HomeGeschichte des Abfalls der vereinigten NiederlandeBeilage: Belagerung von Antwerpen durch den Prinzen von Parma in den Jahren 1584 und 1585

Beilage: Belagerung von Antwerpen durch den Prinzen von Parma in den Jahren 1584 und 1585

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Es ist ein anziehendes Schauspiel, den menschlichen Erfindungsgeist mit einem mächtigen Elemente im Kampfe zu erblicken und Schwierigkeiten, welche gemeinen Fähigkeiten unübersteiglich sind, durch Klugheit, Entschlossenheit und einen standhaften Willen besiegt zu sehen. Weniger anziehend, aber desto belehrender ist das Schauspiel des Gegentheils, wo der Mangel jener Eigenschaften alle Anstrengungen des Genies vereitelt, alle Gunst der Zufälle fruchtlos macht und, weil er ihn nicht zu benutzen weiß, einen schon entschiedenen Erfolg vernichtet. Beispiele von beidem liefert uns die berühmte Blocade der Stadt Antwerpen durch die Spanier beim Ablauf des sechzehnten Jahrhunderts, welche dieser blühenden Handelsstadt ihren Wohlstand unwiederbringlich raubte, dem Feldherrn hingegen, der sie unternahm und ausführte, einen unsterblichen Namen erwarb.

Zwölf Jahre schon dauerte der Krieg, durch welchen die nördlichen Provinzen Belgiens anfangs bloß ihre Glaubensfreiheit und ständischen Privilegien gegen die Eingriffe des spanischen Statthalters, zuletzt aber die Unabhängigkeit ihres Staats von der spanischen Krone zu behaupten strebten. Nie völlig Sieger, aber auch nie ganz besiegt, ermüdeten sie die spanische Tapferkeit durch langwierige Kriegsoperationen auf einem ungünstigen Boden und erschöpften den Herrn beider Indien, indem sie selbst Bettler hießen und es zum Theil wirklich waren. Zwar hatte sich der Gentische Bund wieder aufgelöst, der die sämmtlichen, sowohl katholischen als protestantischen Niederlande in einen gemeinschaftlichen und, wenn er hätte Bestand haben können, unüberwindlichen Körper verband; aber anstatt dieser unsichern und unnatürlichen Verbindung waren die nördlichen Provinzen im Jahre 1579 in eine desto engere Union zu Utrecht getreten, von der sich eine längere Dauer erwarten ließ, da sie durch ein gleiches Staats- und Religions-Interesse geknüpft und zusammengehalten wurde. Was die neue Republik durch diese Trennung von den katholischen Provinzen an Umfang verloren, das hatte sie an Innigkeit der Verbindung, an Einheit der Unternehmungen, an Energie der Ausführung gewonnen, und ein Glück war es für sie, bei Zeiten zu verlieren, was mit Aufwendung aller Kräfte doch niemals hätte behauptet werden können.

Der größte Theil der wallonischen Provinzen war, bald freiwillig, bald durch die Waffen bezwungen, im Jahr 1584 unter die Herrschaft der Spanier zurückgekehrt; nur in den nördlichen Gegenden hatten sie noch immer nicht festen Fuß fassen können. Selbst ein beträchtlicher Theil von Brabant und Flandern widerstand noch hartnäckig den Waffen des Herzogs Alexander von Parma, der die innere Regierung der Provinzen und das Obercommando der Armee mit eben so viel Kraft als Klugheit verwaltete und durch eine Reihe von Siegen den spanischen Namen aufs neue in Ansehen gebracht hatte. Die eigentümliche Organisation des Landes, welche den Zusammenhang der Städte unter einander und mit der See durch so viele Flüsse und Canäle begünstigt, erschwerte jede Eroberung, und der Besitz eines Platzes konnte nur durch den Besitz eines andern errungen werden. Solange diese Communication nicht gehemmt war, konnten Holland und Seeland mit leichter Mühe ihre Bundsverwandten schützen und zu Wasser sowohl als zu Lande mit allen Bedürfnissen reichlich versorgen, daß alle Tapferkeit nichts half und die Truppen des Königs durch langwierige Belagerungen vergeblich aufgerieben wurden.

Unter allen Städten Brabants war Antwerpen die wichtigste, sowohl durch ihren Reichthum, ihre Volksmenge und ihre Macht, als durch ihre Lage an dem Ausfluß der Schelde. Diese große und menschenreiche Stadt, die in diesem Zeitraum über achtzigtausend Einwohner zählte, war eine der thätigsten Teilnehmerinnen an dem niederländischen Staatenbunde und hatte sich im Laufe dieses Kriegs durch einen unbändigen Freiheitssinn vor allen Städten Belgiens ausgezeichnet. Da sie alle drei christlichen Kirchen in ihrem Schooße hegte und dieser uneingeschränkten Religionsfreiheit einen großen Theil ihres Wohlstandes verdankte, so hatte sie auch bei weitem am meisten von der spanischen Herrschaft zu befürchten, welche die Religionsfreiheit aufzuheben und durch die Schrecken des Inquisitionsgerichts alle protestantischen Kaufleute von ihren Märkten zu verscheuchen drohte. Die Brutalität spanischer Besatzungen kannte sie überdies schon aus einer schrecklichen Erfahrung, und es war leicht vorherzusehen, daß sie sich dieses unerträglichen Joches, wenn sie es einmal sich hatte auflegen lassen, im ganzen Laufe des Kriegs nicht mehr entledigen würde.

So große Ursachen aber die Stadt Antwerpen hatte, die Spanier aus ihren Mauern entfernt zu halten, so wichtige Gründe hatte der spanische Feldherr, sich derselben, um welchen Preis es auch sei, zu bemächtigen. An dem Besitz dieser Stadt hing gewissermaßen der Besitz des ganzen brabantischen Landes, welches sich größtenteils durch diesen Canal mit Getreide aus Seeland versorgte, und durch Einnahme derselben versicherte man sich zugleich die Herrschaft der Schelde. Dem brabantischen Bunde, der in dieser Stadt seine Versammlungen hielt, wurde mit derselben seine wichtigste Stütze entzogen, der gefährliche Einfluß ihres Beispiels, ihrer Ratschläge, ihres Geldes auf die ganze Partei gehemmt und in den Schätzen ihrer Bewohner den Kriegsbedürfnissen des Königs eine reiche Hilfsquelle aufgethan. Der Fall derselben mußte früher oder später den Fall des ganzen Brabants nach sich ziehen, und das Uebergewicht der Macht in diesen Gegenden entscheidend auf die Seite des Königs neigen. Durch die Stärke dieser Gründe bewogen, zog der Herzog von Parma im Julius 1584 seine Macht zusammen und rückte von Dornick, wo er stand, in ihre Nachbarschaft heran, in der Absicht, sie zu belagern.

Aber sowohl die Lage als die Befestigung dieser Stadt schienen jedem Angriffe Trotz zu bieten. Von der brabantischen Seite mit unersteiglichen Werken und wasserreichen Gräben umschlossen, von der flandrischen durch den breiten und reißenden Strom der Schelde gedeckt, konnte sie mit stürmender Hand nicht bezwungen werden; und eine Stadt von diesem Umfange einzuschließen, schien eine dreimal größere Landmacht, als der Herzog beisammen hatte, und noch überdies eine Flotte zu erfordern, die ihm gänzlich fehlte. Nicht genug, daß ihr der Strom, von Gent aus, alle Bedürfnisse im Ueberfluß zuführte, so öffnete ihr der nämliche Strom noch einen leichten Zusammenhang mit dem angrenzenden Seeland. Denn da sich die Fluth der Nordsee bis weit hinein in die Schelde erstreckt und den Lauf derselben periodisch umkehrt, so genießt Antwerpen den ganz eigentümlichen Vortheil, daß ihr der nämliche Fluß zu verschiedenen Zeiten in zwei entgegengesetzten Richtungen zuströmt. Dazu kam, daß die umliegenden Städte Brüssel, Mecheln, Gent, Dendermonde und andere dazumal noch alle in den Händen des Bundes waren und auch von der Landseite die Zufuhr erleichtern konnten. Es bedurfte also zwei verschiedener Heere an beiden Ufern des Stroms, um die Stadt zu Lande zu blokieren und ihr den Zusammenhang mit Flandern und Brabant abzuschneiden; es bedurfte zugleich einer hinlänglichen Anzahl von Schiffen, um die Schelde sperren und alle Versuche, die von Seeland aus zum Entsatz derselben unfehlbar gemacht werden würden, vereiteln zu können. Aber die Armee des Herzogs war durch den Krieg, den er noch in andern Distrikten zu führen hatte, und durch die vielen Besatzungen, die er in den Städten und Festungen hatte zurücklassen müssen, bis auf zehntausend Mann Fußvolk und siebenhundert Pferde geschmolzen, eine viel zu geringe Macht, um zu einer Unternehmung von diesem Umfange hinzureichen. Noch dazu fehlte es diesen Truppen an dem Notwendigsten, und das Ausbleiben des Soldes hatte sie längst schon zu einem geheimen Murren gereizt, welches stündlich in eine offenbare Meuterei auszubrechen drohte. Wenn man sich endlich trotz aller dieser Hindernisse an die Belagerung wagte, so hatte man alles von den feindlichen Festungen zu befürchten, die man im Rücken ließ, und denen es ein Leichtes sein mußte, durch lebhafte Ausfälle eine so sehr vertheilte Armee zu beunruhigen und durch Abschneidung der Zufuhr in Mangel zu versetzen.

Alle diese Gründe machte der Kriegsrath geltend, dem der Herzog von Parma sein Vorhaben jetzt eröffnete. So groß auch das Vertrauen war, das man in sich selbst und in die erprobte Fähigkeit eines solchen Heerführers setzte, so machten doch die erfahrensten Generale kein Geheimniß daraus, wie sehr sie an einem glücklichen Ausschlag verzweifelten. Nur zwei ausgenommen, welche die Kühnheit ihres Muths über jede Bedenklichkeit hinwegsetzte, Capizucchi und Mondragon, widerriefen alle ein so mißliches Wagestück, wobei man Gefahr lief, die Frucht aller vorigen Siege und allen erworbenen Kriegsruhm zu verscherzen.

Aber Einwürfe, welche er sich selbst schon gemacht und auch schon beantwortet hatte, konnten den Herzog von Parma in seinem Vorsatz nicht wankend machen. Nicht aus Unwissenheit der damit verknüpften Gefahren, noch aus leichtsinniger Ueberschätzung seiner Kräfte hatte er den kühnen Anschlag gefaßt. Jener genialische Instinkt, der den großen Menschen auf Bahnen, die der kleine entweder nicht betritt, oder nicht endigt, mit glücklicher Sicherheit leitet, erhob ihn über alle Zweifel, die eine kalte, aber eingeschränkte Klugheit ihm entgegenstellte, und ohne seine Generale überzeugen zu können, erkannte er die Wahrheit seiner Berechnung in einem dunkeln, aber darum nicht weniger sichern Gefühl. Eine Reihe glücklicher Erfolge hatte seine Zuversicht erhoben, und der Blick auf seine Armee, die an Mannszucht, Uebung und Tapferkeit in dem damaligen Europa nicht ihres Gleichen hatte und von einer Auswahl der trefflichsten Officiere commandirt wurde, erlaubte ihm keinen Augenblick, der Furcht Raum zu geben. Denen, welche ihm die geringe Anzahl seiner Truppen entgegensetzten, gab er zur Antwort, daß an einer noch so langen Pike doch nur die Spitze tödte, und daß es bei militärischen Unternehmungen mehr auf die Kraft ankomme, welche bewege, als auf die Masse, welche zu bewegen sei. Er kannte zwar den Mißmuth seiner Truppen, aber er kannte auch ihren Gehorsam; und dann hoffte er ihren Privatbeschwerden am besten dadurch zu begegnen, daß er sie durch eine wichtige Unternehmung beschäftigte, durch den Glanz derselben ihre Ruhmbegierde, und durch den hohen Preis, den die Eroberung einer so begüterten Stadt versprach, ihre Habsucht erregte.

In dem Plane, den er nun zur Belagerung entwarf, suchte er allen jenen mannigfaltigen Hindernissen mit Nachdruck zu begegnen. Die einzige Macht, durch welche man hoffen konnte die Stadt zu bezwingen, war der Hunger; und diesen furchtbaren Feind gegen sie aufzuregen, mußten alle Zugänge zu Wasser und zu Land verschlossen werden. Um ihr fürs erste jeden Zufluß von Seeland aus, wenn auch nicht ganz abzuschneiden, doch zu erschweren, wollte man sich aller der Basteien bemächtigen, welche die Antwerper an beiden Ufern der Schelde zur Beschützung der Schifffahrt angelegt hatten, und, wo es anging, neue Schanzen aufwerfen, von denen aus die ganze Länge des Stroms beherrscht werden könnte. Damit aber die Stadt nicht unterdessen von dem innern Lande die Bedürfnisse ziehen möchte, die man ihr von der Seeseite abzuschneiden suchte, so sollten alle umliegenden Städte Brabants und Flanderns in den Plan der Belagerung mit verwickelt und der Fall Antwerpens auf den Fall aller dieser Plätze gegründet werden. Ein kühner und, wenn man die eingeschränkte Macht des Herzogs bedenkt, beinahe ausschweifender Entwurf, den aber das Genie seines Urhebers rechtfertigte und das Glück mit einem glänzenden Ausgang krönte.

Weil aber Zeit erfordert wurde, einen Plan von diesem Umfang in Erfüllung zu bringen, so begnügte man sich einstweilen, an den Kanälen und Flüssen, welche Antwerpen mit Dendermonde, Gent, Mecheln, Brüssel und andern Plätzen in Verbindung setzen, zahlreiche Basteien anzulegen und dadurch die Zufuhr zu erschweren. Zugleich wurden in der Nähe dieser Städte und gleichsam an den Thoren derselben spanische Besatzungen einquartiert, welche das platte Land verwüsteten und durch ihre Streifereien die Gegenden umher unsicher machten. So lagen um Gent allein gegen dreitausend Mann herum und nach Verhältnis um die übrigen. Auf diese Art und vermittelst der geheimen Verständnisse, die er mit den katholisch gesinnten Einwohnern derselben unterhielt, hoffte der Herzog, ohne sich selbst zu schwächen, diese Städte nach und nach zu erschöpfen und durch die Drangsale eines kleinen, aber unaufhörlichen Krieges, auch ohne eine förmliche Belagerung, endlich zur Übergabe zu bringen.

Unterdessen wurde die Hauptmacht gegen Antwerpen selbst gerichtet, welches der Herzog nunmehr mit seinen Truppen gänzlich umzingeln ließ. Er selbst nahm seine Stellung zu Bevern in Flandern, wenige Meilen von Antwerpen, wo er ein verschanztes Lager bezog. Das flandrische Ufer der Schelde wurde dem Markgrafen von Rysburg, General der Reiterei, das brabantische dem Grafen Peter Ernst von Mansfeld übergeben, zu welchem noch ein anderer spanischer Anführer, Mondragon, stieß. Die beiden Letztern passierten die Schelde glücklich auf Pontons, ohne daß das Antwerpische Admiralschiff, welches ihnen entgegen geschickt wurde, es verhindern konnte, kamen hinter Antwerpen herum und nahmen bei Stabroek, im Lande Bergen, ihren Posten. Einzelne detaschierte Corps verteilten sich längs der ganzen brabantischen Seite, um theils die Dämme zu besetzen, theils die Pässe zu Lande zu versperren.

Einige Meilen unterhalb Antwerpen wird die Schelde durch zwei starke Forts vertheidigt, wovon das eine zu Liefkenshoek, auf der Insel Doel in Flandern, das andere zu Lillo, gerade gegenüber auf dem brabantischen Ufer liegt. Das letzte hatte Mondragon selbst ehemals auf Befehl des Herzogs von Alba erbauen müssen, als dieser noch in Antwerpen den Meister spielte, und eben darum wurde ihm jetzt auch der Angriff desselben von dem Herzog von Parma anvertraut. Von dem Besitz dieser beiden Forts schien der ganze Erfolg der Belagerung abzuhängen, weil alle Schiffe, die von Seeland nach Antwerpen segeln, unter den Kanonen derselben vorbeiziehen müssen. Beide Forts hatten die Antwerper auch kurz vorher befestigt, und mit dem erstern waren sie noch nicht ganz zu Stande, als der Markgraf von Rysburg es angriff. Die Geschwindigkeit, mit der man zu Werke ging, überraschte die Feinde, ehe sie zur Gegenwehr hinlänglich bereitet waren, und ein Sturm, den man auf Lieskenshoek wagte, brachte diese Festung in spanische Hände. Dieser Verlust traf die Verbundenen an demselben unglücklichen Tage, wo der Prinz von Oranien zu Delft durch Mörderhände fiel. Auch die übrigen Schanzen, welche auf der Insel Doel angelegt waren, wurden theils freiwillig von ihren Verteidigern verlassen, theils durch Ueberfall weggenommen, so daß in kurzem das ganze flandrische Ufer von Feinden gereinigt war. Aber das Fort zu Lillo auf dem brabantischen Ufer leistete einen desto lebhaftern Widerstand, weil man den Antwerpern Zeit gelassen hatte, es zu befestigen und mit einer tapfern Besatzung zu versehen. Wüthende Ausfälle der Belagerten unter der Anführung Odets von Teligny vernichteten, von den Kanonen der Festung unterstützt, alle Werke der Spanier, und eine Ueberschwemmung, welche man durch Eröffnung der Schleußen bewirkte, verjagte sie endlich nach einer drei Wochen langen Belagerung und mit einem Verluste von fast zweitausend Todten von dem Platze. Sie zogen sich nun in ihr festes Lager bei Stabroek und begnügten sich, von den Dämmen Besitz zu nehmen, welche das niedrige Land von Bergen durchschneiden und der eindringenden Oster-Schelde eine Brustwehr entgegensetzen.

Der fehlgeschlagene Versuch auf das Fort Lillo veränderte die Maßregeln des Herzogs von Parma. Da es auf diesem Wege nicht gelingen wollte, die Schifffahrt auf der Schelde zu hindern, wovon doch der ganze Erfolg der Belagerung abhing, so beschloß er, den Strom durch eine Brücke gänzlich zu sperren. Der Gedanke war kühn, und Viele waren, die ihn für abenteuerlich hielten. Sowohl die Breite des Stroms, welche in diesen Gegenden über zwölfhundert Schritte beträgt, als die reißende Gewalt desselben, die durch die Fluth des nahen Meeres noch verstärkt wird, schienen jeden Versuch dieser Art unausführbar zu machen; dazu kam der Mangel an Bauholz, an Schiffen, an Werkleuten, und dann die gefährliche Stellung zwischen der antwerpischen und seeländischen Flotte, denen es ein Leichtes sein mußte, in Verbindung mit einem stürmischen Element eine so langwierige Arbeit zu stören. Aber der Herzog von Parma kannte seine Kräfte, und seinen entschlossenen Muth konnte nur das Unmögliche bezwingen. Nachdem er sowohl die Breite als die Tiefe des Stroms hatte ausmessen lassen und mit zweien seiner geschicktesten Ingenieurs, Barocci und Plato, darüber zu Rath gegangen war, fiel der Schluß dahin aus, die Brücke zwischen Calloo in Flandern und Ordam in Brabant zu erbauen. Man erwählte diese Stelle deßwegen, weil der Strom hier die wenigste Breite hat und sich etwas zur Rechten krümmt, welches die Schiffe aufhält und sie nöthigt, den Wind zu verändern. Zu Bedeckung der Brücke wurden an beiden Enden derselben starke Basteien aufgeführt, wovon die eine auf dem flandrischen Ufer das Fort St. Maria, die andre auf dem brabantischen dem König zu Ehren das Fort St. Philipp genannt wurde.

Indem man im spanischen Lager zu Ausführung dieses Vorhabens die lebhaftesten Anstalten machte und die ganze Aufmerksamkeit des Feindes dahin gerichtet war, that der Herzog einen unerwarteten Angriff auf Dendermonde, eine sehr feste Stadt zwischen Gent und Antwerpen, wo sich die Dender mit der Schelde vereinigt. So lange dieser bedeutende Platz noch in feindlichen Händen war, konnten die Städte Gent und Antwerpen einander gegenseitig unterstützen und durch ihre leichte Communication alle Bemühungen der Belagerer vereiteln. Die Eroberung derselben gab dem Herzoge freie Hand gegen beide Städte und konnte für das ganze Glück seiner Unternehmung entscheidend werden. Die Schnelligkeit, mit der er sie überfiel, ließ den Belagerten keine Zeit, ihre Schleußen zu eröffnen und das Land umher unter Wasser zu setzen. Die Haupt-Bastei der Stadt vor dem Brüsseler Thore wurde sogleich heftig beschossen, aber das Feuer der Belagerten richtete unter den Spaniern eine große Niederlage an. Anstatt dadurch abgeschreckt zu werden, wurden sie nur desto hitziger, und der Hohn der Besatzung, welche die Bildsäule eines Heiligen vor ihren Augen verstümmelte und unter den schnödesten Mißhandlungen von der Brustwehr herabstürzte, setzte sie vollends in Wuth. Sie drangen mit Ungestüm darauf, gegen die Bastei geführt zu werden, ehe noch hinlänglich Bresche geschossen war, und der Herzog, um dieses erste Feuer zu benutzen, erlaubte den Sturm. Nach einem zweistündigen mörderischen Gefecht war die Brustwehr erstiegen, und was der erste Grimm der Spanier nicht aufopferte, warf sich in die Stadt. Diese war nun zwar dem feindlichen Feuer stärker ausgesetzt, welches von dem eroberten Walle auf sie gerichtet wurde; aber ihre starken Mauern und der breite wasserreiche Graben, der sie rings umgab, ließen wohl einen langen Widerstand befürchten. Der unternehmende Geist des Herzogs von Parma besiegte in kurzem auch diese Schwierigkeit. Indem Tag und Nacht das Bombardement fortgesetzt wurde, mußten die Truppen ohne Unterlaß arbeiten, die Dender abzuleiten, von welcher der Stadtgraben sein Wasser erhielt; und Verzweiflung ergriff die Belagerten, als sie das Wasser ihres Grabens, diese einzige noch übrige Schutzwehr der Stadt, allmählich verschwinden sahen. Sie eilten, sich zu ergeben, und empfingen im August 1584 spanische Besatzung. In einem Zeitraum von nicht mehr als eilf Tagen war diese Unternehmung ausgeführt, zu welcher nach dem Urtheil der Sachverständigen eben so viele Wochen erforderlich geschienen.

Die Stadt Gent, nunmehr von Antwerpen und von der See abgeschnitten, von den Truppen des Königs, die in ihrer Nähe campirten, immer stärker und stärker bedrängt und ohne alle Hoffnung eines nahen Entsatzes, gab jetzt ihre Rettung auf und sah den Hunger nebst seinem ganzen Gefolge mit schrecklichen Schritten sich nähern. Sie schickte daher Abgeordnete in das spanische Lager zu Bevern, um sich dem König auf die nämlichen Bedingungen zu unterwerfen, die ihr der Herzog einige Zeit vorher vergeblich angeboten hatte. Man erklärte den Abgeordneten, daß die Zeit der Verträge vorbei sei, und daß nur eine unbedingte Unterwerfung den erzürnten Monarchen besänftigen könne. Ja, man ließ sie sogar befürchten, daß man dieselbe Demütigung von ihnen verlangen würde, zu welcher ihre rebellischen Vorfahren unter Karln dem Fünften sich hatten verstehen müssen, nämlich halb nackt und mit einem Strick um den Hals um Gnade zu flehen. Trostlos reisten die Abgeordneten zurück, aber schon am dritten Tage erschien eine neue Gesandtschaft, welche endlich, auf die Fürsprache eines Freundes von dem Herzog von Parma, der in Gentischer Gefangenschaft war, noch unter erträglichen Bedingungen den Frieden zu Stande brachte. Die Stadt mußte eine Geldbuße von zweimalhunderttausend Gulden erlegen, die verjagten Papisten zurückrufen und ihre protestantischen Bewohner vertreiben; doch wurde den Letztern eine Frist von zwei Jahren vergönnt, um ihre Sachen in Ordnung zu bringen. Alle Einwohner, bis auf sechs, die man zur Strafe auszeichnete, aber nachher doch noch begnadigte, erhielten Verzeihung, und der Garnison, die aus zweitausend Mann bestand, wurde ein ehrenvoller Abzug bewilligt. Dieser Vergleich kam im September desselben Jahres im Hauptquartier zu Bevern zu Stande, und unmittelbar darauf rückten dreitausend Mann spanischer Truppen zur Besatzung ein.

Mehr durch die Furcht seines Namens und durch den Schrecken des Hungers, als durch seine gewaffnete Macht, hatte der Herzog von Parma diese Stadt bezwungen, die größte und festeste in den Niederlanden, die an Umfang der inneren Stadt Paris nichts nachgibt, siebenunddreißigtausend Häuser zählt und aus zwanzig Inseln besteht, die durch acht und neunzig steinerne Brücken verbunden werden. Glänzende Privilegien, welche diese Stadt im Laufe mehrerer Jahrhunderte von ihren Beherrschern zu erringen gewußt hatte, nährten in ihren Bürgern den Geist der Unabhängigkeit, der nicht selten in Trotz und Frechheit ausartete und mit den Maximen der österreichisch-spanischen Regierung in einen sehr natürlichen Streit gerieth. Eben dieser muthige Freiheitssinn verschaffte auch der Reformation ein schnelles und ausgebreitetes Glück in dieser Stadt, und beide Triebfedern verbunden führten alle jene stürmischen Auftritte herbei, durch welche sich dieselbe im Laufe des niederländischen Krieges zu ihrem Unglück auszeichnete. Außer den Geldsummen, die der Herzog von Parma jetzt von der Stadt erhob, fand er in ihren Mauern noch einen reichen Vorrath von Geschütz, von Wagen, Schiffen und allerlei Baugeräthe, nebst der erforderlichen Menge von Werkleuten und Matrosen, wodurch er in seiner Unternehmung gegen Antwerpen nicht wenig gefördert wurde.

Noch ehe Gent an den König überging, waren die Städte Vilvorden und Herentals in die Hände der Spanier gefallen, auch die Blockhäuser unweit dem Flecken Willebroek von ihnen besetzt worden, wodurch Antwerpen von Brüssel und Mecheln abgeschnitten wurde. Der Verlust aller dieser Plätze, der in so kurzer Zeit erfolgte, entriß den Antwerpern jede Hoffnung eines Succurses aus Brabant und Flandern und schränkte alle ihre Aussichten auf den Beistand ein, der aus Seeland erwartet wurde, und welchen zu verhindern der Herzog von Parma nunmehr die ernstlichsten Anstalten machte.

Die Bürger Antwerpens hatten den ersten Bewegungen des Feindes gegen ihre Stadt mit der stolzen Sicherheit zugesehen, welche der Anblick ihres unbezwingbaren Stroms ihnen einflößte. Diese Zuversicht wurde auch gewissermaßen durch das Urtheil des Prinzen von Oranien gerechtfertigt, der auf die erste Nachricht von dieser Belagerung zu verstehen gab, daß die spanische Macht an den Mauern Antwerpens sich zu Grunde richten werde. Um jedoch nichts zu versäumen, was zu Erhaltung dieser Stadt dienen konnte, berief er, kurze Zeit vor seiner Ermordung, den Bürgermeister von Antwerpen, Philipp Marnix von St. Aldegonde, seinen vertrauten Freund, zu sich nach Delft, wo er mit demselben wegen Verteidigung Antwerpens Abrede nahm. Sein Rath ging dahin, den großen Damm zwischen Sanvliet und Lillo, der Blaauwgarendyk genannt, unverzüglich schleifen zu lassen, um die Wasser der Oster-Schelde, sobald es noth thäte, über das niedrige Land von Bergen ausgießen und den seeländischen Schiffen, wenn etwa die Schelde gesperrt würde, durch die überschwemmten Felder einen Weg zu der Stadt eröffnen zu können. Aldegonde hatte auch wirklich nach seiner Zurückkunft den Magistrat und den größten Theil der Bürger bewogen, in diesen Vorschlag zu willigen, als die Zunft der Fleischer dagegen aufstand und sich beschwerte, daß ihr dadurch die Nahrung entzogen würde, denn das Feld, welches man unter Wasser setzen wollte, war ein großer Strich Weideland, auf welchem jährlich gegen zwölftausend Ochsen gemästet wurden. Die Zunft der Fleischer behielt die Oberhand und wußte die Ausführung jenes heilsamen Vorschlags so lange zu verzögern, bis der Feind die Dämme mit sammt dem Weideland in Besitz genommen hatte.

Auf den Antrieb des Bürgermeisters St. Aldegonde, der, selbst ein Mitglied der Staaten Brabants, bei denselben in großem Ansehen stand, hatte man noch vor Ankunft der Spanier die Festungswerke an beiden Ufern der Schelde in bessern Stand gesetzt und um die Stadt herum viele neue Schanzen errichtet. Man hatte bei Saftingen die Dämme durchstochen und die Wasser der Wester-Schelde beinahe über das ganze Land Waes ausgegossen. In der angrenzenden Markgrafschaft Bergen wurden von dem Grafen von Hohenlohe Truppen geworben, und ein Regiment Schottländer unter der Anführung des Obersten Morgan stand bereits im Solde der Republik, während daß man neue Subsidien aus England und Frankreich erwartete. Vor allem aber wurden die Staaten von Holland und Seeland zu der schleunigsten Hilfsleistung aufgefordert. Nachdem aber die Feinde an beiden Ufern des Stroms festen Fuß gefaßt hatten und durch das Feuer aus ihren Schanzen die Schifffahrt gefährlich machten, nachdem im Brabantischen ein Platz nach dem andern in ihre Hände fiel und ihre Reiterei alle Zugänge von der Landseite sperrte, so stiegen endlich bei den Einwohnern Antwerpens ernstliche Besorgnisse wegen der Zukunft auf. Die Stadt zählte damals fünfundachtzigtausend Seelen, und nach den angestellten Berechnungen wurden zum Unterhalt derselben jährlich dreimalhunderttausend Viertel oder Centner Getreide erfordert. Einen solchen Vorrath aufzuschütten, fehlte es beim Anfange der Belagerung keineswegs weder an Lieferungen noch an Geld; denn trotz des feindlichen Geschützes wußten sich die seeländischen Proviantschiffe mit eintretender Meeresfluth Bahn zu der Stadt zu machen. Es kam also bloß darauf an, zu verhindern, daß nicht einzelne von den reichern Bürgern diese Vorräthe aufkauften und dann bei eintretendem Mangel sich zu Meistern des Preises machten. Ein gewisser Gianibelli aus Mantua, der sich in der Stadt niedergelassen und ihr in der Folge dieser Belagerung sehr erhebliche Dienste leistete, that zu diesem Ende den Vorschlag, eine Auflage auf den hundertsten Pfennig zu machen und eine Gesellschaft rechtlicher Männer zu errichten, welche für dieses Geld Getreide einkaufen und wöchentlich liefern sollte. Die Reichen sollten einstweilen dieses Geld vorschießen und dafür die eingekauften Vorräthe gleichsam als zu einem Pfande in ihren Magazinen anfbewahren, auch an dem Gewinn ihren Antheil erhalten. Aber dieser Vorschlag wollte den reichern Einwohnern nicht gefallen, welche einmal beschlossen hatten, von der allgemeinen Bedrängniß Vortheil zu ziehen. Vielmehr hielten sie dafür, daß man einem Jeden befehlen solle, sich für sich selbst auf zwei Jahre lang mit dem nöthigen Proviant zu versehen; ein Vorschlag, wobei sie sehr gut für sich, aber sehr schlecht für die ärmeren Einwohner sorgten, die sich nicht einmal auf so viele Monate vorsehen konnten. Sie erreichten dadurch zwar die Absicht, diese Letztern entweder ganz aus der Stadt zu jagen, oder von sich abhängig zu machen; als sie sich aber nachher besannen, daß in der Zeit der Noth ihr Eigenthum nicht respektiert werden dürfte, so fanden sie rathsam, sich mit dem Einkauf nicht zu beeilen.

Der Magistrat der Stadt, um ein Uebel zu verhüten, das nur Einzelne gedrückt haben würde, erwählte dafür ein anderes, welches dem Ganzen gefährlich wurde. Seeländische Unternehmer hatten eine ansehnliche Flotte mit Proviant befrachtet, welche sich glücklich durch die Kanonen der Feinde schlug und in Antwerpen landete. Die Hoffnung eines höheren Gewinns hatte die Kaufleute zu dieser gewagten Spekulation ermuntert; in dieser Erwartung aber fanden sie sich getäuscht, als sie ankamen, indem der Magistrat von Antwerpen um eben diese Zeit ein Edikt ergehen ließ, wodurch der Preis aller Lebensmittel beträchtlich herabgesetzt wurde. Um zugleich zu verhindern, daß Einzelne nicht die ganze Ladung aufkaufen und, um sie nachher desto theurer loszuschlagen, in ihren Magazinen aufschütten möchten, so verordnete er, daß alles aus freier Hand von den Schiffen verkauft werden sollte. Die Unternehmer, durch diese Vorkehrungen um den ganzen Gewinn ihrer Fahrt betrogen, spannten hurtig die Segel auf und verließen Antwerpen mit dem größten Theil ihrer Ladung, welche hingereicht haben würde, die Stadt mehrere Monate lang zu ernähren.

Diese Vernachlässigung der nächsten und natürlichsten Rettungsmittel wird nur dadurch begreiflich, daß man eine völlige Sperrung der Schelde damals noch für völlig unmöglich hielt und also den äußersten Fall im Ernst gar nicht fürchtete. Als daher die Nachricht einlief, daß der Herzog die Absicht habe, eine Brücke über die Schelde zu schlagen, so verspottete man in Antwerpen allgemein diesen chimärischen Einfall. Man stellte zwischen der Republik und dem Strome eine stolze Vergleichung an und meinte, daß der eine so wenig als die andere das spanische Joch auf sich leiden würde. Ein Strom, der zweitausend vierhundert Fuß breit und, wenn er auch nur sein eigenes Wasser hat, über sechzig Fuß tief ist, der aber, wenn ihn die Meeresfluth hebt, noch um zwölf Fuß zu steigen pflegt – ein solcher Strom, hieß es, sollte sich durch ein elendes Pfahlwerk beherrschen lassen? Wo würde man Baumstämme hernehmen, hoch genug, um bis auf den Grund zu reichen und über die Fläche emporzuragen? Und ein Werk dieser Art sollte im Winter zu Stande kommen, wo die Fluth ganze Inseln und Gebirge von Eis, gegen welche kaum steinerne Mauern halten, an das schwache Gebälk treiben und es wie Glas zersplittern wird? Oder gedächte der Herzog, eine Brücke von Schiffen zu erbauen, woher wollte er diese nehmen und auf welchem Wege sie in seine Verschanzungen bringen? Nothwendig müßten sie Antwerpen vorbeipassieren, wo eine Flotte bereit stehe, sie entweder aufzufangen oder in Grund zu bohren.«

Aber indem man ihm in der Stadt die Ungereimtheit seiner Unternehmung bewies, hatte der Herzog von Parma sie vollendet. Sobald die Basteien St. Maria und St. Philipp errichtet waren, welche die Arbeiter und den Bau durch ihr Geschütz decken konnten, so wurde von beiden entgegenstehenden Ufern aus ein Gerüste in den Strom hineingebaut, wozu man die Maste von den größten Schiffen gebrauchte. Durch die kunstreiche Anordnung des Gebälkes wußte man dem Ganzen eine solche Haltung zu geben, daß es, wie nachher der Erfolg bewies, dem gewaltsamen Andrange des Eises zu widerstehen vermochte. Dieses Gebälke, welches fest und sicher auf dem Grunde des Wassers ruhte und noch in ziemlicher Höhe daraus hervorragte, war mit Planken bedeckt, welche eine bequeme Straße formierten. Sie war so breit, daß acht Mann nebeneinander darauf Platz hatten, und ein Geländer, das zu beiden Seiten hinweglief, schützte vor dem Musketenfeuer der feindlichen Schiffe. Diese Estacade, wie man sie nannte, lief von beiden entgegenstehenden Ufern so weit in den Strom hinein, als es die zunehmende Tiefe und Gewalt des Wassers verstattete. Sie verengte den Strom um einhundert Fuß; weil aber der mittlere und eigentliche Strom sie durchaus nicht duldete, so blieb noch immer zwischen beiden Estacaden ein Raum von mehr als sechshundert Schritten offen, durch welchen eine ganze Proviantflotte bequem hindurchsegeln konnte. Diesen Zwischenraum gedachte der Herzog vermittelst einer Schiffbrücke auszufüllen, wozu die Fahrzeuge von Dünkirchen sollten hergeschafft werden. Aber außerdem, daß dort Mangel daran war, so hielt es schwer, solche ohne großen Verlust an Antwerpen vorbeizubringen. Er mußte sich also einstweilen damit begnügen, den Fluß um die Hälfte verengt und den Durchzug der feindlichen Schiffe um so viel schwieriger gemacht zu haben. Denn da, wo sich die Estacaden in der Mitte des Stromes endigten, erweiterten sie sich beide in ein länglichtes Viereck, welches stark mit Kanonen besetzt war und mitten im Wasser zu einer Art Festung diente. Von da aus wurde auf alle Fahrzeuge, die durch diesen Paß sich hindurchwagten, ein fürchterliches Feuer unterhalten, welches jedoch nicht verhinderte, daß nicht ganze Flotten und einzelne Schiffe diese gefährliche Straße glücklich vorüberzogen.

Unterdessen ergab sich Gent, und diese unerwartet schnelle Eroberung riß den Herzog auf einmal aus seiner Verlegenheit. Er fand in dieser Stadt alles Nöthige bereit, um seine Schiffbrücke zu vollenden, und die Schwierigkeit war bloß, es sicher herbeizuschaffen. Dazu eröffneten ihm die Feinde selbst den natürlichsten Weg. Durch Eröffnung der Dämme bei Saftingen war ein großer Theil von dem Land Waes bis zu dem Flecken Borcht unter Wasser gesetzt worden, so daß es gar nicht schwer hielt, die Felder mit flachen Fahrzeugen zu befahren. Der Herzog ließ also seine Schiffe von Gent auslaufen und beorderte sie, nachdem sie Dendermonde und Rupelmonde passiert, den linken Damm der Schelde zu durchstechen, Antwerpen zur Rechten liegen zu lassen und gegen Borcht zu in das überschwemmte Feld hinein zu segeln. Zur Versicherung dieser Fahrt wurde bei dem Flecken Borcht eine Bastei errichtet, welche die Feinde im Zaum halten könnte. Alles gelang nach Wunsch, obgleich nicht ohne einen lebhaften Kampf mit der feindlichen Flottille, welche vorausgeschickt worden war, diesen Zug zu stören. Nachdem man noch einige Dämme unterwegs durchstochen, erreichte man die spanischen Quartiere bei Calloo und lief glücklich wieder in die Schelde. Das Frohlocken der Armee war um so größer, nachdem man erst die große Gefahr vernommen, der die Schiffe nur eben entgangen waren. Denn kaum hatten sie sich der feindlichen Schiffe entlediget, so war schon eine Verstärkung der letztern von Antwerpen unterwegs, welche der tapfere Vertheidiger von Lillo, Odet von Teligny, anführte. Als dieser die Arbeit gethan und die Feinde entwischt sah, so bemächtigte er sich des Dammes, an dem jene durchgebrochen waren, und warf eine Bastei an der Stelle auf, um den Gentischen Schiffen, die etwa noch nachkommen möchten, den Paß zu verlegen.

Dadurch gerieth der Herzog von Parma aufs neue ins Gedränge. Noch hatte er bei weitem nicht Schiffe genug, weder für seine Brücke, noch zur Verteidigung derselben, und der Weg, auf welchem die vorigen herbeigeschafft worden, war durch das Fort des Teligny gesperrt. Indem er nun die Gegend in der Absicht recognoscierte, einen neuen Weg für seine Flotten ausfindig zu machen, stellte sich ihm ein Gedanke dar, der nicht bloß seine gegenwärtige Verlegenheit endigte, sondern der ganzen Unternehmung auf einmal einen lebhaften Schwung gab. Nicht weit von dem Dorfe Stecken im Lande Waes, von welchem Orte man noch etwa fünftausend Schritte bis zum Anfang der Ueberschwemmungen hatte, fließt die Moer, ein kleines Wasser, vorbei, das bei Gent in die Schelde fällt. Von diesem Flusse nun ließ er einen Kanal bis an die Gegend führen, wo die Ueberschwemmung den Anfang nahm, und weil die Wasser nicht überall hoch genug standen, so wurde der Kanal zwischen Bevern und Verrebroek bis nach Calloo fortgeführt, wo die Schelde ihn aufnahm. Fünfhundert Schanzgräber arbeiteten ohne Unterlaß an diesem Werke, und um die Verdrossenheit der Soldaten zu ermuntern, legte der Herzog selbst mit Hand an. Er erneuerte auf diese Art das Beispiel zweier berühmten Römer, Drusus und Corbulo, welche durch ähnliche Werke den Rhein mit der Südersee und die Maas mit dem Rhein verbanden.

Dieser Kanal, den die Armee seinem Urheber zu Ehren den Kanal von Parma nannte, erstreckte sich vierzehntausend Schritte lang und hatte eine verhältnißmäßige Tiefe und Breite, um sehr beträchtliche Schiffe zu tragen. Er verschaffte den Schiffen aus Gent nicht nur einen sichern, sondern auch einen merklich kürzern Weg zu den spanischen Quartieren, weil sie nun nicht mehr nöthig hatten, den weitläufigen Krümmungen der Schelde zu folgen, sondern bei Gent unmittelbar in die Moer traten und von da aus bei Stecken durch den Kanal und durch das überschwemmte Land bis nach Calloo gelangten. Da in der Stadt Gent die Erzeugnisse von ganz Flandern zusammenflossen, so setzte dieser Kanal das spanische Lager mit der ganzen Provinz in Zusammenhang. Von allen Orten und Enden strömte der Ueberfluß herbei, daß man im ganzen Laufe der Belagerung keinen Mangel mehr kannte. Aber der wichtigste Vortheil, den der Herzog aus diesem Werke zog, war ein hinreichender Vorrath an flachen Schiffen, wodurch er in den Stand gesetzt wurde, den Bau seiner Brücke zu vollenden.

Unter diesen Anstalten war der Winter herbeigekommen, der, weil die Schelde mit Eis ging, in dem Bau der Brücke einen ziemlich langen Stillstand verursachte. Mit Unruhe hatte der Herzog dieser Jahreszeit entgegengesehen, die seinem angefangenen Werk höchst verderblich werden, den Feinden aber bei einem ernsthaften Angriff auf dasselbe desto günstiger sein konnte. Aber die Kunst seiner Baumeister entriß ihn der einen Gefahr, und die Inconsequenz der Feinde befreite ihn von der andern. Zwar geschah es mehrmals, daß mit eintretender Meeresfluth starke Eisschollen sich in den Staketen verfingen und mit heftiger Gewalt das Gebälke erschütterten, aber es stand, und der Anlauf des wilden Elements machte bloß seine Festigkeit sichtbar.

Unterdessen wurde in Antwerpen mit fruchtlosen Deliberationen eine kostbare Zeit verschwendet und über dem Kampf der Parteien das allgemeine Beste vernachlässigt. Die Regierung dieser Stadt war in allzu viele Hände vertheilt und der stürmischen Menge ein viel zu großer Antheil daran gegeben, als daß man mit Ruhe überlegen, mit Einsicht wählen und mit Festigkeit ausführen konnte. Außer dem eigentlichen Magistrat, in welchem der Bürgermeister bloß eine einzelne Stimme hatte, waren in der Stadt noch eine Menge Korporationen vorhanden, denen die äußere und innere Sicherheit, die Proviantierung, die Befestigung der Stadt, das Schiffswesen, der Commerz u. dgl. oblag, und welche bei keiner wichtigen Verhandlung übergangen sein wollten. Durch diese Menge von Sprechern, die, so oft es ihnen beliebte, in die Rathsversammlung stürmten und, was sie durch Gründe nicht vermochten, durch ihr Geschrei und ihre starke Anzahl durchzusetzen wußten, bekam das Volk einen gefährlichen Einfluß in die öffentlichen Berathschlagungen, und der natürliche Widerstreit so entgegengesetzter Interessen hielt die Ausführung jeder heilsamen Maßregel zurück. Ein so schwankendes und kraftloses Regiment konnte sich bei einem trotzigen Schiffsvolk und bei einer sich wichtig dünkenden Soldateska nicht in Achtung setzen; daher die Befehle des Staats auch nur schlechte Befolgung fanden und durch die Nachlässigkeit, wo nicht gar offenbare Meuterei der Truppen und des Schiffsvolks mehr als einmal der entscheidende Augenblick verloren ging.

Die wenige Uebereinstimmung in der Wahl der Mittel, durch welche man dem Feind widerstehen wollte, würde indessen bei weitem nicht so viel geschadet haben, wenn man nur in dem Zwecke selbst vollkommen einig gewesen wäre. Aber eben darüber waren die begüterten Bürger und der große Haufe in zwei entgegengesetzte Parteien getheilt, indem die erstern nicht ohne Ursachen von der Extremität alles fürchteten und daher sehr geneigt waren, mit dem Herzog von Parma in Unterhandlungen zu treten. Diese Gesinnungen verbargen sie nicht länger, als das Fort Liefkenshoek in feindliche Hände gefallen war und man nun im Ernste anfing, für die Schifffahrt auf der Schelde zu fürchten. Einige derselben zogen ganz und gar fort und überließen die Stadt, mit der sie das Gute genossen, aber das Schlimme nicht theilen mochten, ihrem Schicksal. Sechzig bis siebenzig der Zurückbleibenden aus dieser Klasse übergaben dem Rath eine Bittschrift, worin sie den Wunsch äußerten, daß man mit dem König traktieren möchte. Sobald aber das Volk davon Nachricht erhielt, so gerieth es in eine wüthende Bewegung, daß man es kaum durch Einsperrung der Supplikanten und eine denselben aufgelegte Geldstrafe besänftigen konnte. Es ruhte auch nicht eher, als bis ein Edikt zu Stande kam, welches auf jeden heimlichen oder öffentlichen Versuch zum Frieden die Todesstrafe setzte.

Dem Herzog von Parma, der in Antwerpen nicht weniger, als in den übrigen Städten Brabants und Flanderns, geheime Verständnisse unterhielt und durch seine Kundschafter gut bedient wurde, entging keine dieser Bewegungen, und er versäumte nicht, Vortheil davon zu ziehen. Obgleich er in seinen Anstalten weit genug vorwärts gerückt war, um die Stadt zu beängstigen, so waren doch noch sehr viele Schritte zu thun, um sich wirklich von derselben Meister zu machen, und ein einziger unglücklicher Augenblick konnte das Werk vieler Monate vernichten. Ohne also in seinen kriegerischen Vorkehrungen etwas nachzulassen, machte er noch einen ernstlichen Versuch, ob er sich der Stadt nicht durch Güte bemächtigen könnte. Er erließ zu dem Ende im November dieses Jahrs an den großen Rath von Antwerpen ein Schreiben, worin alle Kunstgriffe aufgeboten waren, die Bürger entweder zur Uebergabe der Stadt zu vermögen, oder doch die Trennung unter denselben zu vermehren. Er betrachtete sie in diesem Brief als Verführte und wälzte die ganze Schuld ihres Abfalls und ihrer bisherigen Widersetzlichkeit auf den ränkevollen Geist des Prinzen von Oranien, von welchem die Strafgerechtigkeit des Himmels sie seit kurzem befreiet habe. Jetzt, meinte er, stehe es in ihrer Macht, aus ihrer langen Verblendung zu erwachen und zu einem König, der zur Versöhnung geneigt sei, zurückzukehren. Dazu, fuhr er fort, biete er sich selbst mit Freuden als Mittler an, da er nie aufgehört habe, ein Land zu lieben, worin er geboren sei und den fröhlichsten Theil seiner Jugend zugebracht habe. Er munterte sie daher auf, ihm Bevollmächtigte zu senden, mit denen er über den Frieden traktieren könne, ließ sie die billigsten Bedingungen hoffen, wenn sie sich bei Zeiten unterwürfen, aber auch die härtesten fürchten, wenn sie es aufs Aeußerste kommen ließen.

Dieses Schreiben, in welchem man mit Vergnügen die Sprache nicht wiederfindet, welche ein Herzog von Alba zehen Jahre vorher in ähnlichen Fällen zu führen pflegte, beantwortete die Stadt in einem anständigen und bescheidenen Tone, und indem sie dem persönlichen Charakter des Herzogs volle Gerechtigkeit widerfahren ließ und seiner wohlwollenden Gesinnungen gegen sie mit Dankbarkeit erwähnte, beklagte sie die Härte der Zeitumstände, welche ihm nicht erlaubten, seinem Charakter und seiner Neigung gemäß gegen sie zu verfahren. In seine Hände, erklärte sie, würde sie mit Freuden ihr Schicksal legen, wenn er unumschränkter Herr seiner Handlungen wäre, und nicht einem fremden Willen dienen müßte, den seine eigene Billigkeit unmöglich gut heißen könne. Nur zu bekannt sei der unveränderliche Rathschluß des Königs von Spanien und das Gelübde, das derselbe dem Papst gethan habe; von dieser Seite sei alle ihre Hoffnung verloren. Sie vertheidigte dabei mit edler Wärme das Gedächtniß des Prinzen von Oranien, ihres Wohlthäters und Retters, indem sie die wahren Ursachen aufzählte, welche diesen traurigen Krieg herbeigeführt und die Provinzen von der spanischen Krone abtrünnig gemacht hätten. Zugleich verhehlte sie nicht, daß sie eben jetzt Hoffnung habe, an dem Könige von Frankreich einen neuen und einen gütigern Herrn zu finden und auch schon dieser Ursache wegen keinen Vergleich mit dem spanischen Monarchen eingehen könne, ohne sich des strafbarsten Leichtsinns und der Undankbarkeit schuldig zu machen.

Die vereinigten Provinzen nämlich, durch eine Reihe von Unglücksfällen kleinmüthig gemacht, hatten endlich den Entschluß gefaßt, unter die Oberhoheit Frankreichs zu treten und durch Aufopferung ihrer Unabhängigkeit ihre Existenz und ihre alten Privilegien zu retten. Mit diesem Auftrage war vor nicht langer Zeit eine Gesandtschaft nach Paris abgegangen, und die Aussicht auf diesen mächtigen Beistand war es vorzüglich, was den Muth der Antwerper stärkte. Heinrich der Dritte, König von Frankreich, war für seine Person auch nicht ungeneigt, dieses Anerbieten sich zu Nutze zu machen; aber die Unruhen, welche ihm die Intriguen der Spanier in seinem eigenen Königreich zu erregen wußten, nöthigten ihn wider seinen Willen. davon abzustehen. Die Niederländer wandten sich nunmehr mit ihrem Gesuch an die Königin Elisabeth von England, die ihnen auch wirklich, aber nur zu spät für Antwerpens Rettung, einen thätigen Beistand leistete. Während daß man in dieser Stadt den Erfolg dieser Unterhandlungen abwartete und nach einer fremden Hilfe in die Ferne blickte, hatte man die natürlichsten und nächsten Mittel zu seiner Rettung versäumt und den ganzen Winter verloren, den der Feind desto besser zu benutzen verstand.

Zwar hatte es der Bürgermeister von Antwerpen, St. Aldegonde, nicht an wiederholten Aufforderungen fehlen lassen, die seeländische Flotte zu einem Angriff auf die feindlichen Werke zu vermögen, während daß man von Antwerpen aus diese Expedition unterstützen würde. Die langen und öfters stürmischen Nächte konnten diese Versuche begünstigen, und wenn zugleich die Besatzung zu Lillo einen Ausfall wagte, so würde es dem Feinde kaum möglich gewesen sein, diesem dreifachen Anfall zu widerstehen. Aber unglücklicherweise waren zwischen dem Anführer jener Flotte, Wilhelm von Blois von Treslong, und der Admiralität von Seeland Irrungen entstanden, welche Ursache waren, daß die Ausrüstung der Flotte auf eine ganz unbegreifliche Weise verzögert wurde. Um solche zu beschleunigen, entschloß sich endlich Teligny, selbst nach Middelburg zu gehen, wo die Staaten von Seeland versammelt waren; aber weil der Feind alle Pässe besetzt hatte, so kostete ihn dieser Versuch seine Freiheit, und mit ihm verlor die Republik ihren tapfersten Verteidiger. Indessen fehlte es nicht an unternehmenden Schiffern, welche unter Vergünstigung der Nacht und mit eintretender Fluth, trotz des feindlichen Feuers, durch die damals noch offene Brücke sich schlugen, Proviant in die Stadt warfen und mit der Ebbe wieder zurückkehrten. Weil aber doch mehrere solcher Fahrzeuge dem Feind in die Hände fielen, so verordnete der Rath, daß inskünftige die Schiffe nie unter einer bestimmten Anzahl sich hinauswagen sollten, welches die Folge hatte, daß alles unterblieb, weil die erforderte Anzahl niemals voll werden wollte. Auch geschahen von Antwerpen aus einige nicht ganz unglückliche Versuche auf die Schiffe der Spanier; einige der letztern wurden erobert, andere versenkt, und es kam bloß darauf an, dergleichen Versuche im Großen fortzusetzen. Aber so eifrig auch St. Aldegonde dieses betrieb, so fand sich doch kein Schiffer, der ein Fahrzeug besteigen wollte.

Unter diesen Zögerungen verstrich der Winter, und kaum bemerkte man, daß das Eis sich verlor, so wurde von den Belagerern der Bau der Schiffbrücke nun mit allem Ernst vorgenommen. Zwischen beiden Staketen blieb noch ein Raum von mehr als sechshundert Schritten auszufüllen, welches auf folgende Art bewerkstelligt wurde. Man nahm zweiunddreißig Playten (platte Fahrzeuge), jede sechsundsechzig Fuß lang und zwanzig breit, und diese fügte man am Vorder- und Hintertheile mit starken Kabeltauen und eisernen Ketten an einander, doch so, daß sie noch gegen zwanzig Fuß von einander abstanden und dem Strom einen freien Durchzug verstatteten. Jede Playte hing auch außerdem an zwei Ankertauen, sowohl aufwärts als unterwärts des Stroms, welche aber, je nachdem das Wasser mit der Fluth stieg, oder mit der Ebbe sank, nachgelassen und angezogen werden konnten. Ueber die Schiffe hinweg wurden große Mastbäume gelegt, welche von einem zum andern reichten und mit Planken überdeckt, eine ordentliche Straße bildeten, auch wie die Staketen mit einem Geländer eingefaßt waren. Diese Schiffbrücke, davon beide Staketen nur eine Fortsetzung ausmachten, hatte, mit diesen zusammengenommen, eine Länge von zweitausend vierhundert Schritten. Dabei war diese furchtbare Maschine so künstlich organisiert und so reichlich mit Werkzeugen des Todes ausgerüstet, daß sie gleich einem lebendigen Wesen sich selbst vertheidigen, auf das Commandowort Flammen speien und auf alles, was ihr nahe kam, Verderben ausschütten konnte. Außer den beiden Forts, St. Maria und St. Philipp, welche die Brücke an beiden Ufern begrenzten, und außer den zwei hölzernen Basteien auf der Brücke selbst, welche mit Soldaten angefüllt und in allen vier Ecken mit Kanonen besetzt waren, enthielt jedes der zweiunddreißig Schiffe noch dreißig Bewaffnete nebst vier Matrosen zu seiner Bedeckung und zeigte dem Feind, er mochte nun von Seeland herauf oder von Antwerpen herunter schiffen, die Mündung einer Kanone. Man zählte in allem siebenundneunzig Kanonen, die sowohl über der Brücke als unter derselben vertheilt waren, und mehr als fünfzehnhundert Mann, die theils die Basteien, theils die Schiffe besetzten und, wenn es noth that, ein furchtbares Musketenfeuer auf den Feind unterhalten konnten.

Aber dadurch allein glaubte der Herzog sein Werk noch nicht gegen alle Zufälle sicher gestellt zu haben. Es war zu erwarten, daß der Feind nichts unversucht lassen würde, den mittlern und schwächsten Theil der Brücke durch die Gewalt seiner Maschinen zu sprengen; diesem vorzubeugen, warf er längs der Schiffbrücke und in einiger Entfernung von derselben noch eine besondere Schutzwehr auf, welche die Gewalt brechen sollte, die auf die Brücke selbst möchte ausgeübt werden. Dieses Werk bestand aus dreiunddreißig Barken von beträchtlicher Größe, welche in Einer Reihe quer über den Strom hingelagert und je drei und drei mit Mastbäumen an einander befestigt waren, so daß sie eilf verschiedene Gruppen bildeten. Jede derselben streckte, gleich einem Glied Pikenierer, in horizontaler Richtung vierzehn lange hölzerne Stangen aus, die dem herannahenden Feind eine eiserne Spitze entgegenkehrten. Diese Barken waren bloß mit Ballast angefüllt und hingen jede an einem doppelten, aber schlaffen Ankertau, um dem anschwellenden Strome nachgeben zu können, daher sie auch in beständiger Bewegung waren und davon die Namen Schwimmer bekamen. Die ganze Schiffbrücke und noch ein Theil der Staketen wurden von diesen Schwimmern gedeckt, welche sowohl oberhalb als unterhalb der Brücke angebracht waren. Zu allen diesen Vertheidigungsanstalten kam noch eine Anzahl von vierzig Kriegsschiffen, welche an beiden Ufern hielten und dem ganzen Werk zur Bedeckung dienten.

Dieses bewundernswürdige Werk war im März des Jahres 1585, als dem siebenten Monat der Belagerung, fertig, und der Tag, an dem es vollendet wurde, war ein Jubelfest für die Truppen. Durch ein wildes Freudenschießen wurde der große Vorfall der belagerten Stadt verkündigt, und die Armee, als wollte sie sich ihres Triumphs recht sinnlich versichern, breitete sich längs dem ganzen Gerüste aus, um den stolzen Strom, dem man das Joch aufgelegt hatte, friedfertig und gehorsam unter sich hinwegfließen zu sehen. Alle ausgestandenen unendlichen Mühseligkeiten waren bei diesem Anblick vergessen, und keiner, dessen Hand nur irgend dabei geschäftig gewesen, war so verächtlich und so klein, daß er sich nicht einen Theil der Ehre zueignete, die dem großen Urheber lohnte. Nichts aber gleicht der Bestürzung, welche die Bürger von Antwerpen ergriff, als ihnen die Nachricht gebracht wurde, daß die Schelde nun wirklich geschlossen und alle Zufuhr aus Seeland abgeschnitten sei. Und zu Vermehrung ihres Schreckens mußten sie zu derselben Zeit noch den Verlust der Stadt Brüssel erfahren, welche endlich durch Hunger genöthigt worden, sich zu ergeben. Ein Versuch, den der Graf von Hohenlohe in eben diesen Tagen auf Herzogenbusch gewagt, um entweder diese Stadt wegzunehmen, oder doch dem Feind eine Diversion zu machen, war gleichfalls verunglückt, und so verlor das bedrängte Antwerpen zu gleicher Zeit alle Hoffnung einer Zufuhr von der See und zu Lande.

Durch einige Flüchtlinge, welche sich durch die spanischen Vorposten hindurch in die Stadt geworfen, wurden diese unglücklichen Zeitungen darin ausgebreitet, und ein Kundschafter, den der Bürgermeister ausgeschickt hatte, um die feindlichen Werke zu recognosciren, vergrößerte durch seine Aussagen noch die allgemeine Bestürzung. Er war ertappt und vor den Herzog von Parma gebracht worden, welcher Befehl gab, ihn überall herumzuführen und besonders die Einrichtung der Brücke aufs genauste besichtigen zu lassen. Nachdem dies geschehen war und er wieder vor den Feldherrn gebracht wurde, schickte ihn dieser mit den Worten zurück: »Gehe,« rief er, »und hinterbringe Denen, die dich herschickten, was du gesehen hast. Melde ihnen aber dabei, daß es mein fester Entschluß sei, mich entweder unter den Trümmern dieser Brücke zu begraben, oder durch diese Brücke in eure Stadt einzuziehen.«

Aber die Gewißheit der Gefahr belebte nun auch auf einmal den Eifer der Verbundenen, und es lag nicht an ihren Anstalten, wenn die erste Hälfte jenes Gelübdes nicht in Erfüllung ging. Längst schon hatte der Herzog mit Unruhe den Bewegungen zugesehen, welche zum Entsatze der Stadt in Seeland gemacht wurden. Es war ihm nicht verborgen, daß er den gefährlichsten Schlag von dorther zu fürchten habe, und daß gegen die vereinigte Macht der seeländischen und antwerpischen Flotten, wenn sie zu gleicher Zeit und im rechten Moment auf ihn losdringen sollten, mit allen seinen Werken nicht viel würde auszurichten sein. Eine Zeit lang hatten ihm die Zögerungen des seeländischen Admirals, die er auf alle Art zu unterhalten bemüht war, Sicherheit verschafft; jetzt aber beschleunigte die dringende Noth auf einmal die Rüstung, und ohne länger auf den Admiral zu warten, schickten die Staaten zu Middelburg den Grafen Justin von Nassau mit so viel Schiffen, als sie aufbringen konnten, den Belagerten zu Hilfe. Diese Flotte legte sich vor das Fort Liefkenshoek, welches der Feind in Besitz hatte, und beschoß dasselbe, von einigen Schiffen aus dem gegenüberliegenden Fort Lillo unterstützt, mit so glücklichem Erfolge, daß die Wälle in kurzem zu Grunde gerichtet und mit stürmender Hand erstiegen wurden. Die darin zur Besatzung liegenden Wallonen zeigten die Festigkeit nicht, welche man von Soldaten des Herzogs von Parma erwartete; sie überließen dem Feinde schimpflich die Festung, der sich in kurzem der ganzen Insel Doel mit allen darauf liegenden Schanzen bemeisterte. Der Verlust dieser Plätze, die jedoch bald wieder gewonnen waren, ging dem Herzog von Parma so nahe, daß er die Befehlshaber vor das Kriegsgericht zog und den schuldigsten darunter enthaupten ließ. Indessen eröffnete diese wichtige Eroberung den Seeländern einen freien Paß bis zur Brücke, und nunmehr war der Zeitpunkt vorhanden, nach genommener Abrede mit den Antwerpern gegen jenes Werk einen entscheidenden Streich auszuführen. Man kam überein, daß, während man von Antwerpen aus durch schon bereitgehaltene Maschinen die Schiffbrücke sprengte, die seeländische Flotte mit einem hinlänglichen Vorrath von Proviant in der Nähe sein sollte, um sogleich durch die gemachte Oeffnung hindurch nach der Stadt zu segeln.

Denn ehe noch der Herzog von Parma mit seiner Brücke zu Stande war, arbeitete schon in den Mauern Antwerpens ein Ingenieur an ihrer Zerstörung. Friedrich Gianibelli hieß dieser Mann, den das Schicksal bestimmt hatte, der Archimed dieser Stadt zu werden und eine gleiche Geschicklichkeit mit gleich verlorenem Erfolg zu deren Verteidigung zu verschwenden. Er war aus Mantua gebürtig und hatte sich ehedem in Madrid gezeigt, um, wie Einige wollen, dem König Philipp seine Dienste in dem niederländischen Krieg anzubieten. Aber vom langen Warten ermüdet, verließ der beleidigte Künstler den Hof, des Vorsatzes, den Monarchen Spaniens auf eine empfindliche Art mit einem Verdienste bekannt zu machen, das er so wenig zu schätzen gewußt hatte. Er suchte die Dienste der Königin Elisabeth von England, der erklärten Feindin von Spanien, welche ihn, nachdem sie einige Proben von seiner Kunst gesehen, nach Antwerpen schickte. In dieser Stadt ließ er sich wohnhaft nieder und widmete derselben in der gegenwärtigen Extremität seine ganze Wissenschaft und den feurigsten Eifer.

Sobald dieser Künstler in Erfahrung gebracht hatte, daß es mit der Brücke ernstlich gemeint sei und das Werk der Vollendung sich nahe, so bat er sich von dem Magistrate drei große Schiffe von hundert und fünfzig bis fünfhundert Tonnen aus, in welchen er Minen anzulegen gedachte. Außer diesen verlangte er noch sechzig Playten, welche, mit Kabeln und Ketten aneinander gebunden und mit hervorragenden Haken versehen, mit eintretender Ebbe in Bewegung gesetzt werden und, um die Wirkung der Minenschiffe zu vollenden, in keilförmiger Richtung gegen die Brücke Sturm laufen sollten. Aber er hatte sich mit seinem Gesuch an Leute gewendet, die gänzlich unfähig waren, einen außerordentlichen Gedanken zu fassen, und selbst da, wo es die Rettung des Vaterlandes galt, ihren Krämersinn nicht zu verleugnen wußten. Man fand seinen Vorschlag allzu kostbar, und nur mit Mühe erhielt er endlich, daß ihm zwei kleinere Schiffe von siebenzig bis achtzig Tonnen, nebst einer Anzahl Playten bewilligt wurden.

Mit diesen zwei Schiffen, davon er das eine das Glück, das andere die Hoffnung nannte, verfuhr er auf folgende Art. Er ließ auf dem Boden derselben einen hohlen Kasten von Quadersteinen mauern, der fünf Schuh breit, vierthalb hoch und vierzig lang war. Diesen Kasten füllte er mit sechzig Centnern des feinsten Schießpulvers von seiner eigenen Erfindung und bedeckte denselben mit großen Grab- und Mühlsteinen, so schwer das Fahrzeug sie tragen konnte. Darüber führte er noch ein Dach von ähnlichen Steinen auf, welches spitz zulief und sechs Schuh hoch über den Schiffsrand emporragte. Das Dach selbst wurde mit eisernen Ketten und Haken, mit metallenen und marmornen Kugeln, mit Nägeln, Messern und andern verderblichen Werkzeugen vollgestopft; auch der übrige Raum des Schiffs, den der Kasten nicht einnahm, wurde mit Steinen ausgefüllt und das Ganze mit Brettern überzogen. In dem Kasten selbst waren mehrere kleine Oeffnungen für die Lunten gelassen, welche die Mine anzünden sollten. Zum Ueberfluß war noch ein Uhrwerk darin angebracht, welches nach Ablauf der bestimmten Zeit Funken schlagen und, wenn auch die Lunten verunglückten, das Schiff in Brand stecken konnte. Um dem Feinde die Meinung beizubringen, als ob es mit diesen Maschinen bloß darauf abgesehen sei, die Brücke anzuzünden, wurde auf dem Gipfel derselben ein Feuerwerk von Schwefel und Pech unterhalten, welches eine ganze Stunde lang fortbrennen konnte. Ja, um die Aufmerksamkeit desselben noch mehr von dem eigentlichen Sitze der Gefahr abzulenken, rüstete er noch zweiunddreißig Schuyten (kleine platte Fahrzeuge) aus, auf denen bloß Feuerwerke brannten und welche keine andere Bestimmung hatten, als dem Feinde ein Gaukelwerk vorzumachen. Diese Brander sollten in vier verschiedenen Transporten, von einer halben Stunde zur andern, nach der Brücke hinunterlaufen und die Feinde zwei ganzer Stunden lang unaufhörlich in Athem erhalten, so daß sie endlich, vom Schießen erschöpft und durch vergebliches Warten ermüdet, in ihrer Aufmerksamkeit nachließen, wenn die rechten Vulkane kämen. Voran ließ er zum Ueberfluß noch einige Schiffe laufen, in welchen Pulver verborgen war, um das fließende Werk vor der Brücke zu sprengen und den Hauptschiffen Bahn zu machen. Zugleich hoffte er durch dieses Vorpostengefecht den Feinden zu thun zu geben, sie heranzulocken und der ganzen tödtenden Wirkung des Vulkans anszusetzen.

Die Nacht zwischen dem 4ten und 5ten April war zur Ausführung dieses großen Unternehmens bestimmt. Ein dunkles Gerücht davon hatte sich auch schon in dem spanischen Lager verbreitet, besonders da man von Antwerpen aus mehrere Taucher entdeckt hatte, welche die Ankertaue an den Schiffen hatten zerhauen wollen. Man war sich daher auf einen ernstlichen Angriff gefaßt; nur irrte man sich in der eigentlichen Beschaffenheit desselben und rechnete mehr darauf, mit Menschen als mit Elementen zu kämpfen. Der Herzog ließ zu diesem Ende die Wachen längs dem ganzen Ufer verdoppeln und zog den besten Theil seiner Truppen in die Nähe der Brücke, wo er selbst gegenwärtig war; um so näher der Gefahr, je sorgfältiger er derselben zu entfliehen suchte. Kaum war es dunkel geworden, so sah man von der Stadt her drei brennende Fahrzeuge daherschwimmen, dann noch drei andere, und gleich darauf eben so viele. Man ruft durch das spanische Lager ins Gewehr, und die ganze Länge der Brücke füllt sich mit Bewaffneten an. Indessen vermehrten sich die Feuerschiffe und zogen, theils paarweise, theils zu dreien, in einer gewissen Ordnung den Strom herab, weil sie am Anfang noch durch Schiffer gelenkt wurden. Der Admiral der antwerpischen Flotte, Jacob Jacobson, hatte es, man wußte nicht, ob aus Nachlässigkeit oder Vorsatz, darin versehen, daß er die vier Schiffhaufen allzu geschwind hintereinander ablaufen und ihnen auch die zwei großen Minenschiffe viel zu schnell folgen ließ, wodurch die ganze Ordnung gestört wurde.

Unterdessen rückte der Zug immer näher, und die Dunkelheit der Nacht erhöhte noch den außerordentlichen Anblick. So weit das Auge dem Strom folgen konnte, war alles Feuer, und die Brander warfen so starke Flammen aus, als ob sie selbst in Feuer aufgingen. Weithin leuchtete die Wasserfläche; die Dämme und Basteien längs dem Ufer, die Fahnen, Waffen und Rüstungen der Soldaten, welche sowohl hier als auf der Brücke in Parade standen, glänzten im Widerschein. Mit einem gemischten Gefühl von Grauen und Vergnügen betrachtete der Soldat das seltsame Schauspiel, das eher einer Fête als einem feindlichen Apparate glich, aber gerade wegen dieses sonderbaren Contrastes der äußern Erscheinung mit der innern Bestimmung die Gemüther mit einem wunderbaren Schauer erfüllte. Als diese brennende Flotte der Brücke bis auf zweitausend Schritte nahe gekommen, zündeten ihre Führer die Lunten an, trieben die zwei Minenschiffe in die eigentliche Mitte des Stroms und überließen die übrigen dem Spiele der Wellen, indem sie selbst sich auf schon bereit gehaltenen Kähnen hurtig davon machten.

Jetzt verwirrte sich der Zug, und die führerlosen Schiffe langten einzeln und zerstreut bei den schwimmenden Werken an, wo sie entweder hängenblieben, oder seitwärts an das Ufer prallten. Die vordern Pulverschiffe, welche bestimmt gewesen waren, das schwimmende Werk zu entzünden, warf die Gewalt eines Sturmwindes, der sich in diesem Augenblick erhob, an das flandrische Ufer; selbst der eine von den beiden Brandern, welcher das Glück hieß, gerieth unterwegs auf den Grund, ehe er noch die Brücke erreichte, und tödtete, indem er zersprang, etliche spanische Soldaten, die in einer nahgelegenen Schanze arbeiteten. Wenig fehlte, daß der andere und größere Brander, die Hoffnung genannt, nicht ein ähnliches Schicksal gehabt hätte. Der Strom warf ihn an das schwimmende Werk auf der flandrischen Seite, wo er hängen blieb; und hätte er in diesem Augenblick sich entzündet, so war der beste Theil seiner Wirkung verloren. Von den Flammen getäuscht, welche diese Maschine, gleich den übrigen Fahrzeugen, von sich warf, hielt man sie bloß für einen gewöhnlichen Brander, der die Schiffbrücke anzuzünden bestimmt sei. Und wie man nun gar eins der Feuerschiffe nach dem andern ohne alle weitere Wirkung erlöschen sah, so verlor sich endlich die Furcht, und man fing an, über die Anstalten des Feindes zu spotten, die sich so prahlerisch angekündigt hatten und nun ein so lächerliches Ende nahmen. Einige der Verwegensten warfen sich sogar in den Strom, um den Brander in der Nähe zu besehen und ihn auszulöschen, als derselbe vermittelst seiner Schwere sich durchriß, das schwimmende Werk, das ihn aufgehalten, zersprengte und mit einer Gewalt, welche alles fürchten ließ, auf die Schiffbrücke losdrang. Auf einmal kommt alles in Bewegung, und der Herzog ruft den Matrosen zu, die Maschine mit Stangen aufzuhalten und die Flammen zu löschen, ehe sie das Gebälk ergriffen.

Er befand sich in diesem bedenklichen Augenblick an dem äußersten Ende des linken Gerüstes, wo dasselbe eine Bastei im Wasser formierte und in die Schiffbrücke überging. Ihm zur Seite standen der Markgraf von Rysburg, General der Reiterei und Gouverneur der Provinz Artois, der sonst den Staaten gedient hatte, aber aus einem Verteidiger der Republik ihr schlimmster Feind geworden war; der Freiherr von Billy, Gouverneur von Friesland und Chef der deutschen Regimenter; die Generale Cajetan und Guasto, nebst mehrern der vornehmsten Officiere; alle ihrer besondern Gefahr vergessend und bloß mit Abwendung des allgemeinen Unglücks beschäftigt. Da nahte sich dem Herzog von Parma ein spanischer Fähndrich und beschwor ihn, sich von einem Orte hinwegzubegeben, wo seinem Leben augenscheinlich Gefahr drohe. Er wiederholte diese Bitte noch dringender, als der Herzog nicht darauf merken wollte, und flehte ihn zuletzt fußfällig, in diesem einzigen Stücke von seinem Diener Rath anzunehmen. Indem er dies sagte, hatte den Herzog am Rock ergriffen, als wollte er ihn mit Gewalt von der Stelle ziehen, und dieser, mehr von der Kühnheit dieses Mannes überrascht als durch seine Gründe überredet, zog sich endlich von Cajetan und Guasto begleitet, nach dem Ufer zurück. Kaum hatte er Zeit gehabt, das Fort St. Maria am äußersten Ende der Brücke zu erreichen, so geschah hinter ihm ein Knall, nicht anders, als börste die Erde und stürze das Gewölbe des Himmels ein. Wie todt fiel der Herzog nieder, die ganze Armee mit ihm, und es dauerte mehrere Minuten, bis man wieder zur Besinnung erwachte.

Aber welch ein Anblick, als man jetzt wieder zu sich selber kam! Von dem Schlage des entzündeten Vulkans war die Schelde bis in ihre untersten Tiefen gespalten und mit mauerhoher Fluth über den Damm, der sie umgab, hinausgetrieben worden, so daß alle Festungswerke am Ufer mehrere Schuh hoch im Wasser standen. Drei Meilen im Umkreis schütterte die Erde. Beinahe das ganze linke Gerüste, an welchem das Brandschiff sich angehängt hatte, war nebst einem Theil der Schiffbrücke auseinander gesprengt, zerschmettert und mit allem, was sich darauf befand, mit allen Mastbäumen, Kanonen und Menschen in die Luft geführt worden. Selbst die ungeheuren Steinmassen, welche die Mine bedeckten, hatte die Gewalt des Vulkans in die benachbarten Felder geschleudert, so daß man nachher mehrere davon, tausend Schritte weit von der Brücke, aus dem Boden herausgrub. Sechs Schiffe waren verbrannt, mehrere in Stücken gegangen. Aber schrecklicher als alles dies war die Niederlage, welche das mörderische Werkzeug unter den Menschen anrichtete. Fünfhundert, nach andern Berichten sogar achthundert Menschen wurden das Opfer seiner Wuth, diejenigen nicht einmal gerechnet, welche mit verstümmelten oder sonst beschädigten Gliedern davon kamen; und die entgegengesetzteren Todesarten vereinigten sich in diesem entsetzlichen Augenblick. Einige wurden durch den Blitz des Vulkans, Andere durch das kochende Gewässer des Stroms verbrannt, noch Andere erstickte der giftige Schwefeldampf; Jene wurden in den Fluthen, Diese unter dem Hagel der geschleuderten Steine begraben, Viele von den Messern und Haken zerfleischt, oder von den Kugeln zermalmt, welche aus dem Bauch der Maschine sprangen. Einige, die man ohne alle sichtbare Verletzung entseelt fand, mußte schon die bloße Lufterschütterung getödtet haben. Der Anblick, der sich unmittelbar nach Entzündung der Mine darbot, war fürchterlich. Einige staken zwischen dem Pfahlwerk der Brücke, Andere arbeiteten sich unter Steinmassen hervor, noch Andere waren in den Schiffseilen hängen geblieben; von allen Orten und Enden her erhub sich ein herzzerschneidendes Geschrei nach Hilfe, welches aber, weil Jeder genug mit sich selbst zu thun hatte, nur durch ein ohnmächtiges Wimmern beantwortet wurde.

Von den Ueberlebenden sahen sich viele durch ein wunderähnliches Schicksal gerettet. Einen Offizier, mit Namen Tucci, hob der Windwirbel wie eine Feder in die Luft, hielt ihn eine Zeitlang schwebend in der Höhe, ließ ihn dann gemach in den Strom herabsinken, wo er sich durch Schwimmen rettete. Einen andern ergriff die Gewalt des Schusses auf dem flandrischen Ufer und setzte ihn auf dem brabantischen ab, wo er mit einer leichten Quetschung an der Schulter wieder aufstand, und es war ihm, wie er nachher aussagte, auf dieser schnellen Luftreise nicht anders zu Muthe, als ob er aus einer Kanone geschossen würde. Der Herzog von Parma selbst war dem Tode nie so nahe gewesen als in diesem Augenblick, denn nur der Unterschied einer halben Minute entschied über sein Leben. Kaum hatte er den Fuß in das Fort St. Maria gesetzt, so hob es ihn auf, wie ein Sturmwind, und ein Balken, der ihn am Haupt und an der Schulter traf, riß ihn sinnlos zur Erde. Eine Zeitlang glaubte man ihn auch wirklich todt, weil sich Viele erinnerten, ihn wenige Minuten vor dem tödtlichen Schlage noch auf der Brücke gesehen zu haben. Endlich fand man ihn, die Hand an dem Degen, zwischen seinen Begleitern, Cajetan und Guasto, sich aufrichtend; eine Zeitung, die dem ganzen Heere das Leben wieder gab. Aber umsonst würde man versuchen, seinen Gemüthszustand zu beschreiben, als er nun die Verwüstung übersah, die ein einziger Augenblick in dem Werk so vieler Monate angerichtet hatte. Zerrissen war die Brücke, auf der seine ganze Hoffnung beruhte, aufgerieben ein großer Theil seines Heeres, ein anderer verstümmelt und für viele Tage unbrauchbar gemacht; mehrere seiner besten Offiziere getödtet, und als ob es zu diesem öffentlichen Unglück noch nicht genug wäre, so mußte er noch die schmerzliche Nachricht hören, daß der Markgraf von Rysburg, den er unter allen seinen Officieren vorzüglich werth hielt, nirgends auszufinden sei. Und doch stand das Allerschlimmste noch bevor, denn jeden Augenblick mußte man von Antwerpen und Lillo aus die feindlichen Flotten erwarten, welche bei dieser schrecklichen Verfassung des Heers durchaus keinen Widerstand würden gefunden haben. Die Brücke war auseinander gesprengt, und nichts hinderte die seeländischen Schiffe, mit vollen Segeln hindurchzuziehen; dabei war die Verwirrung der Truppen in diesen ersten Augenblicken so groß und allgemein, daß es unmöglich gewesen wäre, Befehle auszutheilen und zu befolgen, da viele Corps ihre Befehlshaber, viele Befehlshaber ihre Corps vermißten und selbst der Posten, wo man gestanden, in dem allgemeinen Ruin kaum mehr zu erkennen war. Dazu kam, daß alle Schanzen am Ufer im Wasser standen, daß mehrere Kanonen versenkt, daß die Lunten feucht, daß die Pulvervorräthe vom Wasser zu Grunde gerichtet waren. Welch ein Moment für die Feinde, wenn sie es verstanden hätten, ihn zu benutzen!

Kaum wird man es dem Geschichtschreiber glauben, daß dieser über alle Erwartung gelungene Erfolg bloß darum für Antwerpen verloren ging, weil – man nichts davon wußte. Zwar schickte St. Aldegonde, sobald man den Knall des Vulkans in der Stadt vernommen hatte, mehrere Galeeren gegen die Brücke aus, mit dem Befehl, Feuerkugeln und brennende Pfeile steigen zu lassen, sobald sie glücklich hindurchpassiert sein würden, und dann mit dieser Nachricht geradenwegs nach Lillo weiter zu segeln, um die seeländische Hilfsflotte unverzüglich in Bewegung zu bringen. Zugleich wurde der Admiral von Antwerpen beordert, auf jenes gegebene Zeichen sogleich mit den Schiffen aufzubrechen und in der ersten Verwirrung den Feind anzugreifen. Aber obgleich den auf Kundschaft ausgesandten Schiffern eine ansehnliche Belohnung versprochen worden, so wagten sie sich doch nicht in die Nähe des Feindes, sondern kehrten unverrichteter Sache zurück, mit der Botschaft, daß die Schiffbrücke unversehrt und das Feuerschiff ohne Wirkung geblieben sei. Auch noch am folgenden Tage wurden keine bessern Anstalten gemacht, den wahren Zustand der Brücke in Erfahrung zu bringen; und da man die Flotte bei Lillo, des günstigsten Windes ungeachtet, gar keine Bewegung machen sah, so bestärkte man sich in der Vermuthung, daß die Brander nichts ausgerichtet hätten. Niemand fiel es ein, daß eben diese Unthätigkeit der Bundsgenossen, welche die Antwerper irre führte, auch die Seeländer bei Lillo zurückhalten könnte, wie es sich auch in der That verhielt. Einer so ungeheuren Inconsequenz konnte sich nur eine Regierung schuldig machen, die ohne alles Ansehen und alle Selbständigkeit Rath bei der Menge holt, über welche sie herrschen sollte. Je unthätiger man sich indessen gegen den Feind verhielt, desto heftiger ließ man seine Wuth gegen Gianibelli aus, den der rasende Pöbel in Stücken reißen wollte. Zwei Tage schwebte dieser Künstler in der augenscheinlichsten Lebensgefahr, bis endlich am dritten Morgen ein Bote von Lillo, der unter der Brücke hindurch geschwommen, von der wirklichen Zerstörung der Brücke, zugleich aber auch von der völligen Wiederherstellung derselben bestimmten Bericht abstattete.

Diese schleunige Ausbesserung der Brücke war ein wahres Wunderwerk des Herzogs von Parma. Kaum hatte sich dieser von dem Schlage erholt, der alle seine Entwürfe darnieder zu stürzen schien, so wußte er mit einer bewundernswürdigen Gegenwart des Geistes allen schlimmen Folgen desselben zuvorzukommen. Das Ausbleiben der feindlichen Flotte in diesem entscheidenden Augenblick belebte aufs neue seine Hoffnung. Noch schien der schlimme Zustand seiner Brücke den Feinden ein Geheimniß zu sein, und war es gleich nicht möglich, das Werk vieler Monate in wenigen Stunden wieder herzustellen so war schon Vieles gewonnen, wenn mau auch nur den Schein davon zu erhalten wußte. Alles mußte daher Hand ans Werk legen, die Trümmer wegzuschaffen, die umgestürzten Balken wieder aufzurichten, die zerbrochenen zu ersetzen, die Lücken mit Schiffen auszufüllen. Der Herzog selbst entzog sich der Arbeit nicht, und seinem Beispiel folgten alle Offiziere. Der gemeine Mann, durch diese Popularität angefeuert, that sein Aeußerstes; die ganze Nacht durch wurde die Arbeit fortgesetzt unter dem beständigen Lärm der Trompeten und Trommeln, welche längs der ganzen Brücke verteilt waren, um das Geräusch der Werkleute zu übertönen. Mit Anbruch des Tages waren von der Verwüstung der Nacht wenige Spuren mehr zu sehen, und obgleich die Brücke nur dem Schein nach wieder hergestellt war, so täuschte doch dieser Anblick die Kundschafter, und der Angriff unterblieb. Mittlerweile gewann der Herzog Frist, die Ausbesserung gründlich zu machen, ja, sogar in der Struktur der Brücke einige wesentliche Veränderungen anzubringen. Um sie vor künftigen Unfällen ähnlicher Art zu verwahren, wurde ein Theil der Schiffbrücke beweglich gemacht, so daß derselbe im Nothfall weggenommen und den Brandern der Durchzug geöffnet werden konnte. Den Verlust, welchen er an Mannschaft erlitten, ersetzte der Herzog durch Garnisonen aus den benachbarten Plätzen und durch ein deutsches Regiment, das ihm gerade zu rechter Zeit aus Geldern zugeführt wurde. Er besetzte die Stellen der gebliebenen Offiziere, wobei der spanische Fähndrich, der ihm das Leben gerettet, nicht vergessen wurde.

Die Antwerper, nachdem sie den glücklichen Erfolg ihres Minenschiffes in Erfahrung gebracht, huldigten nun dem Erfinder desselben eben so leidenschaftlich, als sie ihn kurz vorher gemißhandelt hatten, und forderten sein Genie zu neuen Versuchen auf. Gianibelli erhielt nun wirklich eine Anzahl von Playten, wie er sie anfangs, aber vergeblich, verlangt hatte, und diese rüstete er auf eine solche Art aus, daß sie mit unwiderstehlicher Gewalt an die Brücke schlugen und solche auch wirklich zum zweitenmal auseinander sprengten. Diesmal aber war der Wind der seeländischen Flotte entgegen, daß sie nicht auslaufen konnte, und so erhielt der Herzog zum zweiten Mal die nöthige Frist, den Schaden auszubessern. Der Archimed von Antwerpen ließ sich durch alle diese Fehlschläge keineswegs irre machen. Er rüstete aufs neue zwei große Fahrzeuge aus, welche mit eisernen Haken und ähnlichen Instrumenten bewaffnet waren, um die Brücke mit Gewalt zu durchrennen. Aber wie es nunmehr dazu kam, solche auslaufen zu lassen, fand sich Niemand, der sie besteigen wollte. Der Künstler mußte also darauf denken, seinen Maschinen von selbst eine solche Richtung zu geben, daß sie auch ohne Steuermann die Mitte des Wassers hielten und nicht, wie die vorigen, von dem Winde dem Ufer zugetrieben würden. Einer von seinen Arbeitern, ein Deutscher, verfiel hier auf eine sonderbare Erfindung, wenn man sie anders dem Strada nacherzählen darf. Er brachte ein Segel unter dem Schiffe an, welches eben so von dem Wasser, wie die gewöhnlichen Segel von dem Winde, angeschwellt werden und auf diese Art das Schiff mit der ganzen Gewalt des Stroms forttreiben könnte. Der Erfolg lehrte auch, daß er richtig gerechnet hatte, denn dieses Schiff mit verkehrten Segeln folgte nicht nur in strenger Richtung der eigentlichen Mitte des Stroms, sondern rannte auch mit solcher Heftigkeit gegen die Brücke, daß es dem Feinde nicht Zeit ließ, diese zu eröffnen, und sie wirklich auseinander sprengte. Aber alle diese Erfolge halfen der Stadt zu nichts, weil sie auf Gerathewohl unternommen und durch keine hinlängliche Macht unterstützt wurden. Von einem neuen Minenschiff, welches Gianibelli nach Art des ersten, das so gut operiert hatte, zubereitete und mit viertausend Pfund Schießpulver anfüllte, wurde gar kein Gebrauch gemacht, weil es den Antwerpern nunmehr einfiel, auf einem andern Wege ihre Rettung zu suchen.

Abgeschreckt durch so viele mißlungene Versuche, die Schifffahrt auf dem Strome mit Gewalt wieder frei zu machen, dachte man endlich darauf, den Strom ganz und gar zu entbehren. Man erinnerte sich an das Beispiel der Stadt Leyden, welche, zehn Jahre vorher von den Spaniern belagert, in einer zur rechten Zeit bewirkten Ueberschwemmung der Felder ihre Rettung gefunden hatte, und dieses Beispiel beschloß man nachzuahmen. Zwischen Lillo und Stabroek, im Lande Bergen, streckt sich eine große etwas abhängige Ebene bis nach Antwerpen hin, welche nur durch zahlreiche Dämme und Gegendämme gegen die eindringenden Wasser der Osterschelde geschützt wird. Es kostete weiter nichts, als diese Dämme zu schleifen, so war die ganze Ebene Meer und konnte mit flachen Schiffen bis fast unter die Mauern von Antwerpen befahren werden. Glückte dieser Versuch, so mochte der Herzog von Parma immerhin die Schelde vermittelst seiner Schiffbrücke hüten; man hatte sich einen neuen Strom aus dem Stegreif geschaffen, der im Nothfall die nämlichen Dienste leistete. Eben dies war es auch, was der Prinz von Oranien gleich beim Anfange der Belagerung angerathen und St. Aldegonde ernstlich zu befördern gesucht hatte, aber ohne Erfolg, weil einige Bürger nicht zu bewegen gewesen waren, ihr Feld aufzuopfern. Zu diesem letzten Rettungsmittel kam man in der jetzigen Bedrängniß zurück, aber die Umstände hatten sich unterdessen gar sehr geändert.

Jene Ebene nämlich durchschneidet ein breiter und hoher Damm, der von dem anliegenden Schlosse Cowenstein den Namen führt und sich von dem Dorfe Stabroek in Bergen, drei Meilen lang, bis an die Schelde erstreckt, mit deren großem Damm er sich unweit Ordam vereinigt. Ueber diesen Damm hinweg konnten auch bei noch so hoher Fluth keine Schiffe fahren, und vergebens leitete man das Meer in die Felder, so lange ein solcher Damm im Wege stand, der die seeländischen Fahrzeuge hinderte, in die Ebene vor Antwerpen herabzusteigen. Das Schicksal der Stadt beruhte also darauf, daß dieser Cowensteinische Damm geschleift oder durchstochen wurde; aber eben weil der Herzog von Parma dieses voraussah, so hatte er gleich bei Eröffnung der Blocade von demselben Besitz genommen und keine Anstalten gespart, ihn bis aufs Aeußerste zu behaupten. Bei dem Dorfe Stabroek stand der Graf von Mansfeld mit dem größern Theil der Armee gelagert und unterhielt durch eben diesen Cowensteinischen Damm die Communication mit der Brücke, dem Hauptquartier und den spanischen Magazinen zu Calloo. So bildete die Armee von Stabroek in Brabant bis nach Bevern in Flandern eine zusammenhängende Linie, welche von der Schelde zwar durchschnitten, aber nicht unterbrochen wurde und ohne eine blutige Schlacht nicht zerrissen werden konnte. Auf dem Damm selbst waren in gehöriger Entfernung von einander fünf verschiedene Batterieen errichtet, und die tapfersten Offiziere der Armee führten darüber das Kommando. Ja, weil der Herzog von Parma nicht zweifeln konnte, daß nunmehr die ganze Wuth des Kriegs sich hieher ziehen würde, so überließ er dem Grafen von Mansfeld die Bewachung der Brücke und entschloß sich, in eigener Person diesen wichtigen Posten zu vertheidigen. Jetzt also erblickte man einen ganz neuen Krieg und auf einem ganz andern Schauplatz.

Die Niederländer hatten an mehreren Stellen, oberhalb und unterhalb Lillo, den Damm durchstochen, welcher dem brabantischen Ufer der Schelde folgt, und wo sich kurz zuvor grüne Fluren zeigten, da erschien jetzt ein neues Element, da sah man Fahrzeuge wimmeln und Mastbäume ragen. Eine seeländische Flotte, von dem Grafen Hohenlohe angeführt, schiffte in die überschwemmten Felder und machte wiederholte Bewegungen gegen den Cowensteinischen Damm, jedoch ohne ihn im Ernst anzugreifen; während daß eine andere in der Schelde sich zeigte und bald dieses, bald jenes Ufer mit einer Landung, bald die Schiffbrücke mit einem Sturme bedrohte. Mehrere Tage trieb man dieses Spiel mit dem Feinde, der, ungewiß, wo er den Angriff zu erwarten habe, durch anhaltende Wachsamkeit erschöpft und durch so oft getäuschte Furcht allmählich sicher werden sollte. Die Antwerper hatten dem Grafen Hohenlohe versprochen, den Angriff auf den Damm von der Stadt aus mit einer Flottille zu unterstützen; drei Feuerzeichen von dem Hauptthurm sollten die Losung sein, daß diese sich auf dem Wege befinde. Als nun in einer finstern Nacht die erwarteten Feuersäulen wirklich über Antwerpen aufstiegen, so ließ Graf Hohenlohe sogleich fünfhundert seiner Truppen zwischen zwei feindlichen Redouten den Damm erklettern, welche die spanischen Wachen theils schlafend überfielen, theils, wo sie sich zur Wehr setzten, niedermachten. In kurzem hatte man auf dem Damm festen Fuß gefaßt und war schon im Begriff, die übrige Mannschaft, zweitausend an der Zahl, nachzubringen, als die Spanier in den nächsten Redouten in Bewegung kamen und, von dem schmalen Terrain begünstigt, auf den dichtgedrängten Feind einen verzweifelten Angriff thaten. Und da nun zugleich das Geschütz anfing, von den nächsten Batterien auf die anrückende Flotte zu spielen, und die Landung der übrigen Truppen unmöglich machte, von der Stadt aus aber kein Beistand sich sehen ließ, so wurden die Seeländer nach einem kurzen Gefecht überwältigt und von dem schon eroberten Damm wieder heruntergestürzt. Die siegenden Spanier jagten ihnen mitten durch das Wasser bis zu den Schiffen nach, versenkten mehrere von diesen und zwangen die übrigen, mit einem großen Verlust sich zurückzuziehen. Graf Hohenlohe wälzte die Schuld dieser Niederlage aus die Einwohner von Antwerpen, die durch ein falsches Signal ihn betrogen hatten, und gewiß lag es nur an der schlechten Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Operationen, daß dieser Versuch kein besseres Ende nahm.

Endlich aber beschloß man, einen planmäßigen Angriff mit vereinigten Kräften auf den Feind zu thun und durch einen Hauptsturm sowohl auf den Damm als auf die Brücke die Belagerung zu endigen. Der sechzehnte Mai 1585 war zu Ausführung dieses Zuschlags bestimmt, und von beiden Theilen wurde das Aeußerste aufgewendet, diesen Tag entscheidend zu machen. Die Holländer und Seeländer brachten in Vereinigung mit den Antwerpern über zweihundert Schiffe zusammen, welche zu bemannen sie ihre Städte und Citadellen von Truppen entblößten, und mit dieser Macht wollten sie von zwei entgegengesetzten Seiten den Cowensteinischen Damm bestürmen. Zu gleicher Zeit sollte die Scheldbrücke durch neue Maschinen von Gianibellis Erfindung angegriffen und dadurch der Herzog von Parma verhindert werden, den Damm zu entsetzen.

Alexander, von der ihm drohenden Gefahr unterrichtet, sparte auf seiner Seite nichts, derselben nachdrücklich zu begegnen. Er hatte, gleich nach Eroberung des Dammes, an fünf verschiedenen Orten Redouten darauf erbauen lassen und das Kommando darüber den erfahrensten Officieren der Armee übergeben. Die erste derselben, welche die Kreuz-Schanze hieß, wurde an der Stelle errichtet, wo der Cowensteinische Damm in den großen Wall der Schelde sich einsenkt und mit diesem die Figur eines Kreuzes bildet; über diese wurde der Spanier Mondragon zum Befehlshaber gesetzt. Tausend Schritte von derselben wurde in der Nähe des Schlosses Cowenstein die St. Jakobs-Schanze aufgeführt und dem Kommando des Camillo von Monte übergeben. Auf diese folgte in gleicher Entfernung die St. Georgs-Schanze, und tausend Schritte von dieser die Pfahl-Schanze unter Gamboas Befehlen, welche von dem Pfahlwerk, auf dem sie ruhte, den Namen führte; am äußersten Ende des Dammes, unweit Stabroek, lag eine fünfte Bastei, worin der Graf von Mansfeld nebst einem Italiener, Capizucchi, den Befehl führte. Alle diese Forts ließ der Herzog jetzt mit frischer Artillerie und Mannschaft verstärken und noch überdies an beiden Seiten des Dammes und längs der ganzen Richtung desselben Pfähle einschlagen, sowohl um den Wall dadurch desto fester, als den Schanzgräbern, die ihn durchstechen würden, die Arbeit schwerer zu machen.

Früh Morgens, am sechzehnten Mai, setzte sich die feindliche Macht in Bewegung. Gleich mit Abbruch der Dämmerung kamen von Lillo aus durch das überschwemmte Land vier brennende Schiffe daher geschwommen, wodurch die spanischen Schildwachen auf dem Damm, welche sich jener furchtbaren Vulkane erinnerten, so sehr in Furcht gesetzt wurden, daß sie sich eilfertig nach den nächsten Schanzen zurückzogen. Gerade dies war es, was der Feind beabsichtigt hatte. In diesen Schiffen, welche bloß wie Brander aussahen, aber es nicht wirklich waren, lagen Soldaten versteckt, die nun plötzlich ans Land sprangen und den Damm an der nicht verteidigten Stelle, zwischen der St. Georgs- und der Pfahl-Schanze, glücklich erstiegen. Unmittelbar darauf zeigte sich die ganze seeländische Flotte mit zahlreichen Kriegsschiffen, Proviantschiffen und einer Menge kleinerer Fahrzeuge, welche mit großen Säcken Erde, Wolle, Faschinen, Schanzkörben und dergleichen beladen waren, um sogleich, wo es noth that, Brustwehren auswerfen zu können. Die Kriegsschiffe waren mit einer starken Artillerie und einer zahlreichen tapfern Mannschaft besetzt, und ein ganzes Heer von Schanzgräbern begleitete sie, um den Damm, sobald man im Besitz davon sein würde, zu durchgraben.

Kaum hatten die Seeländer auf der einen Seite angefangen, den Damm zu ersteigen, so rückte die Antwerpische Flotte von Osterweel herbei und bestürmte ihn von der andern. Eilfertig führte man zwischen den zwei nächsten feindlichen Redouten eine hohe Brustwehr auf, welche die Feinde von einander abschneiden und die Schanzgräber decken sollte. Diese, mehrere Hundert an der Zahl, fielen nun von beiden Seiten mit ihren Spaten den Damm an und wühlten in demselben mit solcher Emsigkeit, daß man Hoffnung hatte, beide Meere in kurzem mit einander verbunden zu sehen. Aber unterdessen hatten auch die Spanier Zeit gehabt, von den zwei nächsten Redouten herbeizueilen und einen mutigen Angriff zu thun, während daß das Geschütz von der Georgs-Schanze unausgesetzt auf die feindliche Flotte spielte. Eine schreckliche Schlacht entbrannte jetzt in der Gegend, wo man den Deich durchstach und die Brustwehr thürmte. Die Seeländer hatten um die Schanzgräber herum einen dichten Cordon gezogen, damit der Feind ihre Arbeit nicht stören sollte; und in diesem kriegerischen Lärm, mitten unter dem feindlichen Kugelregen, oft bis an die Brust im Wasser, zwischen Todten und Sterbenden, setzten die Schanzgräber ihre Arbeit fort unter dem beständigen Treiben der Kaufleute, welche mit Ungeduld darauf warteten, den Damm geöffnet und ihre Schiffe in Sicherheit zu sehen. Die Wichtigkeit des Erfolges, der gewissermaßen ganz von ihrem Spaten abhing, schien selbst diese gemeinen Taglöhner mit einem heroischen Muth zu beseelen. Einzig nur auf das Geschäft ihrer Hände gerichtet, sahen sie, hörten sie den Tod nicht, der sie rings umgab, und fielen gleich die vordersten Reihen, so drangen sogleich die hintersten herbei. Die eingeschlagenen Pfähle hielten sie sehr bei der Arbeit auf, noch mehr aber die Angriffe der Spanier, welche sich mit verzweifeltem Muth durch die feindlichen Haufen schlugen, die Schanzgräber in ihren Löchern durchbohrten und mit den todten Körpern die Breschen wieder ausfüllten, welche die Lebenden gegraben hatten. Endlich aber, als ihre meisten Officiere theils todt, theils verwundet waren, die Anzahl der Feinde unaufhörlich sich mehrte und immer frische Schanzgräber an die Stelle der gebliebenen traten, so entfiel diesen tapfern Truppen der Muth, und sie hielten für rathsam, sich nach ihren Schanzen zurückzuziehen. Jetzt also sahen sich die Seeländer und Antwerper von dem ganzen Theile des Dammes Meister, der von dem Fort St. Georg bis zu der Pfahl-Schanze sich erstreckt. Da es ihnen aber viel zu lang anstand, die völlige Durchbrechung des Dammes abzuwarten, so luden sie in der Geschwindigkeit ein seeländisches Lastschiff aus und brachten die Ladung desselben über den Damm herüber auf ein Antwerpisches, welches Graf Hohenlohe nun im Triumph nach Antwerpen brachte. Dieser Anblick erfüllte die geängstigte Stadt auf einmal mit den frohesten Hoffnungen, und als wäre der Sieg schon erfochten, überließ man sich einer tobenden Fröhlichkeit. Man läutete alle Glocken, man brannte alle Kanonen ab, und die außer sich gesetzten Einwohner rannten ungeduldig nach dem Osterweeler Thore, um die Proviantschiffe, welche unterwegs sein sollten, in Empfang zu nehmen.

In der That war das Glück den Belagerten noch nie so günstig gewesen, als in diesem Augenblick. Die Feinde hatten sich muthlos und erschöpft in ihre Schanzen geworfen, und weit entfernt, den Siegern den eroberten Posten streitig machen zu können, sahen sie sich viel mehr selbst in ihren Zufluchtsörtern belagert. Einige Compagnien Schottländer, unter der Anführung ihres tapfern Obersten Balfour, griffen die St. Georgs-Schanze an, welche Camillo von Monte, der aus St. Jakob herbeieilte, nicht ohne großen Verlust an Mannschaft entsetzte. In einem viel schlimmern Zustande befand sich die Pfahlschanze, welche von den Schiffen aus heftig beschossen wurde und alle Augenblicke in Trümmern zu gehen drohte. Gamboa, der sie kommandierte, lag verwundet darin, und unglücklicherweise fehlte es an Artillerie, die feindlichen Schiffe in der Entfernung zu halten. Dazu kam noch, daß der Wall, den die Seeländer zwischen dieser und der Georgs-Schanze aufgethürmt hatten, allen Beistand von der Schelde her abschnitt. Hätte man also diese Entkräftung und Unthätigkeit der Feinde dazu benutzt, in Durchstechung des Dammes mit Eifer und Beharrlichkeit fortzufahren, so ist kein Zweifel, daß man sich einen Durchgang geöffnet und dadurch wahrscheinlich die ganze Belagerung geendigt haben würde. Aber auch hier zeigte sich der Mangel an Folge, welchen man den Antwerpern im ganzen Laufe dieser Begebenheit zur Last legen muß. Der Eifer, mit dem man die Arbeit angefangen, erkaltete in demselben Maß, als das Glück ihn begleitete. Bald fand man es viel zu langweilig und mühsam, den Deich zu durchgraben; man hielt für besser, die großen Lastschiffe in kleinere auszuladen, welche man sodann mit steigender Fluth nach der Stadt schaffen wollte. St. Aldegonde und Hohenlohe, anstatt durch ihre persönliche Gegenwart den Fleiß der Arbeiter anzufeuern, verließen gerade im entscheidenden Moment den Schauplatz der Handlung, um mit einem Getreideschiff nach der Stadt zu fahren und dort die Lobsprüche über ihre Weisheit und Tapferkeit in Empfang zu nehmen.

Während daß auf dem Damme von beiden Theilen mit der hartnäckigsten Hitze gefochten wurde, hatte man die Scheldbrücke von Antwerpen aus mit neuen Maschinen bestürmt, um die Aufmerksamkeit des Herzogs auf dieser Seite zu beschäftigen. Aber der Schall des Geschützes vom Damm her entdeckte demselben bald, was dort vorgehen mochte, und er eilte, sobald er die Brücke befreit sah, in eigener Person den Deich zu entsetzen. Von zweihundert spanischen Pikenierern begleitet, flog er an den Ort des Angriffs und erschien noch gerade zu rechter Zeit auf dem Kampfplatze, um die völlige Niederlage der Seinigen zu verhindern. Eiligst warf er einige Kanonen, die er mitgebracht hatte, in die zwei nächsten Redouten und ließ von da aus nachdrücklich auf die feindlichen Schiffe feuern. Er selbst stellte sich an die Spitze seiner Soldaten, und in der einen Hand den Degen, den Schild in der andern, führte er sie gegen den Feind. Das Gerücht seiner Ankunft, welches sich schnell von einem Ende des Dammes bis zum andern verbreitete, erfrischte den gesunkenen Muth seiner Truppen, und mit neuer Heftigkeit entzündete sich der Streit, den das Local des Schlachtfeldes noch mörderischer machte. Auf dem schmalen Rücken des Dammes, der an manchen Stellen nicht über neun Schritte breit war, fochten gegen fünftausend Streiter; auf einem so engen Raume drängte sich die Kraft beider Theile zusammen, beruhte der ganze Erfolg der Belagerung. Den Antwerpern galt es die letzte Vormauer ihrer Stadt, den Spaniern das ganze Glück ihres Unternehmens; beide Parteien fochten mit einem Muth, den nur Verzweiflung einflößen konnte. Von beiden äußersten Enden des Dammes wälzte sich der Kriegsstrom der Mitte zu, wo die Seeländer und Antwerper den Meister spielten und ihre ganze Stärke versammelt war. Von Stabroek her drangen die Italiener und Spanier heran, welche an diesem Tag ein edler Wettstreit der Tapferkeit erhitzte; von der Schelde her die Wallonen und Spanier, den Feldherrn an ihrer Spitze. Indem jene die Pfahl-Schanze zu befreien suchten, welche der Feind zu Wasser und zu Lande heftig bedrängte, drangen diese mit alles niederwerfendem Ungestüm auf die Brustwehr los, welche der Feind zwischen St. Georg und der Pfahl-Schanze aufgethürmt hatte. Hier stritt der Kern der niederländischen Mannschaft hinter einem wohlbefestigten Wall, und das Geschütz beider Flotten deckte diesen wichtigen Posten. Schon machte der Herzog Anstalt, mit seiner kleinen Schaar diesen furchtbaren Wall anzugreifen, als ihm Nachricht gebracht wurde, daß die Italiener und Spanier, unter Capizucchi und Aquila, mit stürmender Hand in die Pfahlschanze eingedrungen, davon Meister geworden und jetzt gleichfalls gegen die feindliche Brustwehr im Anzuge seien. Vor dieser letzten Verschanzung sammelte sich also nun die ganze Kraft beider Heere, und von beiden Seiten geschah das Aeußerste, sowohl diese Bastei zu erobern, als sie zu vertheidigen. Die Niederländer sprangen aus ihren Schiffen ans Land, um nicht bloß müßige Zuschauer dieses Kampfes zu bleiben. Alexander stürmte die Brustwehr von der einen Seite, Graf Mansfeld von der andern; fünf Angriffe geschahen, und fünfmal wurden sie zurückgeschlagen. Die Niederländer übertrafen in diesem entscheidenden Augenblick sich selbst; nie im ganzen Laufe des Krieges hatten sie mit dieser Standhaftigkeit gefochten. Besonders aber waren es die Schotten und Engländer, welche durch ihre tapfere Gegenwehr die Versuche des Feindes vereitelten. Weil da, wo die Schotten fochten, Niemand mehr angreifen wollte, so warf sich der Herzog selbst, einen Wurfspieß in der Hand, bis an die Brust ins Wasser, um den Seinigen den Weg zu zeigen. Endlich, nach einem langwierigen Gefechte, gelang es den Mansfeldischen, mit Hilfe ihrer Hellebarden und Piken, eine Bresche in die Brustwehr zu machen und, indem sich der Eine auf die Schultern des Andern schwang, die Höhe des Walls zu ersteigen. Barthelemy Toralva, ein spanischer Hauptmann, war der Erste, der sich oben sehen ließ, und fast zu gleicher Zeit mit demselben zeigte sich der Italiener Capizucchi auf dem Rande der Brustwehr; und so wurde denn, gleich rühmlich für beide Nationen, der Wettkampf der Tapferkeit entschieden. Es verdient bemerkt zu werden, wie der Herzog von Parma, den man zum Schiedsrichter dieses Wettstreits gemacht hatte, das zarte Ehrgefühl seiner Krieger zu behandeln pflegte. Den Italiener Capizucchi umarmte er vor den Augen der Truppen und gestand laut, daß er vorzüglich der Tapferkeit dieses Officiers die Eroberung der Brustwehr zu danken habe. Den spanischen Hauptmann Toralva, der stark verwundet war, ließ er in sein eignes Quartier zu Stabroek bringen, auf seinem eignen Bette verbinden und mit demselben Rocke bekleiden, den er selbst den Tag vor dem Treffen getragen hatte.

Nach Einnahme der Brustwehr blieb der Sieg nicht lange mehr zweifelhaft. Die holländischen und seeländischen Truppen, welche aus ihren Schiffen gesprungen waren, um mit dem Feind in der Nähe zu kämpfen, verloren auf einmal den Muth, als sie um sich blickten und die Schiffe, welche ihre letzte Zuflucht ausmachten, vom Ufer abstoßen sahen.

Denn die Fluth fing an, sich zu verlaufen, und die Führer der Flotte, aus Furcht, mit ihren schweren Fahrzeugen auf dem Strande zu bleiben und bei einem unglücklichen Ausgange des Treffens dem Feind zur Beute zu werden, zogen sich von dem Damme zurück und suchten das hohe Meer zu gewinnen. Kaum bemerkte dies Alexander, so zeigte er seinen Truppen die fliehenden Schiffe und munterte sie auf, mit einem Feinde zu enden, der sich selbst aufgegeben habe. Die holländischen Hilfstruppen waren die ersten, welche wankten, und bald folgten die Seeländer ihrem Beispiel. Sie warfen sich eiligst den Damm herab, um durch Waten oder Schwimmen die Schiffe zu erreichen; aber weil ihre Flucht viel zu ungestüm geschah, so hinderten sie einander selbst und stürzten haufenweise unter dem Schwert des nachsetzenden Siegers. Selbst an den Schiffen fanden Viele noch ihr Grab, weil Jeder dem Andern zuvorzukommen suchte, und mehrere Fahrzeuge unter der Last Derer, die sich hineinwarfen, untersanken. Die Antwerper, die für ihre Freiheit, ihren Herd, ihren Glauben kämpften, waren auch die Letzten, die sich zurückzogen, aber eben dieser Umstand verschlimmerte ihr Geschick. Manche ihrer Schiffe wurden von der Ebbe übereilt und saßen fest auf dem Strande, so daß sie von den feindlichen Kanonen erreicht und mit sammt ihrer Mannschaft zu Grunde gerichtet wurden. Den andern Fahrzeugen, welche vorausgelaufen waren, suchten die flüchtigen Haufen durch Schwimmen nachzukommen; aber die Wuth und Verwegenheit der Spanier ging so weit, daß sie, das Schwert zwischen den Zähnen, den Fliehenden nachschwammen und manche noch mitten aus den Schiffen herausholten. Der Sieg der königlichen Truppen war vollständig, aber blutig; denn von den Spaniern waren gegen achthundert, von den Niederländern (die Ertrunkenen nicht gerechnet) etliche Tausend auf dem Platz geblieben, und auf beiden Seiten wurden viele von dem vornehmsten Adel vermißt. Mehr als dreißig Schiffe fielen mit einer großen Ladung von Proviant, die für Antwerpen bestimmt gewesen war, mit hundert und fünfzig Kanonen und anderm Kriegsgeräthe in die Hände des Siegers. Der Damm, dessen Besitz so theuer behauptet wurde, war an dreizehn verschiedenen Orten durchstochen, und die Leichname Derer, welche ihn in diesen Zustand versetzt hatten, wurden jetzt dazu gebraucht, jene Oeffnungen wieder zuzustopfen. Den folgenden Tag fiel den Königlichen noch ein Fahrzeug von ungeheurer Größe und seltsamer Bauart in die Hände, welches eine schwimmende Festung vorstellte und gegen den Cowensteinischen Damm hatte gebraucht werden sollen. Die Antwerper hatten es mit unsäglichem Aufwande zu der nämlichen Zeit erbaut, wo man den Ingenieur Gianibelli, der großen Kosten wegen, mit seinen heilsamen Vorschlägen abwies, und diesem lächerlichen Monstrum den stolzen Namen » Ende des Kriegs« beigelegt, den es nachher mit der weit passendern Benennung » Verlornes Geld« vertauschte. Als man dieses Schiff in See brachte, fand sich’s, wie jeder Vernünftige vorhergesagt hatte, daß es seiner unbehilflichen Größe wegen schlechterdings nicht zu lenken sei und kaum von der höchsten Fluth konnte aufgehoben werden. Mit großer Mühe schleppte es sich bis nach Ordam fort, wo es, von der Fluth verlassen, am Strande sitzen blieb und den Feinden zur Beute wurde.

Die Unternehmung auf den Cowensteinischen Damm war der letzte Versuch, den man zu Antwerpens Rettung wagte. Von dieser Zeit an sank den Belagerten der Muth, und der Magistrat der Stadt bemühte sich vergebens, das gemeine Volk, welches den Druck der Gegenwart empfand, mit entfernten Hoffnungen zu vertrösten. Bis jetzt hatte man das Brod noch in einem leidlichen Preise erhalten, obgleich die Beschaffenheit immer schlechter wurde; nach und nach aber schwand der Getreidevorrath so sehr, daß eine Hungersnoth nahe bevorstand. Doch hoffte man die Stadt wenigstens noch so lange hinzuhalten, bis man das Getreide zwischen der Stadt und den äußersten Schanzen, welches in vollen Halmen stand, würde einernten können; aber ehe es dazu kam, hatte der Feind auch die letzten Werke vor der Stadt eingenommen und die ganze Ernte sich selbst zugeeignet. Endlich fiel auch noch die benachbarte und bundsverwandte Stadt Mecheln in des Feindes Gewalt, und mit ihr verschwand die letzte Hoffnung, Zufuhr aus Brabant zu erhalten. Da man also keine Möglichkeit mehr sah, den Proviant zu vermehren, so blieb nichts anders übrig, als die Verzehrer zu vermindern. Alles unnütze Volk, alle Fremden, ja selbst die Weiber und Kinder sollten aus der Stadt hinweggeschafft werden; aber dieser Vorschlag stritt allzusehr mit der Menschlichkeit, als daß er hätte durchgehen sollen. Ein anderer Vorschlag, die katholischen Einwohner zu verjagen, erbitterte diese so sehr, daß es beinahe zu einem Aufruhr gekommen wäre. Und so sah sich denn St. Aldegonde genöthigt, der stürmischen Ungeduld des Volks nachzugeben und am siebenzehnten August 1585 mit dem Herzog von Parma wegen Uebergabe der Stadt zu traktieren.