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445. An Goethe, 6. April 1798

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Jena den 6. April 1798.

Heute früh oder vielmehr heute Mittag als ich aufstand und mich nach Ihnen erkundigte, fand ich unsre unglückselige Charlotte , die ich länger als ein Jahr nicht gesehen und nicht viel verbessert fand. Sie ist wo möglich noch materieller geworden und ihr gespanntes freudloses unerquickliches Dasein hat mir keine gute Stimmung gegeben.

Ihr Aufenthalt hier kommt mir jetzt noch kürzer vor als er war. Er ging gar schnell vorüber und für eine so lange Abwesenheit war es wirklich zu wenig.

Unterdessen will ich suchen, mich wieder recht in die Arbeit zu werfen, daß ich nur erst das Gedankenbild aus mir herausstelle, weil ich es dann heller anschauen kann. Ich freue mich, denken zu dürfen, daß Sie mit meinem Wallenstein im ganzen zufrieden sind und vorzüglich darüber, daß Sie keinen Widerspruch weder mit dem Gegenstande noch mit der Kunstgattung zu der er gehört darin rügten; denn über die theatralischen Forderungen denke ich schon noch weg zu kommen, wenn die tragisch-dramatischen nur befriedigt sind.

Leben Sie wohl für heute. Meine Frau grüßt Sie bestens und wir vermissen Sie leider sehr.

Sch.