Graf Egmont in Spanien

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Dem König dieser Schlüsse wegen Vorstellungen zu thun, ihm ein milderes Verfahren gegen die Protestanten abzugewinnen und auf die Einziehung der beiden andern Rathsversammlungen anzutragen, war der Auftrag, der dem Grafen von Egmont von Seiten der Mißvergnügten gegeben war; die Widersetzlichkeit des niederländischen Volks gegen die Edikte vor das Ohr des Monarchen zu bringen, ihn von der Unmöglichkeit zu überführen, diese Edikte in ihrer ganzen Strenge zu handhaben, ihm über den schlechten Zustand des Kriegswesens und der Finanzen in seinen niederländischen Staaten die Augen zu öffnen, ward ihm von der Statthalterin empfohlen.

Die Bestallung des Grafen wurde von dem Präsidenten Viglius entworfen. Sie enthielt große Klagen über den Verfall der Gerechtigkeitspflege, den Anwachs der Ketzerei und die Erschöpfung des Schatzes. Auf die persönliche Ueberkunft des Königs wurde nachdrücklich gedrungen. Das Uebrige war der Beredsamkeit des Botschafters vorbehalten, dem die Statthalterin einen Wink gab, eine so schöne Gelegenheit nicht von der Hand zu schlagen, um sich in der Gunst seines Herrn festzusetzen.

Die Verhaltungsbefehle des Grafen und die Vorstellungen, welche durch ihn an den König ergehen sollten, fand der Prinz von Oranien in viel zu allgemeinen und schwankenden Ausdrücken abgefaßt. »Die Schilderung,« sagte er, »welche der Präsident von unsern Beschwerden gemacht, ist weit unter der Wahrheit geblieben. Wie kann der König die schicklichsten Heilmittel anwenden, wenn wir ihm die Quellen des Uebels verhehlen? Laßt uns die Zahl der Ketzer nicht geringer angeben, als sie wirklich ist; laßt uns aufrichtig eingehen, daß jede Provinz, jede Stadt, jeder noch so kleine Flecken davon wimmelt; laßt uns auch nicht bergen, daß sie die Strafbefehle verachten und wenig Ehrfurcht gegen die Obrigkeit hegen. Wozu also noch diese Zurückhaltung? Aufrichtig dem König gestanden, daß die Republik in diesem Zustand nicht verharren kann. Der geheime Rath freilich wird anders urtheilen, dem eben diese allgemeine Zerrüttung willkommen heißt. Denn woher sonst diese schlechte Verwaltung der Gerechtigkeit, diese allgemeine Verderbniß der Richterstühle, als von seiner Habsucht, die durch nichts zu ersättigen ist? Woher diese Pracht, diese schändliche Ueppigkeit jener Kreaturen, die wir aus dem Staube haben steigen sehen, wenn sie nicht durch Bestechung dazu gekommen sind? Hören wir nicht täglich von dem Volk, daß kein anderer Schlüssel sie eröffnen könne, als Gold, und beweisen nicht ihre Trennungen unter einander selbst, wie schlecht sie von der Liebe zum Ganzen sich beherrschen lassen? Wie können Menschen zum allgemeinen Besten rathen, die das Opfer ihrer eignen Leidenschaft sind? Meinen sie etwa, daß wir, die Statthalter der Provinzen, dem Gutbefinden eines infamen Lictors mit unsern Soldaten zu Gebote stehen sollen? Laßt sie ihren Indulgenzen und Erlassungen Grenzen setzen, womit sie gegen Diejenigen, denen wir sie versagen, so verschwenderisch sind. Niemand kann Verbrechen erlassen, ohne gegen das Ganze zu sündigen und das allgemeine Uebel durch einen Beitrag zu vermehren. Mir, ich gestehe es, hat es niemals gefallen, daß die Geheimnisse des Staats und die Regierungsgeschäfte sich unter so viele Collegien vertheilen. Der Staatsrath reicht hin für alle; mehrere Patrioten haben dieses längst schon im Stillen empfunden, und ich erkläre es jetzt laut. Ich erkläre daß ich für alle Uebel, worüber Klage geführt wird, kein anderes Gegenmittel weiß als jene beiden Kammern in dem Staatsrath aufhören zu lassen. Dieses ist es, was man von dem König zu erhalten suchen muß, oder diese neue Gesandtschaft ist wiederum ganz zwecklos und unnütz gewesen.« Und nun theilte der Prinz dem versammelten Senat den Entwurf mit, von welchem oben die Rede war. Viglius, gegen den dieser neue Vorschlag eigentlich und am meisten gerichtet war, und dem die Augen jetzt plötzlich geöffnet wurden, unterlag der Heftigkeit seines Verdrusses. Die Gemüthsbewegung war seinem schwächlichen Körper zu stark, und man fand ihn am folgenden Morgen vom Schlage gelähmt und in Gefahr des Lebens.

Seine Stelle übernahm Joachim Hopper, aus dem geheimen Rathe zu Brüssel, ein Mann von alter Sitte und unbescholtener Redlichkeit, des Präsidenten vertrautester und würdigster Freund. Er machte zu Gunsten der Oranischen Partei noch einige Zusätze zu der Ausfertigung des Gesandten, welche die Abschaffung der Inquisition und die Vereinigung der drei Curien betrafen, nicht sowohl mit Genehmigung der Regentin, als vielmehr, weil sie es nicht verbot. Als darauf Graf von Egmont von dem Präsidenten, der sich unterdessen von seinem Zufall wieder erholt hatte, Abschied nahm, bat ihn dieser, ihm die Entlassung von seinem Posten aus Spanien mitzubringen. Seine Zeiten, erklärte er, seien vorüber; er wolle sich nach dem Beispiel seines Vorgängers und Freundes Granvella in die Stille des Privatlebens zurückziehen und dem Wankelmuth des Glücks zuvorkommen. Sein Genius warne ihn vor einer stürmischen Zukunft, womit er sich nicht gern vermengen wolle.

Der Graf von Egmont trat im Jänner des Jahres 1565 seine Reise nach Spanien an und wurde daselbst mit einer Güte und Achtung empfangen, die Keinem seines Standes vor ihm widerfahren war. Alle castilianischen Großen, vom Beispiel ihres Königs besiegt, oder vielmehr seiner Staatskunst getreu, schienen ihren verjährten Groll gegen den flämischen Adel ausgezogen zu haben und beeiferten sich in die Wette, ihn durch ein angenehmes Bezeigen zu gewinnen. Alle seine Privatgesuche wurden ihm von dem König bewilligt, ja, seine Erwartungen hierin sogar übertroffen, und während der ganzen Zeit seines dortigen Aufenthalts hatte er Ursache genug, sich der Gastfreiheit des Monarchen zu rühmen. Dieser gab ihm die nachdrücklichsten Versicherungen von seiner Liebe zu dem niederländischen Volk und machte ihm Hoffnung, daß er nicht ungeneigt sei, sich dem allgemeinen Wunsche zu fügen und von der Strenge der Glaubensverordnungen etwas nachzulassen. Zu gleicher Zeit aber setzte er in Madrid eine Commission von Theologen nieder, denen die Frage aufgelegt wurde, ob es nöthig sei, den Provinzen die verlangte Religionsduldung zu bewilligen? Da die meisten darunter der Meinung waren, die besondere Verfassung der Niederlande und die Furcht vor einer Empörung dürfte hier wohl einen Grad von Nachsicht entschuldigen, so wurde die Frage noch bündiger wiederholt. »Er verlange nicht zu wissen,« hieß es, »ob er es dürfe, sondern ob er es müsse?« Als man das Letzte verneinte. so erhob er sich von seinem Sitz und kniete vor einem Crucifix nieder. »So bitte ich dich denn, Majestät des Allmächtigen,« rief er aus, »daß du mich nie so tief mögest sinken lassen, ein Herr Derer zu sein, die dich von sich stoßen!« Und nach diesem Muster ungefähr fielen die Maßregeln aus, die er in den Niederlanden zu treffen gesonnen war. Ueber den Artikel der Religion war die Entschließung dieses Monarchen einmal für ewig gefaßt; die dringendste Nothwendigkeit konnte ihn vielleicht nöthigen, bei Durchsetzung der Strafbefehle weniger streng zu sein, aber niemals, sie gesetzlich zurückzunehmen, oder nur zu beschränken. Egmont stellte ihm vor, wie sehr selbst diese öffentlichen Hinrichtungen der Ketzer täglich ihren Anhang verstärkten, da die Beispiele ihres Muths und ihrer Freudigkeit im Tode die Zuschauer mit der tiefsten Bewunderung erfüllten und ihnen hohe Meinungen von einer Lehre erweckten, die ihre Bekenner zu Helden machen kann. Diese Vorstellung fiel bei dem König zwar nicht auf die Erde, aber sie wirkte etwas ganz Anderes, als damit gemeint worden war. Um diese verführerischen Auftritte zu vermeiden und der Strenge der Edikte doch nichts dadurch zu vergeben, verfiel er auf einen Ausweg und beschloß, daß die Hinrichtungen ins Künftige – heimlich geschehen sollten. Die Antwort des Königs auf den Inhalt seiner Gesandtschaft wurde dem Grafen schriftlich an die Statthalterin mitgegeben. Ehe er ihn entließ, konnte er nicht umhin, ihn über sein Bezeigen gegen Granvella zur Rechenschaft zu ziehen, wobei er insbesondere auch der Spottliverei gedachte. Egmont betheuerte, daß das Ganze nichts als ein Tafelscherz gewesen und nichts damit gemeint worden sei, was die Achtung gegen den Monarchen verletzte. Wüßte er, daß es einem Einzigen unter ihnen eingefallen wäre, etwas so Schlimmes dabei zu denken, so würde er selbst ihn vor seinen Degen fordern.

Bei seiner Abreise machte ihm der Monarch ein Geschenk von fünfzigtausend Gulden und fügte noch die Versicherung hinzu, daß er die Versorgung seiner Töchter über sich nehmen würde. Er erlaubte ihm zugleich, den jungen Farnese von Parma mit sich nach Brüssel zu nehmen, um der Statthalterin, seiner Mutter, dadurch eine Aufmerksamkeit zu bezeigen. Die verstellte Sanftmuth des Königs und die Betheuerungen eines Wohlwollens für die niederländische Nation, das er nicht empfand, hintergingen die Redlichkeit des Flamänders. Glücklich durch die Glückseligkeit, die er seinem Vaterlande zu überbringen meinte und von der er nie weiter entfernt gewesen war, verließ er Madrid über alle Erwartung zufrieden, um alle niederländischen Provinzen mit dem Ruhm ihres guten Königs zu erfüllen.

Gleich die Eröffnung der königlichen Antwort im Staatsrath zu Brüssel stimmte diese angenehmen Hoffnungen schon merklich herunter. »Obgleich sein Entschluß in Betreff der Glaubensedikte,« lautete sie, »fest und unwandelbar sei, und er lieber tausend Leben verlieren, als nur Einen Buchstaben daran abändern wolle, so habe er doch, durch die Vorstellungen des Grafen von Egmont bewogen, auf der andern Seite keines von den gelinden Mitteln unversucht lassen wollen, wodurch das Volk vor der ketzerischen Verderbniß bewahrt und jenen unabänderlichen Strafen entrissen werden könnte. Da er nun aus des Grafen Bericht vernommen, daß die vornehmste Ursache der bisherigen Glaubensirrungen in der Sittenverderbniß der niederländischen Geistlichkeit, dem schlechten Unterricht des Volks und der verwahrlosten Erziehung der Jugend zu suchen sei, so trage er ihr hiemit auf, eine besondere Commission von drei Bischöfen und einigen der geschicktesten Theologen niederzusetzen, deren Geschäft es wäre, sich über die nöthige Reform zu berathschlagen, damit das Volk nicht fernerhin aus Aergerniß wanke, oder aus Unwissenheit in den Irrthum stürze. Weil er ferner gehört, daß die öffentlichen Todesstrafen der Ketzer diesen nur Gelegenheit gäben, mit einem tollkühnen Muthe zu prahlen und den gemeinen Haufen durch einen Schein von Märtyrerruhm zu bethören, so solle die Commission Mittel in Vorschlag bringen, wie diesen Hinrichtungen mehr Geheimniß zu geben und den verurteilten Ketzern die Ehre ihrer Standhaftigkeit zu entreißen sei.« Um aber ja gewiß zu sein, daß diese Privatsynode ihren Auftrag nicht überschritte, so verlangte er ausdrücklich, daß der Bischof von Ypern, ein versicherter Mann und der strengste Eiferer für den katholischen Glauben, von den committierten Räthen sein sollte. Die Beratschlagung sollte wo möglich in der Stille und unter dem Schein, als ob sie die Einführung der Trientischen Schlüsse zum Zweck hätte, vor sich gehen; wahrscheinlich um den römischen Hof durch diese Privatsynode nicht zu beunruhigen und dem Geist der Rebellion in den Provinzen keine Aufmunterung dadurch zu geben. Bei der Sitzung selbst sollte die Herzogin nebst einigen treugesinnten Staatsräthen anwesend sein, und sodann ein schriftlicher Bericht von dem, was darin ausgemacht worden, an ihn erlassen werden. Zu ihren dringendsten Bedürfnissen schickte er ihr einstweilen einiges Geld. Er machte ihr Hoffnung zu seiner persönlichen Ueberkunft; erst aber müßte der Krieg mit den Türken geendigt sein, die man eben jetzt vor Malta erwarte. Die vorgeschlagene Vermehrung des Staatsraths und die Verbindung des geheimen Raths und Finanzraths mit demselben wurde ganz mit Stillschweigen übergangen, außer daß der Herzog von Arschot, den wir als einen eifrigen Royalisten kennen, Sitz und Stimme in dem letztern bekam. Viglius wurde der Präsidentenstelle im geheimen Rathe zwar entlassen, mußte sie aber dem ohngeachtet noch ganzer vier Jahre fort verwalten, weil sein Nachfolger, Karl Tyssenacque, aus dem Conseil der niederländischen Angelegenheiten in Madrid, so lange dort zurückgehalten wurde.