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638. An Goethe, 12. August 1799

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Jena den 12. August 1799.

Sie hätten mich durch Ihre Beschreibung des lebhaften Baugeschäftes bald verführt, auf einen Tag hinüber zu reisen, und die Einförmigkeit meiner bisherigen Lebensweise wieder einmal durch etwas ganz heterogenes zu unterbrechen. Aber so noth es mir auch vielleicht thäte, mir eine Zerstreuung zu machen, so sitze ich doch jetzt zu fest in meiner Arbeit und muß mich doppelt zusammennehmen weit darin vorwärts zu kommen, weil ich nicht weiß, wie viel Zeit und Stimmung das häusliche Evenement im Herbst mir rauben kann. Die Reise welche ich, um meiner Frau und mir selbst eine Veränderung zu machen, nach Rudolstadt vorhatte, bleibt auch auf einige Wochen verschoben, weil das Vogelschießen dort jetzt gerade einfällt und meine Schwiegermutter mit dem Hofe bisher entfernt gewesen. Wenn Sie also jetzt kommen können und wollen, so finden Sie uns zu Ihrem Empfange bereit. Wir haben hier die schönen Tage recht genossen und benutzt.

Daß ich die Wintermonate künftighin in Weimar zubringe, ist bei mir nun eine beschlossene Sache; die sinnliche Gegenwart des Theaters muß mir eine Menge faux frais ersparen, die mir jetzt unvermeidlich sind, weil ich die Vorstellung der lebendigen Masse nicht habe, und auch der Stoff soll mir alsdann reichlicher zufließen. Diesen Winter werde ich zwar später dazu kommen, vielleicht erst mit Ende Januars, wegen der Frau und dem Kleinen. Vor der Hand hoffe ich mit der Charlotte wegen des Logis eine Uebereinkunft treffen zu können, will mich aber doch auch wegen des Wertherischen Hauses erkundigen, weil es nicht übel für die Komödie gelegen ist. Auf dem Markte wohnte ich am liebsten, so wär ich Ihnen und meinem Schwager gleich nahe.

Der Herzog hat mir in diesem Frühjahr seinen Wunsch zu erkennen gegeben, daß ich öfters nach Weimar käme und länger da bliebe. Da ich ihm nun zugleich sehr leicht begreiflich machen kann, wie sehr ich mich selbst dabei besser befinden würde, so will ich mich mit geradem Vertrauen an ihn wenden und ihn bitten, daß er mir für die dadurch zuwachsende größere Kosten etwas zulegen möchte. Das Versprechen einer Zulage habe ich ohnehin seit fünf Jahren her von ihm und er ist immer gnädig gegen mich gewesen. Könnte ich übrigens durch meine Gegenwart in Weimar dem Theater Nutzen schaffen, wozu ich mich von ganzem Herzen erbiete, so würde die Sache sich noch einfacher abthun lassen.

Ich wünschte nur ein Wort von dem Gange des Druckes, den Almanach betreffend, zu erfahren, denn die Zeit bis Michaelis geht nun schon klein zusammen. Auch ist Meyer wohl so gut und läßt die Hexameter des ganzen Gedichtes zählen, daß ich bestimmt weiß wie viel Bogen es giebt. Etwas werde ich wohl für den Almanach geben müssen, um Cotta mein Wort zu halten, wenn auch die Glocke daran müßte.

Leben Sie recht wohl. Die Frau grüßt Sie bestens und sehnt sich auf Ihre Wiederkunft so wie ich.

Sch.