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432. An Goethe, 2. März 1798

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Jena den 2. März 1798.

Ich habe es in diesen schönen Tagen einmal wieder mit der frischen Luft versucht und mich recht wohl dabei befunden. Es ist wirklich Schade, daß Sie gerade jetzt nicht hier sein können, gewiß würde sich die Muse jetzt bald bei Ihnen einstellen.

Was Sie über die Franzosen, und ihren emigrirten, aber immer gleich würdigen Repräsentanten Mounier schreiben, ist sehr wahr und so kläglich es auch an sich ist, so freut es einen, weil es so nothwendig zu dem ganzen Begriff dieser Existenz gehört, und man sollte immer nur rein die Naturen auffassen, so würde man auch gleich die Systeme rein demonstrirt sehen. Es ist wirklich der Bemerkung werth, daß die Schlaffheit über ästhetische Dinge immer sich mit der moralischen Schlaffheit verbunden zeigt, und daß das reine strenge Streben nach dem hohen Schönen, bei der höchsten Liberalität gegen alles was Natur ist, den Rigorism im moralischen bei sich führen wird. So deutlich scheiden sich die Reiche der Vernunft und des Verstandes und diese Scheidung behauptet sich nach allen Wegen und Richtungen, die der Mensch nur nehmen kann.

Mounier ist mir ein würdiger Pendant zu Garven, der sich auch einmal auf ähnliche Art gegen Kant prostituirte.

Gestern habe ich nun im Ernst das französische Bürgerdiplom erhalten, wovon schon vor fünf Jahren in den Zeitungen geredet wurde. Es ist damals ausgefertigt und von Roland unterschrieben worden. Weil aber der Name falsch geschrieben und nicht einmal eine Stadt oder Provinz auf der Adresse stand, so hat es freilich den Weg nicht zu mir finden können. Ich weiß nicht wie es jetzt noch in Bewegung kam, aber kurz, es wurde mir geschickt und zwar durch – Campe in Braunschweig, der mir bei dieser Gelegenheit die schönsten Sachen sagt.

Ich halte dafür, es wird nicht ganz übel sein, wenn ich es dem Herzog notificire, und um diese Gefälligkeit ersuche ich Sie, wenn es Sie nicht beschwert. Ich lege deßwegen die Acta bei. Daß ich als ein deutscher Publicist εξοχην darin erscheine, wird Sie hoffentlich auch belustigen.

Leben Sie recht wohl. Ich habe einen Posttag und noch allerlei abzufertigen. Meine Frau grüßt schön.

Sch.