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133. An Goethe, 25. Dezember 1795

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Jena den 25. December 1795.

Hier einen kleinen Beitrag zu der Interpretation des Mährchens. Er ist mager genug, da Sie mir mit dem besten schon zuvorgekommen sind. In dergleichen Dingen erfindet die Phantasie selbst nicht so viel, als die Tollheit der Menschen wirklich ausheckt, und ich bin überzeugt: die schon vorhandenen Auslegungen werden alles Denken übersteigen.

Was Sie von der vermehrten Subscription auf die Horen schreiben, überraschte mich, und es möchte wohl nur sehr particulär sein, denn daß die Summe im Ganzen abnehmen muß, ist nach dem erstaunlichen Geschrei, nach den Klagen so vieler Buchhändler selbst, wie z. B. Ungers in Berlin und andrer, keine Frage. Auf Cottas Aufrichtigkeit dürfen wir uns, bis auf einen gewissen Punkt wenigstens, ganz sicher verlassen. Er hat mehr Eitelkeit als Eigennutz und er fürchtet sich zu sehr, daß mein Eifer erkalten möchte, als daß er dasjenige verschweigen könnte, was ihn beleben kann .

Was die Goldlieferung anbetrifft, so vergaßen Sie, daß die Zahlung von einer Ostermesse zur andern ist ausgemacht worden. Etliche Tage vor Jubilate erscheint Cotta mit einer Geldkatze um den Leib, und zwar pünktlich wie »eine wohlberechnete Sonnenfinsterniß,« um das Honorar für das ganze Jahr abzutragen. Früher wollte ich ihm nicht gern eine starke Zahlung zumuthen, da er sich einmal auf die Abrede verläßt, ob er gleich, sobald man es fordert, damit parat sein wird.

Eben sendet mir Woltmann ein selbstverfertigtes Trauerspiel nebst einer Operette. Ich hab‘ es noch nicht angesehen, werde Ihnen aber, wenn Sie hier sind, hoffentlich allerlei davon zu erzählen haben.

In zehn bis zwölf Tagen werden Sie die Horen in der L. Z. recensirt lesen. Den poetischen Theil hat glücklicherweise Schlegel und nicht Schütz recensirt. Dieser hat sich bloß das philosophische und historische vorbehalten.

Leben Sie recht wohl.

Schiller.