HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1803884. An Goethe, 5. Februar 1803

884. An Goethe, 5. Februar 1803

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(Weimar, 5. Februar 1803.)

Die gestrige Vorlesung von der ich mir eine sehr mäßige Erwartung machte, weil ich mir mein Publikum nicht dazu auswählen konnte, ist mir durch eine recht schöne Theilnahme belohnt worden, und die heterogenen Bestandtheile meines Publikums fanden sich wirklich in einem gemeinsamen Zustande vereinigt. Die Furcht und der Schrecken erwiesen sich in ihrer ganzen Kraft, auch die sanftere Rührung gab sich durch schöne Aeußerungen kund – der Chor erfreute allgemein durch seine naiven Motive und begeisterte durch seinen lyrischen Schwung, so daß ich, bei gehöriger Anordnung, mir auch auf den Brettern eine bedeutende Wirkung von dem Chore versprechen kann.

Ich habe Beckern mit zu der gestrigen Vorlesung eingeladen; Sie können also, wenn Sie ihn sprechen, abnehmen, wie sich diese neue Erscheinung in seinem Theaterkopfe darstellt. Er war sehr hingerissen und ist von der theatralischen Wirkung des Chors überzeugt.

Das Exemplar aus welchem ich gestern vorlas muß ich, der Verhältnisse wegen, dem Herzog schicken, weil er erwarten kann, unter den Ersten zu sein, denen ich das Stück mittheile, und meine gestrige Vorlesung davon sprechen gemacht hat. Vielleicht aber kann ich Ihnen doch noch vor Abend ein anderes Exemplar verschaffen. Alsdann wollen wir, wenn es Ihnen recht ist, etwa morgen Mittag zusammenkommen und darüber conferiren; denn ich wünschte das Stück, wenn es die Bühne betreten soll, bald möglichst zu diesem Gebrauche einzurichten, um es auch nach Berlin, Hamburg und Leipzig versenden zu können. Daß Sie den Cellinischen Anhang so weit fertig gebracht, höre ich sehr gerne; es ist in dieser Art von Arbeiten so etwas endloses, weil sie ihrer Natur nach atomistisch sind und sich schwer in eine Form bringen lassen.

Was Ihre freundliche Einladung betrifft, so will ich meinen Schwager erst vernehmen, welchen Abend er frei hat, und Ihnen noch heute Antwort sagen.

Leben Sie recht wohl.

Sch.