HomeDie Horen1797 - Stück 1I. Robert Guiscard. [Karl W. F. von Funck]

I. Robert Guiscard. [Karl W. F. von Funck]

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Herzog von Apulien und Calabrien.

In den stürmischen Perioden der Anarchie und der Gährung, welche nach der Wiederherstellung des Abendländischen Throns auf den Verfall der ersten herrschenden Kaiserfamilien folgten, konnte es einem kühnen Abentheurer nicht an Gelegenheit fehlen, sich durch glänzende Thaten in der Geschichte zu verewigen. Aus den Trümmern der Carolingischen Monarchie waren zwar nach und nach mehrere neue Reiche hervorgegangen, aber noch hatte keins derselben eine feste Verfassung, und so lange noch keine bestimmte bürgerliche Ordnung die Plätze im Staate vertheilte, blieb es jedem Einzelnen überlassen, sich den seinigen nach dem Maaß seiner Fähigkeiten oder seiner Begierden zu suchen. Unruhige Köpfe und grosse Genien begegneten einander auf derselben Laufbahn, und bey einem unternehmenden Geiste fand selbst der Privatmann nicht selten Mittel, sich zu dem Range mächtiger Fürsten empor zu heben. Aber der Schritt blieb immer ein Riesenschritt, und selbst die Möglichkeit, den Preis zu erringen, erschwerte den Sieg, weil jedes Beyspiel eines glücklichen Erfolgs die Menge der Kämpfer vermehrte. Es gehörten schon mehr als gemeine Kräfte dazu, um unter den Zeitgenossen hervor zu ragen, und Tapferkeit mußte sich mit einem gleich hohen Grade von Klugheit in dem Manne paaren, der seine Mitstreiter beherrschen wollte.

Gern verweilt man bey den Denkmalen persönlicher Grösse, welche die Jahrbücher jener Zeiten uns aufbewahrt haben, gern verfolgt man die eigne Bahn, welche der kühne Muth sich brach, sieht ihn im Kampf mit gehäuften Schwierigkeiten seine Anstrengungen verdoppeln, vom Schicksal niedergeworfen mit verjüngter Kraft sich wieder erheben und keinem andern Gesetz, als der Nothwendigkeit, weichen. Noch anziehender aber wird diese Betrachtung, wenn das Werk des grossen Mannes nicht blos eine vorübergehende Erscheinung war, wenn er nicht nur für die kurze Periode seines Lebens, sondern auch für die Nachwelt gebauet hat. Selten findet man beides; oft überlebte das stolzaufgethürmte Gebäude kaum das folgende Menschenalter, und was das Schwerdt verbunden hatte, wurde auch eben so schnell durch das Schwerdt wieder getrennt. Nur der Staat der Normannen im untern Italien hängt trotz den Revolutionen von sieben Jahrhunderten noch mit dem heutigen Zustande Europens zusammen, und die Provinzen der Longobarden, Saracenen und Griechen, welche Robert Guiscard unter seinem Szepter vereinigte, machen noch jetzt das Königreich Neapel aus.

Roberts Vorfahren hatten unter der Anführung Rollo’s ihr beeistes Vaterland in dem äusersten Norden verlassen, und die französische Provinz erobern helfen, welche bis in die spätesten Zeiten den Namen der Normannen geführt hat. Hier, in dem District von Contances, lebte Tancred von Hauteville, ein edler aus der Klasse der Bannerherren, auf seinen Gütern, von welchen er auf den Ruf seines Lehnsherrn zehn Reisige zu stellen verpflichtet war. Dies geringe Erbtheil konnte den Ehrgeiz seiner zwölf Söhne, die er mit zwey Gemahlinnen erzeugt hatte, nicht befriedigen; von ihrem Schwerdt erwarteten sie Ruhm und Glück. Nur zwey von ihnen blieben halb gezwungen zurück, die väterlichen Güter anzubauen, die zehn übrigen zogen, so wie sie das Jünglingsalter erreicht hatten, auf Abentheuer aus.

Das untere Italien war damals der Schauplatz, wo sich die Tapferkeit der normännischen Jugend übte. Seit Jahrhunderten stritten die mächtigsten Nationen der Erde um den Besitz dieses Landes, aber keiner von ihnen war es gelungen, ausschliessend ihre Herrschaft daselbst zu gründen. Die Fürstenthümer von Salerno, Capua und Benevent hatten das Andenken des longobardischen Namens aufbewahrt, und an der Seeküste lebte unter dem griechischen Szepter der schwache Überrest des Exarchats fort, welcher den Städten Neapel und Amalfi das Vorrecht eigner Gesetze und einer republikanischen Verfassung ließ. Die deutschen Kaiser konnten nur an der Spitze eines Heers in diesen entlegnen Gegenden ihre Rechte geltend machen, in ihrer Abwesenheit behaupteten die Fürsten der Longobarden ihre Unabhängigkeit, und der byzantinische Statthalter oder Katapan zu Bari maßte sich die Herrschaft über ganz Apulien und Calabrien an. Durch die vereinten Kräfte beider christlichen Kaiser waren zwar die Saracenen von dem festen Lande vertrieben worden, aber sie blieben Meister von Sicilien und vermehrten noch durch wiederholte verheerende Streifzüge das Elend eines durch die Uneinigkeit seiner verschiednen Beherrscher fürchterlich gedrückten Volkes.

Im Jahr 1016 hatten die ersten Normannen diese Gegenden betreten. Andacht oder Zufall führte sie auf dem Rückwege von Jerusalem nach Salerno, sie leisteten dieser Stadt, welche von den Saracenen belagert wurde, wichtige Dienste, mehrere Abentheurer aus ihrem Vaterlande gesellten sich zu ihnen, und die unaufhörlichen Kriege der Longobarden, Griechen und Mahomedaner, an denen sie Antheil nahmen, gaben ihnen Beschäftigung und Unterhalt. Die Stadt Aversa war ihre erste Niederlassung in Italien, und nach sieben und zwanzig Jahren errichteten sie einen eignen Staat in dem innländischen Apulien, welches sie dem Szepter der constantinopolitanischen Kaiser entrissen. Zwölf Anführer, die den Grafentitel annahmen, theilten die eroberten Städte unter sich, und Wilhelm mit dem eisernen Arm, der älteste der Söhne Tancreds von Hauteville, genoß der Ehre, durch die einmüthige Stimme der Nation zum Oberhaupt der Krieger und zum Vorsteher ihrer Versammlungen zu Melfi erwählt zu werden.

Er lebte nicht mehr, und sein Bruder Drogo war ihm in der höchsten Würde gefolgt, als Robert, der sechste Sohn Tancreds, in einem Alter von zwey und zwanzig Jahren das väterliche Haus verließ. Fünf Reisige machten die ganze Begleitung des Jünglings aus, und wahrscheinlich würde auch diese Aussteuer die Kräfte seines Vaters überstiegen haben, wenn nicht der Ruf von dem Glück des Hauses Hauteville eine Menge unbegüterter Ritter um die Söhne des alten Trancreds versammlet hätte. Robert gieng im Jahr 1047 über die Alpen, und machte die Reise im Pilgerkleide, um den Nachstellungen der Römer und Tuscier zu entgehen, die das Glück der nordischen Fremdlinge mit eifersüchtigen Augen betrachteten; aber er konnte doch nicht ganz verborgen bleiben, und unterweges gesellten sich noch dreißig Fußgänger zu ihm. Mit diesem Gefolge trat er vor seinen Bruder.

Bey den ununterbrochenen Fehden der Normannen mußte er bald Gelegenheit finden, seine Waffenprobe abzulegen, und seine Landsleute lernten in ihm einen würdigen Bruder ihrer tapfern Anführer schätzen. Die äusern Vorzüge einer schöne Gestalt verfehlen bey einem kriegerischen Volk ihre Wirkung nicht, er ragte durch eine vortheilhaften Wuchs hervor, sein Körper war in den richtigsten Verhältnissen gebauet, und nachdem er die volle Kraft des männlichen Alters erreicht hatte, übertraf er an Stärke des Arms und an Geschicklichkeit in allen Leibesübungen, so wie an Dauer bey den größten Beschwerden, die abgehärtesten unter Drogo’s Gefährten. Sein feuriges Auge und seine starke Stimme, die oft durch das Getümmel des Kampfs hervortönte, geboten Ehrfurcht; die jungen Krieger hiengen mit Enthusiasmus an einem Anführer, der, in jeder Gefahr der erste, ihnen unaufhörlich Gelegenheit gab, Ruhm und Beute zu erwerben, und durch die gefällige Bildung seiner Züge und ein einnehmendes Betragen gewann er die Herzen der alten Ritter, die an dem langen, blonden Haar des Jünglings einen ächten Normann erkannten.

So sehr sich Robert durch das Ansehen, worinn er bey seinen Gefährten stand, geschmeichelt fühlen mußte, so konnte doch eine Stelle unter Drogo’s Rittern seinen Ehrgeiz nicht befriedigen. Er lag seinem Bruder an, ihm eine eigene Niederlassung zu geben; aber die in Apulien eroberten Ländereien waren längst unter die ersten Krieger vertheilt, und als das Schloß Lavello nahe bey Melfi dem Landesherrn anheimfiel, hatte sein älterer Bruder Humphred ein näheres Recht dazu. Robert’s Wünsche wurden endlich nach einem Streifzuge in das disseitige Calabrien erfüllt. Diese von den Normannen noch wenig betretenen und von den byzantinischen Heeren nie ganz unterjochten Gegenden bewohnte ein rauhes Gebirgsvolk, das in seinen Wäldern eine Art von Freiheit durch die Entbehrung der Vorzüge gesitteter Nationen erkaufte. Nur an der Seeküste und in einigen festen Städten des innern Landes blüheten Handel und griechische Betriebsamkeit, hier tauschten die Calabresen ihr Geräth und eine Menge unentbehrlicher Werkzeuge gegen die Früchte ihres Landes und dem Gewinn ihrer Heerden ein; und wurden in dem Maaße, wie die Bedürfnisse halb cultivirter Menschen zunahmen, immer abhängiger von den Städten, deren Mauern und Kriegsmaschinen ihnen Ehrfurcht einflößten. Im Handel gedrückt, durch die Kunstgriffe der Griechen ihrer Waffen beraubt, und ohne Schutz gegen die Plünderungen der Saracenen, vereinigten sie sich mit ihren Nachbarn, nicht aus Zuneigung, sondern um ihre eignen Hütten gegen die Verheerungen eines neuen Feindes zu schützen.

Drogo drang dem ungeachtet bis in die Thäler am Fluß Crate, von dem damals die ganze Provinz den Namen hatte, vor, und eroberte hier einen festen Ort, den er seinem Bruder übergab, mit der Erlaubniß, sich in diesen unbekannten Ländern ein Erbtheil zu erkämpfen. Mehr konnte oder wollte er nicht für ihn thun, und ohne Geld, ohne Macht, in einer feindlichen Gegend sich selbst überlassen, hatte Robert kein anderes Mittel, seine Anhänger zu erhalten, als Beute und Plünderung. Krieg wurde ihm daher nothwendig, um zu leben, und wenn diese Quelle nicht ergiebig genug war, verschmähete er auch die Kunstgriffe eines Räubers nicht. Die Heerden der benachbarten Landleute, und ihre Erndten wurden ein leichter Raub der offenbaren Gewalt, und weder Mauern noch Thürme blieben der List des schlauen Freybeuters unzugänglich.

Um die Reichthümer eines stark befestigten Klosters zu plündern, gab er einen seiner liebsten Gefährten für todt aus, und begehrte für den Leichnam ein Grab in heiliger Erde. Seine letzten Kleinodien wurden hervorgesucht, um den Mönchen Geschenke zu machen, und Seelenmessen für den Verstorbenen zu bezahlen, und die betrognen Klosterherren öffneten dem Leichenzug ihre Thore. Aber kaum hatte das Innere des Klosters ihn aufgenommen, so sprang der verstellte Tode von der ofnen Bahre herab, die Leidtragenden zogen ihre versteckten Schwerdter hervor, und nur durch ein ansehnliches Lösegeld entgiengen die Mönche der Plünderung.

Robert wurde dadurch reich genug, daß Schloß Sanct Marco, ohnweit Bisignano, befestigen zu können, welches er von nun an zu seinem Wohnplatz machte. Aber die Schätze, welche er erwarb, dauerten bey ihm nicht lange. Er vertheilte sie mit freigebiger Hand unter seinen Anhängern; und hielt den kleinen Haufen ihm ergebner entschloßner Gefährten für seinen größten Reichthum.

Alle Normannen, die sich zu ihm gesellt hatten, und auch eine Anzahl Calabreser, aus denen er sich ein tapfres Fußvolk zu bilden anfieng, hiengen mit unbegränzter Liebe und einem Zutrauen an ihm, das sie an nichts, was Er unternahm, verzweifeln ließ. Aber eben so sehr wurde er von den Griechen und den Eingebohrnen der umliegenden Gegend gefürchtet und gehaßt. Da sie im ofnen Felde seinen kühnen Räubern nicht widerstehen konnten, begnügten sie sich, die engen Pässe der Gebirge sorgfältig zu bewachen, und schlossen ihre Heerden und ihre Vorräthe in unzugänglichen Thälern oder festen Städten ein.

Oft gerieth Robert dadurch in den äusersten Mangel, und nur durch List und kühne Wagnisse zog er sich aus seinen Verlegenheiten. Eines Tages trat sein Haushofmeister mit der Frage zu ihm: „Was Er und seine Gefährten am morgenden Tage essen wollten? In der Burg sey weder Geld noch Vorrath, und wenn man auch Geld hätte, wäre doch dafür nichts zu bekommen, weil alle Einwohner weit umher vor dem Anblick eines Normannen entflöhen.“ Robert geboth ihm zu schweigen, und den Morgen zu erwarten. Er hatte sechzig Calabresen in seinem Dienst, an diese wendete er sich, um zu erfahren, ob nicht irgendwo in der Nähe Lebensmittel versteckt wären. Sie bezeichneten ihm ein enges Thal im Gebirge, dessen einziger Eingang aber sorgfältig bewacht würde. Doch, setzten sie hinzu, sey es nicht unmöglich, noch auf einem andern, ihnen bekannten Wege dahin zu gelangen, aber nicht anders als zu Fuße, und ohne Lasten zu tragen. Robert, der diese Leute durch Freigebigkeit und ein leutseliges Betragen sich ganz eigen gemacht hatte, lobte ihre Klugheit; „Geht, Kinder, sagte er lächelnd, ich sehe wohl, ihr wollt mich nicht verhungern lassen. Macht euch nur voraus auf den Weg, ich werde mit den Rittern nachfolgen.“

Er sagte aber keinem von diesen ein Wort, entließ sie zur gewöhnlichen Stunde, und legte sich in Gegenwart seiner Bedienten zu Bette. Sobald alles im Schlosse still war, stand er unbemerkt wieder auf, zog ein schlechtes Kleid an, umwickelte seine Füsse mit einem Tuch, und gesellte sich in der Dunkelheit zu den Calabresen, die singend und munter über die Berge hinkletterten. Bald aber folgte tiefe Stille auf das laute Geschwätz, weil sie jetzt sich den feindlichen Wohnungen näherten. Robert hatte die ganze Zeit über nicht gewagt ein Wort zu reden, um nicht durch seine Stimme oder die fremde Mundart verrathen zu werden, und jetzt stiegen beunruhigende Vorstellungen in seiner Seele auf, die ihn seinen Leichtsinn, nun es zur Rückkehr zu spät war, bereuen ließen. Die Calabresen gehörten zu dem Volke, das er unaufhörlich bekriegte; wollten sie treulos handeln, welchen Lohn durften sie nicht von den Griechen für einen solchen Gefangenen erwarten! Ein unrühmlicher Tod oder Sklaverey konnte die Folge seiner raschen Verwegenheit seyn, und Rettung war unmöglich. Kein Mensch in der Burg wußte um seine Abwesenheit, keiner seiner Ritter würde ihn hier gesucht, keiner diese versteckten Gründe gefunden haben. Nicht ohne Herzklopfen stieg er den schroffen gewundnen Pfad, wo Einer dem Andern die Hände reichen mußte, hinab, und wurde nur durch das Zeichen des Vordersten, daß sie an dem bestimmten Ort angekommen wären, aus seinem Nachdenken gerissen. Man fand in dem Thale nicht nur Lebensmitteln im Überfluß, sondern auch andre kostbare Beute. Alles, was fort zubringen ist, wird in tiefster Stille aufgeladen, aber jetzt erst beginnt die größte Verlegenheit. Die Calabresen, nach Rauben begierig, wollen nichts liegen lassen, und Robert zittert, daß die sorglosen Hüther endlich erwachen möchten. Gewohnt, Befehle zu geben, ergrimmt er über den unnöthigen Verzug, kaum kann er länger die peinigende Ungeduld verbergen, und dennoch befiehlt ihm die Klugheit jetzt mehr als jemahls, sich nicht zu verrathen. Durch heftige Gebährden, durch Winken mit dem Speer sucht er seine Gefährten zur Rückkehr zu bewegen. Umsonst; sie fangen erst noch an, die verborgensten Winkel zu durchsuchen. Endlich sieht er zu seiner großen Freude die Anstalten zum Aufbruch, der von innen versperrte Ausgang wird leicht eröfnet, und die kommen glücklich ins Freie. Aber nun können die schwer beladnen Räuber nicht rasch genug vorwärts schreiten, hinter ihnen entsteht Geräusch; und ehe sie noch die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, vernehmen sie deutlich das Schnauben der Pferde, und den Zuruf der Nachsetzenden, die endlich ihren Verlust wahrgenommen haben. Robert, der der Tapferkeit der Calabresen nicht trauet, beschließt sein Leben theuer zu verkaufen, aber in diesem Augenblick hört er, daß sie sich untereinander aufmuntern, muthigen Widerstand zu thun, und sich die Beute nicht wieder nehmen zu lassen. Jetzt glaubt er alles wagen zu dürfen. „Hier ist Robert“, ruft er, indem er seine Beute abwirft und den Speer mit beyden Händen ergreift, „er hat eure Beschwerden getheilt, und wird es jederzeit thun. Ohne ihn sollt ihr euch nie einer Gefahr aussetzen. Seyd getrost, wir werden die Feinde schlagen.“ Mit diesen Worten rennt er einem der Beraubten, der ihm schon ganz nahe ist, entgegen, durchbohrt ihn und bemächtigt sich seines Pferdes. Die Feinde kommen aus der Fassung, Roberts Leute aber, durch sein Beispiel angefeuert, thun einen muthigen Angriff. In wenig Minuten ist der Kampf entschieden. Die Nachsetzenden fliehen und lassen verschiedene Todte und mehrere Gefangne zurück. Mit den erbeuteten Pferden macht er einen Theil seiner Calabreser beritten, und eilt nun mit ihnen dem Schlosse zu. Die Ritter waren schon in der größten Verwirrung über die Abwesenheit ihres Anführers, den man im ganzen Schlosse vergebens gesucht hatte; desto lebhafter war ihre Freude, da Robert voraussprengte, und sie den verlohren Geglaubten mit Beute bereichert, wieder in ihrer Mitte sahen.

Das Lösegeld der Gefangnen erhob den Muth der Besazung, Überfluß folgte nun auf den Mangel. Roberts Verwegenheit, welche ihm den Tadel einiger älteren Ritter zuzog, hatte den glücklichen Erfolg, daß sie ihm die Herzen des gemeinen Volkes gewann. Verachtung und Druck hatte die Calabrier zu Wilden gemacht, sie fassten Zutrauen zu einem Fremdling, der Gefahren und Beschwerden mit ihren Brüdern theilte, und sie als freie Leute, nicht als Sklaven behandelte. Schaarenweise kamen sie nach Sanct Marco und verlangten unter seiner Fahne zu dienen.

Die kleinliche Staatskunst der Griechen hatte sich selbst der festesten Stütze beraubt, indem sie ein rauhes und kühnes Volk, zu dem die Weichlichkeit der Küstenbewohner noch nicht hindurchgedrungen war, wehrlos machte. Unter Roberts Anführung zeigten die Calabreser, daß sie nicht blos zu hinterlistigen Überfällen in unwegsamen Gebirgen, sondern auch zum gleichen Kampf in der Ebne Muth hatten. Mit den Waffen gab er ihnen auch das Gefühl ihres Werthes wieder. Sie halfen ihm seine Besitzungen in Calabrien ansehnlich erweitern, und an dem blutigen Tage bey Civitade trugen sie nicht wenig zu der Rettung des normannischen Staates bey.

Drogo war als das Opfer einer Verschwörung gefallen, welche allen Anführern der Normannen in Apulien den Tod drohete. Durch die schnellen und klugen Maasregeln Humphreds wurde die Rebellion der longobardischen Unterthanen im Keime erstickt, und er selbst an seines Bruders Stelle zum Oberhaupt der kriegerischen Aristokratie gewählt. Die gemeinschaftliche Gefahr vergrößerte seine Gewalt, und sicherte sie ihm auch ferner, da Leo IX im Einverständnis mit dem deutschen und griechischen Monarchen der ganzen Nation den Untergang bereitete.

Dieser kriegerische Papst wollte sich durchaus den Ruhm erwerben, die nordischen Eroberer aus dem Garten Italiens vertrieben zu haben. Von einer Wallfahrt zu den Heiligthümern des Bergs Gargano eilte er nach Deutschland zu Kaiser Heinrich dem dritten, und das folgende Jahr sah man ihn den Vorsitz in einer Synode zu Siponot mit der Befehlshaberstelle über ein Heer in Schwaben vertauschen. Durch den Neid eines Nebenbuhlers wurde die Macht, mit welcher ihm der Kaiser gegen die Normannen ausrüsten wollte, auf sieben bis achthundert Deutsche eingeschränkt, aber der griechische Katapan zu Bari versah ihn reichlich mit Gelde, und er verließ sich auf den Beistand der Apulier und der longobardischen Fürsten in Campanien, die ihm zahlreiche Hülfsvölker versprochen hatten.

In der That wuchs auch sein Heer mit jedem Schritt, den er von dem Fuß der Alpen durch zwey Drittheile der Länge Italiens that. Der Ruf eines Papstes, der an der Spitze einer Armee gegen die Feinde des Glaubens auszog, denn mit diesem Namen brandmarkte der Fluch des römischen Stuhls die Normannen, lockte ein unzählbares Volk aus allen Ständen zu den Fahnen Sanct Peters. Priester verließen den Altar, und umgürteten sich, nach dem Beispiel ihres Oberhaupts, mit dem Schwerdt, und Straßenräuber und Mörder entsagten ihrem gefährlichen Handwerk, um in diesem heiligen Kriege sich Schätze im Himmel und auf der Erde zu erwerben.

Richard Graf von Aversa und Humphred, die beiden Oberhäupter der Normannen, versammleten die ganze Macht der Nation, aber sie konnten nicht mehr als dreytausend Reuter zusammenbringen, und nachdem ihre longobardischen Unterthanen sie bey der Annäherung Leos verlassen hatten, machten Roberts Calabresen den größten Theil ihres Fußvolkes aus. Die überlegne Anzahl der Feinde, und die erhabne Würde des Anführers prägten ihnen Ehrfurcht ein. Sie schickten eine Gesandtschaft an den Papst, und erbothen sich, in seine Dienste zu treten, und ihre Besitzungen von ihm zur Lehn zu nehmen. Aber sie wurden mit Verachtung abgewiesen: „Sie sollten die Waffen strecken, und wehrlos in ihr Vaterland zurückkehren, oder alle des Todes gewärtig seyn,“ lautete die Antwort.

Jetzt erwachte der kriegerische Geist der Normannen wieder, den mehr der Aberglaube als die Furcht gedämpft hatte, und sie beschlossen mit einem Papst, der ein Heiliger und ein Wunderthäter war, den Kampf zu wagen. Ein flacher Hügel nahe bey dem Städtchen Civitade in Capitanata trennte die feindlichen Heere. Bey Sonnenuntergang bestiegen ihn die Söhne Tancreds und Richard, und sobald sie auf dem linken Flügel des päpstlichen Lagers die regellose Stellung der Italiäner, die gar keine Spur von kriegerischer Verfassung zeigte, auf dem rechten hingegen die furchtbare Ordnung der Deutschen erblickt hatten, war auch der Plan zu dem morgenden Angriff entworfen. Sie wählten die schräge Schlachtordnung. Richard übernahm es, mit dem rechten Flügel, der zuerst angreifen sollte, die Italiäner in die Flucht zu jagen, Humphred stellte sich mit dem Mitteltreffen den Deutschen gegenüber, und Robert hielt sich noch etwas weiter zurück, um erst im entscheidenden Moment die Feinde durch eine halbe Wendung zu überflügeln.

Mit dem Anbruch des Tages breiteten sich die Normannen auf dem Hügel aus, und Richard rannte mit eingelegtem Speer gegen die Italiäner; bestürzt, vergassen sie ihre Schusswaffen zu gebrauchen, die vordersten wichen zurück und drängten die hinteren Haufen, und in wenig Minuten kehrte die ganze zahllose Menge den Rücken. Die Anführer der Deutschen deckten ihre entblößte linke Seite, so gut sie konnten, und empfiengen den angriff Humphreds mit unerschüttertem Muth. Pfeile und Wurfspieße wurden verschossen, und als man den beiden Seiten zum Schwerdt griff, entstand ein fürchterliches Gemetzel. Diese Art des Kampfs war die Stärke der Deutschen, die, weniger geschickte Reuter als die Normannen, sich mehr auf das Schwerdt als auf die Lanze verließen. Selbst wenn sie vom Pferde geworfen wurden, wichen sie nicht; sie hielten ihre Ordnung auch zu Fuß, und waren da erst am furchtbarsten. Nachdem der Sieg eine Zeitlang geschwankt hatte, fiengen die Normannen an zu weichen, und in diesem Augenblick brach Robert mit seiner Schaar in die Reihen der Deutschen. Ein neuer, wüthender Kampf begann jetzt. Drey Pferde stürzten unter Robert nieder, dreymal erschien er wieder an der Spitze der Seinigen. Auch nachdem schon der größte Theil der Deutschen, mit einer noch größern Anzahl ihrer Feinde auf dem Schlachtfeld niedergestreckt war, setzte der Überrest das Treffen noch mit gleicher Hartnäckigkeit fort, bis zuletzt Richard, der vom Nachsetzen zurückkam, ihnen in den Rücken fiel. Nicht eher konnten sich die Normannen des Sieges rühmen, als bis der letzte der Deutschen auf der Wahlstatt lag.

Die Ehre dieses Tages wurde nach dem einmüthigen Zeugnis der Sieger und Besiegten Roberten zugeschrieben, der Erfolg war unerwartet. Leo fiel bey der Übergabe von Civitade in die Hände der Normannen, aber Klugheit und Aberglaube stürzte die Sieger zu den Füssen ihres Gefangnen. Sie flehten mit Thränen um die Vergebung ihrer Sünden, und er nahm jetzt mit Freuden die Bedingungen an, die er vor der Schlacht verworfen hatte. Als Lehnsherr seiner Überwinder kehrte er im folgenden Jahre nach Rom zurück, und nicht nur ihre gegenwärtigen Besitzungen, sondern auch ihre zukünftigen Eroberungen empfiengen dadurch den Stempel der Rechtmäßigkeit, denn auch für die letzteren leisteten sie ihm in Voraus den HuldigungsEid.

Humphred sah mit eifersüchtigen Augen das große Ansehen, welches Robert seit der Schlacht von Civitade bey seinen Landsleuten erworben hatte. Er hinderte ihn, unter dem Vorwand, daß seine Gegenwart bey den noch nicht ganz gestillten Unruhen in Apulien nothwendig sey, nach Calabrien zurückzukehren, und indem er ihm die Gelegenheit nahm, seine Anhänger durch Beute zu bereichern, suchte er diese nach und nach von ihm abwendig zu machen. Bey der Austheilung der Belohnungen, wo Humphreds jüngere Brüder Besitzungen in Capitanata und Basilicata bekamen, wurde Robert übergangen. Er hielt sich dafür durch Plünderungen in Humphreds eignen Gütern schadlos. Die Erbitterung der beyden Brüder stieg aufs äuserste, und eines Tages, da sie mit einander zu Tische saßen, entrüstete sich Humphred in einem Wortwechsel so sehr, daß er sein Schwerdt zog, und Roberten durchbohrt haben würde, wenn nicht Goscelin, ein edler Normann, der ihm in den Arm fiel, den Stoß abgewendet hätte.

Robert wurde ins Gefängniß gebracht, aber durch die Vermittlung der vornehmsten Ritter bekam er bald seine Freyheit wieder, und eine feierliche Umarmung söhnte die Brüder wenigstens öffentlich aus. Humphred erlaubte ihm nach Calabrien zu gehen, und seine Eroberungen in diesen Gegenden fortzusetzen. Er konnte nicht hindern, daß eine beträchtliche Anzahl junger Krieger ihn dahin begleitete, und tröstete sich mit der Hofnung, daß Mangel an Geld und den nöthigsten Bedürfnissen bald den größten Theil dieser Abentheurer nach Apulien zurückführen würde.

In der That fand auch Robert jetzt weit größere Schwierigkeit, diesen Bedürfnissen abzuhelfen, als vor seiner Abreise aus Calabrien. Die Bewohner des Landes hatten sich aus der Nähe von Sanct Marco zurückgezogen, und eine Reihe befestigter Städte hemmte seine weiteren Fortschritte. Er sah die Nothwendigkeit ein, sich zum Meister einer dieser Städte zu machen, und vorzüglich war sein Augenmerk auf Bisignano gerichtet, dessen Besitz ihm den Weg in das Herz des Landes würde geöfnet haben; aber er war von allen Mitteln entblößt, eine Belagerung zu unternehmen, die schon damals einen nicht geringen Aufwand von Kosten erfoderte.

Was ihm auf dem Wege der offnen Gewalt unmöglich war, sollte List ihm gewähren. Peter von Turra oder Cyrra hatte durch seine Reichthümer und seine Klugheit sich ein beinahe unbeschränktes Ansehn in Bisignano erworben, ihm war die Wache des Schlosses anvertraut, und sein Rath lenkte die wichtigsten Angelegenheiten der Stadt. Robert hatte längst den Anschlag gemacht, ihn aufzuheben, aber weil Peter nie anders als mit guter Begleitung ausgieng, und so oft er zu einer Zusammenkunft eingeladen war, sorgfältig erst einen kurzen Waffenstillstand bedung, hatte sich keine Gelegenheit dazu finden wollen, denn so sehr die Normannen von Sanct Marco auch Räuber waren, so treu hielten sie doch die eingegangenen Verträge.

Robert gab darum seinen Plan noch nicht auf, und nahm die Gelegenheit wahr, Petern wie von ohngefähr an dem gewöhnlichen Orte zu begegnen, ohne vorher ihm Sicherheit versprochen zu haben. Beide hatten eine ansehnliche Begleitung bey sich, und da die Anzahl der Bisignaner die stärkste war, glaubte Peter ohne Gefahr sich den Normannen nähern zu dürfen. Robert unterhielt ihn von einer Angelegenheit, welche beiden wichtig war, und im Verfolg der Unterredung schlug er ihm vor, ihr Gefolge von beiden Seiten einige hundert Schritte zurückgeben zu lassen, damit nicht unzeitige Zänkereyen entstünden. Peter willigte ein, sie lagerten sich unter dem Schatten eines Baums und wurden bald über die wichtigsten Punkte ihres Geschäftes einig.

Schon waren sie wieder aufgestanden und im Begriff sich zu trennen, als Robert seinen Gegner, der um ein ansehnliches länger als er, und etwas unbehülflich war, erst noch einmal recht betrachtet, dann ihn plötzlich mitten um den Leib pakt, mit starkem Arm auf seine Schultern wirft, und aus alten Kräften mit ihm davon läuft. Der erschrokne Bisignaner erhebt ein fürchterliches Geschrey, seien Mitbürger eilen herbey, ihn zu befreyen, da aber die Normannen ihnen entgegen kommen, wagen sie es nicht, mit Leuten den Kampf anzufangen, von deren Stärke sie eine so auffallende Probe sehen. Peter, der sich von dem ersten Schrecken erholt hat, ringt und sträubt sich auf dem Rücken seines Entführers. Zweimal stürzt Robert mit ihm nieder, aber auch an der Erde wälzt er ihn nach den Normannen zu, bald stößt er ihn vor sich her, bald trägt er ihn wieder. Keiner seiner Leute kömmt ihm zu Hülfe, sie begnügen sich auf seinen ausdrücklichen Befehl, blos die Bisignaner in Furcht zu erhalten, und diese eilen in ihre Mauern zurück, sobald sie ihren Anführer zu weit entfernt sehen, um ihn noch retten zu können. Robert verfehlte zwar seine Absicht auf das Schloß von Bisignano, weil die Stadt sich weigerte, ihren Mitbürger um diesen Preis loszukaufen. Aber zwanzigtausend Goldstücke, welche er von Petern als Lösegeld nahm, setzten ihn in den Stand, seine Krieger zu belohnen, und die lustige Art, wie er dieses Geld erworben hatte, vermehrte seine Anhang eben so sehr, als der Ruf, daß er in den Augenblicken der Noth zuerst seine eigne Person aussetzte, um die Bedürfnisse seiner Gefährten zu befriedigen. Die Normannen preisen seine List, so hoch als seine Tapferkeit, und der Beiname Guiscard, oder der Schlaukopf, den sie ihm deshalb beilegten, war ein Ehrenname, dessen sich Robert mit Vergnügen rühmte. Nicht blos junge Leute, die keinen Unterhalt hatten, als den das Schwerdt ihnen gab, sondern auch Männer, die eigne Güter besaßen, hielten es für vortheilhaft, unter einem so klugen Anführer zu dienen. Gerhard von Albergo, ein angesehner Ritter, besuchte ihn kurz nach der Gefangennehmung Peters von Turra, gab ihm seine Verwandte Alverada zur Gemahlin, und machte sich eine Ehre daraus, unter den Fahnen des jüngern Kriegers zu dienen.

Robert breitete jetzt seine Eroberungen immer weiter aus; er nahm den Titel eines Grafen an, wurde durch List Meister von Melvito und zwang die Städte Bisignano, Consenza und Marturano, ihm zinsbar zu werden und Kriegsdienste zu leisten, wogegen er sie im Besitz der Freiheit und ihrer festen Schlösser ließ. Seine Absicht war, sich in Calabrien unabhängig zu machen, als die unvermuthete Nachricht von der tödlichen Krankheit seines Bruders ihm plötzlich neue Aussichten eröfnete.

Er eilte nach Apulien; der sterbende Humphred hatte seinen unmündigen Sohn Bagelard oder Abaelard zu seinem Nachfolger ernannt, und glaubte, der Ehre eines Bruders und eines ausgesöhnten Feindes seine wehrlosen Kinder anvertrauen zu dürfen. Er übertrug Roberten die Vormundschaft, und starb in seinen Armen. Die Grafen, welche den verschiednen Districten des normännischen Freistaats vorgesetzt waren, hatten so viel Ehrfurcht für ihren verstorbenen Anführer, oder glaubten bey dieser Einrichtungen so gut ihre Rechnung zu finden, daß Humphreds Testament ohne Widerspruch angenommen wurde; bald aber gaben die entstandnen Mishelligkeiten und die Unruhen der unterworfnen Apulier dem Vormund Abälards Gelegenheit, die versammleten Krieger zu überführen, daß ein unmündiger Knabe nicht fähig sey, das Oberhaupt einer kriegerischen Aristokratie vorzustellen. Die Normannen waren gewohnt, einen Bruder dem andern folgen zu sehen, Humphred hatte kein Recht gehabt, das ihm für seine Person übertragne Amt eigenmächtig seinem Sohn zu hinterlassen, und Robert Guiscard, dem der grosse Haufe der niedern Ritterschaft mit unbegränzter Ergebung anhieng, konnte in dem Besitz einer Gewalt, die er schon als Vormund ausübte, nicht mehr gestöhrt werden.

In einem Alter von zwey und dreyßig Jahren übernahm er die Regierung des Apulischen Freistaats, und die Geschmeidigkeit seines Characters machte es ihm leicht, sich den neuen Verhältnissen anzupassen. Mit dem veränderten Schauplatz erweitern sich seine Plane. Der Ritter verschwindet in dem Staatsmann, der Abentheurer blickt nur selten aus dem Eroberer hervor. Eine unruhige, des Gehorsams ungewohnte Aristokratie zu bezähmen, und sich durch diese zum unumschränkten Beherrscher eines noch nicht halb eroberten Landes zu machen, ist sein erstes Ziel, und am Ende seiner Laufbahn sehen wir ihn die Hand nach einer Kaiserkrone ausstrecken. Die Art, wie er zu der höchsten Würde in dem Freistaat der Normannen gelangte, war vielleicht keine Usurpation der Gewalt, aber vergebens würde man ihn von dem Vorwurf einer Treulosigkeit gegen die ihm anvertrauten Pfänder rechtfertigen wollen. Robert erscheint überhaupt in der Geschichte seines Lebens weniger edel, als groß; nach der Wahl seiner Mittel darf er nicht gerichtet werden, keins, das ihm zur Erreichung seiner Absichten nützlich ist, scheint dem Ehrgeizigen unerlaubt, aber an dem festen Schritte, womit er trotz der sich unaufhörlich häufenden Schwierigkeiten grade auf sein Ziel losgeht, an seinem Muth in Gefahren, seiner unerschütterlichen Standhaftigkeit im Unglück, und an den Hilfsquellen, die er stets in sich selbst findet, erkennt man das überlegne Genie. In der Anwendung der erworbnen Güter, in dem Gebrauch seiner Gewalt, in dem Betragen gegen Überwundene erscheint er zu seinem Vortheil, und es gereicht ihm zur Ehre, daß ein bisher durch den härtesten Druck herabgewürdigtes Volk unter seinem Szepter des Daseyns froh wurde, daß bey allen Unruhen nur die normännischen und griechischen Unterdrücker, nie die Eingebohrnen Apuliens und Calabriens gegen ihn aufstanden.

Verschiedne glückliche Umstände begünstigten seine ersten Fortschritte. Noch hatte kein Staat in Italien den Grad der innern Festigkeit erreicht, der es ihm möglich machte, sich mit Nachdruck den Unternehmungen eines Nachbars zu widersetzen. Die Verfassung des alten longobardischen Reichs, welche Karl der Grosse unangetastet ließ, war nach und nach von selbst zerfallen, und Anarchie herrscht ein ganz Italien, so wie die Zügel der Herrschaft in den Händen der Nachfolger des deutschen Otto erschlafften. In der Lombardey, wo die kaiserliche Gewalt sich noch am nachdrücklichsten äuserte, rissen doch schon wechselweise die Bischöffe oder kühne Demagogen die Regierung einzelner Städte an sich, und noch war der Geist der Municipalitäten nicht erwacht, der hier in der Folge so stolz das Haupt erhob. Die Monarchen aus dem fränkischen Stamm, vor deren Gegenwart sich die trotzigsten Aristokraten beugten, begnügten sich in der Entfernung mit den Zeichen eines scheinbaren Gehorsams; in Rom selbst konnten sie die volle Gewalt Karls und der Ottonen nur an der Spitze eines deutschen Heeres ausüben, durch unaufhörliche Schenkungen waren die unmittelbaren Güter der Krone zersplittert, und der Beistand, den ein Kaiser von den Italiänern erhielt, machte ihn mehr zum Haupt einer Faction, als zum Souverain. Die Macht der Päbste lag noch in der Kindheit, weit entfernt, die Herrschaft über Rom und das Land, welches sie durch die Freigebigkeit der Carolinger und der sächsischen Kaiser besassen, auszuüben, mußten sie ihre Staatsklugheit aufbiethen, durch ein schlau erhaltnes Gleichgewicht unter den Baronen der Hauptstadt und der umliegenden Gegenden ihre Person und ihre Freiheit zu sichern. Erst während der stürmischen Minderjährigkeit Heinrichs des Vierten legte der schöpferische Geist eines Kardinals den Grund zu der künftigen Hoheit des Vaticans. Mit kühnem Muth verachtete Hildebrand die Gefahren, welche der Person eines Pabstes drohen konnten, die päbstliche Würde zu erheben war sein grosser Zweck. Nicht in den Aristokraten Roms, oder in den tuscischen Grafen und Markgrafen, sah er seine Feinde, sondern in den Beschützern der Kirche, den römisch-deutschen Kaisern. Indem er mit überlegter Klugheit die Ansprüche des Souverains und des Volks bey den Wahlen Nicolaus und Alexanders des Zweiten gegen einander bewafnete, entwand er beiden ihr Recht.

Dem Aufblühen des normännischen Staats konnte er gleichgültig zusehen, noch hatte keine der verschiednen Mächte in untern Italien ein entschiednes Übergewicht erlangt, und die Normannen erkannten sich für Vasallen des römischen Stuhls. Von der Weichlichkeit der Griechen, die sie haßten, angesteckt, schlummerten die lngobardischen Fürsten in den glücklichen Wohnsitzen Campaniens bey der drohenden Gefahr, so lange die Waffen ihrer kriegerischen Nachbarn gegen die Unterthanen des byzantinischen Scepters gerichtet waren, und die Monarchen des Orients wurden durch die Anfälle der Türken in Asien, noch mehr aber durch innre Zerrüttungen ihres Reiches, abgehalten, ihre entfernten italiänischen Provinzen mit Nachdruck gegen die Angriffe kühner Eroberer zu schützen.

Die Unzufriedenheit der normännischen Grafen über Roberts Erhöhung war daher das größte Hinderniß, mit welchem derselbe zu kämpfen hatte. Er sah die Nothwendigkeit ein, seine Krieger unaufhörlich zu beschäftigen und führte sie, sobald er die dringendsten Angelegenheiten der Regierung zu Melfi geordnet hatte, nach Calabrien. Der Zug gieng durch die ihm unterworfenen Gegenden von Marturano und Consenza, wo er sich jezt in der glänzenden Gestalt eines mächtigen Heerführers zeigte, bis in die von den Normannen noch nie erreichte äusserste Spitze Italiens. Er durchstreifte den schmalen Landstrich zwischen zwey Meeren von Girace bis Reggio, und nach einem fruchtlosen Versuch, die Bürger des leztern Orts freiwillig zur Übergabe zu bewegen, führte er sein Heer mit Beute bereichert nach Apulien zurück.

Ein junger Held, dessen Ruhm in der Folge selbst Roberts Thaten verdunkeln sollte, begleitete ihn auf diesem Zuge. Roger, der jüngste von Tancreds zwölf Söhnen, war vor kurzem nach Apulien gekommen, und schon als ein blosser Ritter in dem Gefolge seines Bruders erwarb er sich sowohl durch den Muth und die Klugheit, womit er jeden ihm gegebnen Auftrag ausführte, als durch die Sanftmuth und Liebenswürdigkeit seines Characters die Zuneigung aller Krieger. Robert schickte ihn im folgenden Jahre 1058, an der Spize von sechzig Rittern wieder nach Calabrien, welches damals das Land war, wo alle Neuangekommne unter den Normannen ihr Glück zu machen suchten. Roger drang auf der Bahn, die er vorher unter seines Bruders Anführung betreten hatte, kühn bis an den Meerbusen der heiligen Euphemia vor, und unterwarf sich die Gegenden von Monte Leone blos durch den Schrecken der normännischen Waffen. Ein verschanztes Lager auf dem Gipfel des Gebirges erhielt das flache Land in seinem Gehorsam, und er ließ dort seine Gefährten zurück, um mündlich mit seinem Bruder die ferneren Maasregeln abzureden, und ihm das von den umliegenden Orten erhobne Geld zu überbringen.

Er fand ihn noch mit den Zurüstungen beschäftigt, welche die Eifersucht der Grossen seines Volks ihm unendlich erschwehrt hatte. Durch die Kenntniß von ihrem üblen Willen vorsichtig gemacht, suchte Robert immer mehr, sich fest mit den Eingebohrnen zu verbinden, um bey ihnen im Fall der Noth Unterstützung gegen seine Landsleute zu finden. Ein Gewissensscrupel über die zur rechten Zeit entdeckte Blutsverwandschaft mit seiner Gemahlinn, die ihm einen Sohn, Bohemund, gebohren hatte, diente ihm zum Vorwand, sich von ihr zu scheiden. Durch grosse Geschenke ließ sich Alverada bewegen, gutwillig der Nothwendigkeit zu weichen, und ihren Gemahl der Longobardischen Prinzessinn Gaita oder Sichelgayta, einer Tochter Guaimars, Fürsten von Salerno, abzutreten. Sein neuer Schwager, Gisulph, wurde durch die Schleifung einiger Schlösser, welche Wilhelm von Hauteville in dem Gebieth von Salerno befestigt hatte, gewonnen, und um den Verdruß der Normannen über dieses Opfer zu zerstreuen, nahm Robert den Griechen die Stadt Troja in Capitanata weg. Die Einwohner, des byzantischen Jochs überdrüssig, unterwarfen sich ihm mit Freunde, aber er zog sich die Feindschaft des römischen Stuhls zu, welcher ein Recht auf diese Stadt zu haben vorgab. Auf seine Weigerung, sie dem Pabst abzutreten, that ihn Nicolaus II in den Bann.

Die Frömmigkeit der Normannen konnte sie nie bewegen, eine Eroberung herauszugeben, und Robert ertrug die Strafen der Kirche mit grossem Gleichmuth. Er trat unbekümmert den Zug nach Calabrien an, und schloß Reggio ein, aber der Mangel an Schiffen und Kriegsmaschinen vereitelte seine Entwürfe. Schon oft hatte er sich vergebens bemüht, die Normannen zu überzeugen, daß, so lange sie nicht ein regelmäßiges Fußvolk bilden würden, immer nur eine streifende Horde, nie eine Nation von Eroberern werden könnten; der unglückliche Erfolg der Belagerung einer so wichtigen Stadt bewies die Wahrheit seiner Behauptungen, aber sein eignes Beispiel und jede Art der Aufmunterung scheiterten an dem Ritterstolz eines Volks, das den Kriegsdienst der Knechte verschmähte. Auch die griechischen Ingenieurs, die er mit großen Kosten in seine Dienste zog, fanden ungelehrige Schüler an den Normannen. Er wagte es daher noch nicht, eine große Stadt anzugreifen, und wendete sich nach der Küste des ionischen Meeres, wo er eine Menge unbeträchtlicher Orte einnahm, um nach und nach sein Heer, das hier eine weit ansehnlichere Beute fand, als in dem ofnen Lande, an den Belagerungskrieg zu gewöhnen.

Eine wichtigere Sorge rief ihn auf einige Zeit nach Apulien zurück. Die unzufriedenen Großen suchen noch immer Unruhen zu erregen, und er fürchtete, daß der Bann der Kirche ihrer Empörung bey dem Volke zum Vorwand dienen möchte. Durch die Vermittlung des Abts Desiderius von Monte Casino wurde an einem Vergleich gearbeitet, zu welchem Nicolaus II um so geneigter war, da er selbst gegen die unruhigen Barone seiner Hauptstadt Hülfe bedurfte. Er hatte die apulischen Grafen zu sehr mit ihren eignen Angelegenheiten beschäftigt gefunden, und der Beherrscher eines kriegerischen Staats konnte ihm eine sicherere Stütze werden, als die uneinigen Häupter einer stürmischen Aristokratie. Die Synode zu Melfi gab ihm einen Vorwand, in Person nach Apulien zu kommen, und nichts war natürlicher, als daß Robert dahin eilte, dem heiligen Vater seine Ehrfurcht zu bezeugen.

Richard Graf von Aversa und der vornehmste Adel der Normannen waren ihm dort schon zuvorgekommen, aber er hatte längst durch eine geheime Bothschaft alle Artikel mit dem Pabst in Richtigkeit gebracht. Unter prächtigen Festen wurde das neue Bündniß geschlossen, Robert, in dem Besitz der höchsten Würde unter den normännischen Grafen in Apulien und Calabrien, und der von ihm unabhängige Richard in dem Theil des Gebieths von Capua, welchen er dem Longobarden Landolph entrissen hatte, bestätigt. Auf die Rechte dieses Fürsten und Abälards, auf die lehnsherrlichen Ansprüche der deutschen und griechischen Kaiser, wurde keine Rücksicht genommen. Der Pabst umgürtete seinen Vasallen, nach normännischer Sitte, mit dem Schwerdt, steckte ihm den Ring an, und setzte das Baret auf sein Haupt; auch der italiänische Gebrauch, ihm das Panier in die Hand zu geben, wurde nicht vergessen, und Robert feierlich zum Gonfalonier der Kirche ernannt.

Die Grafen der Normannen mußten ihren Unwillen unterdrücken, da Robert jetzt in den Augen der Nation mit einem unbezweifelten Recht ihr Oberhaupt war. Aber er selbst hinderte den Eindruck, den diese feierliche Handlung zu seinem Vortheil gemacht hatte, durch kleinliche Eifersucht. Mistrauisch gegen einen jüngern Bruder, dessen Edelmuth er nicht kannte, uneingedenk der wichtigen Dienste, welche dieser junge Held ihm geleistet hatte, suchte er ihn mit Gewalt in die Niedrigkeit zurükzudrücken. Die Vermittlung gemeinschaftlicher Freunde wurde mit Unfreundlichkeit abgewiesen, und er erröthete nicht, sich derselben Ungerechtigkeit schuldig zu machen, über die er zu Humphreds Zeiten so bitter geklagt hatte. Roger erieth dadurch in einen so drückenden Mangel, daß er sich genöthigt sah, mit seinem Waffenträger Pferde zu stehlen, um nur den nothdürftigen Unterhalt zu gewinnen. Zweimahl verließ er den Hof, und fand eine gastfreie Aufnahme bey seinem Bruder Wilhelm, der im diesseitigen Principato ansehnliche Güter besaß. Er that von hier aus häufige Einfälle in Roberts Besitzungen, und nahm mit Gewalt, was unbillige Kargheit seinen Bitten versagte. Endlich mit Mühe und fast gezwungen überließ ihm dieser das Schloß Melito als Eigenthum, und versprach, nach der Eroberung Calabriens ihm das Land, welches jenseits der Gebirge sich von Sqillace bis Reggio erstreckt, abzutreten.

Die Folge dieses Vergleichs war die Einnahme von Reggio, welches beide Brüder gemeinschaftlich belagerten. Eine reichere Beute, als die Normannen noch jemals gemacht hatten, ward ihnen durch die Eroberung der Hauptstadt Calabriens zu Theil. Sie erstaunten über die Macht und die Schätze eines Handelsplatzes, der an Grösse und Volksmenge alle ihre Städte in Apulien weit übertraf, und die Eroberung, an welcher sie seit dem ersten fehlgeschlagnen Versuch gänzlich verzweifelt hatten, schien ihnen ein Wunder, das nur der überlegne Genius ihres Feldherrn möglich machen konnte. Wilde Freude und unbegränztes Zutrauen zu ihrem Anführer erfüllten die Herzen aller Krieger, und im Taumel des Siegs forderte er sie auf, ihm die herzogliche Würde, welche er schon zu Melfi von dem Pabst erhalten hatte, zu bestätigen. Sie willigten jubelnd ein, und Robert, der jezt aus seinen Eroberungs-Planen kein Geheimniß mehr machte, führte von nun an den Titel: Von Gottes und Sanct Peters Gnaden Herzog von Apulien und Calabrien und in Zukunft von Sicilien.

Durch die Annehmung eines Titels, welcher allen Schein der Gleichheit zwischen ihm und den zwölf normännischen Grafen aufhob, hatte er die Grossen der Nation, die schon längst mit seiner Herrschaft unzufrieden waren, auf das äuserste gegen sich erbittert. Aber der Liebe des gemeinen Volks, und der Ergebenheit seines Heeres versichert, trozte er allen Angriffen seiner Feinde. Umsonst beriefen sie sich auf die Verfassung des Freistaats, welche Robert verlezt hatte; die Normannen waren eine Nation von Kriegern, auf dem Wahlplaz war ihre Verfassung gegründet worden, auf dem Wahlplatz, meinten sie, könne sie auch geändert werden. Freilich war das Heer, welches ihn zum Herzog ausgerufen hatte, nur ein kleiner Theil der Nation, aber eben durch diese gesezwidrige Handlung fand es sich innig in Roberts Schicksal verflochten. Robert kam durch einen schnellen Angrif den Zurüstungen seiner mächtigsten Gegner zuvor, und in kurzer Zeit blieb den Anführern nur die Wahl zwischen Unterwerfung oder freiwilliger Verbannung.

Bei allen diesen Unruhen hatte Robert keinen Augenblik seine fernen Entwürfe aus dem Gesicht verlohren. Sein Leben war ununterbrochene Anstrengung; im Kampf mit seiner Nation, deren größter theil wiederstrebend seine Herrschaft trug, unternahm er es, sie wider ihren Willen zu seinen Zwecken zu bilden. Mitten unter den Stürmen der Rebellion schuf er sich eine Flotte. Die Einwohner von Reggio hatten einen einträglichen Handel an der italiänischen Küste und nach den Inseln des mittelländischen Meeres getrieben; die Schiffe, die er in ihrem Hafen fand, wurden der Anfang der normännischen Seemacht und mit unermüdetem Fleiß bemühete er sich, sie in den besten Stand zu setzen.

Während der Abwesenheit des Herzogs wagte Roger sich zum erstenmahl auf die See. An der Spitze von hundert und sechzig Reutern schifte der kühne Freibeuter auf flachen Booten über die gefährliche Meerenge, schlug die Messineser, die ihn angegriffen hatten, in die Flucht, trieb bis an das Vorgebirge Milazzo Brandschazungen ein, und kehrte, mit Beute bereichert nach Reggio zurück.

Humen Beg, ein Saracenischer Emir, der von seinem Oberherrn Ben Hamed beleidigt worden, und nach dem festen Lande übergegangen war, begleitete ihn auf diesem Zuge. Von ihm erfuhr Roger genauere Nachrichten von dem innern Zustand Siciliens. Diese fruchtbare Insel, welche seit zwey Jahrhunderten dem Szepter der mahomedanischen Eroberer gehorchte, würde dem Glauben und den Waffen dieser unwiderstehlichen Schwärmer den Weg nach der Hauptstadt des Abendlandes gebahnt haben, wenn nicht das Reich der Caliphen unter seiner eignen Last gesunken wäre. Spanien, Africa und Ägypten hatten sich von den Thron von Bagdad losgerissen, und die Sicilianischen Emire wurden von ihren africanischen Oberherren unabhängig. Doch blieb die Verbindung mit ihren entfernten Glaubensgenossen noch stark genug, um den Gewerben, dem Handel und den Wissenschaften, die unter den fatimitischen Caliphen in Africa wieder aufgelebt waren, den Eingang in Sicilien zu eröfnen. Die Schule zu Mazara bildete Redner, Ärzte und Mathematiker, und durch einen blühenden Handel hob sich Palermo zu dem Rang einer der mächtigsten Städte am mittelländischen Meere. Aber mit der verbesserten Kultur waren auch alle Laster der Üppigkeit und der Schwelgerey zu den Sicilianern übergegangen, und die Nerven der Regierung in den Händen weibischer Regenten erschlafft. Unfähig des Genusses einer gesetzmäsigen Freiheit zerfielen alle von den Arabern gestifteten Reiche durch Anarchie und Bürgerkrieg, sobald die eisernen Bande des religiösen Despotismus aufgelöst waren, welche den Gehorsam der entfernten Befehlshaber an den Thron des Beherrschers der Gläubigen ketteten. Überall ahmten kleine Usurpatoren das nahe so viel unabhängige Emire, als Städte. Feindselig gegen einander und gegen ihr Oberhaupt, den Fürsten Palermos gesinnt, zerrütteten sie durch unaufhörliche innere Kriege die einst so glückliche Insel und versprachen den Waffen Roberts eine leichte Eroberung.

Er stieß im Frühling des folgenden Jahrs 1065 mit einem ansehnlichen Heer zu seinem Bruder, welcher alle Transportschiffe und Fischerkähne der Calabrischen Küste in dem Hafen von Reggio versammlet, und die nöthigen Verräthe zu dem Feldzuge angeschafft hatte. Aber die Flotte der Messineser hielt die normännischen Fahrzeuge an der Küste eingeschlossen, und hinderte die Überfahrt. Roger sezte mit einem fliegenden Korps von dreihundert auserlesnen Rittern an einem andern Ort über die Meerenge, und überrumpelte Messina, dessen Vertheidiger alle auf den Schiffen waren. Sobald die Saracenische Flotte die Fahne der Normannen von den Mauern der Hauptstadt wehen sah, seegelte sie erschrocken nach Palermo, und Robert empfieng die Schlüssel von Messina noch an den Calabrischen Ufer.

Beide Brüder drangen nun weiter in der Insel vor, und erhielten eine Botschaft von den Christen des Thals Denona, welche bisher unter der Herrschaft der Mahomedaner gelebt hatten, und sich jezt mit Freuden ihren Glaubensgenossen unterwarfen. Nur in der Kunst der Belagerungen schienen die Normannen ungeachtet der Bemühungen ihres Anführers noch sehr geringe Fortschritte gemacht zu haben. Ein kleiner Ort, Centorve ohnweit Catanea, widerstand ihrer Tapferkeit, aber in der Ebne des Thals Noto erfochten sie einen wichtigen Sieg über das Heer Ben Hameds, der mit zahlreichen Hülfsvölkern aus Africa ihnen endlich entgegen gekommen war.

Robert, mit dem Besitz von Messina, das ihm zu jeder Zeit den Übergang nach Sicilien sicherte, zufrieden, kehrte wieder nach dem festen Lande zurück, und dehnte seine Eroberungen in den Provinzen der Griechen am Adriatischen Meere aus. Er drang in dem Lande von Otranto bis nach Oria vor, und bemeisterte sich der durch ihren Hafen berühmten Stadt Brindisi. Der Schutz, den die byzantinischen Statthalter bey mehr als einer Gelegenheit seinen Feinden gewährt hatten, gab ihm einen Vorwand sie anzugreifen, und die Ausführung seines festen Plans, sie ganz aus Italien zu vertreiben, wurde nur durch einen Bürgerkrieg aufgeschoben, den er sich durch wiederholte Ungerechtigkeit gegen seinen Bruder zuzog.

Roger hatte durch verschiedne glückliche Streifzüge in Sicilien immer mehr Land und selbst einige feste Plätze gewonnen, aber aus keiner seiner Unternehmungen leuchtete die Absicht hervor, sich der Vasallen-Pflicht gegen seinen Bruder zu entziehen. Um so mehr glaubte er sich berechtigt, den Besitz des Landstrichs, welchen ihm der Herzog feierlich versprochen hatte, zu fodern. Noch immer war das Schloß Mekito sein ganzes Eigenthum, und Robert wich der Erfüllung ihres Vertrags schon seit mehrern Jahren durch leere Entschuldigungen aus. Roger wiederholte jezt seine Foderungen dringender als jemals, weil er sich mit einem Fräulein aus edlem normännischen Geblüt vermählt hatte, und sich schämen mußte, ihrem ansehnlichen Brautschatz nichts als ein armseeliges Bergschloß gegenüberstellen zu können. Aber Robert war gegen jede Vorstellung taub, und der Versammlung des Adels, welcher der gekränkte Roger seine Rechte vorstellte, fehlte der Muth, gegen den gefürchteten Herzog einen Ausspruch zu thun.

Voll Zorns gieng nun Roger nach Melito, und setzte eine Frist von 40 Tagen, nach deren Ablauf er die Waffen gegen seinen Bruder ergriff. Der Herzog säumte nicht, mit einer weit überlegnen Macht gegen ihn auszuziehen, aber er hatte es mit einem Helden zu thun, der seinen Angriff nicht hinter den Mauern einer Festung erwartete, sondern kühn genug war, ihm im ofnen Felde zu begegnen. Selbst ein viertägiges Fieber, welches Rogern befallen hatte, konnte seinen Muth nicht schwächen. Er bemächtigte sich der Pässe des Gebirges, und hinderte seinen Bruder, durch eine vortheilhafte Stellung auf den Höhen, ihm die Zufuhr abzuschneiden. Robert mußte sich nun zu einer beschwerlichen und langweiligen Belagerung entschliessen, deren Geschichte auffallende Beispiele des damals schon unter den Normannen herrschenden Rittergeistes giebt. Die Krieger beider Theile hatten einer Reihe glücklicher und ruhmvoller Feldzüge miteinander gethan; durch die stärksten aller Bande, der Waffenbrüderschaft und der Erinnerung an gemeinschaftlich überwundne Gefahren verbunden, stehen sie jetzt feindselig gegen einander. Hier ist es nicht Hofnung der Beute oder die Aussicht auf Eroberungen, welche sie ins Feld führt, es ist das Gefühl der Ehre, welches sie fest an die Vortheile ihrer Anführer kettet, das Verderben des Gegners bleibt nicht mehr der einzige Zweck der Kämpfer und der Krieg veredelt sich zu einem Wettstreit um den Preis der Tapferkeit.

Täglich sieht man die Heere in Schlachtordnung ausrücken, aber ohne handgemein zu werden, begnügen sie sich, gegenseitig ihre Geschicklichkeit in den Übungen des Krieges zu zeigen. Einzelne Ritter sprengen vor, und fodern aus der gegenüberstehenden Schaar einen Bekannten, einen alten Waffegenossen zum Zweikampf heraus. Nur als Zuschauer nehmen die Übrigen an dem Gefecht Antheil, aber dieser ist um so lebhafter, je mehr die Uibung der einzigen Kunst, die sie treiben und ehren, ihre Aufmerksamkeit reizt. Hingerissen von dem anziehenden Schauspiel verstummt der Parteygeist, die Feldherrn selbst theilen gerechten Beifall aus, und nicht selten belohnt das Jubelgeschrey beider Heere die Geschicklichkeit oder den Muth des Uiberwinders.

Der Ruhm allein, im Angesicht so vieler Helden zu siegen, beseelt die Kämpfer, selten greifen sie zu dem Schwerdt, die Lanze entscheidet, und den Überwundenen erwartet ehrenvolle Gefangenschaft. Ohne Verabredung entstehen die Gesetze der Kampfbahn, und nur ein einziges Mahl werden sie durch einen unglücklichen Zufall verlezt, Arnold, der Bruder von Rogers Gemahlinn, ein junger, liebenswürdiger Ritter, sinkt, von einem tödlichen Lanzenstoß getroffen, zu Boden. Bey dem Anblick des blutenden Leichnams, den der Sieger mit sich ins Lager nehmen will, reißt der Schmerz die Belagerten hin. Es entsteht ein Streit um den Todten, woran erst nur einzelne Krieger, bald aber die ganzen Heere Theil nehmen. Nach einem hitzigen Gefecht, in welchem viel Blut vergossen wird, bleiben endlich die Belagerten im Besitz der Leiche, aber beschämt, als hätten sie das Heiligthum der Schranken gebrochen, kehren sie mit ihr in die Stadt zurück, und in Roberts Lager fliessen so gut Thränen um Arnolds Tod, als in dem Schlosse Melito.

Der Herzog selbst bedauerte ihn, und bey der Wendung, welche der Krieg nahm, reuete es ihn, zu weit gegangen zu seyn, um jetzt noch mit Ehren zurücktreten zu können. Er hatte nicht die Absicht gehabt, seinen Bruder zu Grunde zu richten, sondern nur, ihn zu unbedingter Unterwerfung zu nöthigen. Eine förmliche Belagerung lag nicht in seinem Plan, er begnügte sich nach damaliger Sitte, die Stadt durch zwey Castelle einzuschliessen, in welchen seine Truppen, gegen Ausfälle gesichert, den Belagerten die Zufuhr abschneiden sollten.

Roger vereitelte aber auch diese Maasregel, indem er mit seiner ganzen Macht bald das Eine, bald das Andre dieser Castelle beunruhige, und in einer stürmischen Nacht verließ er mit hundert Reutern die Stadt und erschien vor Girace, dessen Einwohner auf seine Seite traten. Robert brach sogleich mit der Hälfte seines Heeres auf, um seinem Bruder den Rückweg abzuschneiden und die verlohrne Stadt sich wieder zu unterwerfen. Er verfehlte beide Zwecke, Roger war durch Gebirgswege auf einer andern Seite zurückgekehrt und Girace verschloß dem Herzog die Thore.

Ausser sich, über das Mislingen seiner Plane fühlte Robert die Unmöglichkeit, eine neue Belagerung anzufangen, ehe er die erste geendigt hatte. Eben so wenig konnte er sich überwinden, seinen Gegnern, die er mit so vielem Aufwand einzuschliessen suchte, einen so glänzenden Triumph zu lassen. Ihm zum Spott fast unter seinen Augen hatten die Belagerten sich einer fremden Stadt bemeistert; seine Ehre stand auf dem Spiel, und kein Preis schien ihm zu hoch, kein Wagstück zu kühn, um sie zu lösen. Er gieng nur einer noch grössern Demüthigung entgegen.

Ein reicher Grieche in Girace, Basil mit Namen, unterhielt ein geheimes Verständniß mit ihm, und versprach, ihm die Stadt zu verrathen. Robert vergaß seiner Würde, und schlich sich bey Nacht, in eine Mönchskappe gehüllt, in die Wohnung des Griechen, der sogleich mit ihm ausgieng, ihm die schwachen Stellen der Vestungswerke zeigte, und genaue Nachrichten von dem Zustande der Besatzung gab. Erst am frühen Morgen kehrten sie wieder in das Haus zurück, wo Robert bis zum Anbruch der folgenden Nach Tisch verborgen zu halten gedachte. Ein Sklav, durch die Ehrfurcht, womit seine Herrschaft dem fremden Mönche begegnete, aufmerksam gemacht, betrachtete ihn genauer, und erkannte den Herzog. Er entdeckte das Geheimniß einer Frau, mit welcher er ihm vertrauten Umgang lebte, und in kurzem war es in der ganzen Stadt bekannt. Der Pöbel rottet sich zusammen, und fodert mit wildem Toben die Auslieferung des öffentlichen Feindes. Umsonst versucht der Grieche seine Mitbürger durch Zureden zu besänftigen, ehe noch sein Gast Zeit gewinnt, in eine Kirche zu entfliehen, sind Basil und seine Gattinn Opfer der Volkswuth geworden. Auch Robert wird ergriffen, und zu einem schmählichen Tode fortgerissen. In diesen fürchterlichen Augenblicken rettet ihn seine Gegenwart des Geistes. Er erblickt unter den von fern stehenden vornehmen Bürgern einige, die ihm bekannt sind; plötzlich ruft er sie bey Namen, schleudert mit Riesenkraft die Nächsten, die ihn halten, zurück, und schreit dem Volke zu, indem er die Mönchskappe von sich wirft: „ja, ich bin Guiscard, aber hütet euch, mir ein Haar zu krümmen, meine Rächer sind auf euern Mauern.“ Der Pöbel stutzt, und glaubt sich verrathen; in dieser Zwischenzeit gelingt es den angesehensten Bürgern, sich der Person des Herzogs zu bemächtigen, und ihn gebunden in ein Gefägniß zu führen, wo er bis zu seiner Hinrichtung, welche das Volk noch immer mit großem Geschrey verlangt, aufbewahrt werden soll.

Nichts gleicht der allgemeinen Bestürzung, welche bey dieser fürchterlichen Nachricht das Lager ergreift. Im panischen Schrecken bricht ein Theil die Zelte ab, um zu entfliehen, andre wollen in blinder Wuth Sturm laufen. Nur mit Mühe halten die Befehlshaber ihre Truppen von zwey gleich verderblichen Entschlüssen zurück, aber ihnen selbst bleibt keine Zuflucht übrig, als zu der Großmuth Rogers. Eilende Bothen hinterbringen ohne Verzug vor Girace, und erhält leicht von den Bürgern die Auslieferung des gemeinschaftlichen Feindes. Doch kaum hat er das Schloß Melito erreicht, so setzt Roger den Gefangnen in Freiheit.

Kein Mißverständniß stöhrte ferner die Eintracht der Brüder. Der versprochne Antheil an Calabrien und die Eroberungen im Innern von Sicilien waren Rogers Eigenthum geworden, und jeder verfolgte nun auf einer andern Seite seine Entwürfe. Bey den wichtigsten Unternehmungen leisteten sie einander, als zwey durch gemeinschaftliches Interesse innigst verbundne Fürsten, wechselseitigen Beystand, und nur als Oberhaupt der Normannen und als Lehnsherr genoß der ältere Bruder einen Vorzug der Macht und des Rangs vor dem Jüngern.

Robert hatte sein Augenmerk besonders auf die Küsten des adriatischen und ionischen Meeres gerichtet, wo die Griechen, im Besitz der besten Seehäfen und einer Reihe volkreicher und blühender Städte, durch einen drückenden Alleinhandel seine Unterthanen von sich abhängig machten, und jedem Friedensstöhrer und Rebellen eine sichere Zuflucht in ihren Mauern öfneten. Bari war der Sitz des byzantinischen Statthalters und die Hauptstadt der kaiserlichen Besitzungen in diesen Gegenden. Sich zum Meister dieser Stadt zu machen, und die Griechen auf immer von der apulischen Küste zu vertreiben, war der große Plan, an dessen Ausführung Robert jetzt mit unermüdeter Anstrengung arbeitete.

Sechs Jahre giengen unter den entferntern und näheren Zurüstungen hin. Eine weise Staatsverwaltung befestigte sein Ansehn im Innern, indeß er durch Unterhandlungen und kurze Feldzüge seine Macht auswärts erweiterte. Tarent, Vieste und einige andere Städte, zuletzt selbst Otranto fielen auf diese Art in seien Hände, und auch Sicilien verlohr er nie ganz aus den Augen. Roger kämpfte dort mit ununterbrochnem Glück gegen die Saracenen, und durch Hülfsvölker, die der Herzog ihm von Zeit zu Zeit zuschickte, behielt er sich das Recht auf einen Antheil an den Eroberungen seines Bruders vor. Bey der Belagerung von Palermo erschien er in Person an der Spitze eines mächtigen Heeres, und ob er gleich seinen Zweck nicht erreichte, so hielt er sich doch durch die reiche Beute des flachen Landes, durch eine ansehnliche Colonie, welche er aus Sicilien in einige entvölkerte Gegenden Calabriens versetzte, und durch ein Bündniß mit den Pisanern schadlos. Diese mächtige Republik, deren Handel durch die Seeräuber von Palermo beunruhigt wurde, versprach ihm den Beistand ihrer Schiffe, bey seinen fernern Unternehmungen. Er selbst arbeitete unaufhörlich an der Bildung seines Fußvolks und einer Flotte, ohne welche er nie die Griechen ganz aus seinem Gebieth zu vertreiben sich schmeicheln durfte. Aber ungeachtet aller Anstrengungen schränkte sich doch immer noch seine ganze Seemacht außer den wenigen Galeeren, welche er in den Häfen von Reggio, Tarent, Otranto und Brindisi bekommen hatte, auf eine Menge, von unerfahrnen Schiffern regierter, flacher Küstenfahrzeuge ein.

Die Bürger von Bari allein besaßen mehr und besser ausgerüstete Kriegsschiffe, als er ihnen entgegenstellen konnte. Stolz auf ihre Anzahl, reich durch einen ausgebreiteten Handel, und voll Vertrauen auf die Festigkeit ihrer Mauern, und ihrer Lage, verhöhnten sie den Herzog, da er im Jahr 1068 zuerst vor ihren Thoren erschien. Er verlangte von ihnen die Einräumung eines festen Gebäudes, der Thurm des Argyrons genannt, welches durch seine Lage auf einer Anhöhe die Stadt beherrschte. Den Bürgern entgieng seine wahre Absicht bey dieser Foderungen nicht. Sie zeigten ihm eine Menge goldne und silberne Gefäße, und reicher morgenländischer Stoffe von den Mauern herab, und luden ihn spottend ein, ihre Schätze zu rauben. Robert antwortete ihnen kalt, sie sollten sie nur sorgfältig aufbewahren, er würde nächstens kommen und Rechnung darüber fodern.

Er zauderte auch nicht lange, ihnen deutlichere Proben seines Vorsatzes zu geben. Die Normännische Reuterey breitete sich in den nahe liegenden Feldern aus, und zahllose Fahrzeuge, die er aus allen Seeplätzen Apuliens zusammengebracht hatte, schwärmten am Ufer. Aber diese leichten Geschwader waren nicht im Stande, gegen die größern Schiffe der Barenser die See zu halten, und die Belagerten sahen gleichgültig auf alle Anstalten herab, die wieder sie gemacht wurden, so lange ihnen noch ihr Hafen die Gemeinschaft mit den Küsten Italiens und Griechenlands, und ihre Schätze den geheimen Beistand der normännischen Großen sicherten.

Roberts Muth fand in jeder Schwierigkeit nur einen neuen Sporn. Er unterdrückte eine von den Griechen unter seinen eignen Blutsverwandten veranlaßte Empörung, ohne seine Reuterey, welche der Stadt die Gemeinschaft mit dem festen Lande abschnitt, zurückzuziehen, und entwarf einen kühnen Anschlag sie auch von der Seite des Meeres einzuschließen. Ein schmaler Landstrich, der sich in die See hinaus erstreckte, bildete einen kleinen Meerbusen, in dessen Vertiefung der Hafen von Bari lag. Robert ließ im folgenden Frühjahr von dem festen Lande, unterhalb der Stadt bis an die Spitze der Erdzunge eine Reihe von Fahrzeugen Anker werfen, die er durch Balken und eiserne Ketten verband. Über der Mitte und an beiden Enden dieser schwimmenden Linien, erhoben sich hölzerne Thürme, seine Krieger gegen den Angriff der Feinde zu decken, und durch Zugbrücken hiengen die verschiednen Abtheilungen unter einander und mit dem festen Lande zusammen.

Die Bürger, welche diesen Einfall anfangs verlacht hatten, erschraken, da sie das gigantische Werk vollendet sahen, und nun auch ein neuer Thurm auf der Spitze der Erdzunge den Belagerern einen sichren Posten in ihrem Rücken gab. Eine Menge nahe am Lande versenkter Bäume und Steinmassen sollte dem schwankenden Gebäude die Grundlage aus der Tiefe des Meeres herauf thürmen, und die eingesperrten Barenser beschlossen, um jeden Preis die schwimmende Vestung zu vernichten. Aber ihre Schiffe konnten in dem engen Raum weder aus ihrer Größe noch aus der bessern Bauart Vortheil ziehen, und beym Entern, wo eine Menge kleiner Fahrzeuge sich an ein grösseres hieng, so wie bey jedem Kampf in der Nähe, waren ihnen die Normannen überlegen.

So wurde lange und mit grosser Erbitterung von beiden Seiten in dem Meerbusen gekämpft, und Roberts Werke gewannen immer mehr Festigkeit. Aber die Elemente, welche bisher gegen die Belagerten gestritten hatten, begannen auf einmahl ihnen günstig zu werden. Ein anhaltender Seewind hatte ihre Unternehmungen gehemmt, die Stürme des Herbstes bereiteten der schwimmenden Brücke den Untergang. Das empörte Meer riß die Fahrzeuge von ihren Ankern, und wälzte die Lasten, welche den Hafen verstopfen sollte, fort. Stephan Pateranus, der neue Katapan, der mit dem Titel Sebastophoros gleich beym Anfang der Belagerung von Constantinopel gekommen war, nützte den Augenblick der Verwirrung. Er verließ mit einem frischen Landwinde den Hafen und segelte die erschütterte Brücke in den Grund. Robert sah mit Verzweiflung vom Ufer das Meer mit Leichen und den Trümmern seiner herkulischen Arbeit bedeckt, nach wenig Momenten flammte sein Thurm auf der Erdzunge in die Höhe, und er fand sich am Ende eines mühevollen Feldzugs wieder auf den Punkt zurückgebracht, wo er ihn angefangen hatte.

Durch alle diese Fehlschläge überzeugt, daß nichts in der Welt ihm den Mangel einer Kriegsflotte ersetzen könnte, sandte Robert wiederholte Botschaften an seinen Bruder, alle Unternehmungen in Sicilien aufzuschieben, und die Schiffe von Reggio und Messina nebst allen andern, die er in Sold bekommen könnte, auf das schleunigste zu seinem Dienst auszurüsten. Er selbst beschloß, auch den Winter über von der Landseite den Belagerten keine Ruhe zu gönnen. Mit unermüdetem Eifer wurde an den Maschinen gearbeitete, Steinschleudern, Mauerbrecher, bewegliche Thürme und Sturmdächer giengen aus den Händen der Werkmeister hervor. Überall war Robert zugegen, munterte die Arbeiter auf, legte selbst Hand an, und hatte gleich dem gemeinsten Reuter kein Obdach in der stürmischen Jahrszeit, als eine Hütte von Baumzweigen.

Auch die Belagerten waren nicht müßig gewesen. Stephan Pateranus hatte die Werke der Stadt verstärken und den Hafen räumen lassen, und gleich nach der Zerstöhrung der schwimmenden Brücke waren die leichtesten Fahrzeuge nach der Griechischen Küste geeilt, um den Abgang des versprochnen Entsatzes von Constantinopel aufs dringendste zu betreiben. Keine Art der Gegenwehr schien der griechischen Staatskunst unerlaubt gegen eine Feind, der sich die größte Mühe gab, eine Partey in der Stadt durch Versprechen und Drohungen zur Verrätherey zu bewegen. Ein Bürger von Bari, der sich erboth, durch die Ermordung des Herzogs den Drangsalen seiner Vaterstadt ein Ende zu machen, wurde als ein neuer Scävola verehrt. Mit einem Wurfspieß bewafnet, und in der Kleidung eines Sklaven, wagte er sich eines Abends in das feindliche Lager. Seine unbefangne Miene und sein ruhiger Gang erweckten keinen Verdacht, man hielt ihn für einen von Roberts Dienern, und er kam ungehindert bis an die Hütte, wo der Herzog mit einigen seiner Ritter sich zur Abendmahlzeit gelagert hatte. Der Barenser umgieng die Hütte, schob an der Rückwand die Zweige leise auseinander, und warf seinen Spieß. Aber entweder hatte seine Hand gezittert, oder ein Ast sie im Wurfe verrückt; der Spieß streifte blos Roberts Schulter, und heftete ihn mit dem Gewande am Boden fest. Bestürzt sprangen die Ritter auf, und setzten dem fliehenden Mörder nach, aber er entkam durch die Flüchtigkeit seiner Füße, und verbreitete in der Stadt die Nachricht von dem Tode des Herzogs.

Robert eilte, sich dem erschroknen Heere zu zeigen, und nahte sich den Mauern, indem er den Belagerten zurief, er lebe, und werde sich an den Meuchelmördern zu rächen wissen. Um ihn gegen ähnliche Angriffe zu sichern, baueten seine Soldaten ihm nun ein hölzernes Haus, und die Erbitterung gab ihnen neue Kraft zur Vollendung der Arbeiten. Die Stadt war im Frühjahr durch einen gedoppelten Erdwall umschlossen, die Maschinen rückten heran und bestürmten die Mauern, und die Nachricht, daß Roger, der mit unermüdetem Eifer seine Aufträge ausgerichtet hatte, mit einer ansehnlichen Flotte den Hafen von Reggio verlassen habe, erfüllte die Seele des Herzogs mit den lebhaftesten Erwartungen.

Die Fahrt durch das Ionische Meer wurde glücklich zurückgelegt, und ein Jubelgeschrey der Normannen verkündigte der Stadt ihr Schicksal, als Rogers Wimpel das Lager des Herzogs begrüßten. Nach einer kurzen Unterredung kehrte der jüngere Bruder auf sein Element zurück, und bewachte den Hafen der Stadt, indeß der Ältere immer näher und heftiger ihren Mauern zusetzte. Aber jetzt lief durch Eilbothen die Nachricht ein, daß man auf der Höhe von Otranto die griechischen Seegel erblickt habe, und eines ihrer leichtesten Fahrzeuge täuschte die Wachsamkeit Rogers, um mit dem Statthalter von Bari die nöthigen Zeichen zu verabreden. Der Normann Goscelin, der nach der lezten Empörung sich an den Hof des Kaisers Romanus Diogenes gerettet hatte, war der Anführer der feindlichen Schiffe. Durch einen Ausfall der Belagerten zu Wasser und zu Lande unterstützt, wollte er bey Nacht die Flotte der Normannen überfallen, die Gemeinschaft der Stadt mit dem Meere wieder eröfnen, und eine ansehnliche Verstärkung und Lebensmittel, woran es ihr am meisten gebrach, in ihren Mauern zurücklassen, aber widrige Winde hielten ihn auf, und der Statthalter gab seine Signale zu früh. Drey Nächte hinter einander bemerkte Roger eine Menge brennender Fackeln auf allen Thürmen von Bari, und errieth leicht, daß dieses ein verabredetes Zeichen seyn müsse. Er war auf seiner Huth, und da er in der vierten Nacht sichre Kundschaft eingezogen hatte, gieng er mit allen seinen Schiffen, die gleich den Thürmen der Stadt erleuchtet waren, in die See. Bald verrieth ihm der ferne Schimmer die Annäherung der griechischen Masten, er fuhr mit äuserster Stille auf sie zu, und sie ließen ihn, durch das Zeichen an seinen Schiffen getäuscht, ungehindert heran nahen. Sobald er die Galeere des Admirals, die an der größern Anzahl ihrer Lichter erkenntlich war, erreicht hatte, grif er sie plötzlich an, ohne ihr Zeit zu irgend einer Bewegung zu lassen. Eben so unerwartet hiengen sich seine übrigen Schiffe an die nächsten der feindlichen, die in sorgloser Sicherheit einhersegelten. Die Eroberung des AdmiralSchiffes entschied den Sieg. Der Rest der Flotte rettete sich nach der epirotischen Küste, und die erste Seeschlacht der Normannen wurde mit dem glänzendsten Erfolge gekrönt.

Goscelin, der in die Hände der Überwinder gefallen war, blieb bis an seinen Tod im Gefängniß. Die Freude des Herzogs war so groß, als die Bestürzung der belagerten Stadt, die nun keine Hülfe mehr erwarten durfte. Eine bisher unterdrückte Parthey, welche für die Übergabe gestimmt hatte, wurde bald die stärkste, und Robert, einer mehr als dreyjähgrigen Belagerung überdrüssig, gewährte den Bürgern sehr günstige Bedingungen. Die griechische Besatzung erhielt nebst ihrem Befehlshaber freien Abzug, und gegen einen mäßigen Tribut, und die Verpflichtung zu Lande und zur See Kriegsdienste zu leisten, blieb die Stadt im Besitz der Freiheiten, welche sie unter dem Scepter des Kaisers genossen hatte.

Robert theilte nun mit keiner auswärtigen Macht mehr die Herrschaft über Apulien, der Schlüssel zur Wiedereroberungen der italiänischen Provinzen war den Griechen entrissen, und der einzige Ort, der den unzufriednen Baronen Unterstützung oder eine Freistatt gab, in den Händen des Herzogs. Aber den größten Vortheil, den er aus seiner Eroberung zog, gewährte ihm die Flotte, nach welcher er so lange gestrebt hatte. Sie wurde sogleich wieder in den besten Stand gesetzt, und noch vor dem Ende des Jahrs 1071 führte er sie nach Sicilien. Roger, welcher dahin vorausgegangen war, vereinigte sich mit ihm bey Catanea; ein ausgesprengtes Gerücht, daß er eine Unternehmung gegen Malta vorhabe, machte die Sicilianer sicher, und ohne den geringsten Widerstand zu finden, schloß er plötzlich Palermo zu Wasser und zu Lande ein.

Die Belagerung dauerte fünf Monathe, und alles nahm einen weit rascheren Gang als vor Bari. Die Saracenen, kühner als die Griechen, wagten es, ihren Feinden im freien Felde entgegen zu gehen, und ihre häufigen Ausfälle kosteten den Normannen viel Blut. Die Belagerten waren zu stolz, ihre Thore zu schließen, und täglich kamen einzelne Kämpfer und foderten die Tapfersten von ihren Gegnern heraus. die junge normännische Ritterschaft hatte dabey Gelegenheit, ihren Muth im Angesicht beyder Heere zu zeigen, keiner aber zeichnete sich mehr aus, als einer der Neffen des Herzogs. Er hatte unter dem offnen Stadtthor einen jungen arabischen Emir im Zweikampf erlegt, und als er mit dem Schild des Getödteten zurückkehren wollte, waren die Bürger unredlich genug, ihm den Rückweg zu den Seinigen zu versperren. Ohne seine Beute fahren zu lassen, sprengte er mit verhängtem Zügel quer durch die Stadt, und entkam, ehe man ihn aufhalten konnte, aus dem entgegengesetzten Thore. Eine Flotte aus Tunis kam den Belagerten zu Hülfe, aber Robert belebte den Muth der Seinigen durch die Verheißung übermenschlicher Hülfe in einem heiligen Kriege gegen die Feinde des Glaubens. Er ließ Messe lesen, und nahm mit seinem ganzen Heere feyerlich das Abendmahl, ehe er die Flotte bestieg. Dann segelte er mit achtundfünfzig Schiffen dreist der überlegnen Seemacht entgegen, und schlug sie. Die Flotte von Palermo, welche sich mit den Afrikaner vereinigt hatte, floh in den Hafen zurück, die Normannen verfolgten sie, sprengten die vorgezogene Kette, und verbrannten mehrere Schiffe im Angesicht der Stadt.

Dennoch verlohren die Bürger den Muth nicht. Sie wagten einen allgemeinen Ausfall, zerstörten die Maschinen der Belagerer, und trieben ihr ganzes Fußvolk in die Flucht. Zu ihrem Unglück entfernten sei sich zu weit beym Nachsetzen, und Robert, der an der Spitze seiner Reiterey herbey geeilt war, schlug sie mit großem Verlust in die Stadt zurück. Er versuchte es, selbst mit den Fliehenden hinein zu dringen, und die Belagerten sahen sich gezwungen, ihre Thore zu schließen. Eine Menge von Sarazenen, die noch draussen waren, wurden niedergehauen, und die Besatzung dadurch beträchtlich geschwächt. Robert versammlete nun seine Truppen, und hielt auf dem Wahlplatz eine Rede, worin er Lob und Tadel mit gleicher Gerechtigkeit austheilte. Das kriegerische Feuer seiner Worte macht einen so heftigen Eindruck auf das Heer, daß Alle, Griechen, Longobarden und Normannen, mit lautem Geschrey den Sturm foderten. Ihr Wunsch wurde gewährt; am folgenden Tage that Roger am Ufer des Meeres den ersten Angriff. Sobald der Herzog wahrnahm, daß der größte Theil der Besatzung sich dorthin gezogen hatte, stürmte er das entgegengesetzte Thor, erstieg die Mauer, und machte sich zum Meister der Neustadt. Die Sarazenen hielten sich nur noch vier und zwanzig Stunden in der Altstadt; Gewissensfreiheit und die Erlaubnis nach ihren Gesetzen zu leben, wurden ihnen bey der Capitulation zugestanden, und Robert weihete nun die Moschäen zu christlichen Kirchen, setzt einen Erzbischof ein, und erbauete ein Castel, in welches er Besatzung legte. Ein billiger Vergleich bestimmte die Grenzen des Gebieths beyder Brüder, auf immer. Roger nahm ganz Sicilien, in dessen Innern die Sarazenen noch Meister verschiedner fester Orte waren, von dem Herzog zu Lehn, und dieser behielt sich blos den gemeinschaftlichen Mitbesitz von Messina und Palermo vor. Die eisernen Thore der letzteren Stadt, und einige aus dem Alterthum gerettete Marmorsäulen nahm er als Siegeszeichen mit nach den festen Lande, um seinen Pallast zu Melfi dadurch zu verschönern.

Überhaupt fieng er jezt an, in den Zwischenzeiten des Friedens den Glanz eines mächtigen Fürsten zu zeigen, so wenig er sich im Kriege weigerte, nicht nur die Gefahren, sondern auch die Beschwerden und Unbequemlichkeiten des Geringsten unter seinen Reutern zu theilen. Sein Hofstaat zu Melfi wurde bald sehr zahlreich, alle Grossen Apuliens eilten dahin, ihrem Lehnsherrn zu der Eroberung zweier mächtiger Hauptstädte Glück zu wünschen, und sein Ansehn schien zu einer Höhe gestiegen zu seyn, wo es keinen Wechsel des Glücks mehr befürchten durfte. Die grösten Fürsten buhlten um seine Freundschaft, und selbst der Stolz der byzantinischen Monarchen glaube durch eine nähere Verbindung mit ihm sich nicht herabzusetzen. Eine Gesandschaft des Kaisers Michael warb um Roberts Tochter für den im Purpur gebohrnen Caesar, Constantin Dukas. Die Prinzessin wurde mit allen pomphaften, bey solchen Gelegenheiten üblichen Gebräuchen des Kaiserhofes abgeholt, und bekam bey ihrer Ankunft in Constantinopel den Namen Helena.

Aversa, die älteste Pflanzstadt der Normannen in Italien, hatte sich nie zu der Macht erheben können, welche der jüngere Staat in Apulien unter den Söhnen Tancreds erreichte. Die Unterwerfung von Capua, woraus die Longobardischen Fürsten endlich ganz verdrängt wurden, war die einzige Eroberung, welche Richards lange Regierung auszeichnete. Den Fortschritten Roberts setzte selbst das Meer keine Schranken, der Graf von Aversa war durch seine Lage an der Gränze des pabstlichen und kaiserlichen Gebiethes gehemmt. Er vereinigte sich jetzt mit dem Herzog in einem Kriege gegen Gisulph, den Fürsten von Salerno, der im stolzen Vertrauen auf die Freundschaft des römischen Hofes, mit gleicher Unbesonnenheit den Unwillen seiner Unterthanen und die Eroberungsucht seiner Nachbarn gereizt hatte. Aus Achtung gegen den Pabst nahmen die beiden Fürsten der Normannen die Vermittelung des Abts Desiderius von Monte Casino an, aber Gisulph, durch den Rath Abälards, der sich mit ihm in die Stadt geworfen hatte, aufgehezt, verwarf mit trotzigem Ungestüm jede Bedingung.

Gregor VII war nur furchtbar in weiter Entfernung. Europa beugte die Knie vor ihm, aber ohne Macht in Rom selbst, und von den unruhigen Baronen seiner Hauptstadt gedrängt, sah er sich ausser Stande, seinen Freund zu retten. Salerno ergab sich dem Herzog, und Gisulphdes Erbtheils seiner Väter beraubt, beschloß als ein Kostgänger des Pabstes sein Leben. Robert war während der Belagerung durch einen aus der Stadt geschleuderten Stein auf der Brust verwundet worden. Aber sobald er sich nur aufrecht erhalten konnte, erschien er wieder an der Spitze seiner Krieger, und unterwarf sich, ohne die Belagerung von Salerno zu unterbrechen, den durch seine Schiffahrt nach allen Küsten des Mittelmeers und durch seinen ausgebreiteten Handel berühmten Freistaat von Amalfi.

Ungeachtet der freundschaftlichen Verbindung, welche Robert unter dem Pontificat Nicolaus des Zweiten mit dem römischen Stuhl errichtet, und des erneuerten Lehns-Eides, welchen er Alexandern dem Zweiten geleistet hatte, war doch durch manche Ursachen das gute Vernehmen gestöhrt worden. Man bezeugte sich äuserlich noch die gröste Achtung, man ließ es an keinen Freundschaftsversicherungen fehlen, aber das Zutrauen war verschwunden, und jeder Theil schien zu fühlen, daß der andere sich für beleidigt halten könnte. Der Sturz eines Fürsten, den Gregor begünstigte, mußte diesen nothwendig kränken, und Robert, dessen Staatskunst die wirklichen Beleidigungen mit seinen öffentlichen Ehrfurchtsversicherungen gegen den römischen Stuhl in ein künstliches Gleichgewicht zu setzen wußte, suchte jetzt durch wiederholte Bothschaften sich dem heiligen Vater wieder zu nähern; zufrieden, wenn auch die Klugheit Gregors seine Absichten durchschaute, doch das Urtheil des Volks dadurch für sich zu gewinnen.

Der Eifer, mit welchem er den Bau eines neuen Gotteshauses in Salerno betrieb, überzeugte jedermann von seiner grossen Frömmigkeit, und zu allen Zeiten hatte er sich bemüht, den Abt und die Mönche von Monte Casino sich zu verbinden. Reiche Geschenke waren das sicherste Mittel, die Gunst der Klosterherren zu erlangen, und Robert versäume nicht, sie nach jeder seiner Eroberungen an der Beute Antheil nehmen zu lassen. Freigebig mit Gold, reichen Stoffen oder kostbaren Seltenheiten, hütete er sich jedoch, ihre Macht durch Länderschenkungen zu vermehren. Die Art, mit welcher er seine Opfer darbrachte, und die sinnreichen Anspielungen, welche darunter verstanden wurden, erhöheten ihren Werth. Für die Unterstüzung ihrer Gebete überreichte er ihnen nach seiner ersten Seeschlacht das goldne Modell eines Schiffes; ein griechisches mit Perlen und Edelsteinen beseztes Gewand folgte auf die Eroberung von Bari, und von seinem Sicilianischen Zuge brachte er ihnen dreizehn reich gekleidete Sarazenen, auf eben so vielen prächtig aufgepuzten Maulthieren reitend, und Persische Teppiche mit. Die Geldsummen, welche diese Geschenke begleiteten, wurden allemahl in den Münzsorten der so eben von ihm besiegten Feinde ausgezahlt. Auch jetzt, bey der Einweihung seiner Kirche, in welcher er den ganzen Körper des heiligen Mathäus mit grosser Andacht niederlegte, bekamen die Mönche einen neuen Beweis seiner Freigebigkeit. Ein ganzes Armbein, welches man dem Evangelisten abgelöset hatte, wurde in kostbare goldne Kapseln gefaßt. Robert, und seine Söhne trugen jeder ein Stückchen davon, den Rest überbrachte er mit anderen reichen Gaben in Person dem Kloster Casino, und empfahl sich auf das dringendste dem Schutz der frommen Väter.

Von ihren Seegenswünschen begleitet, eilte er nach Calabrien, um die Stadt Santa-Severina zu belagern, wohin sich Abälard nach der Eroberung von Salerno geflüchtet hatte. Er fand hier einen unerwarteten Widerstand. An der Spitze eines Haufens von Abentheurern und Verbannten, die gleich ihrem Anführer nichts mehr zu verlieren hatten, that Abälard wüthende Ausfälle, schlug die stürmenden Belagerer zurück, und machte sie am Ende so muthlos, daß Robert sich begnügen mußte, die Stadt durch Linien einzuschliessen, und Verstärkungen aus Apulien kommen zu lassen. auch jetzt siegte Verzweiflung über die Tapferkeit der grössern Anzahl, und Robert war im Begriff, die Belagerung aufzuheben, als das Glück, welches die Söhne Humphreds verfolgte, den jüngsten von ihnen, Herrmann in dem Schlosse Cava bey Salerno in die Gewalt seines Oheims lieferte. Abälard setzte der Bruderliebe jede andre Bedenklichkeit nach, er übergab die Stadt zum Lösegeld für Herrmanns Freiheit, aber der Herzog bediente sich eines unedlen Kunstgriffs, um seine unglücklichen Neffen zu täuschen. Er hatte versprochen, den jüngeren Bruder loszulassen, sobald er auf dem Berge Gargano würde angekommen seyn, und als ihn der Ältere an sein gegebnes Wort erinnerte, antwortete er mit bitterm Spott: Er sey nicht gesonnen, in den nächsten sieben Jahren den Gargano zu besuchen. Abälard verbiß seinen Schmerz, nahm aber die erste Gelegenheit wahr, zu entweichen, und warf sich in das Schloß Santa Agatha an der äusersten Spitze Calabriens. An diesem Orte, wo er aus Griechenland Hülfe erwarten konnte, hielt er eine neue Belagerung aus, und Robert sah sich endlich doch genöthigt, den Gefangnen frey zu lassen, und dafür Santa Agatha wieder zu bekommen.

Auf seinem Rückwege erhielt er zu Troja einen Besuch von dem jungen Hugo von Este, der mit seinem Vater, dem Markgrafen Azo gekommen war, in Person um Roberts zweite Tochter zu werben. Der Herzog feierte diese Vermählung mit ausserordentlicher Pracht. Die Grossen der Normannen wurden an den Hof berufen, und mit ihrer Einwilligung sagte er seine Tochter dem Prinzen von Este zu. Diese Feierlichkeit, welche die junge Fürstin zu einer so wichtigen Person für das ganze Land machte, beleidigte die Baronen, noch mehr aber die ansehnlichen Beiträge, die sie auf Roberts Verlangen zu der Aussteuer geben mußten. Sie kehrten missvergnügt auf ihre Schlösser zurück, und das Feuer des Aufruhrs, welches immer in der Asche fort geglimmt hatte, schien nur des leisesten Hauches zu bedürfen, um fürchterlich durch alle Provinzen auszubrechen.

(Die Fortsetzung folgt.)

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