HomeDie Horen1795 - Stück 2IV. Zweyte Epistel. [Johann Wolfgang von Goethe]

IV. Zweyte Epistel. [Johann Wolfgang von Goethe]

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Würdiger Freund, du runzelst die Stirne, dir scheinen die Scherze
Nicht am rechten Orte zu seyn, die Frage war ernsthaft,
Und besonnen verlangst du die Antwort; da weiß ich, beym Himmel!
Nicht, wie eben sich mir der Schalk im Busen bewegte.
Doch ich fahre bedächtiger fort. Du sagst mir: es möchte
Meinetwegen die Menge sich halten, im Leben und Lesen,
Wie sie könnte; doch denke dir nur die Töchter im Hause,
Die mir der kuppelnde Dichter mit allem Bösen bekannt macht.

Dem ist leichter geholfen, versetz’ ich, als wohl ein andrer
Denken möchte. Die Mädchen sind gut, und machen sich gerne
Was zu schaffen. Da gieb nur dem einen die Schlüssel zum Keller,
Daß es die Weine des Vaters besorge, sobald sie, vom Winzer,
Oder vom Kaufmann geliefert, die weiten Gewölbe bereichern.
Manches zu die Jungfrau zu schaffen, die vielen Gefässe,
Leere Fässer und Flaschen in reinlicher Ordnung zu halten.
Dann betrachtet sie oft des schäumenden Mostes Bewegung,
Gießt das Fehlende zu, damit die wallenden Blasen
Leicht die Öffnung des Fasses erreichen, trinkbar und helle
Endlich der edelste Saft sich künftige Jahre vollende.
Unermüdet ist sie alsdann, zu füllen, zu schöpfen
Daß der Trank stets geistig und rein die Tafel belebe.

Laß die andre die Küche besorgen, da giebt es, wahrhaftig!
Arbeit genug, das tägliche Mahl, durch Sommer und Winter,
Schmackhaft stets zu bereiten und ohne Beschwerde des Beutels.
Denn im Frühjahr sorget sie schon, im Hofe die Küchlein
Bald zu erziehen, und bald die schnatternden Enten zu füttern.
Alles, was ihr die Jahrszeit ihr bringt, das bringt sie bey Zeiten
Dir auf den Tisch, und weiß mit jeglichem Tage die Speisen
Klug zu wechseln, und kaum reift ihr der Sommer die Früchte,
Denkt sie schon an Vorrath des Winters. Im kühlen Gewölbe
Gähret ihr schmackhaft der Kohl, und reifen im Essig die Gurken;
Aber die lüftige Kammer bewahrt ihr die Gaben Pomonens.
Gerne nimmt sie das Lob vom Vater und allen Geschwistern;
Und wenn etwas mißlingt, dann ists ein grösseres Unglück,
Als wenn dein Schuldner davon geht, und dir den Wechsel zurück läßt.
Immer ist so das Mädchen beschäftigt, und reifet im Stillen
Häuslicher Tugend entgegen, den klugen Mann zu beglücken.
Wünscht sie dann endlich zu lesen, so wählt sie gewißlich ein Kochbuch,
Deren Hunderte schon die eifrigen Pressen uns gaben.

Eine Schwester besorget den Garten, der schwerlich zur Wildniß,
Deine Wohnung romantisch und feucht zu umgeben, verdammt ist,
Sondern in zierliche Beete getheilt, als Vorhof der Küche,
Nützliche Kräuter ernährt und jugend-beglückende Früchte.
So erzeuge dir selbst, patriarchalisch, ein kleines
Königreich, und bevölkre dein Haus mit treuem Gesinde.

Hast du der Töchter noch mehr, die lieber sitzen, und stille
Weibliche Arbeit verrichten, da ists noch besser, die Nadel
Ruht im Jahre nicht leicht; denn noch so häuslich im Hause,
Mögen sie öffentlich gern als müssige Damen erscheinen.
Wie vermehrt sich das Nähen und Flicken und Waschen und Biegeln
Hundertfältig, seitdem in weisser arkadischer Hülle
Sich das Mädchen gefällt, mit langen Röcken und Schleppen
Gassen kehret und Gärten, und Staub erreget im Tanzsaal.
Wahrlich wären mir nur der Mädchen ein Dutzend im Hause
Niemals wär ich verlegen um Arbeit; sie machen sich selber
Arbeit genug, es sollte kein Buch im Laufe des Jahres
Über die Schwelle mir kommen, vom Bücherverleiher gesendet!

Die Fortsetzung folgt.

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