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114. An Goethe, 26. Oktober 1795

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Jena den 26. October 1795.

Zu dem neuen Hausgenossen gratulire ich im Voraus. Lassen Sie ihn immer ein Mädchen sein, so können wir uns noch am Ende mit einander verschwägern.

Ich habe Ihnen vorgestern von der Mad. Staël zu schreiben vergessen. Das Produkt ist mit vielem Geiste geschrieben, und da es darin mehr wetterleuchtet als ordentlicher Tag ist, so qualificirt es sich gar nicht übel zum Commentiren. Eine eigentliche Harmonie hineinzubringen möchte schwer sein und auch die Mühe nicht genug lohnen. Im einzelnen aber läßt es sich versuchen, auch habe ich mir schon etliche Materien daraus gewählt, die auch sonst nicht außer der Zeit sein werden.

Sie haben einigemal den Ausdruck: verführen von der Poesie gebraucht. Ich wünschte zu wissen, wie dieß im Original heißt, ob es bloß täuschen überhaupt bedeutet, weil verführen auch in ästhetischer Bedeutung einen Nebenbegriff hat.

Es freut mich, daß Sie in Ihren italienischen Papieren so viel Ausbeute finden. Ich war immer auf diese Papiere sehr begierig, nach dem wenigen zu urtheilen, was Sie davon haben laut werden lassen. Erinnern Sie sich bei diesen Nachforschungen auch der Horen und leiten Sie einen Arm dieses Paktolus hinein.

Ich bin begierig, was Sie zu dem Wolfischen Ausfall sagen werden, wenn Sie ihn gelesen. Herder wünscht, daß ich bloß als Redacteur etwas darüber sagen möchte, insofern auch die Horen mit getroffen werden sollten; und da ich es nicht für rathsam halte, ganz zu schweigen und dem Philister gleich anfangs das letzte Wort zu lassen, so will ich es lieber thun, als daß ganz geschwiegen wird.

Ich habe die zwei neuen Musenalmanache gelesen, die über die Maßen dürftig und elend sind. Voß hat 29 Stücke in den seinigen geliefert, worunter Sie vergeblich ein einziges gutes suchen, und die meisten abominabel sind . Ich habe sie Herdern mitgegeben.

Leben Sie recht wohl. Ich hoffe bald wieder von Ihnen zu hören.

Die Meinigen grüßen.

Sch.