Weimar, 28. Juni 1801.
Wir haben mit großer Sehnsucht auf Nachrichten von Ihnen geharrt und erst vorgestern, nachdem er fünfzehn Tage unterwegs gewesen, erhalte ich Ihren Brief aus Göttingen. Den meinigen hoffe ich durch eine Gelegenheit, die diese Woche von hier nach Pyrmont geht, schneller in Ihre Hände zu bringen. Das kalte Wetter vor vierzehn Tagen wird, wie ich fürchte, dem Anfang der Brunnenkur sehr ungünstig gewesen sein und Sie zwingen, Ihren Aufenthalt dort zu verlängern. Es hat auch meine Gesundheit angegriffen, und dem Fleiß geschadet. Für Cotta habe ich indeß doch eine Ballade, Leander und Hero, wirklich zu Stande gebracht, nebst noch einigen kleinern Gedichten, was ich Ihnen bei Ihrer Zurückkunft vorzutragen hoffe. Das Schauspiel fängt an, sich zu organisiren, und in acht Tagen denke ich an die Ausführung zu gehen. Der Plan ist einfach, die Handlung rasch, und ich darf nicht besorgen, ins Breite getrieben zu werden.
Aber auch mir droht eine lange Zerstreuung, denn mein Entschluß ist nun ernstlich gefaßt, in etwa drei Wochen an die Ostsee zu reisen, dort das Seebad zu versuchen und dann über Berlin und Dresden zurückzugehen. Viel Vergnügen erwarte ich mir zwar nicht von dieser Reise, ja in Berlin fürchte ich peinliche Tage, aber ich muß neue Gegenstände sehen, ich muß einen entscheidenden Versuch über meine Gesundheit machen; ich wünsche einige gute Theatervorstellungen, wenigstens einige vorzügliche Talente zu sehen und, da es keinen großen Umweg kostet, auch die alten Freunde wieder zu sehen. Meine Erwartungen sind so, daß sie eher übertroffen, als getäuscht werden können. Uebrigens hoffe ich auf den zehnten September wieder zurück zu sein, denn ich werde schnell reisen, und mich nur zwölf Tage in Dobberan, eben so lang in Berlin und sechs Tage in Dresden verweilen. Bei meiner Zurückkunft hoffe ich Sie heiter und gesund wieder anzutreffen und vielleicht selbst an Wohlsein gewonnen zu haben.
Was seit Ihrer Abreise neues hier vorgegangen, werden Sie sonst erfahren haben. Mit den Badischen Herrschaften war eine Frau von Hack hier, eine alte Bekanntschaft von Ihnen, die sich Ihrer mit Antheil erinnerte, und Sie in dem Bilde von Bury ganz wieder erkannte. Auch Knebel hält sich seit einigen Tagen mit seiner Frau hier auf, er soll sehr heiter und im übrigen ganz noch derselbe sein.
Rochlitz aus Leipzig war hier: wie er sagt, so haben Sie ihn aufgemuntert zu den Preisstücken zu concurriren. Er hat wohl eine gute Intention, aber die Kräfte fehlen. Aus Leipzig hat er mir die fertige Hälfte eines Lustspiels zugesendet, und will meine Meinung wissen, ob es mit einiger Hoffnung und Wahrscheinlichkeit um den Preis kämpfen kann; denn wie er schreibt, könnte er es nicht ohne Aufopferung auf den bestimmten Termin vollenden, und möchte daher, wenn er ein Uebriges thun soll, auch des Erfolgs gewiß sein. Das Stück ist, so weit es fertig, allerdings spielbar; es hat einige gute Theaterscenen, die ihre Wirkung nicht verfehlen werden, aber loben läßt sich’s nicht, und noch weniger krönen, wenn es auch wirklich unter den Concurrenzstücken das beste sein sollte. Es ist zu trivial, schwach und geistlos . In der Verlegenheit, worin ich bin, ihm einen leidlichen Bescheid zu geben, werde ich mich etwas streng an die Aufgabe eines Intriguenstücks halten: denn was die zwei Akte gutes und piquantes haben, liegt in dem Spiel zweier lustigen Charaktere und keineswegs in der Intrigue. Ich werde ihn ermuntern das Stück zu vollenden, aber es nicht eigentlich zur Concurrenz um den Preis einzuschicken. Daß wir es spielen wollen und werden, kann ich ihm versprechen, und so steht es dann immer bei Ihnen, ob Sie es als ein Concurrenzstück ansehen wollen oder nicht.
Seckendorf schreibt mir aus Regensburg, daß unter der dortigen schlechten Truppe sich ein brauchbarer Schauspieler Namens Eugen befinde, der den Tenor singt, in der Opera die Buffons und im Schauspiel die ersten Liebhaber spielt. Für die letzteren Rollen mache ihn seine mittlere und untersetzte Figur zwar nicht besonders geschickt, aber er meint daß er es mit Kordemann und Haide wohl aufnehmen könne, ja den ersten um vieles übertreffe. Er habe dort wöchentlich zehn Gulden rheinisch, und könne von sechs Wochen zu sechs Wochen abgehen. Ich melde Ihnen dieses, weil Seckendorf doch eher zu tadeln als das Lob zu übertreiben pflegt, und an dem jungen Menschen also doch etwas sein muß, was vielleicht weiter auszubilden ist.
Weil es mit den Propyläen, wie mir Cotta versicherte, noch gar nicht fort will, und zu wenige Exemplare davon in Circulation kommen, wodurch also, wenn Sie auch ganz auf alle Einnahme großmüthig Verzicht thäten, immer der Zweck der Verbreitung leiden muß, so habe ich Meyern die Idee mitgetheilt, die Lit. Zeitung zum Canal zu machen, die Kunstbegriffe worauf es ankommt ins Publikum zu bringen. Sie würden z. B. alle Vierteljahr sich eine Woche von der Lit. Zeitung ausbedingen und das Kunstwesen darin vornehmen. Die Kritik der neuesten Kunstwerke und Kunstschriften wäre das Vehikel für alles was man sagen will, und außer dem großen Vortheil einer allgemeinen Verbreitung gewänne man auch das, daß dem falschen Geschmack sein nichtigstes Tribunal entzogen und dieses genöthigt würde, für die gute Sache zu zeugen. Meyer ist auch meiner Meinung und wird bei seiner nächsten Zusammenkunft mit Ihnen ausführlicher von der Sache reden.
Jetzt sage ich Ihnen ein herzliches Lebewohl und wünsche, daß wir recht bald erfreuliche Nachrichten von Ihnen erhalten mögen. Die schönsten Grüße von meiner Frau und Schwägerin, und von Karin an Augusten.
Sch.