HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1799650. Schiller an den Herzog Karl August, 1. September 1799

650. Schiller an den Herzog Karl August, 1. September 1799

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Durchlauchtigster Herzog,
Gnädigster Fürst und Herr,

Die wenigen Wochen meines Aufenthalts zu Weimar und in der größern Nähe Eurer Durchlaucht im letzten Winter und Frühjahr haben einen so belebenden Einfluß auf meine Geistesstimmung geäußert, daß ich die Leere und den Mangel jedes Kunstgenusses und jeder Mittheilung, die hier in Jena mein Loos sind doppelt lebhaft empfinde. So lange ich mich mit Philosophie beschäftigte, fand ich mich hier vollkommen an meinem Platz; nunmehr aber, da meine Neigung und meine verbesserte Gesundheit mich mit neuem Eifer zur Poesie zurückgeführt haben finde ich mich hier wie in eine Wüste versetzt. Ein Platz, wo nur die Gelehrsamkeit und vorzüglich die metaphysische im Schwange gehen , ist den Dichtern nicht günstig: diese haben von jeher nur unter dem Einfluß der Künste und eines geistreichen Umgangs gedeihen können. Da zugleich meine dramatische Beschäftigungen mir die Anschauung des Theaters zum nächsten Bedürfniß machen und ich von dem glücklichen Einfluß desselben auf meine Arbeiten vollkommen überzeugt bin, so hat alles dieß ein lebhaftes Verlangen in mir erweckt, künftighin die Wintermonate in Weimar zuzubringen.

Indem ich aber dieses Vorhaben mit meinen ökonomischen Mitteln vergleiche, finde ich daß es über meine Kräfte geht die Kosten einer doppelten Einrichtung, und den erhöhten Preis der meisten Notwendigkeiten in Weimar zu erschwingen. In dieser Verlegenheit wage ich es, meine Zuflucht unmittelbar zu der Gnade Eurer Durchlaucht zu nehmen, und ich wage es mit um so größerem Vertrauen, da ich mich, in Ansehung der Gründe die mich zu dieser Ortveränderung antreiben, Ihrer höchst eigenen gnädigsten Beistimmung versichert halten darf. Es ist der Wunsch der mich antreibt, Ihnen Selbst, gnädigster Herr, und den Durchlauchtigsten Herzoginnen näher zu sein, und mich durch das lebhafte Streben nach Ihrem Beifall, in meiner Kunst selbst vollkommener zu machen, ja vielleicht etwas weniges zu Ihrer eigenen Erheiterung dadurch beizutragen.

Da ich mich in der Hauptsache auf die Früchte meines Fleißes verlassen kann und meine Absicht keineswegs ist, darin nachzulassen, sondern meine Thätigkeit vielmehr zu verdoppeln, so wage ich die unterthänigste Bitte an Eure Durchlaucht mir die Kosten Vermehrung, welche mir durch die Translocation nach Weimar und eine zweifache Einrichtung jährlich zuwächst, durch eine Vermehrung meines Gehalts gnädigst zu erleichtern.

Der ich in tiefster Devotion ersterbe
Eurer Herzoglichen Durchlaucht
meines gnädigsten Herrn
unterthänigst treugehorsamster

Fr. Schiller.

Jena, 1. September 1799.