So wie sich beide Geschlechter zum Ideal einer und geschlechtsloser Menschheit verhalten, so verhält sich auch ihre beiderseitige Schönheit zum Ideal der Schönheit. In beiden, haben wir gehört, ist die Menschheit ausgedrückt, denn jedes stellt die beiden, in ihr vereinten Naturen dar; nur daß in jedem eine dieser beiden Naturen das Übergewicht hat. Eben so kommt nun auch beiden Schönheit zu, aber in jedem herrscht nur Ein Bestandtheil derselben, ohne jedoch den andern auszuschliessen. Wie in der Menschheit sich die Naturnothwendigkeit mit der Freiheit gattet, so sehen wir in der Schönheit die Materie mit der Form gepaart. Wie in der veredelten Menschheit das Gebot der Vernunft als der freie Wunsch der Neigung, und die Stimme des Affects als der Ausdruck des vernünftigen Willens erscheint; so erscheint in der hohen Schönheit die Gesetzmäßigkeit der Form als ein freies Spiel der Materie, und die Geburt der Willkühr als ein Werk des Gesetzes! Wo sich daher die Menschheit zeigt, da wird auch Schönheit möglich seyn; denn beide verhalten sich wie Wirklichkeit und Erscheinung, Urbild und Abbild zu einander, und wie die Menschheit specificiert ist, so wird es auch jederzeit die Schönheit seyn. Der Ausdruck strengerer Willensherrschaft wird in der männlichen Bildung mehr Bestimmtheit der Formen erzeugen; der Ausdruck größerer Naturfreiheit in der weiblichen mehr die Statigkeit des Stoffs unterstützen. Aber beide Gestalten müßten jedem Anspruch auf Schönheit entsagen, wenn nicht jede diese beiden Vorzüge in sich vereinte, und es nicht bloß ein Übergewicht Eines derselben wäre, welches die eine von der andern, und beide vom Ideal unterscheidet. Denn erhaben über den Kampf, in den alles Wirkliche durch seine Schranken verwickelt wird, und von der Eigenthümlichkeit frei, welche die Gattungen von einander unterscheidet, behauptet das Ideal der Schönheit, so wie das Ideal der Menschheit, das vollkommenste Gleichgewicht. Der Formtrieb und der Sachtrieb werden daher gleich befriedigt, und tauschen in freiem Spiel ihre gegenseitigen Functionen aus.1
Wenn dies Gleichgewicht beider Principien der Schönheit gestört, nicht aber zugleich auch ihre Verbindung aufgehoben wird; so entstehen statt der einfachen idealistischen Schönheit zwei verschiedene, aber minder vollkommene Gattungen. Beide bringen die Harmonie hervor, welche das Schönheitsgefühl charakterisirt, aber jede geht diesem Ziel auf einem andern Wege entgegen. Indem sich die eine durch einen überwiegenden Ausdruck von Gesetzmäßigkeit der Vernunft empfiehlt, so wird zugleich durch die Anmuth der Darstellung die Einbildungskraft ins Interesse gezogen; indem die andere durch eine scheinbare Willkührlichkeit der Einbildungskraft schmeichelt, so unterwirft sie dieselbe zugleich durch eine wahre Nothwendigkeit dem Gesetze. Dieß erfahren wir in der Einwirkung der Schönheit beider Geschlechter auf das Gefühl. Die männliche fodert durch verwickeltere Formen zunächst nur den Verstand auf, dessen Befriedigung sich erst später in das wahre Schönheitsgefühl auflöst. Die weibliche giebt durch ihre einfacheren Formen der Einbildungskraft mehr Freiheit; und ladet zunächst bloß durch Üppigkeit des Stoffes die Sinne ein, bis erst bei längerem Verweilen und tieferem Studium auch die ernsteren Foderungen der Schönheit befriedigt werden. Weil aber auf diesem Wege immer ein Übergewicht auf der einen Seite, folglich auf der andern ein Mangel bleibt, so thut keine von beiden dem äesthetischen Gefühl Genüge, welches seiner Natur nach zum Vollendeten strebt, und sich nicht eher, als beim Ideale zur Ruhe giebt. Von der einen Bildung geht es daher zur andern über, und strebt, indem es durch die Eigenthümlichkeiten der einen die entgegengesetzten der andern aufhebt, beide in ein Ganzes zu verknüpfen, um wenigstens Augenblicke lang das Ideal festzuhalten. Diese Beziehung der zweifachen Geschlechtsbildung auf die idealische Schönheit macht, daß jede nur eigentlich insofern wahrhaft schön erscheint, als ihr die andere gegenübersteht, jede (um ein kühneres Bild zu gebrauchen) nur einen Accord anschlägt, welcher erst in der andern vollkommen austönt. Auch hier stehen die Geschlechter in gegenseitiger Abhängigkeit von einander; denn beschränkt für sich, gewinnen sie auch hier nur durch ihre innige Gemeinschaft Vollendung. Aber eben so wie die Schranken der Geschlechtsbildung die Phantasie unaufhörlich zu Hervorbringung des Ideals auffodern, so führen die Schranken dieses Vermögens nothwendig wieder zu der Geschlechtsbildung zurück. Vergebens würde die Phantasie die Herrschaft der Form gegen die Freiheit des Stoffs völlig gleichmäßig abzuwägen versuchen; denn da sie immer nur von Einer Seite ausgehen könnte, so würde sie auch entweder der einen oder der andern ein Übergewicht einräumen, und dadurch, ohne es selbst zu bemerken, zur männlichen und weiblichen Bildung zurückkehren.
Wenn nun aber das nach Vollendung strebende ästhetische Gefühl von der einen Geschlechtsbildung unbefriedigt zur andern übergeht, so wird es hierin selbst von der eigenthümlichen Beschaffenheit beyder unterstützt. Denn ihrer charakteristischen Verschiedenheiten ungeachtet, nähern sich die männliche und weibliche Bildung dadurch einander, daß in jeder dem besondern Ausdruck des Geschlechts der allgemeine Ausdruck der Menschheit zur Seite steht. Indem die Übereinstimmung mit dem Ideal, zu welcher der letztere berechtigt, durch die Schranken des ersteren begränzt wird, entstehen die besondren Arten der Schönheit, die wir die männliche und die weibliche nennen. Ohne den Charakter des Geschlechts besässe der Mann keine eigenthümliche Schönheit, ohne den Charakter der Menschheit überhaupt keine Schönheit; und eben dieß ist mit dem Weibe der Fall, wenn gleich die weibliche Bildung, gerade insofern sie weiblich ist, der Schönheit näher verwandt scheint. Überall muß man sich gewöhnen, das Geschlecht als Schranke zu betrachten, da es von der Summe der Anlagen, welche der Begriff der Gattung in sich fasst, immer eine gewisse Anzahl einseitig ausschließt. In der Menschheit hebt es die gegenseitige Freiheit auf, mit welcher die Selbstthätigkeit und Empfänglichkeit in dem Ideale zusammenwirken, und damit sich jede in einem eigenen Wesen darstelle, muß (da sie einander doch niemals ganz entbehren können) die eine der andern untergeordnet werden. Wo nun die Selbstthätigkeit die Empfänglichkeit unterdrückt, da muß auch in der Erscheinung der Stoff der Form dienen, und das Gegentheil muß da statt finden, wo die Selbstthätigkeit der Empfänglichkeit weicht. Alle Schönheit aber beruht auf einer freien Verbindung der Form mit dem Stoff, und wenn sich dieselbe auch (insofern man von ihren höchsten Graden abstrahirt) mit dem einseitigen Übergewicht eines ihrer beiden Elemente verträgt, so erlaubt sie doch nie gänzliche Unterdrückung des andern, oder was auf dasselbe hinausläuft, wirkliche Trennung beyder.
Kaum ist es indeß nöthig, dasjenige noch aus Begriffen beweisen zu wollen, was sich schon innerhalb des Kreises der Erfahrung so mannichfaltig bestätigt. Im Mann und im Weibe findet unser ästhetisches Gefühl nur insofern Schönheit, als der Charakter der Menschheit den Charakter des Geschlechts veredelt hat. Der uncultivierte männliche Naturcharakter, ausser Zusammenhang mit dem moralischen Menschencharakter betrachtet, drückt den Zügen das Gepräge der Härte und Gewaltthätigkeit auf, und die zu scharfe Zeichnung der Form verbannt alle Weichheit des Stoffs, ohne deswegen auch nothwendig den Verstand durch Gesetzmäßigkeit zu befriedigen. Dagegen zeigt die weibliche Bildung, wenn wir uns die Weiblichkeit gleich entblößt von menschlicher Cultur denken, eine plumpe Masse, die allein Trägheit und Schlaffheit verräth, und der Überfluß des Stoffs unterdrückt alle Spuren der Form. Unfähig zu jedem freieren Aufschwung, wird die Gestalt nur durch den Ausdruck der Begierde belebt, und giebt dadurch das widrige Bild einer kraftlosen Heftigkeit. Könnte man sich daher den Geschlechtscharakter vereinzelt denken, so würde der Ausdruck der zeugenden Kraft bloß in gewaltthätiger Anstrengung der Energie, der Ausdruck der empfangenden allein in üppigem Übermaaße des Stoffs bestehen, und indem jener dem auf einzelne Zwecke gerichteten Verstande, dieser der groben Sinnlichkeit einseitig Genüge thäte, würde jeder den ästhetischen Sinn unbefriedigt lassen.
Daß der Geschlechtscharakter in der That nur in Verbindung mit dem höheren Menschencharakter der Schönheit fähig ist, wird alsdann noch anschaulicher, wenn man ihn getrennt von diesem betrachtet. Unmittelbar wie man das Gebiet der Menschheit verläßt, sinkt auch die Schönheit herab; aber unmittelbar zeigt sich auch alsdann zwischen beyden Geschlechtern eine, in ihren wesentlichen Eigenthümlichkeiten nothwendig gegründete Verschiedenheit. Das männliche Geschlecht behält, auch wann es gänzlich auf seinen blossen Naturcharakter zurückgesetzt ist, doch immer den Ausdruck einer Kraft, die zwar, von roher Wildheit begleitet, furchtbar und zurückstossend ist, aber doch immer, zumal wo alle moralische Foderungen hinwegfallen, Interesse und Staunen erweckt. In dem weiblichen hingegen unterdrückt alsdann die Materie die Kraft, und dieser Verlust wird durch keine Anmuth vergütet. Hieraus muß man sich die auffallende Erscheinung erklären, daß im Thierreiche beide Geschlechter in Absicht auf ihre Schönheit in einem so gänzlich umgekehrten Verhältniß, als in der Menschheit, stehen. Denn anstatt daß im Menschen das schwächere Geschlecht dem stärkeren an Schönheit nicht nur vollkommen gleich ist, sondern es sogar darinn übertrift; so sind dagegen durchaus alle weibliche Thiere auffallend weniger schön, als die männlichen ihrer Gattung. Vergebens würde man den Grund dieser Verschiedenheit in dem organischen Körperbau aufsuchen wollen, da die, aus der eigentlichen Structur des Körpers erkennbaren Ursachen der Geschlechtsverschiedenheit, der Analogie der Naturgesetze zufolge, nothwendig überall dieselben seyn müssen. Auch findet man bei den Thieren in der That dieselben physischen Eigenthümlichkeiten der Geschlechter, wie bei dem Menschen; auch dort ist das weibliche, in Vergleichung mit dem männlichen, durchaus kleiner, schwächer, von zarterem Knochenbau, und mit mehr Masse begabt. Die allgemeine Natur der Thierheit ist es daher, welche allein den Grund jener Erscheinung enthält. Unfähig durch sich selbst Ansprüche auf Würde zu machen, sinkt dieselbe durch weibliche Kleinheit, Schwäche und Weichheit gänzlich herab, und kann nur noch durch männliche Grösse, Kraft und Festigkeit gewinnen. Da die physische Schwäche der Weiblichkeit in ihr nicht durch moralische Stärke gehoben wird, so erscheint dieselbe als blosser Ausdruck des Unvermögens, der auch in der weiblich-menschlichen Gestalt erst ausgelöscht seyn muß, wenn sie der Schönheit fähig seyn soll; da aber von der thierischen Gestalt nur physische Vorzüge gefodert werden, so schadet es dagegen nichts, wenn der Ausdruck männlicher Unabhängigkeit in einen Ausdruck gesetzloser Willkühr ausartet.
Ohne indeß bis zur Thierheit hinabzusteigen, lassen sich die obigen Behauptungen auch durch Beispiele aus der menschlichen Natur selbst bestätigen. Unter denjenigen Nationen, die noch, ohne alle Cultur, im ursprünglichen Stande der Wildheit leben, ist die Gestalt der Weiber fast eben so wenig an Schönheit mit der Gestalt der Männer vergleichbar; und wenn man auch unter gebildeten Nationen hie und da ähnliche Ungleichheiten bemerkt, so würde eine genauere Untersuchung wahrscheinlich auch auf ähnliche Ursachen führen. Wenigstens sehen wir auch unter uns, daß, wo männliche und weibliche Gestalten das Gepräge ausschweifender Sittenlosigkeit ans ich tragen, wo die Menschheit in ihnen entadelt, und die Freiheit der Vernunft unterdrückt ist, die letzteren immer einen noch eckelhafteren und widrigeren Eindruck hervorbringen, als die ersteren, die wenigstens noch durch den Ausdruck physischer Kraft eine gewisse Haltung bekommen. In allen diesen Fällen nun kehrt dieselbe Erscheinung zurück; überall ist die weibliche Gestalt nur für den höchsten Ausdruck geschaffen, und wenn sie nicht in menschlicher Schönheit auftritt, so ist ihr Schönheit überhaupt fremd. Freilich aber gilt dieß allein bei der ästhetischen Beurtheilung; nur da, wo der Mensch, nicht das Geschlecht die Entscheidung fällt. Hier schmeichelt ohne Unterschied die Bildung des einen Geschlechts der Neigung des andern, und leicht gewinnt hier jedes bei dem andern den Preis. Nur wo in feiner organisirten Seelen das Gefühl für das Schöne alle Empfindungen harmonisch gestimmt hat, ist auch diese Neigung höheren Foderungen untergeordnet, nur da wird der blosse Geschlechtstrieb in menschliche Liebe verwandelt, und von dem beschränkten Gebiet der Sinne in das idealische der Phantasie hinübergeführt. Sonst dehnt sich vielmehr diese Unlauterkeit des Geschmacks auf alle Gegenstände aus, die nur irgend diese Seite berühren; und untersuchten wir die Urtheile genau, die im Kreise des gesellschaftlichen Lebens über Bildung, Mode, Anstand, über Kunstwerke, Theater, Schriften, u. s. w. kurz über alles gefällt werden, was im weitesten Verstande zum Gebiete des Geschmacks gehört, so würden wir mit Erstaunen wahrnehmen, wie selten uneigennütziger Beifall ächte Schönheit krönt.
Der Geschlechtscharakter ist also als eine Schranke anzusehen, welche die männliche und weibliche Schönheit von der idealistischen entfernt; und so lange er auf die Form Einfluß hat, wird er es derselben unmöglich machen, sich zum Ideal zu erheben. Aber da es das Gesetz der endlichen Natur ist, nur vermittelst der Schranken zum Unendlichen aufzusteigen, nur durch Materie zur Form, und nur durch Trennung zur Harmonie zu gelangen; so ist die Geschlechtsschönheit, obgleich sie für sich allein der Idealschönheit ewig widerspricht, doch der einzige Weg zu derselben. Überdieß ist der Mensch nur insofern er dem Geschlecht angehört, an diese Schranke gebunden, aber insofern er zugleich die Anlange zur freien geschlechtslosen Menschheit in sich trägt, davon losgesprochen. Vermöge der leztern kann er die Vollendung, welche die Gränzen seines Geschlechts ihm versagen, sich durch Freiheit erwerben, und seinen einseitigen Naturcharakter durch seinen moralischen zum Ideal ergänzen; und je lebendiger dieser, sey es durch die Gunst der Natur, oder durch die innere Wirksamkeit der Vernunft, auch aus der äussern Bildung spricht, desto mehr verliert der Ausdruck des Geschlechtscharakters seine Einseitigkeit. Wir sehen aus der Verbindung der Menschheit mit dem Geschlecht eine neue mittlere Schönheit hervorgehn, und diese ist es, welche man gewöhnlich unter der männlichen und weiblichen Schönheit versteht. In ihr ist das Gleichgewicht des Ideals nur um so viel gestört, als es die Beschränktheit endlicher Naturen nothwendig macht, und diese Störung selbst ertheilt der Gestalt eine so individuelle Mischung der Züge, daß sie dadurch einen neuen Zauber gewinnt. Es ist weder die Menschheit allein, noch das Geschlecht, welches im Mann und im Weibe erscheint; eigne, in sich geschlossene Gestalten sind beide, welche weder an jene, noch an dieses einseitig erinnern. Der Ausdruck der männlichen Stärke, welche vereinzelt für sich zu leicht das Ansehn physischer Gewalt erhält, wird durch den Ausdruck menschlicher Würde gemildert, und die blinde Herrschaft der Willkühr, die den Mann, ehe er sich der Herrschaft der Vernunft unterwirft, in eine bedenkliche Anarchie versetzt, kündigt sich als moralische Freiheit an. So weicht in den Idealen der Kunst der männliche Trotz des Heroen der milden Erhabenheit des Gottes, und so finden wir in diesem den Charakter der Männlichkeit, der fast bis auf seine letzten Spuren vertilgt ist, nur in seiner Übereinstimmung mit der reinen Menschheit wieder.
Noch inniger aber ist in der weiblichen Schönheit die Weiblichkeit mit der Menschheit verbunden; und noch mehr, als in der männlichen, geht aus beiden eine neue mittlere Bildung hervor, welche, indem sie ihre Züge zugleich von beiden entlehnt, den einseitigen Ausdruck jeder gleich täuschend verbirgt. Denn selbst in den höchsten Graden der Vollendung erhält sich der Ausdruck der Weiblichkeit unverkennbar neben dem Ausdruck der reinen Menschheit, und wenn er auch unaufhörlich in ihn überfließt, so geht er doch nie ganz in demselben unter. Allein dieser Eigenthümlichkeit ungeachtet, vermag dennoch das Weib nicht weniger, als der Mann, seiner Schönheit eine von der einseitigen Geschlechtsbildung unabhängige Vollendung zu geben. Zwar kann weder die überwiegende Herrschaft des Stoffs gänzlich aufgehoben, noch der Ausdruck physischer Schwäche und Abhängigkeit vertilgt werden, welcher immer die weibliche Gestalt begleitet. Aber indem die freie Kraft der Menschheit sich jener physischen Schwäche zur Seite stellt, bringt sie das Bild einer moralischen, durch sich selbst gemäßigten Stärke hervor, und eben so wird jene Naturabhängigkeit in eine freiwillige Unterwerfung unter ein selbstgegebenes Gesetz verwandelt. Gleich ungehemmte Kraft spricht daher aus der männlichen und weiblichen Bildung, nur daß sie in der ersteren sich über einen schrankenlosen Wirkungskrais zu verbreiten, in der letzteren sich freiwillig zu mäßigen scheint.
Weil aber beide Geschlechter nie der Endlichkeit entfliehn, so setzt sich dieser idealistischen Vollendung der Gestalt in beiden ein ewiges Hinderniß entgegen; und nie ist die höchste Schönheit in der Wirklichkeit erreichbar. Das Endliche müßte zum Unendlichen werden, wenn jenes Gleichgewicht in der Erscheinung dargestellt werden sollte, und selbst dann würde keine menschlicher Sinn es aufzufassen vermögen. Allein auch hier zeigt der Ausdruck des zweifachen Geschlechtscharakters einen Weg, sich dem Ziele zu nähern, und auch dem Betrachter kommt er zu Hülfe, der sich von der Erscheinung zur Idee zu erheben versucht. Da beide Geschlechtsbildungen mit der rein menschlichen verwandt sind, so wecken sie beide das Gefühl ächter Schönheit in ihm; da aber jede eine besondere Gattung ausmacht, so wird auch seine Aufmerksamkeit durch jede vorzugsweise auf eine der beiden Gattungen der Schönheit geheftet. Dadurch empfängt er beide Elemente des Ideals einzeln und in verständlicher Klarheit, ohne daß doch die Einheit aufgelöst wird, in welcher das Wesen desselben besteht. Ungestört kann er es nun durch die Schöpfungskraft seiner Phantasie zu bilden versuchen, und sich, indem er auch hier, wie überall, von der Wirklichkeit ausser ihm nur den beschränkten Stoff entlehnt, durch innere selbstthätige Kraft zur schrankenlosen Idee erheben.
Man mag daher objectiv auf die Bildung der Geschlechter selbst, oder subjectiv auf den Eindruck sehen, den sie hervorbringen; so muß der Geschlechtscharakter, der nur in Vergleichung mit dem Ideal eine einengende Gränze ist, in Rücksicht auf die Schranken endlicher Naturen vielmehr ein Mittel zur Vollkommenheit heissen. Der Ausdruck des männlichen hebt in der Bestimmtheit der Züge die Herrschaft der Form mehr heraus, und da ihn der Ausdruck der reinen Menschheit mildernd begleitet, so kann er sich nicht weiter vom Ideale entfernen, als an sich nothwendig ist, jene Eine Seite des letzteren vorzugsweise darzustellen. Der Ausdruck des weiblichen zeigt in der Anmuth der Züge die Freiheit des Stoffs in einem lebhafteren Bilde, und wird auf eben die Weise von demselben Ausdruck der reinen Menschheit beherrscht. Der Mann erscheint nun feuriger, das Weib sanfter, als man sich den geschlechtslosen Menschen denkt; und daher pflegt man zu sagen, daß die männliche Schönheit zur Anstrengung auffodere, die weibliche zur Ruhe einlade. Allein diese Ausdrücke schildern nur die gemeine Wirkung der verschiednen Geschlechtsbildung auf wenig verfeinerte Sinne, und vorzüglich den Eindruck, welchen die Gestalt des reinen Geschlechts in dem andern hervorbringt. Wenn die angestrengte Kraft des Mannes erquickende Ruhe die unbestimmte Sehnsucht des Weibes bestimmende Einheit sucht, so muß beiden ihre gegenseitige Gestalt Befriedigung gewähren, die aber, weil sie Bedürfnissen entspricht, immer eigennützig und der ästhetischen Beurtheilung nachtheilig ist.
Wo sich der Mensch der Betrachtung des Schönen weiht, da muß er sich von aller Partheilichkeit lossagen, und geschlechtslos allein der Menschheit angehören. Nur in solchen glücklichen Momenten gelingt es ihm, sein Wesen zu dem höchsten Gleichgewichte zu stimmen, und die Kräfte, womit er der Natur und womit er der Gottheit verwandt ist, in Eins zu verschmelzen. Zu diesem Ziel führt ihn die männliche und weibliche Form auf verschiedenen Wegen. Die weibliche bezaubert zuerst die Sinne durch ihre Anmuth; da aber der Stoff ganz Form, die scheinbare Willkühr ganz Nothwendigkeit, und die Fülle des innlichen Reitzes nur Ausdruck zarter und feiner Geistigkeit ist, so fließt die zuerst geweckte sinnliche Empfindung in unentweihter Reinheit in die geistige über. Die männliche fodert, indem sie zu den Sinnen spricht, unmittelbar zugleich durch Bestimmtheit den Geist zur Thätigkeit auf; da aber die Form in ihr als Stoff, die Nothwendigkeit als Freiheit, und die geistige Würde in dem Gewande sinnlicher Anmuth auftritt, so geht die zuerst rege gemachte geistige Empfindung in die sinnliche über. Dort geht das Gemüth vom Spiel zum Ernst, hier vom Ernst zum Spiele; und da in beiden Fällen zwei verschiedene Empfindungen entstehen, zwischen welchen das Gemüth unaufhörlich schwanckt, und die es immer reproducirt; so bringt jede beider Bildungen eine gemischte Stimmung hervor, in welcher der eigenthümliche Charakter einer jeden durch den entgegengesetzten gemäßigt ist. Die weibliche Gestalt legt durch diese Verbindung ihre erschaffende, die männliche ihre anspannende Eigenschaft ab; und indem die erstern mit Kraft beseelt, die letztere durch Anmuth gemäßigt wird, wirken beide belebend auf das Herz. Dagegen hängt die Zuneigung zu jeder der Formen von der Übereinstimmung des eignen Charakters mit dem ihrigen ab, und die sanftere Empfindung wird lieber bei der weiblichen, die mehr energische bei der männlichen Schönheit verweilen. Indem nun auf diese Weise die Betrachtung jeder von einer ihr analogen einseitigen Stimmung auszugehn, aber eine gemischte hervorzubringen pflegt, so wird das Gemüth immer von der einen für die andere, und dadurch von beiden für die Ideal-Schönheit empfänglich gemacht.
Nie wird daher der Künstler, der nach der höchsten Wirkung streben soll, das Studium beider Gestalten von einander trennen, oder sich ausschließlich der Darstellung Einer widmen dürfen. Aber selbst bei der sorgfältigsten Vermeidung einer solchen Einseitigkeit, wird er doch nie in beiden gleich glücklich seyn, und nie ganz die Neigung überwinden können, die ihn überwiegend zu der Einen hinzieht. Denn auch das Kunstgenie fühlt den Einfluß es Geschlechtscharakters, und das angestrengteste Bemühen nach reiner Idealität wird denselben doch nur zu veredlen, schwerlich aber zu vertilgen vermögen. Die männliche Bildung befriedigt sichtbarer durch Richtigkeit der Verhältnisse die Anfoderungen der Kunst, die weibliche durch Anmuth der Umrisse die Anfoderungen des Gefühls an die Schönheit. Das Gefühl aber ist nur dann ein sichrer Führer, wenn der Verstand es ausgebildet hat, und der angehende Künstler muß sich daher zuerst an der männlichen Gestalt üben, wo er den technischen Theil der Kunst fest und deutlich gezeichnet findet. Erst wenn er in diesem Studium beträchtliche Fortschritte gemacht hat, wird es auch seinem Auge gelingen, dieselbe Nothwendigkeit der Form auch unter der Hülle weiblicher Anmuth zu entdecken, und der lezte schwere Schritt seiner Ausbildung wird es seyn, diese Nothwendigkeit darzustellen, ohne der Grazie zu schaden. In den höchsten Graden der Vollendung ist die Darstellung der weiblichen Schönheit schwerer; denn zu allen Foderungen, welche die männliche an den Künstler macht, kömmt noch die schwierigste hinzu: indem er die strengste Gesetzmäßigkeit beweißt, den Schein derselben zu vermeiden. Verlangt man hingegen nur geringere Vollkommenheit, so ist die weibliche Gestalt wieder leichter. Denn wenn in der männlichen jeder Fehler gegen die Wahrheit zu sichtbar ist, und es schon ein tiefes Studium erfodert alle zu vermeiden; so begnügt sich dagegen bei der weiblichen der mittelmäßige Künstler, so wie der gewöhnliche Beurtheiler mit der blossen Aussenseite der Weiblichkeit, mit Weichheit, Gefälligkeit und Reitz, und übersieht darüber leichter wenn nicht wirkliche Unwahrheit, doch wenigstens Leere.
Selbst in dem ächten Künstler, der aber vorzugsweise für weibliche Schönheit gestimmt ist, macht zuerst die Phantasie ihre Ansprüche auf sanfte Stätigkeit und liebliche Anmuth geltend, und selbst er fängt von dem sinnlichen Theile der Kunst an (wenn der Ausdruck erlaubt ist) nur daß er nicht auch dabei stehen bleibt, sondern von da zur Idee übergeht. Diese sucht er nun in ihrer höchsten Lauterkeit und Präcision aufzufassen und darzustellen; aber wegen jenes Übergewichts der Phantasie besitzt er nicht sowohl Schärfe als Feinheit des Blicks, nicht sowohl Kühnheit als Zartheit der Hand, und scheint nicht sowohl die einzelnen Züge genau zu unterscheiden, als er vielmehr das Ganze durch kaum bemerkbare Übergänge verbindet. Gerade umgekehrt werden in dem, mehr für männliche Schönheit gestimmten zuerst die Foderungen des Geistes auf Bestimmtheit und Nothwendigkeit der Form rege; er fängt von dem geistigen Theile der Kunst an, ergreift mit tiefeindringendem Blick den Charakter der Gestalt, und zeichnet ihn mit kraftvollen Zügen, indem er ihn zugleich in anmuthige Grazie kleidet, und sich dadurch von der Wahrheit zur Schönheit erhebt. Zwar ist es unvermeidlich, bei Schilderungen, wie die hier entworfenen sind, nicht das noch zu sehr zu trennen, was in der Wirklichkeit innig verbunden ist; allein unläugbar wird doch ein solches Übergewicht entgegengesetzter Eigenschaften in diesen beiden verschiednen Künstleranlagen herrschen, und durch das Studium des Ideal-Schönen zwar vermindert, nie aber gänzlich aufgehoben werden.
In welchen Verhältnissen man daher die verschiedne Geschlechtsbildung betrachten mag, so findet man dieselbe immer in einer doppelten Beziehung: auf sich selbst und auf das Ideal; und eben so wie beide Geschlechter durch ihre innern, sich gegenseitig unterstützenden Anlagen die menschliche Kraft, über den Krais der Endlichkeit hinaus, erweitern, so führen sie durch ihre äußere verschiedne Gestalt das Schönheitsgefühl dem ideal entgegen. Denn so schwer sich auch die äußere Bildung aus der innern organischen Bestimmung verständlich machen läßt, so belohnend ist es doch, selbst den verborgnen Zusammenhang der Natur aufzusuchen; und hier bedarf es keiner mühsamen Anstrengung, um sich zu überzeugen, daß keines von beiden Geschlechtern, seiner innern Eigenthümlichkeit nach unter einer andern Gestalt, als die es wirklich zeigt, zu erscheinen im Stande war. In dem männlichen ist Übergewicht der Kraft charakteristisch und zwar einer Kraft, die zu zeugen bestimmt ist, sich schnell zu sammeln vermag, und immer von Einem Punkt aus nach aussen hin strebt. Mit Schnelligkeit sehn wir sie daher die Muskeln anspannen, mit Heftigkeit sich aller hindernden Masse entledigen, und ununterbrochene Thätigkeit athmend, den ruhigen Genuß entfernen. Dadurch nähert sie sich der bildenden Kunst, die eben so, wie sie, dem lebenden Princip Herrschaft in der todten Masse verschaft.
Die empfangende Kraft hingegen besitzt eine grössere Fülle; sie ist mehr gemacht, Thätigkeit zu erwiedern, als ursprünglich zu erzeugen, aber was ihr an Feuer gebricht, das ersetzt sie durch Beharrlichkeit. Durch ununterbrochene Stätigkeit der Umrisse, Zartheit und Weichheit kündigt sich daher die Weiblichkeit auch in der äussern Gestalt an, und ertheilt derselben dadurch, selbst wenn ihr die Schönheit fehlt, doch wenigstens immer den Reitz des Angenehmen, das so oft mit dem eigentlich Schönen verwechselt wird. Da sie nun zugleich keinem Theil sich überwiegend vorzudrängen verstattet, und nur die höchste sinnliche Einheit ihr vollkommen entspricht, so steht die weibliche Gestalt überhaupt der Schönheit näher, als die männliche, und hat selbst da wenigstens die Form derselben, wo sie auch ihren Gehalt entbehrt. Denn da Freiheit von allem Zwang die Seele jeder Schönheit ist, und die ächte Schönheit sich nur dadurch unterscheidet, daß sie mit dieser Eigenschaft die höchste Realität und Bestimmtheit verbindet, so muß schon die blosse Stätigkeit, Flüssigkeit und Kühnheit der Formen als ein Analogon der Schönheit erscheinen, weil sie jenen wesentlichen Charakter derselben an sich trägt. Hierauf gründet sich unstreitig die Foderung der Schönheit, die man vorzugsweise vor dem männlichen Geschlecht an das weibliche richtet. Bei dem Mann ist die Schönheit an das weibliche richtet. Bei dem Mann ist die Schönheit eine Zugabe und ein freies Geschenk der, über den einseitigen Geschlechtscharakter siegenden, Menschheit in ihm; von dem Weibe wird sie als eine Schuld, die das Geschlecht entrichtet, wie die Weiblichkeit selbst, verlangt. Wie diese, kann sie daher auch bei der Beurtheilung des Innern in Betrachtung kommen, und gewissermaaßen zur Pflicht gemacht werden; denn der innere Charakter der Weiblichkeit kann keinen andern Ausdruck als Schönheit haben. Mit Unrecht aber würde man diese noch gehaltlose Schönheit, die nur eine eigene beschränckte Gattung ist, mit jener ächten und idealistischen verwechseln, zu welcher vielmehr jedes Geschlecht sich nur dadurch erhebt, daß es die reine Menschheit mehr in sich geltend zu machen, das männliche, daß es mehr Freiheit, das weibliche daß es mehr Nothwendigkeit zu erlangen versucht.
Nicht immer aber wird durch dieß doppelte Bemühen die eigentliche Schönheit erhöht. Sehr oft erhält die Gestalt nur einen lebhafteren Ausdruck dadurch, und der Ausdruck ist wesentlich von der Schönheit verschieden. Zwar werden in der Erfahrung oft beide mit einander verwechselt, und nicht selten hören wir Bildungen schön nennen, die bloß interessant heissen dürften. Wie sonst so oft durch die Sinnlichkeit, so wird hier das ästhetische Gefühl durch den Verstand irre geführt, und es bestätigt sich aufs neue, wie selten die harmonische Stimmung des Gemüths ist, welche allein für Schönheit empfänglich macht. Wo der Ausdruck vorwaltet, da beherrscht das Gemüth die Züge, und hindert sie, ihrer eignen Freiheit zu folgen. Daher erklärt sich eine solche Bildung nicht, wie die bloß ästhetische, durch sich selbst und die Aufmerksamkeit wird von der äussern Gestalt auf den innern Charakter gezogen. Die bloß gefällige Bildung hingegen verkündigt die höchste Freiheit der Züge; an keinen bestimmten Ausdruck gebunden, überlassen sie sich allein einer anmuthigen Stätigkeit. Darum wird zwar hier das Auge nicht von der Gestalt hinweg zu etwas anderm hinübergeführt, aber es ist ihm gleich unmöglich auf dieser Leerheit zu verweilen. Nur die schöne Gestalt, die zwischen beiden in der Mitte steht, enthält in sich vollendet, zugleich alles, was dem Sinn und was dem Geiste genügt, und nur in ihr ist der inhaltvollste Ausdruck zugleich mit der freiesten Anmuth der Züge verbunden. Darum aber findet nun auch der Betrachter in ihr seine kühnsten Erwartungen übertroffen, und da er das ganze Wesen in vollkommener Einheit erblickt, so trennt seine Phantasie nicht mehr die äußre Gestalt von der innern Bedeutung. Also nicht deswegen weil ihr der Charakter mangelt, sondern deswegen, weil sie ihn nicht auf Unkosten der Freiheit hervorstechen läßt, ist die Schönheit von dem Ausdruck zu unterscheiden. Indem sich der letztere bloß auf die Darstellung des gegenwärtigen Zustandes, also auf eine enge Wirklichkeit beschränckt, drückt die Schönheit vielmehr das Total des Charakters, und das unendliche Vermögen desselben aus, aus welchem alle einzelnen Äußerungen fließen. Da aber das Unendliche in der Erscheinung unerreichbar ist, so bleibt freilich auch die höchste menschliche Schönheit in gewissem Verstande nur Ausdruck, und so kommt es nur darauf an, den letzteren der Schönheit zu nähern. Von einem Bilde des vorübergehenden Affekts muß er zu einem Bilde des bleibenden Charakters erhoben werden, und zwar eines Charakters, der nicht bloß von einer Seite, sondern von allen harmonisch ausgebildet ist.
Eine auffallende Erscheinung ist es, daß, obgleich der Ausdruck der Schönheit sogar Gefahr droht, dennoch der bessere Geschmack unsers Zeitalters fast ausschlieslich auf ihn gerichtet ist. Sowohl in Gemählden als in den Werken der bildenden Kunst vergessen wir Grazie und Schönheit über der Zeichnung der Charaktere, und oft nur der momentanen leidenschaftlichen Stimmung derselben; dem Dichter übersehen wir Fehler der Composition des Ganzen, auf welcher die Schönheit beruht, wenn er uns nur durch Charakter-Ausdruck Genüge leistet, und eben so verzeihen wir dem Schriftsteller überhaupt Mangel an kunstvoller Einheit der Darstellung, wenn er uns nur durch kühne und originelle Wendungen interessirt. Der wahre Tonkünstler, der sich über den willkührlichen Ausspruch der Mode hinaussetzt, führet eine ähnliche Klage, und wer sich gewöhnt hat, das Gesetz der Schönheit auch auf Gegenstände des täglichen Lebens anzuwenden, der muß in unserm Umgang, unserm Anstand, unsern Sitten sehr oft die nöthige Grazie und das Bestreben nach ächter Schönheit vermissen, so sehr auch der Verstand durch den innern Gehalt und Charakter im einzelnen befriedigt wird. Kaum ist es möglich, sich hiebei nicht an den Einfluß zu erinnern, welchen zwei Nationen von ganz entgegengesetztem Charakter nach und nach auf unsern Geschmack ausgeübt haben, und seine Blicke nicht erwartungsvoll auf eine dritte zu richten, welche den Gehalt, wie die Form, wieder in ihre Rechte einsetzte und beiden einander zu verdrängen wehrte, wenn sich von einem besondern Nationalcharakter die Vollendung erwarten ließe, die nur das Werk des allgemeinen Vernunftcharakters seyn kann. Aber so unmöglich es auch ist, anders als auf diesem Weg zu der ächten Schönheit hindurch zu dringen, so sehr ist man wieder in Gefahr, gerade auf diesem Weg sie gänzlich zu verfehlen.
Noch mehr als die Schönheit selbst, muß die Weiblichkeit von dieser Gefahr bedroht werden, da sie nicht bloß der Schönheit so nah verwandt ist, sondern sich ihr gerade von derjenigen Seite nähert, welche durch den Ausdruck verlohren geht; und in der That müßte man für die ächte Weiblichkeit im Ausdruck besorgt seyn, wenn man jenem herrschenden Zeitgeschmack einen Einfluß auf weibliche Bildung zutrauen dürfte. Denn auch hier wird nicht selten das Anziehende mit dem Schönen verwechselt, und unter den verschiedenen Arten des Ausdrucks selbst dem stärker hervorstechenden der mehr sanfte und gefällige nachgesetzt. Wie es überhaupt das Schicksal der Weiber ist, weit öfter den einseitigen Foderungen der Sinne oder des Verstandes, als dem Urtheil reiner Empfindung unterworfen zu werden, so wird auch bei Beurtheilung ihrer Schönheit, (wenn man sich ja über das Sinnliche erhebt) noch zu sehr auf irgend einen hervorstechenden Ausdruck von Geist, Witz und Lebhaftigkeit Rücksicht genommen, und dagegen zu leicht der Ausdruck eines ruhigen, aber sanften und zarten Gefühls übersehn, Auch jetzt noch hat man sich nicht ganz entwöhnt, nur, was piquant ist, zu suchen, und gleich als wäre man sich seiner Schlaffheit bewusst, überall einen erweckenden Reitz zu verlangen. Darum wird gerade der höchste Charakterausdruck, dessen durchgängige Harmonie der Schönheit am meisten empfänglich ist, auch jetzt noch am meisten verkannt, und der mehr in die Augen fallende Glanz des Verstandes dem bescheidenen Ausdruck der Empfindung vorgezogen, die sich nur durch Überspannung interessant machen kann. Gerade die ächtweiblichen Gestalten, die nichts Ausgezeichnetes besitzen, aus welchen aber Zartheit des Gefühls, ruhige Sittsamkeit, und ein anspruchloser Eifer für alles Wahre und Gute spricht, werden mit dem zweideutigen Lobe zurükgewisen, womit man die bloße Herzensgüte mehr zu beschämen als zu belohnen pflegt. Nichts aber ist dem Charakter wahrer Weiblichkeit in der äußern Bildung verderblicher, als diese Stimmung des Geschmacks, die, obgleich sie sich, der besseren Richtung des Zeitalters nach, ihrem Ende naht, und bald nicht mehr die herrschende seyn dürfte, doch noch immer zu allgemein ist. Denn da die Eigenthümlichkeit der weiblichen Gestalt auf Freiheit und Harmonie des Ganzen beruht, der Ausdruck aber immer einzeln Züge mehr oder minder heraushebt, so muß er mit demselben in einem nothwendigen Widerstreit stehen, und sehr oft wird man die Unweiblichkeit gewißer Bildungen in der bloßen Stärke des Ausdrucks gegründet finden.
Wer indeß von der Vollkommenheit der weiblichen Gestalt, selbst in ihrer Unabhängigkeit von der Schönheit, durchdrungen ist, der wird derselben deshalb nicht weniger Ausdruck beimessen wollen, als der männlichen. Sie muß vielmehr, da sie sich ihrer Natur nach weniger an den Verstand, als an die Sinne wendet, noch sorgfältiger Leerheit vermeiden. Zwar sind die Gränzen, innerhalb welcher der Ausdruck spielen darf, in der weiblichen Gestalt gewiß enger gezogen, nur daß der weibliche Körper, durch seine größere Geschmeidigkeit, feinere Verschiedenheiten bemerkbar zu machen fähig ist, und dadurch vorzugsweise Feinheit des Ausdrucks besitzt. Denn nicht in einzelnen, scharf gezeichneten Zügen, sondern innig in die ganze Gestalt verwebt, auf den ersten Blick kaum bemerkbar, und in edle Einfachheit gekleidet muß sich der innere Charakter in wahrhaft weiblichen Bildungen darstellen. Ist aber diese vollkommene Harmonie unerreichbar, so ist es sogar weiblicher, wenn die Seele sich nur durchzublicken genügt, als wenn sie sich vorzudrängen strebt. Unstreitig ist also die weibliche Schönheit mit dem Ausdruck, aber nur mit dem höchsten verträglich. Nur der Charakter, nicht der beschränkte Zustand vorüber gehender Neigungen und Affekte stellt sich mit Glück in ihr dar, und auch jener nur in der harmonischen Einheit seiner Kräfte, und der Totalität seiner Anlagen. Leichter verstattet daher die Weiblichkeit den Ausdruck der Phantasie und Empfindung, als des Verstandes, da dieser mehr auf Trennung, wie jene auf Verbindung, gerichtet ist. Allein selbst die Verstandeskräfte wirken in dem Weibe weniger trennend als verbindend, woraus vorzugsweise die eigenthümliche Erscheinung entspringt, die wir Geist nennen, und die der Mann nicht immer mit gleicher Leichtigkeit erwirbt. Durchaus stehen daher Schönheit und Weiblichkeit in gleichem Verhältniß zum Ausdruck in der Gestalt; auf gleiche Weise droht er beiden Gefahr, und auf gleiche Weise ist er mit beiden zu vereinigen.
Ganz anders verhält sich dagegen der Ausdruck zur Eigenthümlichkeit der männlichen Bildung. Er mag auf einzelnen hervorstechenden Zügen beruhen, oder in die ganze übrige Gestalt feiner verflochten seyn, sich vordrängen oder bescheidner zurückstehn; so kann er zwar durch seine Stärke die Schönheit beleidigen, welche immer beide Geschlechter einander näher führt, aber das Charakteristische der Männlichkeit wird dabei eher gewinnen, als verlieren. Ist er daher bei dem weiblichen Geschlecht mehr versteckt, als sich von der rein menschlichen Gestalt erwarten ließe, so ist er bei dem männlichen deutlicher ausgesprochen. Deutlicher fällt er daher auch in der männlichen Bildung ins Auge, da er bei der weiblichen dem ungeübten Blick sogar oft entgeht. Weil aber die Übereinstimmung in der männlichen Gestalt mehr gedacht als empfunden wird, so scheint der männliche Ausdruck oft räthselhafter und sonderbarer, als der weibliche, der mit der ganzen Gestalt in Verbindung steht, und durch dieselbe erklärt wird. Eben darum aber erfodert der letztere, um vollkommen verstanden zu werden, einen von Natur feinen und vielfach geübten Takt, jener mehr eindringenden Scharfsinn, und durch Erfahrung unterstützte Urtheilskraft.
Das freieste Gebiet eröfnet sich dem Ausdruck in der Bewegung der Gestalt, und hier vorzüglich entfaltet der weibliche Charakter seine ganze Eigenthümlichkeit, die sich ungleich sichtbarer in dem wechselnden Mienenspiel, als in den bleibenden Zügen des Gesichts offenbart. Durchaus ist die Gestalt der Weiber sprechender, als die männliche; und, der Harmonie einer seelenvollen Musik ähnlich, sind alle ihre Bewegungen feiner und sanfter modulirt, da hingegen der Mann auch hier eine größere Heftigkeit und schwere verräth. Da in der weiblichen Seele die Phantasie immer dem Verstande, die Empfindung der Vernunft zuvoreilt, und dadurch beide, indem sie auch selbst unaufhörlich in einander übergehn, gemeinschaftlich die Einheit des Gemüths hervorbringen, nach welcher der Mann nur mit mühsamer Anstrengung strebt; so ist bei den Weibern auch das innre Leben weniger von der äußern Erscheinungsweise geschieden, und mit freiwilliger Leichtigkeit mahlt sich die Seele in dem bildsameren Bau. Von selbst theilt sich den Zügen die unbeschränkte Freiheit der Umrisse mit, durch welche der bloße Ausdruck in die Schönheit überfließt; denn nicht eine einzelne Bewegung, sondern die ganze Seele ist es, die aus derselben spricht, und zwar eine weibliche Seele, die, weil Phantasie und Empfindung in ihr herrschen, mehr das harte und feste, als das schwankende und unbestimmte flieht. Aber nicht die Gestalt allein, auch die Stimme, die noch mächtiger ist, unmittelbar die Empfindung zu wecken, trägt dieselbe Eigenthümlichkeit in beiden Geschlechtern an sich. Sanfter und melodischer, aber in mannigfaltiger wechselnden Schwingungen ertönt sie aus dem Munde des Weibes; einfacher, aber eindringender und stärker aus dem Munde des Mannes, und beide drücken die Gefühle ihrer Seele ihrem Charakter gemäß aus.
Auf jener zarten Bildsamkeit der weiblichen Gestalt, durch die sie ein treuer und heller Spiegel des Innern wird, beruht der eigenthümliche Genuß, welchen der Umgang mit dem andern Geschlecht gewährt. Nirgends spricht die Empfindung so unmittelbar zu uns, und nichts vermag daher auch so tiefe Gefühle zu wecken, so harmonische Stimmungen hervorzubringen. Den Mann, der durch seine Thätigkeit leicht aus sich selbst herausgerissen wird, wieder in sich zurückzuführen; was sein Verstand trennt, durch das Gefühl zu verbinden; seinen langsamern Fortschritten zuvorzueilen, und die höchste Vernunfteinheit, nach der er strebt, ihm in der Sinnlichkeit darzustellen, ist die schöne Bestimmung dieses Geschlechts, mit der auch die äußere Bildung desselben aufs genaueste zusammenstimmt. Daher beruhet auch die Macht des Weibes vorzugsweise auf der lebendigen Gegenwart, wo nicht vor den Sinnen, doch vor der Einbildungskraft. Zwar gilt eben dieß auch von dem Manne, wenn er in dem ganzen Adel seiner Bildung auftreten soll; auch seiner Gestalt ist eine Sprache eigen, welche das Herz mächtig ergreift, und die Stimmungen seiner Seele mit den feinsten Zügen mahlt. Allein um sein Inneres zu dieser Zartheit zu stimmen, und seinen äußern Bau einer solchen Bildsamkeit fähig zu machen, muß er sich von seinem Geschlecht gleichsam lossagen, und über den Naturzweck hinausgehen; also mehr leisten, als selbst seine höhere Bestimmung erheischt. Das weibliche Geschlecht hingegen muß gerade jede weibliche Eigenthümlichkeit mit schonender Sorgfalt zu erhalten bemüht seyn, um nicht jenen lebendigen Ausdruck seiner Gestalt selbst zu zernichten; und wenn ihm dieß Bemühen gänzlich mislingt; so sinkt es allein zu seiner Naturbestimmung und den Verrichtungen des äußern alltäglichen Lebens herab, oder geht zu Beschäftigungen über, die eigentlich nicht zu seinem Kreise gehören. Denn auch hier ist die Weiblichkeit, so bald man die Gränzen des bloßen Naturzwecks verläßt, nur das höchste zu geben geschaffen, und wer sich mit andern Foderungen an sie wendet, der beweißt bloß seine Unkenntniß des Geschlechts.
1 Sowohl bei diesem, als den nächstfolgenden Absätzen wird der Leser ersucht, sich an den, in den Briefen über ästhetische Erziehung im 1sten und 2ten St. Der Horen aufgestellten Begriff der Schönheit zu erinnern.