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365. An Goethe, 6. Oktober 1797

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Jena den 6. October 1797.

Herzlich willkommen war mir Ihr und Meyers Brief, den ich vor wenigen Stunden erhalten. Ich eile ihn, wenn nur mit ein paar Zeilen zu beantworten, um Sie bei Ihrer Rückkehr aus den Gebirgen freundlich zu begrüßen. Wir haben uns recht ungeduldig nach Nachrichten von Ihnen gesehnt, und doppelt erfreulich ist mir also Ihr heutiger Brief, der mir zu Ihrer baldigen Rückkehr Hoffnung macht. Wirklich sähe ich dem herannahenden Winter schon mit einer heimlichen Furcht entgegen, der mir nun so heiter zu werden verspricht. Mit meinem Befinden geht es nun wieder ordentlich, mein kleiner Ernst aber ist sehr hart vom Zahnen angegriffen und macht uns viele Sorge. Wir werden mit dem Abschied der guten Witterung in unsre alte Wohnung in der Stadt ziehen, und es kann sich recht wohl schicken, daß wir eine Zeitlang in Weimar leben. Alles kommt darauf an, daß ich im Wallenstein nur erst recht fest sitze, alsdann schadet mir keine Veränderung der Existenz, die mich sonst, bei meiner Unterwerfung unter die Gewohnheit, so leicht zerstreut.

Es freut mich nicht wenig, daß nach Ihrer Beobachtung meine Beschreibung des Strudels mit dem Phänomen übereinstimmt. Ich habe diese Natur nirgends als etwa bei einer Mühle studiren können, aber weil ich Homers Beschreibung von der Charybde genau studirte, so hat mich dieses vielleicht bei der Natur erhalten. Vielleicht führt Ihre Reise Sie auch an einem Eisenhammer vorbei, und Sie können mir sagen, ob ich dieses kleinere Phänomen richtig dargestellt habe. Der Almanach ist nun, wie ich hoffe, in Ihren Händen, und Sie werden ihm nun die Nativität stellen können. Es ist mir tröstlich, daß Sie den Phaethon passiren lassen, der mir bei seinem großen Volumen schon bange machte. Unter Schlegels Beiträgen sind die Stanzen über Romeo und Julie recht hübsch, und er hat sich darin, nach meiner Meinung, wirklich selbst übertroffen. Auch die Entführten Götter haben viel Gutes. Meyer findet noch vieles artige von seiner dichterischen Freundin.

Ich sende heute den ersten Transport des Almanachs nach Leipzig und bin nicht wenig neugierig nach dem Absatz – Es mag wohl wahr sein, daß uns die wenigsten Leser die Enthaltung von Xenialischen Dingen danken: denn wer auch selbst getroffen war, freute sich doch auch, daß des Nachbars Haus brannte.

Ich muß schließen, denn die Postzeit ist da. Bemerken Sie doch in Ihrem nächsten Briefe, ob ich fortfahren kann, die Briefe über Tübingen durch Cotta gehen zu lassen. Herzlich begrüßen wir Sie und Meyern, dem ich für seinen lieben Brief schönstens danke, wie auch meine Frau. Leben Sie recht wohl.

Sch.