Jena den 4. Mai 1798.
Meine Frau hat mir von Ihrer freundschaftlichen Aufnahme, von der bunten lebhaften Gesellschaft bei Ihnen und von Ifflands lustigem Apotheker sehr viel zu erzählen und zu rühmen gewußt. In solchen närrischen Originalen ist es eigentlich wo mich Iffland immer entzückt hat; denn das Naturell thut hier so viel, alles scheint augenblicklicher Einfall und Genialität; daher ist es unbegreiflich und man wird zugleich erfreut und außer sich gesetzt. Hingegen in edeln, ernsten und empfindungsvollen Rollen bewundre ich mehr seine Geschicklichkeit, seinen Verstand, seinen Calcul und Besonnenheit. Hier ist er mir immer bedeutend, planvoll, und beschäftigt und spannt die Aufmerksamkeit und das Nachdenken, aber ich kann nicht sagen, daß er mich in solchen Rollen eigentlich entzückt oder hingerissen hätte, wie von weit weniger vollkommenen Schauspielern geschehen ist. Daher würde er mir, für die Tragödie, kaum eine poetische Stimmung geben können.
Ich weiß kaum wie ich es mit Schrödern halten soll, und bin beinahe entschlossen, die ganze Idee von der Repräsentation des Wallensteins fallen zu lassen. So zeitig mit der ganzen völligen Ausführung fertig zu werden, daß er den Wallenstein im September oder Anfangs Oktober spielen kann, ist nicht möglich; denn Schröder muß nach seiner eignen Erklärung gegen Böttiger mehrere Monate zum Einlernen einer solchen Rolle haben, und würde also das Stück in der Mitte des Julius spätestens haben müssen. Bis dahin könnte ich zwar zur Noth eine Skizze des Ganzen, die für das Theater hinreichte fertig bringen, aber diese eilfertige und auf einen äußern Zweck gerichtete Art zu arbeiten würde mir die reine Stimmung für eine ruhige Ausführung verderben. Dazu kommt, daß selbst bei Schröders Anwesenheit einige Haupt-Rollen im Stück gar zu sehr verunglücken würden, dem ich mich lieber nicht aussetzen will. Wie Sie selbst schreiben, so sind die guten Schauspieler nur, und im glücklichsten Fall, passive Kanäle oder Referenten des Texts, und das wäre mir doch um meine zwei Piccolominis und meine Gräfin Terzky besonders leid. Ich denke daher, meinen Gang frei und ohne bestimmte Theaterrücksichten fortzusetzen und mir wo möglich die Stimmung zu bewahren. Ist der Wallenstein einmal fertig und gedruckt, so interessirt er mich nicht mehr, und alsdann kann ich auf so etwas noch eher denken.
Daß wir Sie nun bald wieder hier haben werden freut mich sehr. Es wäre wohl nicht übel, wenn wir bei Ihrem nächsten Hiersein den Homer zusammen läsen. Die schöne Stimmung nicht zu rechnen, die Ihnen das zu Ihrer Arbeit gäbe, würde es uns auch die schönste Gelegenheit zu einem Ideenwechsel, darbieten, wo das wichtigste in der Poesie nothwendig zur Sprache kommen müßte. So setzten wir’s alsdann künftig mit den Tragikern und andern fort.
Ich bin noch in der Stadt und werde bei dem gegenwärtigen zweifelhaften Wetter erst abwarten, eh ich ausziehe. Wenn Ihr Barometer mir etwas bestimmtes prognosticiren kann, so will ich mich darnach richten.
Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Leben Sie recht wohl.
Sch.