HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1798401. An Schiller, 10. Januar 1798

401. An Schiller, 10. Januar 1798

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Die letzten Tage waren wirklich von der Art daß man wohl that so wenig als möglich von dem Dasein des Himmels und der Erde Notiz zu nehmen, wie ich mich denn auch meistens in meiner Stube gehalten habe. Indessen habe ich in diesen farb- und freudlosen Stunden die Farbenlehre wieder vorgenommen, und, um das was ich bisher gethan recht zu übersehen, in meinen Papieren Ordnung gemacht. Ich hatte nämlich von Anfang an Acten geführt und dadurch sowohl meine Irrthümer als meine richtigen Schritte, besonders aber alle Versuche, Erfahrungen und Einfälle conservirt; nun habe ich diese Volumina auseinander getrennt, Papiersäcke machen lassen, diese nach einem gewissen Schema rubricirt und alles hineingesteckt, wodurch ich denn meinen Vorrath zu einem jeden Capitel desto besser übersehen kann – wobei ich alle unnütze Papiere zerstören kann – indem ich das Nützliche absondere und zugleich das Ganze recapitulire. Jetzt hinterdrein sehe ich erst wie toll die Unternehmung war, und werde mich wohl hüten mich jemals in etwas ähnliches wieder einzulassen. Denn selbst jetzt da ich mich so weit durchgearbeitet habe, bedarf es noch einer großen Arbeit bis ich mein Material zu einer reinen Darstellung bringe. Indessen habe ich dabei sehr an Ausbildung gewonnen, denn, ohne diese seltsame Theilnahme, wäre es meiner Natur kaum vergönnt gewesen einen Blick in diese Fächer zu thun. Ich lege einen kleinen Aufsatz bei, der ohngefähr vier bis fünf Jahre alt sein kann; es wird Sie gewiß unterhalten zu sehen wie ich die Dinge damals nahm.

Zugleich lege ich des Herrn Bouterweks ästhetische Bemühungen bei, die ich bis zu meiner Ankunft wohl zu verwahren bitte. Nicht leicht ist mir etwas so wunderlich vorgekommen. Das Ganze scheint mir aus alter überlieferter Waare, aus eignen unbestimmten Ansichten und aus Lappen der neuen Philosophie zu bestehen. Es müßte lustig genug sein wenn man dereinst nachgeschriebene Hefte erwischen könnte, wornach ich aufstellen will.

Cotta ist sehr artig daß er uns seine neue Weltkunde überschickt, ich werde ihm selbst danken. Das Blatt wird ein großes Publicum finden, ob ich gleich nicht leugnen will daß mir die Manier widersteht; sie erinnert mich an die Schubartische Chronik und hat weder Geschmack noch Würde. Doch was hat das zu bedeuten. Wenn Freund Cotta nur seine Rechnung dabei findet . Wenn ich in der Folge mit irgend einem Beitrag ihm dienen kann so werde ich es gerne thun. Das dritte Stück habe ich gestern schon unmittelbar erhalten .

Halten Sie sich so gut als möglich! Ich will auch den Januar noch hier ausdauern, auf den 30sten noch eine Oper geben und dann zu Ihnen hinübereilen, wo ich den Wallenstein auf gutem Wege zu finden hoffe; ich werde wohl indessen nichts thun können als aufräumen und ordnen. Leben Sie recht wohl.

Weimar am 10. Januar 1798.

G.