HomeDie Horen1795 - Stück 2V. Über den Geschlechtsunterschied und dessen Einfluß auf die organische Natur. [Wilhelm von Humboldt]

V. Über den Geschlechtsunterschied und dessen Einfluß auf die organische Natur. [Wilhelm von Humboldt]

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Von der Wichtigkeit des Endzwecks erfüllt, welchem der Unterschied der Geschlechter zunächst gewidmet ist, pflegt man die Bestimmung derselben auf ihn allein zu beschränken. Man nimmt ihn unmittelbar mit in den Begriff derselben auf, denkt sich unter dieser Anstalt der Natur weiter nichts, als ein zur Erzeugung nothwendiges Mittel, und würde, wenn diese auf einem andern Wege zu erhalten wäre, einen Unterschied leicht entbehren zu können glauben, der die Entwicklung der Gattung in den Indivuen nicht selten zu hindern scheint. Nur allenfalls im Menschen wird auch die gemeinste Beobachtung mehr auf die heilsame Einwirkung des einen Geschlechts auf das andere aufmerksam gemacht. Allein auch in der übrigen Natur ist diese Erscheinung nicht weniger sichtbar, und es bedarf nur einer mäßigen Anstrengung des Nachdenkens, um den Begriff des Geschlechts weit über die beschränkte Sphäre hinaus, in die man ihn einschließt, in ein unermeßliches Feld zu versetzen. Die Natur wäre ohne ihn nicht Natur, ihr Räderwerk stände still, und sowohl der Zug, welcher alle Wesen verbindet, als der Kampf, welcher jedes einzelne nöthigt, sich mit seiner, ihm eigenthümlichen Energie zu wafnen, hörte auf, wenn an die Stelle dieses Unterschiedes eine langweilige und erschlaffende Gleichheit träte.

Das Streben der Natur ist auf etwas Unbeschränktes gerichtet. Alles Grosse und Trefliche, was in endlichen Kräften wohnt, will sie, ohne Ausnahme, und zwar in ein Ganzes vereint, besitzen. Aber da diese Kräfte immer endlich und an die Gesetze der Zeit gebunden sind, so hebt die eine, sofern sie thätig ist, die andre auf, und es ist nicht möglich, daß sie alle zugleich wirken. Dieß gilt aber nicht bloß von ihren einzelnen Kräften, sondern überhaupt von ihren beyden hauptsächlichsten Wirkungsarten, der Ausbildung des Einzelnen, und der Verbindung des Ganzen. Denn indeß die Kraftübung Einseitigkeit hervorbringt, auf die auch die Beschaffenheit des Stoffs führt; so verlangt die verbindende Form Vielseitigkeit, und die eine Forderung vernichtet in dem Augenblick, da sie geschieht, nothwendig die andre. Wenn also, bei allen Schranken der Endlichkeit, ein unendliches Wirken zu Stand kommen sollte, so blieb nichts anders übrig, als die zugleich unverträglichen Eigenschaften in verschiedene Kräfte, oder wenigstens in verschiedene Zustände derselben Kraft zu vertheilen, und sie nun durch den Drang eines Bedürfnisses zu gegenseitiger Einwirkung zu nöthigen. Diese beyden Merkmale sind aber gerade auch die einzigen, welche der Geschlechtsbegriff in sich faßt. Denn, geht man auch, um denselben so aufzufinden, wie er sich wirklich in der Natur zeigt, am besten von dem Begriff der Zeugung aus, so kann man ihn doch auch, ohne alle Rücksicht auf diese, in seiner völligen Allgemeinheit fassen; und alsdann bezeichnet er nichts anders, als eine so eigenthümliche Ungleichartigkeit verschiedener Kräfte, daß sie nur verbunden ein Ganzes ausmachen, und ein gegenseitiges Bedürfniß, dieß Ganze durch Wechselwirkung in der That herzustellen.

Denn auf der Wechselwirkung allein beruht das Geheimniß der Natur. Ungleichartiger Stoff verknüpft sich, das Verknüpfte wird wiederum Theil eines grösseren Ganzen, und bis ins Unendliche hin umfaßt immer jede neue Einheit eine reichere Fülle, dient jede neue Mannigfaltigkeit einer schöneren Einheit. Stoff und Form, so vielfach in einander verschränkt, vertauschen ihr Wesen, und nirgends ist etwas bloß bildend oder gebildet. So erhält die Natur zugleich Einheit und Fülle, zwey scheinbar entgegengesetzte, aber nah verwandte Eigenschaften, deren eine dem Geist wohlthätige Ruhe gewährt, wenn ihn die andre zu thätigem Nachdenken angespannt hat.

Von dem zauberähnlichen Wirken dieser zahllosen Kräfte erstaunt, verzweifelt der menschliche Geist, je in dieß heilige Dunkel zu dringen. Dennoch fühlt er sich durch seine Natur aufgefordert, es zu versuchen. Soll nun der Versuch nicht gänzlich mislingen, so wende er seinen Blick von dem Zusammenfluß der Wirkungen ab auf die vereinzelten wirkenden Kräfte. Was dort durch vielfaches Eingreifen in fremder und mannigfaltig verschiedener Gestalt erscheint, sieht er hier, vereinzelt, in seiner eigenthümlichen wieder. Denn jede Verbindung in der Natur geht aus der innren Beschaffenheit der Wesen hervor, und ihr stilles Wirken unterbricht keine eigenmächtige Willkühr. Was sich mit einander vereinigt, trägt in seinem Wesen selbst das Bedürfniß dieser Vereinigung; und alle Erscheinungen der Natur bestimmt der Charakter der wirkenden Kräfte. Ist indeß der Weg auf diese Weise vereinfacht, so darf man ihn nicht zugleich auch erleichtert nennen. Sehr schwierig ist es, diesen verborgenen Charakter zu erspähen, der nicht in dem Inbegriff der, oft nur zufälligen Äusserungen eines Dinges besteht, sondern ihr innerstes Wesen selbst ausmacht, nicht durch rhapsodistische Aufzählung der einzelnen Merkmale erschöpft wird, sondern in seiner ganzen Einheit aufgefaßt werden muß. Gerade weil er die letzte Verbindung von jenen ist, darf er keine Trennung verstatten, ist er für die innere Anschauung, was die äussere Gestalt dem Auge, und enthüllt sich fast nur einem gewissen ahnenden Gefühle, da er doch auf Begriffe zurückgeführt, und durch Beweise bestätigt werden soll.

Was, so wie dieser Charakter, das letzte Resultat aller vereinigten Kräfte ist, kann wieder nur mit vereinigten Kräften verstanden werden. In harmonischem Bunde muß das Gefühl mit dem Gedanken gemeinschaftlich thätig seyn. Hat der Verstand die Natur und die Wirkungsart des Wesens nach Begriffen untersucht, so muß die Phantasie das äussere Bild seines Erscheinens, die Form jenes Inhalts, auffassen, und nur die Einheit, zu welcher der Geist dieß doppelte Resultat zu verknüpfen strebt, kann dem Gesuchten einigermaaßen entsprechen. Keine Erscheinung einer Kraft darf daher der Forscher zurückweisen, und durch das ganze Gebiet ihrer Wirksamkeit muß er sie verfolgen. Bei Untersuchung der Körperwelt muß er mit der moralischen ebenso wohl, als bey dieser mit jener vertraut seyn, und sein Bemühen gehe auf die grössere Naturökonomie oder den kleineren Kreis des Menschen, so darf er nie das Ganze aus dem Gesichte verlieren. Denn die äußere sinnliche Gestalt der Gegenstände giebt ihm einen Spiegel in die Hand, in welchem sein Auge ihre innere Beschaffenheit erblickt.

Vorzüglich aber bedarf der Mensch zu Ergründung und Veredlung auch seiner moralischen Natur einer anhaltenden und ernsten Betrachtung der physischen um ihn her, und ihre Vorsorge hat ihm sogar dieß Studium erleichtert. Schon in dem bloß körperlichen Theil seines Wesens findet er mit unverkennbarer Schrift dasjenige ausgedrückt, was er in seinem moralischen zum Daseyn zu bringen streben soll. Freilich verweilt das Auge des Betrachters nur selten hinlänglich auf den Zügen dieser Schrift. Vorsichtige Besorgniß durch leere Bilder der Phantasie getäuscht zu werden, zieht oft die Aufmerksamkeit davon ab, und noch weit öfterer hindert sie Mangel an Feinheit des Sinns, überhaupt nur rege zu werden. Dennoch ist es unläugbar, daß die physische Natur nur Ein grosses Ganze mit der moralischen ausmacht, und die Erscheinungen in beyden nur einerley Gesetzen gehorchen. Nach der Erforschung der Körperwelt und dem Studium des innern Lebens der Geister bleibt daher noch endlich ein Blick auf das gegenseitige Verhältniß dieser beiden völlig ungleichartigen Reiche übrig, um diejenigen Gesetze aufzufinden, welche, in beyden herrschend, die höchste Verknüpfung des Naturganzen vollenden. Dieser Gesetze werden freylich immer nur sehr wenige und äußerst einfache seyn können, da sie die reiche Mannigfaltigkeit aller besondren unter sich befassen müssen. Allein eben dadurch wird es dem Menschen leichter werden, ihnen auch an seinem Theil zu gehorchen, und gerade die verborgensten Geheimnisse seines Wesens in ihnen besser enthüllt zu sehn. Denn vorzüglich in dem Felde der menschlichen Empfindung und Begierde giebt es Tiefen, welche der Forscher nie zu ergründen vermag, wenn er den Blick unmittelbar und allein auf sie heftet. Wo die Verwandtschaft mit der schlechterdings physischen Natur des Menschen zu nah ist, hört die Möglichkeit auf, alles durch seine bloß moralische zu erklären. Er muß daher zugleich auf jene zurückgehn, und dasjenige, was in einer feinen und verwickelten Organisation undeutlich erscheint, muß er da aufsuchen, wo es in grossen und einfachen Zügen ausgedrückt ist. Wohin aber wendete er sich da besser, als an dieselbe Natur in ihrer weniger verwickelten, aber grössern Ökonomie? Aus ihr muß der Mensch sich besser verstehn lernen, und bey ihr den Stamm aufsuchen, von dem nur die feinste Blüthe in ihm sprosst. Hat er diesen entdeckt, so ist es nun weniger schwer, den wunderbaren Bau bis in seine äussersten Zweige zu verfolgen. Hier ist der Standpunct, auf welchem der Kenner der physischen und der Erforscher der moralischen Natur einander gegenseitig die Hand bieten, um die steile Höhe zu ersteigen, von welcher jedes sein eignes Gebiet in einer neuen und nun erst in der wahren Gestalt erblickt. Den äussersten Gipfel dieser Höhe zu erreichen, dürfte allerdings wohl menschlichen Kräften verwehrt seyn. Aber die Kenntniß der Natur wird sich immer ganz und gar von der Wahrheit entfernen, wenn man demselben nicht wenigstens entgegenstrebt, und er nicht der Gesichtspunkt ist, den man, auch bei der Beschäftigung in jedem einzelnen der beiden Reiche, unverrückt im Auge behält.

Aus endlichen Kräften bestehend, weiß die Natur sich durch ihre Form Unendlichkeit zu verschaffen. Dem Gesetze derselben gehorsam, hinterläßt das hinschwindende Wesen, ehe es von dem Schauplatz seiner Thätigkeit scheidet, ein neues an seiner Stelle, und indem so das Einzelne wechselt, bleibt das Ganze in ununterbrochener Einheit. Diese Sorgfalt für die Fortdauer der Gattungen, bei der Vergänglichkeit der Individuen, ist die erste Erscheinung, welche sich dem allgemeinsten Blick auf das gesammte Gebiet der Natur darstellt. Aber nicht auf blosse Fortdauer allein beschränkt, ist ihre Absicht hiebey zugleich auf etwas höheres gerichtet. Weil bei endlichen Wesen das Vortrefliche nicht auf einmal entsteht, so erhebt sie sie von Stufe zu Stufe des bessren. Dadurch hat sie es möglich gemacht, nach dem ersten Wurf der Keime, ihre Hand von ihrem Werk abziehen zu können, und nun mit ruhigem Blick auf den Reihen der Wesen zu verweilen, die sich jetzt, unendlichen Ketten gleich, von selbst, und doch immer Einem Ziele zueilend entwickeln. Unter allen Verbindungen, die wir in ihr gewahr werden, sind gerade die höchsten, mannigfaltigsten und innigsten diesem doppelten Endzweck gewidmet; und gelänge es dem menschlichen Geist diese durch Erforschung des Charakters der dabey wirksamen Kräfte genauer zu durchspähen, so wäre es ihm dann möglich, dieß tiefe Geheimniß mit grösserem Recht zu bewundern.

Bei allem Erzeugen entsteht etwas vorher nicht vorhandenes. Gleich der Schöpfung, ruft die Zeugung neues Daseyn hervor, und unterscheidet sich nur dadurch von derselben, daß dem neu Entstehenden ein schon vorhandener Stoff vorhergehen muß. Dieser Nothwendigkeit ungeachtet, hat indeß das Erzeugte dennoch eine von dem Erzeugenden unabhängige Kraft des Lebens, und weit entfernt, daß diese aus demselben erklärbar wäre, bleibt es vielmehr ein unergründliches Geheimniß, wie nur sein Daseyn daraus hervorgeht. Was durch Entwicklung oder Wachsthum entsteht, ist ein Theil desjenigen, zu dem es gehört, und empfängt aus fremder Hand seine belebende Kraft. Was aber durch Zeugung ans Licht tritt, ist ein Wesen für sich, besitzt selbst Leben und Organisation, und kann, wie es selbst hervorgebracht wurde, eben so wieder hervorbringen. Obgleich die Fähigkeit zu zeugen durch die ganze Natur verbreitet ist, so vermag doch keine Kraft Leben und Organisation mechanisch zu bilden; keine Weisheit den Weg dazu vorzuschreiben. Daher ist Zeugung von Bildung verschieden, und darf nur Erweckung genannt werden; die nachfolgende Bildung des Erzeugten gehört ihm selbst, nicht dem Erzeugenden an. Man kennt, was der Zeugung vorhergeht, und sieht das Daseyn, das darauf erfolgt; wie beides verknüpft ist? umhüllt ein undurchdringlicher Schleier. Denn wie die Zeugung von Seiten des Erzeugten Erweckung ist, so ist sie von Seiten des erzeugenden Wesens nur eine augenblickliche Stimmung, die nicht bloß durch die höchste Anstrengung der Kräfte, sondern besonders durch die Vereinigung aller bezeichnet wird. Die Kraft, welche das Lebendige und Organische beseelt, kann, wie sie selbst in sich Eins ist, nur aus dem ihr Gleichen, hervorgehen, und nicht bloß daß jedes zeugende Wesen seine eigenen gleichartigen Kräfte zur höchsten Harmonie gestimmt fühlt, so ist auch jede Zeugung eine Verbindung zweier verschiedener ungleichartiger Principien, die man, da die einen mehr thätig, die andern mehr leidend sind, die zeugenden (im engern Verstande des Worts) und die empfangenden nennt. So hat die Natur ihre Kinder, welchen, als endlichen Wesen, nicht alles zugleich zu besitzen vergönnen war, wenigstens an die Einheit erinnert, die allein jedem höheren Streben genügt, und ihrer Sehnsucht Momente geschenckt, die sie vergessen lassen, daß sie zu getrenntem Daseyn verurtheilt sind.

Diesem gegenseitigen Zeugen und Empfangen ist nicht bloß die Fortdauer der Gattungen in der Körperwelt anvertraut. Auch die reinste und geistige Empfindung geht auf demselben Wege hervor, und selbst der Gedanke, dieser feinste und letzte Sprössling der Sinnlichkeit, verleugnet diesen Ursprung nicht. Die geistige Zeugungskraft ist das Genie. Wo es sich zeigt, sey es in der Phantasie des Künstlers, oder in der Entdeckung des Forschers, oder in der Energie des handlenden Menschen, erweißt es sich schöpferisch. Was seiner Zeugung das Daseyn dankt, war vorher nicht vorhanden, und ist eben so wenig aus schon Vorhandenem oder schon Bekanntem bloß abgeleitet. Zwar wird sich im Gebiete des Denkens, in welchem durchgängiger logischer Zusammenhang herrschen muß, immer die Verbindung desselben mit dem schon Gegebenen zeigen lassen, aber dieser Weg ist darum nicht auch ebenderselbe, auf welchem es gefunden werden konnte. Denn das wahrhaft Genialische ist keine Folgerung aus, bloß schnell übersehenen, unmittelbar zusammenhängenden Sätzen, es ist wirkliche Erfindung, wenn gleich das, was nicht dieser Art ist, ebenfalls auf genieähnliche Weise hervorgebracht seyn kann. Was hingegen das ächte Gepräge des Genies an der Stirn trägt, gleicht einem eigenen Wesen für sich mit eignem organischen Leben. Durch seine Natur schreibt es Gesetze vor. Nicht wie die Theorie, welche der Verstand langsam auf Begriffe gründet, giebt es die Regel in todten Buchstaben, sondern unmittelbar durch sich selbst, und mit ihr zugleich den Sporn sie zu üben. Denn jedes Werk des Genies ist wiederum begeisternd für das Genie, und pflanzt so sein eignes Geschlecht fort.

Durch Begeisterung gewirkt, ist dem Genie seine eigene Wirksamkeit unbegreiflich. Es geht nicht auf gebrochenen Bahnen fort, hier erscheint es und dort, aber vergebens suchten wir die Spuren seines wandlenden Fußtritts. Daher ist es nie zu berechnen, und vermag selbst nicht zu verbürgen, ob sein Produckt gesetzlos oder regelmäßig seyn werde? Es kann dieß Letztere nur mittelbar befördern, indem es sich selbst gesetzmäsig macht, und es ist ihm kein andrer Einfluß auf das Erzeugte, in dem Augenblicke der Zeugung, erlaubt, als durch die allgemeine Stimmung seiner selbst, als des Erzeugenden. Da alle seine Kräfte in diesem Momente vereinigt sind, bleibt keine zu müßigem Zuschauen, oder kalter Leitung übrig. Selbstthätigkeit und Empfänglichkeit sind beide gleich geschäftig in ihm, und dasjenige, dessen es sich einzig bewusst ist, ist gerade die Vermählung dieser ungleichartigen Naturen. Nur durch diese Wechselwirkung der Selbstthätigkeit und Empfänglichkeit wird es ihm möglich, sich aus sich selbst herauszustellen, und sich selbst, abgesondert von allem Zufälligen, zum Object seiner Reflexion zu machen. Diese Trennung aber ist zu jeder genialischen Hervorbringung unentbehrlich, da das Genie das Nothwendige nur aus der Tiefe seiner Vernunft hervorziehn, und es nicht anders, als durch gänzliche Entfernung aus dem Kreise seines empirischen Daseyns, rein absondern kann. Daher erfordert dasselbe, wofern es schöpferisch werden soll, die höchste Objectivität, d. h. ein, in Bedürfniß übergehendes Vermögen, das Nothwendige zu ergreifen. Dieses aber kann es nur aus seinem Innren schöpfen, oder es muß vielmehr sein eignes subjectives und zufälliges Daseyn in ein nothwendiges verwandeln. Nie wird der Hand des Künstlers ein Meisterwerk gelingen, wenn er nicht die idealische Schönheit, zu der doch seine Phantasie die Züge selbst bildend entwarf, als eine wirkliche Gestalt zu umfassen vermag; nie wird der Philosoph einen Fortschritt gewinnen, der die Masse der Ideen wesentlich bereichert, wenn nicht die Wahrheit, die er aus der Tiefe seines Geistes hervorzog, seinen innren Sinn, gleich einem äussren Objecte bewegt; und nie wird in schwierigen Fällen des Lebens der handlende Mensch alle verwickelte Knoten gegen einander wirkender Triebfedern genialisch lösen, wenn er nicht über der Welt sein eignes Ich vergißt, oder vielmehr sein Ich zu dem Umfang einer Welt erweitert.

Leichter als der Augenblick, in welchem das neue Daseyn erweckt wird, ist der Zustand zu beobachten, welcher demselben vorhergeht. In dieser Stimmung der schöpferischen Weihe ist, von welcher Art auch die Zeugung seyn möge, das Gefühl einer überfliessenden Fülle mit dem eines bedürftigen Mangels verbunden. Die Kraft sammelt sich in sich selbst, nie fühlt sie sich reicher und grösser, nie lebhafter bewegt, nie rüstiger zur herrlichsten Thätigkeit. Selbst die Erinnerung an diese Stärke vermag noch, sie in der Folge begeisternd zu erwecken. Aber in dieser Bewegung liegt der Keim einer unruhvollen Sehnsucht, die zur Hervorbringung reitzt. Sich, ihres Reichthums ungeachtet, so wie sie ist, nicht genügend, ahnet sie etwas andres, mit dem vereint sie erst ein vollendetes Ganze bildet. Wird ihr Suchen hier mit glücklichem Finden gekrönt, so strebt sie nach einer Vereinigung, welche jedes einzelne daseyn vertilgt. Es entsteht ein Wogen, ein Hin- und Herwanken, und jene Sehnsucht erreicht eine schmerzliche Höhe. Die ganze Erwartung ist nun auf die Hervorbringung gespannt, und das eigne Ich entäussert sich bis zu dem Grade, daß es sich selbst gern für die neue Schöpfung hingeben möchte. Aus diesem höchsten Daseyn springt das Daseyn hervor. Auf diesem einzigen Moment beruht die Erzeugung auch des geistigsten Products. Hat die Phantasie des Künstlers einmal das Bild lebendig geboren, so ist das Meisterwerk vollendet, wenn auch seine Hand in demselben Augenblick erstarrte. Die wirkliche Dartellung gehört nur noch dem Nachhall jenes entscheidenden Moments an.

Eine befremdende Erscheinung ist es, daß Kräfte, die sich so nothwendig sind, und so heftig suchen, getrennt existiren sollen, und daß das zur Verbindung Bestimmte nicht Eins seyn kann. Denn überall sehen wir zur Zeugung zwei ungleichartige Kräfte erforderlich, dieselben mögen nun, wie in einem Theil der Natur, in Einem Wesen verknüpft, oder in zwei verschiedne vertheilt seyn. Da das Erzeugte mit dem Erzeugenden immer gleichartig und ihm ähnlich ist, so scheint es wunderbar, warum nicht unmittelbar aus dem Leben das Leben, aus einer Kraft die andere hervorgehen könne? und da der Begriff der reinen Kraft die andere hervorgehen könne? und da der Begriff der reinen Kraft hier nichts Widersprechendes enthält, so müssen wir dieß in den Schranken derselben aufsuchen.

Die lebendige Kraft, welche jedes organische Wesen beseelt, fordert einen Körper. Dieser Körper und jene Kraft stehen in unaufhörlicher Gemeinschaft, indem sie gegenseitig auf einander ein und zurück wirken. So ist in jedem organischen Wesen Wirkung und Rückwirkung verbunden. Wie unbegreiflich nun auch das Geschäft der Zeugung ist, so wird doch soviel wenigstens klar, daß das Erzeugte aus einer Stimmung des Erzeugenden hervorgeht, und, wie vorzüglich die Produkte des Genies auffallend zeigen, derselben ähnlich ist. Die Erzeugung organischer Wesen erfordert daher eine doppelte, eine auf Wirkung und eine andre auf Rückwirkung gerichtete Stimmung, und diese ist in derselben Kraft und zu gleicher Zeit unmöglich.

Hier nun beginnt der Unterschied der Geschlechter. Die zeugende Kraft ist mehr zur Einwirkung, die empfangende mehr zur Rückwirkung gestimmt. Was von der erstern belebt wird, nennen wir männlich, was die letztere beseelt, weiblich. Alles Männliche zeigt mehr Selbstthätigkeit, alles Weibliche mehr leidende Empfänglichkeit. Indeß besteht dieser Unterschied nur in der Richtung, nicht in dem Vermögen. Denn wie die thätige Kraft eines Wesens, so auch seine leidende, und wiederum umgekehrt. Etwas bloß Leidendes ist nicht denkbar. Zu allem Leiden (Empfinden einer fremden Einwirkung) gehört doch aufs mindeste Berührung. Was aber gar kein Vermögen der Thätigkeit besitzt, ist gar nichts, wird durchdrungen, aber nicht berührt. Daher überall gleichviel Entgegenwirken, als Leiden. Die thätige Kraft hingegen ist (wenn wir uns erinnern, daß hier nur von einer endlichen geredet wird) den Bedingungen der Zeit unterworfen, und an einen Stoff, mithin an etwas Leidendes gebunden. Ohne auch in tiefere Beweise einzugehen, sehen wir im Menschen immer Selbstthätigkeit und Empfänglichkeit einander gegenseitig entsprechen. Der selbstthätigste Geist ist auch der reitzbarste; und das Herz, das für jeden Eindruck am meisten empfänglich ist, giebt auch jeden mit der lebhaftesten Energie zurück. Nur also die verschiedene Richtung unterscheidet hier die männliche Kraft von der weiblichen. Die erstere beginnt, vermöge ihrer Selbstthätigkeit, mit der Einwirkung; nimmt aber, vermöge ihrer Empfänglichkeit, die Rückwirkung gegenseitig auf. Die letztere geht gerade den entgegengesetzten Weg. Mit ihrer Empfänglichkeit nimmt sie die Einwirkung auf, und erwiedert sie mit Selbstthätigkeit.

Diesen zwiefachen Charakter drückt auch der verschiedene Zustand aus, welcher in beiden der Hervorbringung unmittelbar vorhergeht. In beiden ist das Gefühl eines überströmenden Vermögens mit dem eines schmerzlichen Entbehrens gepaart. Aber wo die Männlichkeit herrscht, ist das Vermögen: Kraft des Lebens, bis zur Dürftigkeit von Stoff entblößt; und die entbehrende Sehnsucht auf ein Wesen gerichtet, das der Energie zugleich Stoff zur Thätigkeit gebe, und, indem es durch Rückwirkung ihre Empfänglichkeit beschäftigt; ihre glühende Heftigkeit lindre. In dem Kreise der Weiblichkeit hingegen ist das Vermögen: eine üppig überströmende Fülle, zu reich, als daß die eigne Kraft allein ihrer Belebung genügte; indeß die entbehrende Sehnsucht ein Wesen sucht, das zugleich den innern Stoff erwecke, und der eignen Kraft, indem es sie durch Einwirkung zu selbstthätiger Rückwirkung nöthigt, eine grössere Stärke ertheile. In dem ersteren Fall ist daher eine Stärke, die, auf Einen Punkt versammelt, von diesem nach außen hin strebt. Außer sich sucht dasjenige einen Stoff, was in sich nicht genug Beschäftigung seiner Thätigkeit findet. In dem letzteren ist eine Fülle des Stoffs, die sich einen fremden Gegenstand in einem Punkt innerhalb ihres Wesens aufzunehmen, und von ihm Einheit zu empfangen sehnt. So befriedigt die eine Kraft die Sehnsucht der andren, und beide umschlingen einander zu einem harmonischen Ganzen.

Auch in der geistigen Zeugung nehmen wir nicht bloß dieselbe Wechselwirkung, sondern auch denselben Unterschied zwei verschiedner Geschlechter wahr. Ganz anders ist es in Gemüthern beschaffen, die zu zeugen; anders in solchen, die zu empfangen bestimmt sind. Es ist schon schwer, so feine Verschiedenheiten im intellectuellen und moralischen Leben nur zu bemerken, und bei weitem schwerer noch, sie darzustellen. Wo indeß das Genie männliche Kraft besitzt, da wird es, zeugend, mit selbstthätiger Vernunft auf das idealische Object einwirken. Wo demselben hingegen weibliche Fülle eigen ist, wird es, empfangend, die Einwirkung dieses Objects durch das Übergewicht der Phantasie erfahren und erwiedern. Vorzüglich offenbart sich dieser Unterschied in der innren Stimmung bei der Hervorbringung selbst; dem geübten Blick aber wird er ebenso wenig in den Producten entgehn. Denn ist gleich jedes ächte Werk des Genies die Frucht einer freien, in sich selbst gegründeten, und in ihrer Art unbegreiflichen Übereinstimmung der Phantasie mit der Vernunft; so kann ihm dennoch bald die männlichere Vernunft mehr Tiefe, bald die weiblichere Phantasie mehr üppige Fülle und reitzende Anmuth gewähren.1 Da aber der Geschlechtsunterschied überhaupt, als ein Unterschied der Natur, durch den formenden Willen, so viel als möglich zur Einheit erhoben werden muß; so wird freilich dasjenige Genie, das sich auf seine Bildung versteht, jene beiden Kräfte, bis zur gänzlichen Verkennung desselben, in ein reines Gleichgewicht zu stimmen bemüht seyn. Deutlicher, als hier, erscheint daher dieser Unterschied im praktischen Leben. Wo dort der Tugendhafte, von dem erhabenen Gefühl der Achtung des Gesetzes durchdrungen, der Ausübung seiner Pflicht sein Glück und sein Leben opfert, da ist eine grosse und heroische Handlung mit männlicher Kraft erzeugt. Der moralische Sinn fühlt sich in rüstiger Stärke, die Stimme der Pflicht ruft ihn zur That, und er empfindet sich gedrungen, dem Rufe zu folgen. Wo hingegen die Tugend, im Bündniß mit der Phantasie, durch ihre Anmuth reitzt, da ist jenes moralische Gefühl mehr empfangend, als zeugend. Es erhält aus der Hand der Einbildungskraft die wohlthätige Gestalt, schließt sich mit Innigkeit an sie an, und strebt, sie mit seinem Wesen zu vereinigen; und so ist die tugendhafte Handlung, welche hervorgeht, nicht sowohl das Werk einer völlig frei und selbstthätig, als einer zurückwirkenden Kraft.

Dieselbe Eigenthümlichkeit der zeugenden und empfangenden Kräfte, welche wir in den Momenten ihrer höchsten Thätigkeit wahrnehmen, offenbart sich auch durch ihr ganzes Daseyn hindurch. Überall spricht aus den ersteren hervorbringende Kraft durch freies Geben aus eigner Fülle; überall ist in den letzteren Stärke des Auffassens durch festes Umschließen des Aufgenommenen sichtbar. Aber über das stille Daseyn der Wesen unaufmerksam hinwegrollend, eilt unser Blick immer nur ihren Wirkungen zu, und doch ist es eben dieß unbemerkte Leben, dem die Kräfte der Natur ihrer Fortdauer danken. Denn was ist jenes Daseyn andres, als eine ununterbrochene Wirksamkeit, welche unaufhörlich die Thätigkeit vorbereitet, die wir nur in dem letzten Theil ihrer Laufbahn erblicken, wenn das fortgesetzte Streben die Kraft endlich bis zum Überströmen anschwellt? Nur die körperliche Wirkung rührt unsren gröberen Sinn, indeß der feine, aber mächtige Einfluß, den alles, was lebt, unmittelbar dadurch verbreitet, daß es ist, uns gleich einem unsichtbaren Hauch entschlüpft. Eben so ist nun auch den zeugenden und empfangenden Kräften nicht die Sorge der Fortpflanzung allein anvertraut, nicht bloß die Erzeugung, die vor unsren Augen geschieht. Auch die Erhaltung, die vor unsren Augen geschieht. Auch die Erhaltung, und da die Erhaltung des Endlichen nur unaufhörlicher Tod ist, an den immer wiederkehrendes Leben sich anknüpft, auch die uns verborgene Wiedererzeugung ist ihr Werk. Vermöchte daher auch die Natur jenen Zweck der Fortpflanzung auf einem andren Wege zu erreichen, so könnte sie doch nie die Wechselwirkung entbehren, in der die Kräfte der Geschlechter einander gegenseitig ergänzen.

Die Natur, welche mit endlichen Mitteln unendliche Zwecke verfolgt, gründet ihr Gebäude auf den Widerstreit der Kräfte. Alles Beschränkte zielt auf Zerstörung, und der himmlische Friede wohnt allein in dem Wirkungskreis dessen, was sich selbst genügt. Der zerstörenden Thätigkeit des einen muß daher das andre entgegenstreben, und indem beide gegenseitig einander ihren Endzweck vereiteln, erfüllen sie den schrankenlosen Plan der Natur. Allein auch sie gewinnt diesen Sieg nur, wenn man sie in ihrem ganzen Umfang und durch die Dauer aller ihrer Epochen betrachtet; oder vielmehr derselbe liegt allein in dem Inhalte ihrer Gesetze. In jeder einzelnen Periode dauert der Kampf noch fort, und das Vollendete entbehrend, muß sie sich das Höchstmögliche zu besitzen begnügen. Da sie die Schranken nicht entfernen kann, muß eine Kraft die Lücken der andren ausfüllen; und da jede Thätigkeit sich endlich selbst aufreibt, Unthätigkeit aber verbannt ist, so muß die Ruhe in dem Wechsel der Wirksamkeit bestehen. Denn die höchste Kraft erfordert die Vereinigung widersprechende Bedingungen. Mit rastloser Anstrengung soll beharrliches Ausdauern verbunden seyn. Aber die Anstrengung ist ein Feuer, das sich selbst verzehrt; um nicht an Intension zu verlieren, muß sie sich aller hindernden Masse entledigen, und den Stoff, den sie besitzt, energisch zusammendrängen. Denn giebt es gleich auch Kräfte, welche gerade durch Masse mächtig sind, wovon vorzüglich die unbelebte Natur auffallende Beispiele zeigt, so wirkt doch da eigentlich nur die vereinte Stärke vieler einzelnen, zufällig in Gemeinschaft stehenden Theile. Indem nun die Anstrengung die Empfänglichkeit ausschließt, nimmt sie sich selbst den Genuß erquickender Ruhe. Dagegen erfordert die Stärke des Widerstandes, welche zur ausdauernden Beharrlichkeit nothwendig ist, mehr Fähigkeit, die fremde Einwirkung aufzunehmen, als sie zurückzuweisen, mehr Stimmung zu leiden, und daher einen reicheren Stoff. Ist aber dieser, in sich zurückgezogen, so sehr zur Beschäftigung mit fremder Energie aufgelegt, so verbietet er sich dadurch selbst die Möglichkeit eigner selbstthätiger Anstrengung. So verschließt die Dichtungskraft, wenn sie in glühendem Feuer Bilder auf Bilder schaft, die Sinne den äusseren Eindrücken; und so verwehren diese, wenn sie mit lebendiger Wärme die Wirklichkeit umfassen, jener den kühnen Aufflug ins Land der Erfindung.

Die männliche Kraft, zu beleben bestimmt, sammelt sich von selbst, und durch eigne Bewegung. Allen Stoff, den sie besitzt, drängt sie zu ungetheilter Einheit zusammen. Je reicher und mannigfaltiger derselbe ist, desto ermattender ist die Anstrengung, aber auch desto grösser die Wirkung. Der Stoff darf nicht schon durch seine eigne Natur zur Verbindung gestimmt seyn. Von ihr, als einem herrschenden Prinzip, muß er die Leitung erhalten. So ins ich versammelt, wirkt sie aus sich heraus. Von heftigem Drange thätig zu seyn beseelt, wünscht sie einen Gegenstand zu finden, den sie durchdringe; aber ganz nur Selbstthätigkeit, ist sie in diesem Augenblick aller Empfänglichkeit verschlossen. Einer solchen Anstrengung folgt jedoch bald Ermattung nach, und sie gleicht einem Hauche, der mächtig belebt, aber bald verschwindet. Mit dem Gefühl der sinkenden Stärke erwacht in ihr die Sehnsucht der Empfänglichkeit, und gern ruht sie da aus, wo sie vorher bloß schöpferisch war. So ist sie, was sie ist, durch sich selbst, und ihre eigenthümliche Form. Der Mann, dessen Brust ein thatenkühner Muth begeistert, fühlt sich in sich verengt. Viel Erfahrung hat er mit beobachtendem Geiste auf der Bahn des Lebens gesammelt; hohe Ideale aus seinem Innren hervorzuschaffen; mannigfaltige Gefühle bewegen ihn, bald die Würde der neuen Schöpfung, nach der er sich sehnt, bald theilnehmendes Mitgefühl mit den Wesen, die er zu veredlen strebt. Für alle diese erhabenen Bilder hat sein Busen nicht Raum genug, und heißer Durst nach Thätigkeit treibt ihn. Er sucht eine Welt, die seiner Sehnsucht entspreche. Uneigennützig und fern von jedem Gedanken an eignen Genuß, befruchtet er sie mit der Fülle seiner Kraft. Die neue Schöpfung steht da, und freudig ruht er aus im Anblicke seiner Kinder.

Die weibliche Kraft, zur Rückwirkung bestimmt, sammelt sich auf einen fremden Gegenstand und durch fremden Reitz. Da der Stoff, den sie in reicher Fülle besitzt, sich durch seine eigenthümliche Natur vereint; so wirkt er mehr durch ein leidendes, als ein selbstthätiges Vermögen. Mit dem Grade seiner Mannigfaltigkeit wächst gleichfalls die Schönheit der Wirkung, nicht aber zugleich auch die Anstrengung. Vielmehr wird diese durch vielfachere Berührungspunkte erleichtert, und ihr Grad nur durch die Innigkeit des Umschliessens bestimmt, die von der gegenseitigen Harmonie abhängt. Der Stoff der weiblichen Kraft bedarf weniger der Herrschaft eines vereinenden Prinzips, sondern verbindet sich mehr durch seine eigene Gleichartigkeit. In dieser Einheit erwiedert sie die Einwirkung mit immer steigendem Feuer, bis endlich ihre ganze Thätigkeit angespannt ist. Aber da ihre eigenthümliche Natur sie fähiger macht, Widerstand zu leiden, und sie von der glühenden Heftigkeit frey ist, welche die männliche verzehrt, so vergütet sie die Langsamkeit ihrer Wirkung durch längeres Ausdauern. So dankt sie der Beschaffenheit ihres Stoffs selbst einen Theil ihrer Wirksamkeit, die durch ihn vorbereitet und unterstützt wird. Ein Herz, das sich, von mannigfaltigen Empfindungen bewegt und von einer edeln Strebsamkeit beseelt, reich ins ich selbst fühlt, aber den kühnen Muth vermisst, sich eine eigne Richtung zu geben, wird von unruhiger Sehnsucht gefoltert. Sich selbst unverständlich, und arm im Schooße des Überflusses, wünscht es ein Wesen zu finden, das die verschlungenen Knoten seiner Gefühle freundlich löse. Je tiefer die Quelle dieser verworrenen Stimmung verborgen liegt, desto schwerer begegnet es der Gewährung seines Wunsches, aber desto inniger schließt es sich an die gefundene Erscheinung an. Je länger es an ihr verweilt, desto mehr Berührungspunkte entdeckt es, und verläßt sie nicht eher, bis der Keim zur vollendeten Frucht gereift ist.

Nicht also ihrem Grade, sondern allein ihrer Gattung nach, sind die zeugenden und empfangenden Kräfte von einander verschieden. Blosses Aufnehmen ist kein Empfangen, sondern steht eben so unter diesem, als das Geben unter dem Zeugen. Beyde, Zeugen und Empfangen, sind höhere und kraftvollere Energien, beyde ein Hervorbringen durch Geben und Aufnehmen. Eigne fruchtbare Fülle muß bey jenem das Entäußerte begleiten, bey diesem das Aufgenommene umfassen. Der wahre Charakterunterschied beyder Kräfte besteht darin, daß den empfangenden mehr Stoff, mehr Körper, den zeugenden mehr Seele eigen ist, wenn nemlich Seele jedes selbstthätige Prinzip bezeichnet. Gerade aber durch diese Verschiedenheit thun sie der Forderung der Natur ein Genüge. Sollte der Zerstörung drohenden Heftigkeit der männlichen Kraft eine andre entgegengestellt werden, so durfte es keine gleichartige seyn. Gegenseitige Ermattung hätte dann den Kampf beschlossen, in dem, wie überall in der Natur, der Unterliegende selbst neues Leben aus den Händen des Überwinders erhalten sollte. Der überströmenden Fülle mußte daher ein Bedürfniß gegenüberstehn; aber da die Natur in ihrem Gebiet eben so wenig Armuth als Selbstgenügsamkeit verstattet, so ist das Bedürfniß wieder mit Reichthum verknüpft. Indem nun alles Männliche angestrengte Energie, alles Weibliche beharrliches Ausdauern besitzt, bildet die unaufhörliche Wechselwirkung von beiden die unbeschränkte Kraft der Natur, deren Anstrengung nie ermattet, und deren Ruhe nie in Unthätigkeit ausartet.

Zu jeder Zeugung wird also zweyerley erfordert, lebendige Energie der Kraft, die auf Einen Punkt sich zusammenzieht, und lebendige Fülle des Stoffs, der ihre Einströmung in allen seinen Punkten empfängt. Jene wird daher ihrer Natur nach, auf Trennung gerichtet seyn, weil alles, was nicht sie selbst ist, sie in ihrer reinen Wirksamkeit hindert: Diese wird auf Einheit gerichtet seyn, um von allen Seiten aus die einwirkende Kraft zu umschliessen. Wenn das Genie (da diese Erscheinungen durch die ganze Kette der hervorbringenden Wesen dieselben sind) vermöge der reinen Selbstthätigkeit der Vernunft, die belebende Flamme ausströmt, der, gleich einem Funken, das göttliche Werk entsprüht, so muß die Phantasie sie in ihren Schooß aufnehmen, und wohlthätig umschliessen. Die zeugende Kraft vermöchte sich nicht energisch zu sammeln, wenn sie nicht alles zurückwiese, was diese Anstrengung stören könnte; und der empfangenden wäre es unmöglich, sich von allen Seiten her nach Einem Punkt hin zu neigen, wenn sie nicht die höchste Übereinstimmung in sich bewahrte. Die Heftigkeit, mit der die erstere fortstrebt, richtet sie auf einzelne Gesichtspunkte, und ihre unaufgehaltene Wirkung müßte überall Trennung und Zerstörung seyn. Dagegen macht der letzteren die harmonische Sanftmuth, mit der sie entgegenkommt, eine mehr umfassende Einheit zum Gesetz, und ihre Frucht ist Erhaltung. Was zu beleben bestimmt ist, muß reitzend erwecken. Aller Reitz aber richtet die Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Zustand, und das Gefühl durchgängiger Gleichgültigkeit würde Schlummer oder Tod seyn. Das Belebende darf daher nicht, mit allzugrosser Schonung, jede Erschütterung vermeiden. Dagegen muß der Stoff, welcher der Belebung entgegengeführt wird, gleichmäßig und ganz von ihr durchdrungen werden. Was endlich mehr Form besitzt, zielt zwar auf Verbindung, aber, wie die Form überhaupt, nur durch Trennung; so wie, was dem Stoffe näher liegt, wie dieser selbst, zwar in sich ein Mannigfaltiges, aber noch wenig geschieden ist.

Überall, wo der männliche und weibliche Charakter sichtbar ist, wird man in ihm diese Seiten gewahr; in dem ersteren ein Streben, mit trennender Heftigkeit erzeugend, in dem letzteren ein Bemühen, durch Verbindung erhaltend zu seyn. Alle Eigenschaften, in welche gekleidet beyde Geschlechter durch die ganze Natur, aber vorzüglich im Menschen, erscheinen, bringen denselben verschiedenen Eindruck hervor. Die reitzende Anmuth und die liebliche Fülle der Weiblichkeit bewegt die Sinne; die nicht sowohl anschauliche, als bildliche Vorstellungsart und der sinnliche Zusammenhang aller Begriffe geben der Phantasie ein reiches und lebendiges Bild; und die Einheit des Charakters, der, jedem Eindruck offen, jeden mit entsprechender Innigkeit erwiedert, rührt die Empfindung. So wirkt alles Weibliche vorzüglich auf diejenigen Kräfte, welche den ganzen Menschen in seiner ursprünglichen Einfachheit zeigen. Was dem Mann und seinem Geschlechte angehört, läßt dagegen diese minder befriedigt, beschäftigt aber mehr das Vermögen der Begriffe. Die Gestalt hat mehr Bestimmtheit, als anmuthige Schönheit; die Begriffe sind deutlicher und sorgfältiger geschieden, stehn aber auch in weniger leichter Verbindung; der Charakter ist stark und hat feste Richtungen, erscheint aber nicht selten auch einseitig und hart. Alles Männliche, kann man daher sagen, ist mehr aufklärend, alles Weibliche mehr rührend. Das eine gewährt mehr Licht, das andere mehr Wärme. Da in der endlichen Natur das Leben immer dem Tode zur Seite steht, und das Beßre nur an die Stelle des minder Guten tritt; so muß dem neuen Daseyn das schon vorhandene weichen. Die Kraft nun, die, von eignem Entschluß getrieben, ausser sich thätig ist, muß mit einer Willkühr handeln, die, wenn sie Hindernisse zerstörend hinwegräumt, nicht anders als gewaltthätig erscheinen kann. Daher ist kein Muth zu grösseren Unternehmungen, ohne eine gewisse Härte denkbar. Da aber die neue Schöpfung nicht gedeiht, wenn sie nicht mit weiblicher Schonung gepflegt wird, so wandelt in einem wahrhaft zum handlenden Leben gebornen Genie sanfte Milde die Härte in ernste Festigkeit um.

Denn nur die Verbindung der Eigenthümlichkeiten beyder Geschlechter bringt das Vollendete hervor, und wenn das Studium des männlichen den Verstand anhaltender beschäftigt, und die Betrachtung des weiblichen die die Empfindung lebhafter bewegt, so befriedigt nur die Verknüpfung beyder, oder vielmehr das reine Wesen, abgesondert von allem Geschlechtsunterschied, die Vernunft, als das Vermögen der Ideen. Die höchste Einheit erfordert allemal zwey entgegengesetzte Richtungen. Da die Einheit überhaupt nur dann Werth hat, wenn sie aus der Fülle, nie aber, wenn sie aus der Armuth entspringt; so darf die Stärke und Ausbildung der einzelnen Theile nicht minder groß seyn, als die Innigkeit des Zusammenhangs aller. Allein um das Einzelne zu üben, wird Trennung erfordert, und eben diese Trennung schränkt die Möglichkeit der Verbindung ein. Da nun das eine Geschlecht jene, das andre diese mehr begünstigt, so befördern beyde, indem sie einander entgegenwirken, gemeinschaftlich die wunderbare Einheit der Natur, welche zugleich das Ganze aufs innigste verknüpft, und das Einzelne aufs vollkommenste ausgebildet zeigt.

Denn die ursprünglich anfangende Thätigkeit ist den zeugenden Kräften, so wie die erwiedernde den empfangenden eigen, und die Zeugung, als das gemeinschaftliche Werk beider, ist auf diese Weise zwischen ihnen vertheilt. Alle Hervorbringung setzt ein Stoff voraus; denn nur an das schon vorhandene knüpft die Natur das Neue an. Dieser Stoff bildet sich aus, und zwar durch einen Trieb, welcher mit eigenthümlicher Kraft, und nach einer Regel (die, wie vorhin bemerkt worden, die Erzeugung des Gleichartigen scheint) thätig ist. In diesem Triebe aber, als zu einer ihm vorher fremden Energie, muß er erweckt werden, und diese Erweckung ist der Anfang des Lebens, als der Verbindung des Bildungstriebes (im allgemeinsten Verstande) mit der rohen Materie. Das erste Geschäft dieses Bildungstriebes ist die Ausbildung selbst, und, ist diese vollendet, die Ersetzung dessen, was der organische Körper zufällig verliert. Allein auch außerdem ist er ununterbrochen fort thätig, um die einmal vollendete Bildung zu erhalten. Denn da die Gesetze der Materie hier vorzüglich die chemischen Verwandtschaften den Gesetzen des Lebens, d. i. der Organisation, immerfort entgegenarbeiten, und das Leben wie die Resultate neuerer Untersuchungen zeigen, nichts andres ist, als der Sieg der letzteren über die ersteren; so ist ein unaufhörlicher Kampf nöthig, diese Oberherrschaft zu behaupten. Das Prinzip, das hier thätig ist, pflegt man die Lebenskraft zu nennen, und von ihr macht der Bildungstrieb (im engern Verstande) nur eine besondre Modification aus. Die Hervorbringung erfordert daher zwey unentbehrliche Elemente, rohen Stoff, und Belebung desselben zur Ausbildung.

Sollen diese beyde unter die zeugenden und empfangenden Kräfte vertheilt werden, so scheint es natürlich den Stoff den letzteren, die Belebung den ersteren zuzuschreiben. Wenigstens zeigte sich, nach dem bisherigen Raisonnement, bey den zeugenden Kräften die Energie, bey den empfangenden das ursprünglich Vorhandne, worauf die Energie wirkt, in höherem Grade. So schien in Absicht der hervorbringenden Kraft den erstern mehr selbstthätiges Feuer, den letztern mehr entgegenwirkende Stärke; in Absicht der Einheit der Wirkung den ersteren ein stärkeres vereinendes Prinzip, den letzteren mehr freiwillige Übereinstimmung des Einzelnen eigen zu seyn. Auch in der Betrachtung der Natur entdeckt schon ein flüchtiger Blick überall in dem männlichen Geschlecht mehr Ausdruck von Kraft, in dem weiblichen, zwar nicht an sich, aber in Vergleichung mit der, aus demselben hervorleuchtenden Kraft, mehr Ausdruck von Fülle.

Jeder reinen Theilung widerspricht indeß schon die Analogie der Naturgesetze. Denn soweit unsre Beobachtung reicht, sehen wir, daß die Natur, immer bemüht, den höchsten Reichthum durch die einfachsten Mittel hervorzuschaffen, Wesen von ungleichartiger Wirksamkeit nicht sowohl durch den Grad, als die Richtung ihrer Kräfte von einander unterscheidet. Eben so ist nun auch in den empfangenden nicht weniger Kraft, als in den zeugenden Stoff in dem Augenblick der Hervorbringung wirksam; und die Verschiedenheit liegt allein in der Art, wie beyde gegenseitig gestimmt sind. In dem männlichen Geschlechte ist alles allein auf die Einwirkung gerichtet. Da der Stoff bloß bestimmt ist, sie dadurch zu verstärken, daß er ihr gleichsam einen Körper leiht, so sucht sie ihn sich, fast bis zur Vertilgung seiner eigenthümlichen Natur, zu assimiliren. In dem weiblichen geht dagegen die ganze Stimmung auf die Rückwirkung. Indem die Kraft diese in dem Stoff zu erhöhen strebt, behandelt sie ihn mit grösserer Schonung. Eigentlich geschieht daher die Belebung durch beyde Geschlechter zugleich, nur daß die männliche Kraft doch allein die Erweckung bewirkt, indeß die weibliche nur ihre Möglichkeit vorbereitet, und ihre Fortdauer sichert. Nie vermöchte auch die belebende Kraft auf den Stoff zu wirken, wenn nicht zugleich eigne Thätigkeit desjenigen Wesens hinzukäme, welchem derselbe angehört. Selbst die stärkste Einwirkung kann nur durch Rückwirkung in das eigne Wesen aufgenommen werden, und aus dem ganzen Umfange ihres Gebiets hat die organische Natur bloß unthätiges Leiden verbannt. Dadurch, daß sie jedem Geschlecht beyde zur Erzeugung nothwendige Kräfte verliehen, hat sie es möglich gemacht, daß Mangel der Kraft auf der einen Seite durch ein Übergewicht auf der andern gleichsam übertragen werden kann. Wo es der männlichen Kraft an Stärke gebricht, da kann die Lebendigkeit der weiblichen noch die Möglichkeit der Fruchtbarkeit retten, wie dieß die Erfahrung in der That nicht selten beweißt, und umgekehrt kann, wo die weibliche einen zur Empfänglichkeit wenig vorbereiteten Stoff darbietet, die männliche diesen Fehler wiederum gut machen. Mag man sich dieß nun durch einen wirklichen Austausch der Functionen, oder, was wahrscheinlicher ist, durch eine Erweckung und Unterstützung der Schwäche des einen Theils vermöge einer ausserordentlichen Stärke des andren erklären, die, indem sie ihrer Verrichtung in einem eminenten Grade genügt, die gegenseitige erleichtert; so bestätigen Fälle dieser Art, ebenso wie die, wo augenblickliche Stimmungen der Mutter auf die Beschaffenheit der Frucht wirksam schienen, das hier Gesagte auch auf dem Weg der Erfahrung. Wenn indeß Zeugung und Empfängniß beyde einen Stoff und eine Kraft erfordern; so ist bei der ersteren der Stoff nur nothwendig, weil die Kraft nicht ohne Stoff zu wirken vermöchte, und bey der letzteren die Kraft nur erforderlich, weil ohne sie die Einwirkung auf den Stoff nicht geschehen kann. Redet man daher bloß von der Hauptrichtung beyder Geschlechter; so gehört dennoch die Kraft bei der Hervorbringung bloß dem zeugenden, der Stoff bloß dem empfangenden an.

Den geweihten Schleier zu durchdringen, in den die Natur gerade ihr heiligstes Bilden verhüllt, ist von einer Schwierigkeit begleitet, welche sich schon durch dir mannigfaltigen und gänzlich verschiedenen Theorien über diesen Gegenstand verräth. Die wahrscheinlichste unter denselben stimmt jedoch genau mit dem eben Gesagten überein. Überall, wo die Natur Zeugung und Empfängniß zwey verschiedenen Wesen anvertraut hat, ist der Stoff in dem empfangenden, das belebende Prinzip in dem zeugenden. Damit aber beyde miteinander in Verbindung gesetzt werden können, muß noch eine Thätigkeit auch des ersteren hinzukommen, durch welche ein Theil des Stoffs sich losreißt, und Keim zur ferneren Ausbildung wird. Gerade in ihrer geheimsten Werkstätte wirkt daher die Natur am meisten schöpferisch und am wenigsten mechanisch. Gerade hier läßt sich am wenigsten die Wirkung aus den Ursachen berechnen; vielmehr zündet nur ein Funke den andern an. Dieß haben am meisten diejenigen gefühlt, welche dieß Phänomen durch jene Wirkungsart zu erklären unternahmen, da doch dem menschlichen Verstand hier nichts übrig blieb, als die hervorbringenden Ursachen aufzusuchen, den Erfolg zu beobachten, und nicht zu erklären, sondern schweigend zu bewundern, ein Gipfel der bescheidenen Achtung gegen die grosse Werkmeisterin, zu welchem nur die neuere philosophische Naturkunde führen konnte. Wunderbar ist es zu sehen, wie die Natur, indem sie sich jener körperlichen Kräfte nur in soweit bedient, als es ihr gleichsam unentbehrlich schien, die Freiheit, dieß grosse Vorrecht der Geisterwelt, auch in das andre Gebiet ihres Reichs hinüberzuführen strebt. Nur eine Partikel des Stoffs nimmt sie auf, nur zur ersten Belebung entlehnt sie eine fremde Kraft. Wie der erste Funke glimmt, lodert er durch sich selbst auf, empfängt Nahrung, aber die er nach eignen Gesetzen gebraucht.

Achtung für alles wirkliche Daseyn, und Streben demselben eine bestimmte Gestalt nach eigner Willkühr zu geben, bezeichnen überall den weiblichen und männlichen Charakter, und so erfüllen sie beide dadurch gemeinschaftlich den großen Endzweck der Natur, die unaufhörliche Wechselwirkung der Form und des Stoffes. Unmittelbar gegenübergestellt, müßten Form und Stoff einander feindlich begegnen. Da aber, bei der, den beiden Geschlechtern eigenthümlichen Wirkungsart, die Strenge der Form durch den Stoff, den dieselbe annehmen muß, gemildert, und der Stoff durch eine formende Kraft zur Empfänglichkeit vorbereitet wird; so ist nun die innige Vereinigung möglich, auf welcher allein das Geheimniß der Organisation beruht. Die Nothwendigkeit, mit welcher alle wechselseitig aufeinander wirkende Kräfte eine oder andren bedürfen, macht auch die zeugenden und empfangenden abhängig von einander. Indeß ist den ersteren doch nicht alle Beschäftiguug ihrer Wirksamkeit für sich allein, so wie den letzteren, verwehrt, und dieß begründet eine grössere Unabhängigkeit von ihrer Seite. Eben darum aber sind die entgegengesetzten das höchste Beförderungsmittel aller Verbindung, und da nun gerade die Kunst der Verbindung das höchste Daseyn in der Natur bewahrt, so sind dieselbe durch ihre innre Beschaffenheit mehr und dringender, dieß zu befördern, veranlasst. Sie sind es, die man als das eigentlich verknüpfende Band in dem Ganzen der Natur ansehen kann; die am emsigsten Gegenstände aufsuchen, welche ihre Energie zu beleben vermögen, und bei den gefundenen am längsten verweilen.

Durch dieß Verweilen führt die Fähigkeit zu empfangen zu dauernder Beharrlichkeit. Mehr in sich zurückzukehren, als in weite Fernen zu schweifen durch ihre Natur selbst veranlasst, sind alle empfangende Wesen an einen stäteren, minder wechselnden Gang gefesselt. Um der Kraft, die ihnen entgegen kommt, ausdauernde Stärke entgegen zu setzen, das Getrennte zu verbinden, und die Einwirkung zu erwiedern, bedürfen sie eines harmonischen und gleichgestimmten Strebens. Da mit dem Empfangen auch zugleich die Ausbildung des Keims verbunden ist, so erfordert diese häufig eine verwickeltere Organisation; und wenigstens muß die Natur, um diesen Zweck nicht zu verfehlen, Wesen, die hiezu bestimmt sind, mit doppelter Wachsamkeit an ihre Gesetze binden. Beharrlichkeit aber ist die Unveränderlichkeit des Endlichen, und so schient die Natur auch diesen letzten Vorzug, welcher erst allen übrigen, die ohne ihn nur ein erbetenes und vergängliches Daseyn besitzen würden, den wahren innren Werth und den schönsten äußern Glanz giebt, den empfangenden Kräften vorzugsweise von selbst und aus freier Gunst zu ertheilen.

Aber die Beharrlichkeit hat nur dann einen Werth, wenn sie das Gesetz der Thätigkeit ist, nicht wenn sie zur Unthätigkeit herabsinkt. Besitzt nun das weibliche Geschlecht ein Prinzip der Beharrlichkeit, so ist ihm nicht auch zugleich ein andres der Thätigkeit eigen, sondern es muß dieß von der wechselseitigen Einwirkung des männlichen erwarten. Die Kraft, die mit so grosser Heftigkeit wirkt, daß sie selbst die Zerstörung nicht scheut, und fremden Stoff nach eigner Willkühr zu formen unternimmt, ist unermüdet, aber auch leicht dem Wechsel unterworfen. Da sie nicht Raum genug in sich fühlt, das schwellende Streben zu fassen, so ist ihr Ruhe unerträglich; und da sie nicht sowohl der Beschaffenheit des Stoffs nachgiebt, als von eignem Feuer beseelt wird, so läßt sich die Stätigkeit ihrer Wirksamkeit nicht verbürgen. In demjenigen Theil der Natur, in welchem überhaupt wenig oder gar keine Willkühr herrscht, wird dieß wenig sichtbar seyn; vielleicht aber ist es auch nur, wie so vieles in diesem Gebiet, wenig beobachtet, und wenigstens bestätigt in dem übrigen die Erfahrung diese, hier bloß aus Begriffen gefolgerte Behauptung. Soll der Mensch zu dem Ideale gelangen, das die Vernunft ihm vorschreibt; so muß der Mann seine natürliche Thätigkeit an ein festes Gesetz binden, das Weib die Gesetzmäßigkeit, welche es seinem Wesen eingeprägt fühlt, durch innre Antriebe mit Thätigkeit beleben. Unterliegt aber das Bemühen der Vernunft hier dem Hang der Natur, so hebt der doppelte Fehler beider Geschlechter sich selbst wieder auf. Mit verschiedenen Eigenschaften versehen und doch unzertrennlich von einander, beschränken sie sich selbst bis auf die Gränze, welche dem Endzweck des Ganzen entspricht.

Die Natur, in ihrem ganzen Umfang betrachtet, ist unveränderlich. Die Thätigkeit ihrer Kräfte rostet nie, und ihre Gesetze verschaffen sich immer gleichen Gehorsam. So unterbricht nichts je weder den Grad, noch die Form ihrer Wirksamkeit. Diese Thätigkeit aber unveränderlich zu erhalten findet sie in der gegenseitigen Eigenthümlichkeit beider Geschlechter eine mächtige Stütze. Indeß sie aus dem einen Rastlosigkeit schöpft, verbürgt ihr das andre die Stätigkeit.

So sind nun zwischen beiden Geschlechtern die Anlagen vertheilt, welche es ihnen möglich machen, dieß unermessliche Ganze zu bilden. Nur dadurch gelang es der Natur, widersprechende Eigenschaften zu verbinden, und das Endliche dem Unendlichen zu nähern. Denn überall droht angestrengte Thätigkeit dem ruhigen Daseyn, so wie erhaltende Ruhe der regen Energie den Untergang. Darum beseelte die Natur ihre Söhne mit Kraft, Feuer und Lebhaftigkeit, und hauchte ihren Töchtern Haltung, Wärme und Innigkeit ein. Indeß nun die einen ihr Gebiet zu erweitern streben, bereichern es die andern mit sorgsamer Hand innerhalb seiner Gränzen. Denn der ganze Charakter des männlichen Geschlechts ist auf Energie gerichtet; dahin zielt seine Kraft, seine zerstörende Heftigkeit, sein Streben nach Aussenwirkung, seine Rastlosigkeit. Dagegen geht die Stimmung des weiblichen, seine ausdauernde Stärke, seine Neigung zur Verbindung, sein Hang die Einwirkung zu erwiedern und seine holde Stätigkeit, allein auf Erhaltung und Daseyn. Mit gemeinschaftlicher Sorgfalt verrichten sie daher die beiden grossen Operationen der Natur, die, ewig wiederkehrend, doch so oft in veränderter Gestalt erscheine, Erzeugung und Ausbildung des Erzeugten. Verglicht man indeß ihre eigenthümliche Beschaffenheit noch näher mit einander; so hat die Natur die empfangenden Kräfte noch unter genauern Obhut genommen. Sie theilen mit ihr ihre entschiedensten Vorzüge, und, gleich den Töchtern im Hause, schließen sie sich näher an die sorgsame Mutter an.

Daseyn, von Energie beseelt, ist Leben, und das höchste Leben das letzte Ziel, in dem sich das Streben aller verschiedenen Kräfte der Natur vereint. Die Verschiedenheit beider Geschlechter befördert die Erreichung dieses Ziels, oder vielmehr ihre eigenthümliche Beschaffenheit führt sie zu demselben hin, ohne daß sie selbst sich dessen bewusst sind. Dann keine Kraft der Natur dient als Mittel einem Zweck, oder strebt einer fremden Absicht entgegen. Indem alle harmonisch wirksam sind, folgt jede nur ihrem eignen Triebe, und das letzte Resultat der Thätigkeit aller geht mit einer Nothwendigkeit hervor, die, da sie alle Absicht ausschließt, auf den ersten Anblick zufällig scheinen kann. In gleicher Freiheit wirken nun auch die Kräfte beider Geschlechter, und so kann man dieselben als zwei wohlthätige Gestalten ansehen, aus deren Händen die Natur ihre letzte Vollendung empfängt. Dieser erhabenen Bestimmung genügen sie aber nur dann, wenn’s ich ihre Wirksamkeit gegenseitig umschlingt, und die Neigung, welche das eine dem andren sehnsuchtsvoll nähert, ist die Liebe. So gehorcht daher die Natur derselben Gottheit, deren Sorgfalt schon der ahnende Weisheitssinn der Griechen die Anordnung des Chaos übertrug.

1 Diese Vergleichung in einzelnen Fällen wirklich anzustellen, ist schon darum von vielen Schwierigkeiten begleitet, weil selten zwei Köpfe übrigens Ähnlichkeit genug zeigen, um gerade diesen Unterschied auffallend sichtbar zu machen. Nur also um an Beispiele zu erinnern, sey es erlaubt, hier Homer und Virgil, Ariost und Dante, Thompson und Young, Plato und Aristoteles einander gegenüber zu stellen. Wenigstens dürfte niemand leicht in Abrede seyn, daß, in Rücksicht auf ihre Gegentheile, in den zuerst genannten, wenigstens in Vergleichung mit der aus ihnen hervorleuchtenden Kraft, mehr Üppigkeit der Phantasie herrscht, da aus den lezteren die Form der Vernunft mit einer fast an Härte gränzenden Bestimmheit spricht. Zugleich von dieser Härte und von einer zu grossen Üppigkeit frei, kann Sophokles, in der Mitte zwischen Äschylus und Euripides, zum Beyspiel des geschlechtlosen Genies dienen.

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