo alle anderen sind, die seit sechstausend Jahren gestorben,“ und mit diesen Worten verschied er. So endigte sich das Leben eines Mannes, der keine Religion hatte, wie er schon den Abend vorher, da er bei Vieilleville speiste, zu erkennen gab, als er anfieng zu fragen: und was machte Gott, ehe er die Welt schuf? worauf Vieilleville ganz bescheiden sagte: daß nichts davon in der heil. Schrift stehe, und da, wo sie nichts sagte, man auch nicht weiter forschen solle. Es ist eine ganz artige Sache, sagte Strozzy darauf, diese heil. Schrift, und sehr wohl erfunden, wenn sie nur wahr wäre. Worauf Vieilleville sich stellte, als wenn er die Colik hätte, und hinaus gieng, und ein Gelübde that, mit einem solchen Atheisten niemals etwas zu thun zu haben.

Jezt wendete sich der Herzog an Vieilleville, erinnerte ihn an sein Versprechen, das er dem König gethan, Thionville in sieben Tagen einzunehmen, und bat ihn, alles so auszuführen, wie er es für gut finde; er wolle sich in nichts mehr mengen. Nun fieng Vieilleville mit unermüdetem Fleiß auf seiner Seite die Trancheen an, ließ Artillerie von Mez kommen, und schon den dritten Tag wurde das kleine Thürmchen zusammengeschossen; den sechsten wagte man einen Generalsturm, Vieilleville an der Spize, allein er wurde abgeschlagen, und es blieben viele Leute dabei, unter andern auch Hans Klauer. Vieilleville wurde der Kamm oben an seinem Helm weggeschossen; nach einer kurzen Erhohlung aber nahm er neue Truppen, und sezte den Sturm so heftig fort, daß er mit dreißig Mann in die Stadt drang; Carebbe erschrak darüber, und kapitulierte sogleich. Die ganze Garnison und alle Einwohner musten den andern Morgen aus der Stadt ziehen, und es war erbärmlich anzusehen, wie Greise, Väter und Kinder, Kranke und Verwundete ihre Heimath verließen. Jedermann hatte Bedauern mit ihnen, nur der Herzog von Guise blieb hart dabei. In Thionville wurden nun französische Unterthanen gesezt, an welche die Häuser verkauft wurden; das daraus gelöste Geld stellte Vieilleville theils dem königlichen Schazmeister zu, theils belohnte er damit seine Soldaten, die ihm bei der Belagerung gute Dienste geleistet hatten. Er selbst behielt nichts davon, ob er gleich das gröste Recht daran hatte.

Er vermuthete immer, der König von Spanien werde vor Thionville kommen, und war fest entschlossen, diese Stadt zu behaupten, indem er es sich zur Ehre rechnete, gegen einen so mächtigen Monarchen, den Sohn Kaiser Carls des Fünften, zu fechten. Allein der König von Spanien zog mit einem beträchtlichen Heer gegen Amiens, der König von Frankreich ihm entgegen, und schikte Vieilleville deswegen den Befehl, ihm so viel Truppen als möglich zuzuschiken. Beide Heere, jedes von sechzig tausend Mann standen jezt gegen einander; beide Könige wünschten den Frieden, aber keiner wollte die ersten Vorschläge thun.

Vieilleville, der diese Verlegenheit in der Ferne merkte, schikte in der größten Stille, und ohne jemandes Wissen, einen sehr kühnen und beredten Mönch zum König von Spanien; dieser mußte ihm, als aus Eingebung Gottes, vom Frieden reden. Er wurde gnädig angehört, und ihm aufgetragen, eben diese Eingebungen dem König von Frankreich vorzutragen, und so wurde die Negotiation angefangen, wofür der König Vieillevillen den grösten Dank schuldig zu seyn glaubte, indem er auch hier durch seine Klugheit aus der Ferne hergewirkt, und so vieles Blut geschont habe, das durch eine Schlacht würde vergossen worden seyn.

Nachdem nun der Friede geschlossen worden, wünschte der König Vieillevillen zu sprechen, und er wurde beordert an den Hof zu kommen, wo er sehr gut empfangen wurde; besonders gefiel es der Königin sehr wohl, daß er nach der Belagerung von Thionville unter die deutschen Prinzen und Feldherren goldene Medaillen vertheilt habe, auf deren einer Seite des Königs und auf der andern Seite der Königin Brustbild vorgestellt war, und dieses leztere so gleichend, daß auch der berühmteste Künstler im Portraitieren damaliger Zeit, Namens Janet, dieses gestehen muste. Der König unterhielt sich oft und viel mit Vieilleville, und kam selbst darauf zu reden, daß der Herzog von Guise das Unternehmen auf Luxemburg, und die schnelle Eroberung von Thionville gehemmt habe. Auch fragte er nach dem kläglichen Ende des Marschalls Strozzy, wo aber Vieilleville als feiner Hofmann antwortete, daß man hier die Gnade Gottes obwalten lassen müsse und es nicht schiklich sein würde, dieses weiter zu verbreiten. Strozzy war nemlich nahe mit der Königin verwandt. Bei dieser Gelegenheit bekam Vieilleville das Brevet als Marschall von Frankreich, und der König machte ihm den Vorwurf, warum er ihm nicht sogleich um diese Charge geschrieben habe, als Strozzy gestorben, wo er sie dann gewiß ihm, und nicht dem Herrn von Thermes würde gegeben haben. Vieilleville antwortete darauf: daß er seinem König nicht zugemuthet hätte, so lange der Feldzug dauerte, diese Charge zu besezen, indem alle, die darauf Anspruch machten, sich hervorthun würden, um sie zu verdienen, hingegen von der Armee abgehen würden, wenn die Ernennung geschehen sey; wie dies auch wirklich nach der Ernennung des Herrn von Thermes der Fall war, wo zehen bis zwölf Grosse mit fast zweitausend Pferden die Armee verliessen.

Der König wünschte, daß Vieilleville den Friedensunterhandlungen mit Spanien in Chateau Cambresis beiwohnte, welches er auch that, und durch seine weisen Rathschläge es in kurzem so weit brachte, so daß sie den 7ten April 1559 abgeschlossen wurden, mit welcher Nachricht er selbst an den König geschikt wurde. Der König erklärte bei dieser Gelegenheit, daß Frankreich und ganz Europa, nach Gott, diesen Frieden niemand, als ihm schuldig sey, denn durch den Mönch habe er den ersten Anstoß geben lassen. Der Schazmeister mußte vierzehen Säke, jeden mit tausend Thalern bringen, wovon der König ihm zehen, und seinem Schwiegersohn und Neffen, Espinay und Thevalle, viere schenkte.

Kurz darauf trafen die Spanischen Gesandten in Paris ein, es befanden sich dabei ausser dem Herzog von Alba fünfzehn bis zwanzig Prinzen, denen einen ganzen Monat lang grosse Feten gegeben wurden. Während derselben suchte der Kardinal von Lothringen den König zu überreden, eine Sizung im Parlament zu halten, und ein Mercuriale daselbst anzustellen. Es hat dies den Namen von dem Mittwoch, (Dies Mercurii) weil an diesem Tag sich alle Präsidenten und Räthe gegen hundert bis hundert und zwanzig Personen in einem grossen Saal versammeln, um über die Sitten, und sowohl öffentliche als Privatlebensart dieses Gerichtshofes Untersuchung anzustellen. Der König sollte bei einer solchen Gelegenheit durch seinen Generalprocurator vortragen lassen, daß unter ihrem Corps manche sich befänden, deren Glauben verdächtig sey, und die der falsche Lehre Luthers anhiengen; man könne es schon daraus schliessen, daß alle die der Kezerei beschuldigt würden, losgesprochen, und kein einziger zum Tod verdammt würde. Und sollte dieses, sezte der Cardinal hinzu, „auch nur dazu dienen, dem König von Spanien zu zeigen, daß Ew. Majestät fest am Glauben halten, und daß sie in Ihrem Königreiche nichts dulden wollen, was Ihrem Titel als Allerchristlichster König entgegen ist. Es würde den Prinzen und Grossen Spaniens, die den Herzog von Alba hieher begleitet haben, um die Heurath ihres Königs mit Ew. Majestät Tochter zu feiern, ein sehr erbauliches Schauspiel seyn, ein halbes Dutzend Parlamentsräthe auf öffentlichem Plaz als lutherische Kezer verbrennen zu sehen.“ Der König verstand sich zu einer solchen Sizung und bestimmte sie gleich auf den andern Tag.

Vieillevillen, der als erster Kammerjunker in des Königs Zimmer schlief, sagte der König, was er vorhabe, worauf jener antwortete, daß der Kardinal und die Bischöffe dieses wohl tun könnten, für Se. Majestät schike es sich aber nicht; man müsse den Priestern überlassen, was nur eine Priestersache sey. Da der König demungeachtet bei seinem Vorhaben blieb, erzählte ihm Vieilleville, was einmals zwischen König Ludwig XI. und dem Marschall von Frankreich, Johann Rouault, vorgefallen. Ludwig der XI., bei welchem der Bischof von Angiers, sehr in Gnaden stand, befahl diesem nach Lyon zu gehen, und die sechstausend Italiäner in Empfang zu nehmen, die man ihm als Hilfstruppen zuschikte. Der Marschall, der zugegen war, und es übel aufnahm, daß man nicht an ihn dachte, stellte sich gleich darauf dem König mit dreißig bis fünfzig Edelleuten gestiefelt und gespornt vor, und fragte ganz trozig, ob Se. Majestät nichts nach Angiers zu befehlen habe. Der König fragte, was ihn so schnell und unvermuthet dahin führe? Der Marschall antwortete, daß er dort ein Capitel zu halten und Priester einzusezen habe, indem er eben sowohl den Bischof vorstellen könne, als der Bischof den General vorstelle. Der König schämte sich darüber, daß er die Ordnung so umgekehrt, ließ den Bischof, der schon auf der Reise war, wieder zurükrufen, und schikte den Marschall nach Lyon. Eben so, fuhr Vieilleville fort, müste der Kardinal, wenn Ew. Majestät die Geschäfte eines Theologen oder Inquisitors versähen, uns Soldaten lehren, wie man die Lanze bei Tournieren fällt, wie man zu Pferde sizen muß, wie man salutiert und rechts und links ausbeugt. Überdies wollten Ew. Majestät die Freude mit der Traurigkeit paaren? denn lezteres würde der Fall seyn, wenn solche blutige Hinrichtungen während der Hochzeitfeierlichkeiten vorfielen.

Der König nahm sich hierauf vor, nicht hinzugehen. Der Kardinal erfuhr es sogleich, und da er in der Nacht den König nicht sprechen konnte, versammelte er die ganze Geistlichkeit den andern Morgen mit dem frühesten bei dem König, und machten ihm die Hölle so heiß, daß er glaubte schon verdammt zu seyn, wenn er nicht hingienge, und der Zug sezte sich sogleich in Marsch. Bei der Sizung selbst vertheidigte einer der angeklagten Räthe Anne du Bourg seine Religion mit solchem Eifer und Festigkeit, daß der König sehr aufgebracht wurde; auch hörte er, als er durch die Strassen zurückgieng, vieles Murren, so daß er nachher gestand, wie es ihn sehr gereue, den Rath des Vieilleville nicht befolgt zu haben.

Den ersten Juni 1559 eröfnete der König das grosse Turnier, mit welchem die Vermählung der Prinzessin Elisabeth mit Philipp II. gefeiert wurde, und die Spanier zeigten sich bei dieser Gelegenheit besonders ungeschikt. Vieilleville hob sogar, was noch nie gehört worden, einen Spanier, der gegen ihn rannte, aus dem Sattel, und warf ihn über die Schranken mit einer unglaublichen Leichtigkeit und Geschiklichkeit. Um einigermassen von diesen körperlichen Anstrengungen in den Turnieren auszuruhen, gieng die Hochzeit der Madame Elisabeth mit dem König von Spanien, in dessen Namen der Herzog von Alba sie heuratete, vor. Die friedlichen Feierlichkeiten dauerten gegen acht Tage; der König brach sie ab, weil er leidenschaftlich das Turnieren liebte, und dieses wieder anfangen wollte.

Vieilleville rieth dem König davon ab, indem sich die französische Noblesse schon hinreichend gezeigt hätte, es jezt auch Zeit sey, an die Hochzeit des Herzogs von Savoyen mit Madame Margaretha, seiner Schwester, zu denken. Der König antwortete darauf, daß erst gegen Ende des Julius alles dazu bereit seyn könne, indem er Piemont, Savoyen und mehrere andere Besizungen bei dieser Gelegenheit abtreten wolle. Vieilleville war ganz erstaunt darüber, und sagte dem König offenherzig, wie er nicht begreifen könne, wegen einer Heurath Länder wegzugeben, die Frankreich mehr als vierzig Millionen und hunderttausend Menschen gekostet hätten. Einer königl. Prinzessin gäbe man höchstens hundert und fünfzigtausend Thaler mit, und wenn auch Madame Margaretha ihr Leben in einer Abtei endigte, so würde dieses nicht der erste und lezte Fall bei einer königl. Prinzessin seyn, die ohnedem schon vierzig Jahr alt sey. Der Connetable, der dieses alles statt seiner Ranzion verhandle, übe sein Recht wohl aus, denn man sage gewöhnlich, daß in einer grossen Noth ein Connetable den dritten Theil vom Königreich versezen dürfe.

Auf diese und mehrere Vorstellungen verwünschte der König die Stunde, daß er nicht mit Vieillevillen von dieser Sache gesprochen, und es sey jezt zu spät; er würde sich aber an den Connetable halten, der ihn zu diesen Schritten verleitet habe. Kurz darauf trat ein Edelmann herein, und brachte dem König die abgeschlossenen Artikel, worinnen bemerkt war, daß Frankreich das Marquisat Salucco behielt. Als der König dieses gelesen hatte, theilte er die Nachricht sogleich Vieillevillen mit, mit der Äußerung, daß sein Vater Unrecht gehabt, einen Fürsten seiner Länder zu berauben, und daß er als guter Christ und um die Seele seines Vaters zu retten, die Länder dem Herzog von Savoyen gerne herausgäbe. Wie Vieilleville sah, daß der König hier die Frömmigkeit und das Christenthum ins Spiel brachte, und seinen Vater sogar der Tyrannei beschuldigte, schwieg er und es reuete ihn, nur so viel gesagt zu haben.

(Der Beschluß folgt.)

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