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449. An Goethe, 24. April 1798

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Jena den 24. April 1798.

Endlich bin ich wieder im Stande Ihnen selbst von meinem Befinden Nachricht zu geben. Vierzehn Tage war ich zu allem unfähig, weil sich der Rheumatism in den Kopf gesetzt hatte, und noch darf ich vor den nächsten acht Tagen nicht hoffen, ein Geschäft vorzunehmen. Es ist recht Schade, daß ich bei dieser Unfähigkeit zum Arbeiten nicht wenigstens von den theatralischen Unterhaltungen in Weimar profitiren kann; aber wenn mich auch nicht mein noch fortdaurender Husten ins Haus spräche, so fehlte es mir doch gänzlich an Stimmung für irgend einen Geistesgenuß, und ich muß mich hüten, mich an ästhetische Dinge auch nur zu erinnern.

Ich wünsche Ihnen desto mehr Vergnügen an Ifflands theatralischem Besuch. Ueber die Wahl der Stücke haben wir uns hier gewundert, besonders aber hat mich die Wahl des Pygmalion befremdet. Denn wenn darunter wirklich das Monodram gemeint ist, welches däucht mir Benda componirt hat, so werden Sie, mit Meyern, einen merkwürdigen Beleg zu den unglücklichen Wirkungen eines verfehlten Gegenstandes erleben. Es ist mir absolut unbegreiflich, wie ein Schauspieler, auch bloß von einer ganz gemeinen Praxis, den Begriff seiner Kunst so sehr aus den Augen setzen kann, um in einer so frostigen, handlungsleeren und unnatürlichen Fratze sich vor dem Publicum abzuquälen. Dazu kommt noch, daß Iffland in seinem Leben nie eine Schwärmerei oder irgend eine exaltirte Stimmung weder zu fühlen noch darzustellen vermocht hat, und als Liebhaber immer abscheulich war.

Doch Sie werden ja sehen, und vielleicht ist auch an den Pygmalion nicht gedacht worden.

Zu den Fortschritten im Faust wünsche ich Glück. Diese theatralische Zerstreuungen sollen Sie, denk‘ ich, eher darin fördern als stören. Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt schönstens.

Sch.