Charakterisierung der Elisabeth, Königin von England, Zeichnung von Arthur von Ramberg

Elisabeth, Königin von England, Charakter aus dem Schiller-Drama Maria Stuart, Zeichnung von Arthur von Ramberg, 1859

Elisabeth, Königin von England, Charakter aus dem Schiller-Drama Maria Stuart, Zeichnung von Arthur von Ramberg, 1859

Charakterisierung der Elisabeth, Königin von England

aus der „Schiller-Galerie“, 1859



Es wäre interessant, genauer den Gedankengang zu kennen, welcher Schiller veranlasste, seinen sonstigen Ansichten entgegen die große Königin, der England einen guten Teil seiner Blüte verdankt, mit so auffallender Härte zu behandeln, nur in wenigen Augenblicken die energische Natur, die große, königliche Seele, die Vertreterin jenes großen Prinzips des Protestantismus in ihr zu zeigen, als welche Elisabeth in der Geschichte erscheint, während Maria, die den Katholizismus repräsentiert, wie dieser selber mit allem berauschenden Farbenreichtum geschildert ist. Es ist dies eine Konzession an die Romantik, wie sie ihm sonst fremd ist.

Gleich im ersten Akt, wo Burleigh dem Paulet die Notwendigkeit andeutet, dass Maria sterben müsse, sowie die Gründe, die die Ausführung misslich machen, werden wir gegen Elisabeth eingenommen:

Ihr Mund wagt ihre Wünsche nicht zu sprechen;
Doch vielbedeutend fragt ihr stummer Blick:
Ist unter allen meinen Dienern keiner,
Der die verhasste Wahl mir spart?

Während der Abscheu des protestantischen Volks vor der Herrschaft des Papismus, sowie der daher stammende Wunsch nach der Hinrichtung Marias angedeutet wird:

Denn dieses war des Landes ew‘ge Furcht,
Sie möchte sterben ohne Leibeserben,
Und England wieder Papstes Fesseln tragen,
Wenn ihr die Stuart auf dem Throne folgte —

so lässt man uns doch die Liebe des Volks zu Elisabeth kaum ahnen. Und wenn sich beim ersten Auftreten richtig das Gefühl ihrer Größe ausspricht, wenn sie von letztern sagt:

Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich,
Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk,
Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.
Es zeigt mir dadurch an, dass ich ihm nur
Ein Weib bin, und ich meinte doch regiert
Zu haben, wie ein Mann und wie ein König –

so widert uns doch die Härte an, mit der sie gleich darauf der Bitte um Gnade für Maria aus dem Wege geht; die Heuchelei, mit der sie Burleighs Auseinandersetzung der Notwendigkeit von Marias Tod durch einen vergeblichen Abscheu vor dem Vergießen alles Blutes beantwortet; die Kälte, mit der sie dennoch gleich darauf Shrewsburys Verteidigung derselben aufnimmt:

Ein warmer Anwalt ist Graf Shrewsbury
Für meine Feindin und des Reichs. Ich ziehe
Die Rathe vor, die meine Wohlfahrt lieben —

und damit ihre eigentliche Gesinnung hinlänglich andeutet. Nur ein mal sehen wir sie gerührt, als sie Marias Brief erhält; und auch da mischt sich Bosheit in die Rührung, wenn sie seufzt:

Was ist der Mensch! Was ist das Glück der Erde!
Wie weit ist diese Königin gebracht,
Die mit so stolzen Hoffnungen begann.

Aber gleich darauf spricht sie richtig das Gefühl der tragischen Notwendigkeit aus, die sie zur Vernichtung der Gegnerin nötigt. Während ihr nun der Erfolg deutlich vor Augen schwebt:

Mich immer trifft der Hass der That. Ich muss
Sie eingestehn und kann den Schein nicht retten.
Das ist das Schlimmste! —

empört sie uns aufs höchste durch die Heuchelei, mit der sie ihm entgehen möchte, und die Niederträchtigkeit, mit der sie, während sie Mortimer zum Mord zu Stacheln sucht, ihm den Besitz ihrer eigenen Gunst als Lohn für denselben in Aussicht stellt. Mortimer hat ganz recht, wenn er von diesem grenzenlosen Egoismus urteilt, dass er, da er keiner Hingebung fähig sei, auch keine verdiene.

Nach diesem Ausbruche tödlichsten Hasses und widrigster Lüsternheit empfinden wir es als eine Erleichterung, wenn sie Leicester gegenüber wieder Königin wird:

So glücklich bin ich nicht, dass ich dem Manne,
Der mir vor allen theuer ist, die Krone
Aufsetzen kann! — Der Stuart ward’s vergönnt,
Die Hand nach ihrer Neigung zu verschenken;
Die hat sich jegliches erlaubt. …
Doch zog ich strenge Königspflichten vor.
Und doch gewann sie aller Männer Gunst,
Weil sie sich nur befliss ein Weib zu sein.

Diese Reflexionen hindern sie aber nicht, gleich darauf ebenfalls als Weib mit allen Schwächen aufzutreten und zu sagen:

Und ist’s denn wirklich wahr, dass sie so schön ist?
So oft musst’ ich die Larve rühmen hören.

Sogar der niedrige Grund wirkt auf sie, den ihr der Günstling anführt:

Du kannst sie auf das Blutgerüste führen,
Es wird sie minder peinigen, als sich
Von deinen Reizen ausgelöscht zu sehn.
Dadurch ermordest du sie, wie sie dich
Ermorden wollte —

und sie lasst sich durch denselben wirklich berücken.
In der nun folgenden berühmten Scene zwischen beiden Königinnen hat Schiller das Odiose wieder auf Elisabeth fallen lassen, und ebenso, wenn sie die Unmöglichkeit der Versöhnung zwischen ihr und der Kirche ausspricht, deren Repräsentantin Maria ist:

Draussen, Lady Stuart,
Ist Eure Freundschaft, Euer Haus das Papstthum.

Hier würde ihr unser Verstand unbedingt recht geben müssen, wenn sie unser Gefühl nicht durch den darauffolgenden unnötigen persönlichen Hass gegen die hilf- und schutzlos vor ihr liegende Feindin so sehr verletzte.
Durch diesen getrieben, durch die Begegnung mit Maria und den Verrat Leicesters als Weib vollends aufs schwerste gereizt, unterschreibt sie das Todesurteil endlich doch, nicht ohne vorher noch einmal das Register der Heuchelei aufgezogen zu haben, nur nach langem Kampf, und nicht ohne das Vorgefühl, dass ihr ihr Zweck misslingen wird:

Ach, wie sehr befürcht’ ich,
Wenn ich dem Wunsch der Menge nun gehorcht,
Dass eine ganz verschiedne Stimme sich
Wird hören lassen — ja, dass eben die,
Die jetzt gewaltsam zu der That mich treiben,
Mich, wenn’s vollbracht ist, strenge tadeln werden!

In diesem Moment der letzten sinnenden Erwägung hat der Künstler die Elisabeth aufgefasst, und wir glauben, dass es vollkommen zu rechtfertigen ist, wenn er das Mächtige, Großartige‚ wahrhaft Königliche in ihrem Wesen vor allem uns zur Erscheinung zu bringen gesucht hat.
Wenn Elisabeth auf die Gewissheit hin, dass das Urteil bereits vollzogen sei, ausruft:

Ich bin Königin von England! …
Jetzt endlich hab’ ich Raum auf dieser Erde.
— Was zittr’ ich? Was ergreift mich diese Angst?
Das Grab deckt meine Furcht, und wer darf sagen,
Ich hab’s gethan! Es soll an Thränen mir
Nicht fehlen, die Gefallne zu beweinen! —

so ist dies wenigstens wahr, wenn nicht edel, und dass die Heuchelei, mit der sie den Schein der Tat von sich abzuwälzen sucht, keinen Glauben findet, dass die Tat ihr selbst nicht die Frucht bringt, welche sie davon erwartet, da sie ihr den Geliebten raubt — das Weib also besiegt wird, während die Königin triumphiert —, das eben ist das Tragische in dem Geschick der großartigen Frau.