HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1802845. An Goethe, 10. März 1802

845. An Goethe, 10. März 1802

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Weimar, 10. März 1802.

Indem Sie in Jena sich unter den Freunden wohl befinden und gar nicht Unrecht daran thun, zu leben und zu genießen, habe ich mich hier ganz zu Hause gehalten und bin nicht unthätig gewesen, wiewohl ich von meinem Thun noch lange keine Rechenschaft geben kann. Ein mächtiger Interesse als der Warbeck hat mich schon seit sechs Wochen beschäftigt und mit einer Kraft und Innigkeit angezogen, wie es mir lange nicht begegnet ist. Noch ist zwar bloß der Moment der Hoffnung und der dunkeln Ahnung, aber er ist fruchtbar und vielversprechend, und ich weiß, daß ich mich auf dem rechten Weg befinde.

Von der hiesigen Welt kann ich Ihnen also wenig berichten, da ich niemand gesehen. Ich höre, daß Wieland sich hat bereden lassen, den Jon des Euripides zu übersetzen, und daß man ganz erstaunliche Entdeckungen macht, wie viel hinter diesem griechischen Jon steckt.

Der fünfte März ist mir glücklicher vorübergegangen als dem Cäsar der fünfzehente und ich höre von dieser großen Angelegenheit gar nichts mehr. Hoffentlich werden Sie bei Ihrer Zurückkunft die Gemüther besänftigt finden. Wie aber der Zufall immer naiv ist und sein muthwilliges Spiel treibt, so hat der Herzog den Bürgermeister den Morgen nach jenen Geschichten wegen seiner großen Verdienste zum Rath erklärt. Auch wird heute auf dem Theater Ueble Laune von Kotzebue vorgestellt.

Meine Frau empfiehlt sich Ihnen bestens und bittet, sich an die Histoire des Favorits zu erinnern.

Ich lese jetzt eine Geschichte der Päpste von einem Engländer, der selbst Jesuit war, und der, indem er sich von den Grundfesten des Pabstthums aus den Quellen zu unterrichten suchte, auf diesem Wege, wo er sich in seinem Glauben zu befestigen meinte, das Gegentheil gefunden hat, und der nun seine Gelehrsamkeit gegen das Pabstthum anwendet. Es ist, ungeachtet der flachen Behandlung, eine durch ihre Consequenz sehr anziehende Geschichte, unendlich mannigfaltig, weil sie sich mit allem verschlingt, und doch wieder auf eine furchtbare Art identisch, weil alles Individuelle selbst in der idealen Einheit sich verliert.

Leben Sie recht wohl und fördern Ihr Geschäft, daß wir uns bald wieder Ihrer Gegenwart erfreuen.

Sch.