HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1801796. An Schiller, 11. März 1801

796. An Schiller, 11. März 1801

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Meine Hoffnung, daß Sie, in diesen schönen Tagen, recht weit vorgerückt sein würden, benimmt mir Ihr Brief. Vielleicht kommt es auf einmal, wie es mir auch sonst, in ähnlichen Fällen, gegangen ist.

Hartmann von Stuttgart ist hier und es thut mir recht leid daß Sie ihn nicht kennen lernen. Ein großer, derber, junger Mann von 28 Jahren, den man eher für einen Musikus als für einen Maler halten würde. Sein Wesen und Betragen ist naiv, in Absicht auf Kunstgesinnung ist er auf dem rechten Felde, nur nicht immer auf dem rechten Wege. Sein großes Bild ist sehenswerth. Der Gegenstand nicht zu schelten, aber doch nicht ganz glücklich.

Es ist recht angenehm mit ihm zu conversiren, ich habe mich an die bedeutendsten Puncte gehalten, damit man, mit so einem schönen Talent, mit so einem guten Menschen, in eine wahre Verbindung kommt und auch in der Ferne ein Verhältniß unterhalten kann. Das Beste ist, daß er nichts verliert, wenn das Wahre wahr ist, da so viele sich nur dem ächten deßhalb widersetzen, weil sie zu Grunde gehen würden wenn sie es anerkennten.

Mit meinem Faust geht es sachte fort. Wenn ich auch täglich nur wenig mache, so suche ich mir doch den Sinn und den Antheil daran zu erhalten.

Wegen der Preisfrage sind wir ganz einig. Man könnte verlangen

Eine gedrängte, lichtvolle Darstellung des Bestehenden im Menschen, mit Entwicklung der Phänomene der Cultur aus demselben. Man betrachte sie nun als ein Ganzes der Gegenwart oder der Succession oder als beides zugleich.

Wie Sie bin ich überzeugt daß man auf diesem Wege am ersten zum Zweck gelangen und, bei dem unendlichen Stoff, eine faßliche Darstellung erwarten könne.

In Stuttgart ist, wie ich durch Meyern höre, dem es Hartmann erzählt hat, große Bewegung und Unzufriedenheit über unsere Kunsturtheile. Wenn man das Detail vernimmt, so sieht man freilich in welcher jämmerlichen Denkweise sie gefangen sind, Ihren Aufsatz haben sie für eine Arbeit von Böttiger erklärt. Wenn sie sich auf den Styl der bildenden Kunst nicht besser verstehen als den Styl des Schreibens, so sieht es freilich windig aus. Man macht sich immer eine Illusion über die Menschen, besonders über seine Zeit. Die Confusion, die durch so viele Individuen entsteht, deren jeder ein anderes Interesse hat dieses oder jenes gelten zu machen, ist unendlich.

Sie erhalten zugleich ein Trauerspiel, in welchem Sie mit Schrecken abermals, wie mich dünkt, aus einem sehr hohlen Fasse, den Nachklang des Wallensteins hören werden.

Ich schließe mit dem Wunsch für schönes Wetter und produktive Stunden.

Weimar am 11. März 1801.

G.