HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1802871. An Goethe, 18. August 1802

871. An Goethe, 18. August 1802

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Weimar, 18. August 1802.

Sie können nie unthätig sein, und was Sie eine unproductive Stimmung nennen, würden sich die meisten andern als eine vollkommen ausgefüllte Zeit anrechnen. Möchte nur irgend ein subalterner Genius, einer von denen die gerade auf Universitäten wohnen und walten, die letzte Hand an Ihre wissenschaftlichen Ideen thun, um sie zu sammeln, leidlich zu redigiren und so für die Welt zu erhalten. Denn Sie selbst werden dieses Geschäft leider immer in die Ferne schieben, weil Ihnen, däucht mir, das eigentlich didaktische gar nicht in der Natur ist. Sie sind eigentlich recht dazu geeignet, um von andern bei Lebzeiten beerbt und ausgeplündert zu werden, wie Ihnen schon mehrmal widerfahren ist, und noch mehr widerfahren würde, wenn die Leute nur ihren Vortheil besser verständen.

Hätten wir uns ein halb Dutzend Jahre früher gekannt, so würde ich Zeit gehabt haben, mich Ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen zu bemächtigen; ich würde Ihre Neigung vielleicht unterhalten haben, diesen wichtigen Gegenständen die letzte Gestalt zu geben, und in jedem Fall würde ich ein redlicher Verwalter des Ihrigen gewesen sein.

Ich habe in diesen Tagen einige Notizen über den ältern Plinius gelesen, die mich in Rücksicht auf das was der Mensch aus einer guten Anwendung seiner Zeit machen kann, in Erstaunen gesetzt haben. Gegen einen solchen Mann war selbst Haller noch ein Zeitverschwender. Aber ich fürchte, er hatte über dem ungeheuren Bücherlesen, Excerpiren und Dictiren zum freien Nachdenken nicht recht Zeit, und er scheint alle Thätigkeit des Geistes in das Lernen gesetzt zu haben, denn er nahm es seinem Neffen einmal sehr übel, da er ihn ohne ein Buch in der Hand im Garten auf und ab gehen sah.

Ich bin in diesen letzten Tagen nicht ohne Succeß mit meinem Stück beschäftigt gewesen, und ich habe noch bei keiner Arbeit so viel gelernt als bei dieser. Es ist ein Ganzes, das ich leichter übersehe und auch leichter regiere; auch ist es eine dankbarere und erfreulichere Aufgabe, einen einfachen Stoff reich und gehaltvoll zu machen, als einen zu reichen und zu breiten Gegenstand einzuschränken.

Sonst aber zerstreut mich jetzt manches und da die politischen Dinge auch auf meinen Zustand einen Einfluß haben können, so sehe ich diesem Ziehungstag meines Looses nicht ohne Spannung entgegen. Es sind auch noch andere Dinge, die mich aus meiner alten Lage zu reißen drohen, und die mir deßwegen nicht erfreulich sind.

Meine Baureparaturen und sonstige Einrichtungen werden, wie ich hoffe, mit dieser Woche zu Ende gehen und ich kann Sie bei Ihrer Zurückkunft in einem reinlichen und freundlichen Hause bewillkommen.

Leben Sie recht wohl und lassen mich bald hören, daß Sie mit einer reichen Gabe zurückkehren.

Sch.