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459. An Schiller, 9. Mai 1798

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Zu Ihrer Gartenwohnung wünsche ich Ihnen Glück, die Jahrszeit wie die Witterung ist außerordentlich schön und ich hoffe Sie bald auf Ihrem Grund und Boden zu besuchen.

Den Verlust der vergangnen Tage konnten mir nur die Ifflandischen Abende ersetzen. Es ist übrigens für unser einen mit der Gesellschaft immer eine traurige Sache, man erfährt was, aber man lernt nichts, und was wir am meisten, ja einzig brauchen: Stimmung wird nicht gegeben, vielmehr zerstört.

Lust zu einer Arbeit hat mir Iffland zurückgelassen. Er erfuhr daß ich an einem zweiten Theil der Zauberflöte gearbeitet hatte und bezeigte den Wunsch das Stück für das Berliner Theater zu besitzen, mit einiger Lebhaftigkeit, sowohl gegen mich als andere. Darüber ist mir der Gedanke wieder lebhaft geworden, ich habe die Acten wieder vorgenommen und einiges dran gethan. Im Grunde ist schon so viel geschehen daß es thörig wäre die Arbeit liegen zu lassen, und wäre es auch nur um des leidigen Vortheils willen, so verdient doch auch der eine schuldige Beherzigung, um so mehr als eine so leichte Composition zu jeder Zeit und Stunde gearbeitet werden kann, und doch noch überdieß eine Stimmung zu was besserm vorbereitet.

Herr Thouret bleibt noch immer aus, da wir schon hofften daß er mit Cotta kommen würde, und ich wünsche mich sobald als möglich zu Ihnen hinüber zu begeben, denn die Tage fliehen ungenutzt hinweg und man weiß nicht wo sie hinkommen. Bei dem vielen Zeug das ich vorhabe würde ich verzweifeln, wenn nicht die große Ordnung, in der ich meine Papiere halte, mich in den Stand setzte zu jeder Stunde überall einzugreifen, jede Stunde in ihrer Art zu nutzen und eins nach dem andern vorwärts zu schieben.

Meyer hat seine Abhandlung über die Familie der Niobe vollendet, die sehr lobenswürdig ist; ich bringe sie mit. Er ist zufrieden daß wir seine Abhandlung über die Wahl der Gegenstände, nach unserer Ueberzeugung, modificiren, und auch vielleicht in Stellung der Argumente nach unserer Art zu Werke gehen. Wir lesen sie vielleicht nochmals zusammen durch, und dann wird ihr mit wenigem geholfen sein. Er ist gegenwärtig an den Rafaelischen Werken und wird immer so weiter gehen. Ich sehe schon ein paar Bändchen in kurzem vor mir. Womit wir zum Troste des Buchhändlers diese ernsten und, nach unserm Begriff, guten Aufsätze würzen wollen, damit sie, wo nicht belohnt, doch wenigstens vergeben werden, sollen Sie erfahren wenn ich komme. Für diesmal leben Sie wohl, ich erwarte Herrn von Retzer und bin neugierig wie sich die K. K. Büchercensur in Weimar ausnehmen wird.

Leben Sie recht wohl mit Ihrer lieben Frau und den Kindern und genießen der schönen Morgen und Abende.

Weimar am 9. Mai 1798.

G.