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73. An Goethe, 12. Juni 1795

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Jena den 12. Juni 1795.

Daß Sie aufs neue krank geworden, habe ich von Herrn v. Humboldt mit herzlichem Bedauern gehört, und daß Sie uns, einer solchen Ursache wegen, auf eine Zeit lang verlassen, beklage ich noch mehr. Sie waren in einer so frischen und heitern Thätigkeit, und der Sprudel ist eine schlechte Hippokrene, wenigstens so lang er getrunken wird. Möchten Sie indeß nur bald im Stande sein, abzureisen, um desto zeitiger wieder bei uns zu sein.

Mein Fieber hat mich seit vier oder fünf Tagen verlassen, und ich bin gegenwärtig mit meinem Befinden ganz wohl zufrieden. Könnte ich es ebenso mit meiner Thätigkeit sein! Aber der Uebergang von einem Geschäft zum andern war mir von jeher ein harter Stand, und jetzt vollends, wo ich von Metaphysik zu Gedichten hinüber springen soll. Indessen habe ich mir so gut es angeht eine Brücke gebaut, und mache den Anfang mit einer gereimten Epistel, welche Poesie des Lebens überschrieben ist, und also, wie Sie sehen, an die Materie, die ich verlassen habe, grenzt. Könnten Sie kommen, und Ihren Geist auch nur sechs Wochen lang und nur so viel ich davon in mich aufnehmen kann, in mich hauchen, so würde mir geholfen sein.

Der Centaur ist nun glücklich ausgerüstet und mit ihm die erste Semestre der Horen. Für die andern ist mir ein klein wenig bang, wenn ich an den kleinen Vorrath gedenke. Sind Sie indessen nur gesund und frei und geht es mir selbst nicht schlechter als es in diesem Jahre gegangen ist, so ist nicht zu verzagen. Sehr neugierig bin ich auf den versprochenen Brief. Kann ich aber auch noch auf die Fortsetzung der Unterhaltungen für das siebente Stück zählen?

Das fünfte Buch Meisters, das ich vor einigen Augenblicken erhielt, wird in instanti vorgenommen. Ich freue mich nicht wenig darauf, und wünschte nur gleich auch den Rest des Buchs zu haben.

Das ist ein prächtiger Patron, der Hesperus, den Sie mir neulich schickten. Er gehört ganz zum Tragelaphen-Geschlecht, ist aber dabei gar nicht ohne Imagination und Laune, und hat manchmal einen recht tollen Einfall, so daß er eine lustige Lectüre für die langen Nächte ist. Er gefällt mir noch besser als die Lebensläufe.

Meine Frau ist wieder besser und mit Karin geht es recht gut. Wenn Sie durchreisen, welches wohl bald sein wird, finden Sie uns wie ich hoffe auf besserem Weg.

Meyern bitte recht schön zu grüßen. Leben Sie recht wohl, und werden Sie baldmöglichst gesund.

Sch.