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121. An Goethe, 23. November 1795

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Jena den 23. November 1795.

Auf die Knebelsche Arbeit bin ich sehr neugierig, und zweifle nicht, daß die beßre Gattung unsrer Leser uns dafür danken wird. Dem größern Theil freilich werden wir nicht damit gefallen, das weiß ich vorher: den kann man nur durch Aufsätze von dem Schlage, wie Lorenz Stark ist, gewinnen. Sie glauben nicht, wie allgemein man sich an diesem Aufsatz erlustigt. Noch von keinem ist so viel Redens gewesen.

Was den Vorschuß für die Knebelschen Elegien betrifft, so glaube ich nur, wir werden Cottaen gerade jetzt, wo sein Muth in Ansehung der Horen durch das häufige Aufkündigen der Subscription etwas Ebbe ist, nicht sehr damit erbauen. Indeß, bezahlen wird er gewiß, wenn darauf bestanden wird; aber ich möchte es ihm gerne jetzt ersparen. Ich weiß nicht, wie hoch die Summe sich etwa belaufen wird; ist sie mäßig, so will ich als Redacteur statt Cotta sie bezahlen. Vielleicht wird der Zweck auch schon erreicht, wenn man etwa sogleich die Hälfte abträgt, und den Rest in der Messe. Die Bezahlung würde dann immer noch vor dem Abdruck des ganzen Manuscripts erfolgen, denn ich wäre nicht dafür, die drei Lieferungen ununterbrochen in den drei ersten Monaten zu machen, sondern immer einen Monat ausfallen zu lassen. Sechs oder acht Bogen von Einerlei Autor, unter Einerlei Titel und noch außerdem Uebersetzung würden, zu schnell hintereinander, zu einförmig gefunden werden.

Wenn Sie also glauben daß ein Vorschuß von etwa 20 Louisdor jetzt gleich bezahlt von Wirkung sein würde, so liegt die Summe parat, und wir brauchen Cotta gar nicht dazu. Ich weiß er steht schon mit 60 Louisdor bei Fichte im Vorschuß, und Gott weiß! – wann er da zu seinem Geld kommen wird. Mehrere kleine Aufsätze wie z. B. Weißhuhns etc. sind auch schon von ihm bezahlt.

Doch genug von diesem Artikel . Ihr Unwille über die Stolberge, Lichtenberge und Consorten hat sich auch mir mitgetheilt, und ich bin’s herzlich zufrieden, wenn Sie ihnen eins anhängen wollen. Indeß, das ist die histoire du jour. Es war nie anders und wird nie anders werden. Seien Sie versichert, wenn Sie einen Roman, eine Comödie geschrieben haben, so müssen Sie ewig einen Roman, eine Comödie schreiben. Weiter wird von Ihnen nichts erwartet, nichts anerkannt – und hätte der berühmte Hr. Newton mit einer Comödie debütirt, so würde man ihm nicht nur seine Optik, sondern seine Astronomie selbst lange verkümmert haben. Hätten Sie den Spaß sich gemacht, Ihre optischen Entdeckungen unter dem Namen unsers Professor Voigts oder eines ähnlichen Cathederhelden in die Welt zu bringen, Sie würden Wunder daran erlebt haben. Es liegt gewiß weniger an der Neuerung selbst, als an der Person, von der sie herrührt, daß diese Philister sich so dagegen verhärten.

Stolbergs Delictum wünschte ich in Augenschein nehmen zu können. Können Sie mir’s auf einen Posttag verschaffen, so wird es mir sehr lieb sein. Bei diesem Menschen ist Dünkel mit Unvermögen in so hohem Grade gepaart, daß ich kein Mitleid mit ihm haben kann. Der närrische Mensch, der Jenisch in Berlin, der sich in alles mischen muß, hat auch die Recensionen der Horen gelesen, und in dem ersten Feuer einen Aufsatz über mich und meinen schriftstellerischen Charakter geschrieben, der eine Apologie gegen jene Anklagen vorstellen soll. Humboldt hat ihn zum Glück von Genz, in dessen Monatschrift derselbe bestimmt war, in Manuscript erhalten, und den Abdruck noch hintertrieben. Doch bin ich nicht davor sicher, daß er ihn nicht anderswo drucken laßt. Es ist ein ganz eigenes Unglück, daß ich, bei so heftigen und zahlreichen Feinden, doch noch am meisten von dem Unverstand eines Freundes zu fürchten habe, und die wenigen Stimmen, die für mich sprechen wollen, über Hals und Kopf zum Schweigen bringen muß.

Eine Beurtheilung Ihres Meisters werde ich im August oder September künftigen Jahrs sehr ausführlich liefern können, und dann soll es, denke ich, recht à propos sein, der letzte Theil mag nun auf Michaelis 96 oder Ostern 97 herauskommen. Vielleicht findet sich ein Morceau im vierten Theil, das Sie auf Ostern 96, wo das Publicum das ganze erwartet, ihm zur einstweiligen Befriedigung hingeben können.

Von Achenholz habe ich endlich gestern einen braven historischen Aufsatz, betitelt: Sobiesky, erhalten, der noch im letzten Stücke der Horen erscheinen muß. Freilich hätte ich viel darum gegeben, wenn Sie für das erste Stück im zweiten Jahrgang etwas hätten thun können. Vielleicht haben Sie auch Lust, in diesem Stück den Krieg zu eröffnen?

Sie werden von Herdern meine Abhandlung über die Sentimentalischen Dichter erhalten, davon Sie bis jetzt noch den wenigsten Theil gehört, und die ich noch einmal ganz durchzulesen bitte. Ich hoffe, Sie sollen damit zufrieden sein; es ist mir in dieser Art nicht leicht etwas besser gelungen. Ich glaube, dieses jüngste Gericht über den größten Theil der deutschen Dichter wird am Schluß des Jahrgangs eine gute Wirkung thun, und unsern Herren Kritikern besonders viel zu denken geben. Mein Ton ist freimüthig und fest, obgleich wie ich hoffe überall mit der gehörigen Schonung. Unterwegs habe ich freilich so viel als möglich effleurirt, und es sind wenige, die unverwundet aus dem Treffen kommen.

Auch über die Naturalität und ihre Rechte (in Rücksicht auf die Elegien) habe ich mich weitläuftig herausgelassen, bei welcher Gelegenheit Wieland einen kleinen Streifschuß bekommt. Aber ich kann nicht dafür, und da man sich nie bedacht hat (auch Wieland nicht), die Meinung über meine Fehler zu unterdrücken, im Gegentheil sie mich öfters derb genug hören ließ, so habe ich jetzt, da ich zufälliger Weise das gute Spiel in die Hände bekam, auch meine Meinung nicht verschwiegen.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich wenn wir nach Neujahr wieder eine Strecke lang miteinander leben können.

Sch.