HomeDie Horen1795 - Stück 5IV. Das Spiel in strengster Bedeutung. [F. A. Weißhuhn]

IV. Das Spiel in strengster Bedeutung. [F. A. Weißhuhn]

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Ein selbstthätiges Wesen, das aber, so wie der Mensch, eine Mehrheit von Vermögen besitzt, die einander gegenseitig einschränken, kann sich sehr verschiedentlich bestimmt fühlen, je nachdem der Einfluß dieses oder jenes Vermögens in ihm die Oberhand hat, und der selbstthätigen Kraft die Richtung giebt. Es ist indessen, wenn ich von Stimmung spreche, hier nicht die Rede von jenen zufälligen und wandelbaren Gemüthslaunen, welche Folgen des besondern Charakters sind, der verschiedene Menschen verschiedentlich zur Liebe, zum Scherz, zur Schwermuth u. s. w. stimmt. Die Stimmung, von welcher ich rede, ist eine allgemeine, wozu Jedermann aufgelegt ist, und die mit einer andern, eben so allgemeinen, beständig abwechselt. Beyde sind also gleich natürlich, wenn man schon nicht sagen kann, daß die Eine dem Menschen so nothwendig als die Andere seye.

Nämlich es giebt ein gewisses Verhältniß der thätigen Kraft, die wir besitzen, dem zu Folge ihre Wirksamkeit von einem fremdartigen Einflusse (dessen Grund zwar im Menschen, aber nicht in der Selbstthätigkeit des Menschen liegt) ganz abhängig erscheint, und nach diesem, als im Dienste, durchaus sich richten muß. Wiederum giebt es ein Verhältniß der thätigen Kraft in Uns, nach welchem selbige, obschon mit den übrigen Gemüthsvermögen noch immer in genauer Verbindung, doch zuvörderst ihrer ursprünglichen Tendenz folgt, und, so zu sagen, mehr für eigne Rechnung thätig ist. Wenn nun das erstere ein untergeordnetes Verhältnis ist, so muß dagegen das letztere ein freyes Verhältnis heissen.

Es findet aber das subordinirte Verhältniß der Selbstthätigkeit sodann in uns Statt, wenn wir bestimmten Geboten der Vernunft Folge leisten, oder den nöthigenden Trieben der Sinnlichkeit uns fügen. In diesen Fällen giebt der bestimmte Trieb oder Befehl den bestimmten Zweck an, worauf die erforderlichen Kräfte in bestimmter Richtung angestrengt werden. Hiebey nun kann es nur wenig oder gar keinen Unterschied machen, ob die bestimmten Zwecke zum Behuf eben vorhandner Bedürfnisse wirklich ausgeführt, oder bloß als mögliche aber bestimmte Zwecke gedacht, und die Kräfte darauf provisorisch geübt werden. Denn die Erwerbung von Fertigkeiten und Einsichten zu einem bloß möglichen aber bestimmten Gebrauch, erfordert ein gleich untergeordnetes Verhältnis der arbeitenden Kräfte und Vermögen, und eben die angestrengte Richtung derselben, als die wirkliche Anwendung erworbener Fertigkeiten und Einsichten. Aber welche Gemüthsstimmung wird nun wohl im Menschen herrschen, wenn die Kräfte desselben in einem untergeordneten Verhältnisse nach bestimmten Zwecken wirken? Offenbar die ernsthafte, als die natürliche Begleiterin aller Anstrengung, es sey durch Vernunft oder Instinkt gewirkte Anstrengung, es sey durch Vernunft oder Instinkt gewirkte Anstrengung. Zwar kann, auch bey bestimmten Zwecken, die Intension der Kraft oft lange nicht bis zur Anstrengung gehen: die bestimmte Richtung wird doch noch Anstrengung nöthig machen; und Ernst ist nichts anders, als das Gefühl der Anstrengung, welches entweder die Spannung oder die bestimmte Richtung der Selbstthätigkeit, oder beyde zugleich begleitet. Noch einen Blick auf die Schattirungen des Ernstes zu richten: so fühlt sich der Mensch bey der Anstrengung, die ihm seine Pflicht kostet, jederzeit erhaben; und die Selbstthätigkeit im Dienste der Tugend, unterscheidet sich durch einen hohen Ernst. Wer seine Kräfte der Anregung des Bedürfnisses eben fügt, zeigt einen gleichgültigen Ernst. Wer sie ihm gern fügt, wird einen gierigen, und wer es ungern thut, einen verdrießlichen Ernst entdecken. Überall blickt die äusserlich genöthigte Selbstthätigkeit mit Ernst auf ihr bestimmtes Ziel. In den Wissenschaften hat die Selbstthätigkeit eine freyere Richtung auf einen Gebrauch überhaupt; weil aber ihr inneres Ziel dafür desto genauer bestimmt ist, so stimmt die Methode, welche hier jeden Schritt vorschreibt, den wissenschaftlichen Menschen auf einen strengen Ernst, der aber, wenn des freyern Interesse, womit er vergesellschaftet ist, etwas Liberales und Edles bei sich führt. Da übrigens in dieser Stimmung es Gemüths die Selbstthätigkeit durch etwas Äusseres, das ist, durch etwas im Subjecte, was sie nicht selbst ist, sich bestimmt sieht: so kann auch der Genuß aus der Thätigkeit selbst, dabei entweder gar nicht, oder doch nicht zunächst in Betrachtung kommen. Das Ziel, wohin man will, ist hier Alles. Vielleicht giebt es einen leichten und angenehmen Weg dahin? Gut, so schlage man ihn ein! sollte sie auch über nichts als Dornen und Disteln gehen, man müßte denn lieber den vorgesetzten Zweck aufgeben wollen. Allein aus bloßer Bequemlichkeit nothwendige Zwecke aufgeben, ist ein Vorwurf, den kein ernsthafter Mensch gern auf sich wird haften lassen. So bleibt uns auch der Erfolg hier weit dringender empfohlen. Wer ernsthaften Zwecken nachgeht, wird immer dahin bedacht seyn, von seinen Unternehmungen den Zufall, soviel möglich, auszuschliessen, und den ganzen Erfolg seiner Einsicht und Geschicklichkeit zu unterwerfen. Dieses erfordert die Nothwendigkeit, mit welcher hier Vernunft oder Sinnlichkeit, die untergeordnete Kraft auf bestimmte Zwecke führen. Es wird sich daher allzeit ein Missvergnügen unter die Freude über ein gelungenes Geschäft mischen, wenn man sieht, daß das Gelingen desselben dem Zufalle mit zu verdanken ist; denn man sieht zugleich, daß dieses Geschäft, soviel an uns war, misslingen konnte. Unsere nothwendigen Zwecke waren so offenbar aufs Spiel gesetzt, welches nicht seyn sollte.

Dem Ernste, ist in der Ökonomie des Menschen das Spiel entgegengesetzt. Es kann daher, mit Hülfe der so eben gelieferten Beschreibung von jener Gemüthsstimmung, soviel Schwierigkeit nicht haben, auch von dieser einen bestimmten Begriff zu bilden. Denn wenn es dem Gemüth, das sich zum Spiel stimmt, nicht um irgend einen Zweck zu thun seyn kann, der ausserhalb der Thätigkeit der spielenden Kräfte liegt: so muß er in dem Gefühl dieser Thätigkeit selbst liegen. Wenn ferner alle Anstrengung der Kräfte, sowohl der Intension als der Richtung nach, die Seele unausbleiblich ernsthaft macht: so werden die spielenden Kräfte ihre Thätigkeit, in Ansehung der Richtung und des Umfangs der Kraftanwendung, ganz unangestrengt und frey, das ist, nur so, so lange und in dem Grade äussern, als ihre Thätigkeit durch sich selbst belebt wird. Dieser allgemeine Begriff der spielenden Stimmung, wird durch das Spiel  dargestellt, welches, um diesen Namen zu verdienen, den zweckmäßigsten Stoff für diese Stimmung des Menschen zu liefern hat: um ihm den reinen Genuß einer unangestrengten Selbstthätigkeit, durch alle Sphären seines Wirkens zu verschaffen; und also den grösten Umfang freyer Thätigkeit, mit dem kleinsten Maase von Anstrengung zu verknüpfen. Denn da hier noch immer von Genuß die Rede bleibt, und die spielende Selbstthätigkeit auf sinnlichem Grund und Boden verharrt, indem sie das Vergnügen nur zu reinigen sucht, ohne selbiges zu verschmähen: so kann auch Freyheit hier nichts mehr bedeuten, als Befreyung von aller Spannung und Richtung der Selbstthätigkeit, diejenige ausgenommen, welche sie, um überhaupt noch thätig zu seyn, sich selbst gefallen läßt, und sucht.

Welches ist nun das Spiel, das dieser Stimmung ganz entspricht? wie heißt es? wie lauten seine Regeln? wo ist die Gesellschaft, der Klubb, darinn es gespielt wird? Diese Fragen scheinen auf weitaussehende Antwort zu deuten. Dem sey wie ihm wolle: eine so natürliche und allgemeine Stimmung des Gemüths, als die Stimmung zum Spiel, hat alle Aufmerksamkeit zu fordern. Auch läßt sich mit der hierzu erforderlichen Untersuchung, noch leicht der Zweck verbinden, welchen verständige Pädagogen haben, wenn sie den Charakter ihrer Zöglinge beym Spiel beobachten. Hier zeigt sich die Natur in ihrer grösten Unbefangenheit, und scheint sich ihren Launen gänzlich zu überlassen. Merkt man nun auf dasjenige, was ihr in der Stunde der Unbefangenheit gefällt: so bemerkt man gewiss auch Manches von demjenigen, was sie ist.

Erster Abschnitt.

Der Spieler, der bloß auf Gewinnst ausgeht, ist ein Spieler von Profession. Ein wunderlicher Titel, der einen Widerspruch im Beyworte enthält! Der rechte Spieler will nicht gewinnen; er will ohne Anstrengung seine Kräfte am Gegenstande versuchen, und weiß von äussern Zwecken nichts. „Aber ist Gewinnst nicht ein äusserer Zweck, der in den meisten Spielen doch wenigstens Rücksicht fordert?“ Fordert? Er fordert sie nicht; denn er ist durch kein nothwendiges Bedürfniß aufgestellt. Der Gewinnst ist in den meisten Spielen ein bloßes Aufmunterungsmittel aus der Ferne. Auch wird das Spiel, wo Gewinnst Statt findet, dadurch um nichts zweckmäßiger. Im Gegentheil; der Gewinnst ist ein Nothmittel an sich selbst unzulänglich beschäftigender Spiele, die man durch ein fremdes Interesse aufzustutzen sucht. Denn gerade so viel Rücksicht auf Gewinnst im Spiele ist, so viel weniger ist freye Thätigkeit, so viel weniger ist Spiel im Spiele.

Also nicht ein Zweck ausser dem Spiele, sondern Genuß aus freyer Thätigkeit der Kräfte, ist das Augenmerk der Spielenden; und Gelegenheit dazu, die erste Erforderniß des Spiels.

Allein wenn Jemand, ohne ernsthaften Zweck, bloß aus Gefallen am Geschick zur Sache, drechselt, oder Schlösser fertiget, oder nach einem Ziel schießt: so mag man dieses Handthieren zwar in so fern Spiel heißen, als eine Abspannung der gewohnten Anstrengung und kein äußerer Zweck dabey Statt hat. Indessen ein eigentliches Spiel wird man es doch nicht nennen. Aber warum nicht? Bloß darum nicht, weil der Zufall so wenig dabey zu schaffen hat, und also fast der ganze Erfolg der Operation in unsrer Gewalt steht. Das Ziel, oder der innere Zweck der Handlung, scheint fast immer so nahe und ferne, als es ist. Denn um dessen Entfernung zu messen, brauche ich bloß meine Geschicklichkeit zu messen, die mir so unbekannt nicht seyn kann. Ganz bestimmt muß ich sie zwar nicht kennen, denn sonst würde ich sie gar nicht am Gegenstande versuchen wollen; folglich findet auch noch ein Gelingen, folglich Zufall, folglich Spiel hier Statt. Aber doch offenbar nur sehr wenig. Ein solches Handthieren ist daher mehr freye Übung, als Spiel zu nennen. Auf jeden Fall ist der innere Zweck viel zu bestimmt, und erfordert fast einerley Richtung der Thätigkeit, also schon Anstrengung. Mit andern Worten: die bey solchen freyen, spielähnlichen Übungen interessirten Kräfte und Vermögen, finden, wegen des allzubestimmten Ziels, zu wenig Veranlassung den ganzen Zirkel ihrer Thätigkeit zu durchlaufen. Aber man mache einmal das Ziel unbestimmter und lasse dem Zufall mehr Raum; man schieße z. B. nicht nach einem festen, willkührlich bestimmten Ziele, einer Scheibe, sondern nach einem unstäten, unwillkürlichen, einem Wilde: sogleich wird die Übung lebhafter, sie nähert sich dem Spiele, und aus einer spielähnlichen Übung wird ein Übungsspiel. Oder man kann auch, bey einem übrigens bestimmten Ziele, dem Zufalle dadurch Zutritt verschaffen, daß man seine Geschicklichkeit nicht mit ihr selbst, sondern gegen die weniger bestimmbare Geschicklichkeit eines Gegners misst: so wird man Wettspiele haben. Dem Schachspiele, worinn der Zufall unmittelbar gar nichts zu thun hat, und wozu noch ausserdem ein namhafter Umfang der Kraftanwendung erforderlich ist, diesem Spiele, das, nach Herrn Gotters gründlicher Deduction

– – – „aus Übermuth
„Ein Schach, der nichts bedurft’, als Arbeit einst erfunden;“ –

würde, um ganz Arbeit zu seyn, nichts als der äussere Zweck fehlen, wenn nicht unmittelbar der Zufall dadurch wieder ins Spiel gezogen wäre, daß die Rolle desselben einem Mitspieler zugetheilt ist, der durch seine unbestimmten Pläne den unsrigen eine Diversion macht, um die Thätigkeit des Verstandes doch einigermaßen frey und lebendig zu erhalten.

Also der Zufall bringt Leben ins Spiel, und nur durch seinen Beytritt ist der Zweck des Spiels, nämlich Genuß aus freyer Thätigkeit der Kräfte, erreichbar.

Nur muß der Zufall dem Spiele selbst einverleibt seyn, und nicht wie beym Schach und allen Verstandesspielen, erst durch den Antagonismus eines Mitspielers hineingezogen werden. Denn sonst wird aus dem Spiele schon etwas Erzwungenes; eben weil die spielende Thätigkeit nicht bloß unmittelbar, durch die unstäten Wendungen des Spiels, sondern auch mittelbar, durch den Ehrgeiz einen Gegner zu besiegen, geregt wird. Thätige Kraft bleibt zwar noch im Spiele; aber es ist auch Leidenschaft (Ehrgeiz) darinn, die sie anstrengt, und also mit ihr, sein Spiel treibt. Die öffentlichen Wettspiele haben diesen Fehler, begreiflicher Weise, in einem noch höhern Grade. Daher sind sie für die Combattanten so wenig wahre Spiele, daß sie es nicht einmal für die Zuschauer sind:

„Siehst du nicht, wenn die Wagen geflügelten Kampf in das Feld hin
„Stürzen, und ungestüm den geöfneten Schranken entrollen,
„Wenn die Hoffnung gespannt in der Jünglinge klopfendem Herzen
„Wühlt, und pochende Angst? Sie drohn mit geschwungener Geisel
„Vorwärts, die Zügel gelößt, mit Gewalt stürmt glühend die Axe.
„Jetzo gesenkt und jetzo erhöht, erscheinen sie schwebend
„Durch die Öde der Luft, und emporgetragen zum Himmel;
„Nirgend ist Rast noch Verzug! Ein Gewölk des gelblichen Sandes
„Steigt, und sie feuchtet der Schaum, und dampfender Hauch der Verfolger.
„Solch’ ist die Liebe des Ruhms, so brennend der Durst des Triumphes.“

Welche Arbeit kann anstrengender seyn, als solche Spiele sind! Und die Zuschauer?

„Tum vero ingeminat clamor, cunctique sequentes
Instigant studiis, resonatque fragoribus aether.“

Wie viel Bewegung und wie wenig Thätigkeit! doch das möchte noch hingehen; wenigstens darf dieser Umstand hier noch nicht in Betrachtung kommen. Aber auch wie viel Leidenschaft und wie wenig frey Thätigkeit! der Zuschauer, der sich mit der höchsten Anstrengung des ehrgeitzigen Individuums, das er vor sich sieht, identificirt, muß starke Anwandlungen von gleicher Leidenschaft bekommen; und man lasse sich nicht dadurch täuschen, daß die poetische Schilderung solcher Spiele ein freyeres Interesse erweckt.

Also die Leidenschaft verdrängt die Selbstthätigkeit aus dem Spiele und verwandelt es in Ernst. Alle Wettspiele, es stehe Verstand oder körperliche Geschicklichkeit auf der Wette, haben diesen Fehler; mehr oder weniger.

Noch weit weniger, oder vielmehr gar nichts kann das Spiel von seiner unsere Selbstthätigkeit belebenden, wohlthätigen Natur behalten, wenn man darinn dem Zufall, und mit ihm der Leidenschaft, alles einräumt. Von dieser zweckwidrigen Art sind die so genannten Glücksspiele. Hier ist der äussere Zweck, der Gewinst, ganz in den Händen des Zufalls, und was das Schlimmste ist, doch dabey das einzige Augenmerk des Spielers. Es findet daher in solchen Spielen nicht einmal eine angestrengte, geschweige denn freye Thätigkeit, Platz. Wem kann es einfallen, Lotto z. B., mit Einsicht und Geschicklichkeit spielen zu wollen? Kaum giebt es für den Witz noch etwas da zu rathen. Kurz der Zufall ist hier gänzlich Meister, und dabey so eigensinnig und übermüthig, daß er die Selbstthätigkeit auch nicht zur Gesellin mag; er spielt mit einer Leidenschaft die auch ohne Thätigkeit in uns statt findet, nämlich mit der Habsucht, durch die er uns in einem wilden Cirkel von Furcht und Hofnung, nach Belieben herumtreibt. Übrigens mit dem platten Zufalle einen beträchtlichen Gewinst oder Verlust ganz willkührlich verknüpfen, verräth Unverstand; also doch immer einen negativen Gebrauch der Selbstthätigkeit. Und das ist auch der einzige Grund, warum die Hazardspiele, Spiele heißen. Der gröbste Unverstand, das ist, va banque! ist daher das Maximum in diesen heroischen Spielen.

Etwas zweckmäßiger geht es am Lobertische u. s. w. her; wo der präsidirende Dämon des Spiels, das Glück dem Spiele selbst einverleibt, und das Geschäft zwischen ihm und der Geschicklichkeit vertheilt hat. Hier tritt also wieder Thätigkeit ins Spiel, indem der immer eingreifende Zufall, mit dem Gange des Spiels den Plan des Spielers, beständig abändert. Dennoch schleicht das Ding oft seinen Alltagsgang so fort, daß keiner Seele weder wohl noch wehe dabey wird. Überhaupt, wäre gegen die Langeweile nicht der Gewinst zu Hülfe gerufen, die Thätigkeit würde bald einschlummern. Aber mit dem Gewinst drängt sich auch Leidenschaft herzu, und wo Leidenschaft ist, ist abgenöthigte Spannung. Auch werden die Dilettanten zugestehen, daß es in die Länge etwas verdrießlich fällt, nichts als schlechtes Papier in die Hand zu bekommen. Summa: das dabey concurrirende Glück ist offenbar ein Abkömmling von jener eigenwilligen, blinden, boßhaften Göttin, die nicht nur oft dem Dummen am liebsten beysteht, sondern auch gern Erwartungen erregt, um sie am Ende zu betrügen. Man weiß, wie oft auch an diesen Tischen, unter den Händen des geschicktesten Spielers, das beste Spiel ohne Rettung verloren geht! Und doch ist ein malheur incroyable noch das Beste, was Ein Spieler, zur Belebung des Spiels, dem Andern wünschen kann.

Also der Zufall im Spiele, muß kein launigter Dämon, es muß ein günstiger Genius seyn, er Erwartungen bloß hinhält, um sie am Ende vollkommen zu befriedigen.

Von den übrigen Gesellschaftsspielen, mit welchen zuweilen ersprießliche Leibesbewegungen verknüpft sind, merke noch an: daß sie insgesammt mit einem oder dem andern der bereits näher geprüften, in Verwandschaft stehen, und mithin ähnliche Tugenden und Fehler besitzen. Denn obgleich einige, insbesondere von den mit Bewegung vermischten, vor den angeführten Vorzüge haben mögen: so kann doch selbst das Billiardspiel, die Königin von allen, nicht füglich ohne Gewinnst bestehen, und nicht leicht ohne Eifersucht, Streit, Lärm und Langeweile, seinen Gang fortsetzen; indem bald zu viel Geschicklichkeit von der einen, bald zu viel blinder Zufall von der andern Seite, das Spiel ärgerlich macht und in Ernst verkehrt.

So hätten wir in der Geschwindigkeit die freyen Übungen (äusserer und innerer Thätigkeit,) die Übungsspiele, die Wettspiele, die doppelte Art von Glücksspielen, mit einem Worte, alle Spiele durchlaufen, in welchen die Materie des Spiels (der Gegenstand, womit die Selbstthätigkeit zu spielen denckt) aus mathematischen oder mechanischen Größen besteht, die für das Gefühl unmittelbar gar keine Bedeutung haben. Daher konnte aber auch unter ihnen das Spiel , nicht anzutreffen seyn. Denn da die Materie des Spiels die Selbstthätigkeit nicht unmittelbar reitzte: so mußte die Anregung durch einen, dem Wesen des Spiels fremdartigen, Zusatz geschehen.

In den freyen Übungen, wurde die besondere Stimmung zu jeder mitgebracht. Das Spiel  kann nur Stimmung zum Spiel überhaupt fodern. Es ging also ein ästhetisches Vorurtheil für das Mannigfaltige einer gewissen Handlungsweise voraus. – In den Übungsspielen fand die gleiche, weniger gespannte, aber dafür auch immer gegen das Langweilige durch Gewinst zu stärkende, Triebfeder Statt. Zu beyderley Spielarten, gesellten sich meist noch als Hülfs- und Nebenzwecke: Hinsicht auf ein Auslegen der Geschicklichkeit, und Rücksicht auf ersprießliche Leibesbewegung. – Die öffentlichen Wettkämpfer, bestimmte zur Übernehmung der höchsten Anstrengung, gehofter Preis, und Beyfall der Zuschauer, als der eigentlichen Spieler; welche theils Partheysucht zusammentrieb, theils Politick versammlete, theils leidenschaftliche Neugier aufregte. – Auf die fremde Triebfeder der Glücksspiele, ist nicht nöthig wiederholt aufmerksam zu machen: indem Jedermann von selbst zugestehen wird, daß die Materie dieser Spiele für sich keinen Reitz hat. Denn Karten, Steine, Würfel, Kugeln u. dgl., sind offenbar nichts als trockne mathematische Größen, durch willkührliche Zeichen dargestellt.

Von einigen der angeführten hingegen, worinn die Materie etwas Belebtes ist, wird man dieses nicht so gleich einräumen. Und allerdings läßt sich auch hier die Sache nur durch ein Entweder, Oder bestimmen. Die Materie des Spiels hat entweder zu wenig, oder zu viel Bedeutung. In den öffentlichen Wettspielen, wo der Zuschauer mit dem Ernst der Kämpfer spielt, ermisst er entweder die Geschicklichkeit und Stärke der Kämpfer als eine Größe des Beweglichen, die als solche doch immer sehr ermessbar bleibt. Da somit bey dieser Ermessung seine eigne Thätigkeit nicht sonderlich gereizt wird: so fühlt er sich höchstens zur frostigen Bewunderung einer fremden gestimmt, und der Gegenstand hat zu wenige Bedeutung. Oder er sympathisirt zugleich mit der leidenschaftlichen Anstrengung und Gefahr der kämpfenden Individuen: so wird er ausser sich gezogen, statt freyer Thätigkeit leidenschaftlicher Ernst in ihm erregt, und der Gegenstand hat zu viel ästhetische Bedeutung. In den Parforcejagden, Thierhatzen u. s. w., wo man mit dem Leben selbst, obgleich nur eines Thieres, spielt: muß erst die Sympahtie so gar verdrängt werden. Dadurch kommt nun freylich eine neue Triebfeder ins Spiel, aber welche? der Mensch identificirt sich auf einen Augenblick mit dem Thiere, um sich im nächstfolgenden Augenblicke über dasselbe erhaben zu fühlen. Hier spielt also Philavtie mit Sympathie, und der Gegenstand hat wiederum viel zu viel Bedeutung. Hat aber die Verhärtung ihr Sublimes erreicht: so ist wieder nur frostige Bewunderung, und zwar bloß thierischer Kräfte und Geschwindigkeit, zu erzielen, und die Materie des Spiels hat so fern noch weniger Bedeutung als in den Wettspielen. Gilt es vollends das Leben der Menschen, wie in den Fechterspielen: so wird entweder ein Gegenstand von ganz gleicher Bedeutung gemißbraucht, nicht, welches unmöglich ist, die Thätigkeit zu beleben, sondern die Philavtie zu kitzeln (sein Leben ist Materie zum Spiel für mich!); oder der Mensch, mit Francklin zu reden, verkennt die Thiere seiner Gattung gänzlich, und dünckt sich ein Dämon zu seyn: so sind wiederum so leicht ermeßbare Größen der Geschicklichkeit und Kraft der Gegenstand seines Spiels, daß die Bewunderung derselben, für einen Dämon, sogar in’s Läppische fällt. Und doch läßt sich Verhärtung und Frost, oder Kitzel der Philavtie noch steigern! Nämlich wenn der Ehrsüchtige mit dem Leben einer grossen Anzahl mit unter sehr edler Menschen, wie mit Schachsteinen spielt. Denn auf diesen Standort muß er sich gegen die Menschheit setzen, wenn er so mit ihr spielen will. Gesetzt nun auch der Spieler setzte sein eigenes Leben mit auf’s Spiel: so ist das nur ein Schachstein mehr, den er bloß aus wahnsinniger Selbstliebe wenigstens solange regt, als er nicht wirklich der böse Gott ist, der allein befugt ist, bey solcherley Spielen, worinn für ihn nicht einmal ein Antagonismus Statt findet, zu gähnen. Daher bleibt es von Alexander dem Großen immer ein sehr consequentes Stück, daß er sich zum Sohn des Jupiters erheben ließ: es sey nun zur Rechtfertigung seiner Kriegsspiele auf der Erde, oder zur Beschönigung seines vorhabenden Zugs in den Mond.

Zweyter Abschnitt.

Ich unterscheide unter den bisher kritisirten Spielen, Handlungsspiele und Schauspiele. Diese Unterscheidung indessen kann als allgemein angesehen werden. Unter den erstern, verstehe ich alle diejenigen Spiele, worinn das Mannigfaltige des Spiels unmittelbar durch die Spieler selbst hervorgebracht und geleitet wird. In diesen Spielen ist also die Thätigkeit der Spieler productiv. Hingegen in den letztern, den Schauspielen, wird ein anderweitig gegebenes und für die spielende Stimmung geordnetes Mannigfaltige, von den Spielenden bloß aufgefasst; und ihre Thätigkeit ist mithin nur inductiv hier beschäftiget. Nun sind die möglichen Handlungsspiele bereits sämmtlich angegeben worden. Nämlich die freyen Übungen, gränzen zunächst an die provisorischen Übungen der Wissenschaft und Kunst, als die äusserste Grenze der ernsthaft beschäftigten Selbstthätigkeit. – Ferner Übungsspiele, sind nichts als freye Übungen, nur unter mehrere Mitspieler vertheilt. Auch ist es darinn, wie in den freyen Übungen, jedem Spieler doch möglich, den ihm zugefallenen Theil der ganzen Aufgabe, durch angestrengte Geschicklichkeit vollkommen zu bewerkstelligen. Wie z. B. im Schach-Billiard-Kegelspiel, u. dgl. – Glücksspiele hiernächst, sind Übungsspiele, worinn jeder Spieler, wegen Beytritt des Zufalls, möglicher Weise nur einen Theil seines übernommenen Theils; und Hazardspiele, wo er wenig oder gar nichts mehr daran auflösen kann, und sich seine Thätigkeit, bey Leitung des Mannigfaltigen im Spiele, bloß auf Bewegung der Hände zur Darstellung einer höchst begreiflichen Regel, und auf Anwendung etwas nothdürftigen Witzes, eingeschränkt sieht. – Die übrigen Handlungsspiele sind Zusammensetzungen; und so nach ist die Reihe geschlossen. Denn das nächste, würde ein Spiel, wo man nicht einmal die Hand zu regen hätte, mithin gar kein Handlungsspiel seyn.

Aus diesen Bestimmungen ergiebt sich aber klärlich: daß eben darum, weil in den Handlungsspielen, die Geschicklichkeit zu Hervorbringung und Leitung des Mannigfaltigen des Spiels geschäftig ist, sofern allzeit Anstrengung nothwendig wird. Denn wie wollte man sich Anwendung der Geschicklichkeit, ohne Ziel und Richtung und Kraftaufwand dencken? Wird in die Handlungsspiele zur Belebung Antagonismus eingemischt: so zeigen sich sogar stechende Reitze des Ehrgeitzes zur angestrengtesten Thätigkeit. Gewinnst und Zufall mildern nun zwar diese; dafür aber läßt, wo Rücksicht auf Gewinnst statt findet, sich gefesselte und fesselnde, und wo Gewinnst und Zufall alles ist, selbst erhitzte Begierde blicken, und die Thätigkeit verschwindet fast gänzlich. – Auf diesem Wege kommt man also, von der einen Seite, bis an die höchste Anstrengung; und von der andern, bis dicht an die Grenze der bloß passiven Spiele, das ist, solcher Spiele, wo man zu spielen wähnt, wenn man mit sich spielen (sich etwa z. B. magnetisiren) läßt. Nun ist aus dem bisher und so eben Gesagten ferner klar: daß unter Handlungsspielen (von welchen die leidenschaftliche die Grenze machen) das ächte freye Spiel wegen beygemischter, oft sehr nahmhafter Anstrengung nicht könne gesucht werden. Nicht minder klar ist: daß es unter den passiven, die nur durch einen Widerspruch Spiele heißen, noch weniger zu suchen sey. Da nun, dem Allen zufolge, nur noch die Schauspiele, worinn die Selbstthätigkeit durch Intuition, Auffassung und Beurtheilung eines gegebenen Mannigfaltigen thätig bleibt, übrig sind: so wird sich das Spiel , entweder nirgends finden, oder unter diesen sich finden müssen.

Wir sind indessen dem schlechthin freyen Spiele schon um Vieles näher! Wie nahe, wird sich sogleich aus einer kurzen Recapitulation desjenigen ergeben, was über die Materie des Spiels ist angemerckt worden. Ich glaube nämlich erwiesen zu haben: daß Spiele, worinn die Materie des Spiels, unmittelbar, für die Empfindung entweder zu wenig, oder zu viel Bedeutung hatte, keine vorzügliche Spiele seyn konnten. Im ersten Falle, war der Mangel natürlicher Reitze, nur durch den erkünstelten Reitz der Hülfs- und Nebenzwecke, und des Antagonismus zu ersetzen, wodurch der Spieler was man wollte, nur keine freye Thätigkeit gewann. Im andern Falle, bey zu viel Bedeutung der Materie des Spiels, erhielt der Spieler einen Ruf von höherer Art, nämlich gar nicht damit zu spielen. That er es gleichwohl: so ergriff und schüttelte ihn unausbleiblich, entweder Leidenschaft oder Frost. Nun besteht die Materie des Spiels (der Gegenstand, das Ding, womit gespielt wird) so fern sie, an und für sich, zur Reitzung der Thätigkeit nicht hinlänglich ist, aus mathematischen und mechanischen Grössen; mit welchen im Gegensatz, als die zu viel bedeutende Materie, die moralischen Grössen stehen. Beyde sind aber, wie gezeigt worden, zur Materie des vorzüglichen, das ist, freyern Spiels, gleich untauglich. Folglich wird die schicklichste Materie zum Spiel, zwischen den mathematischen und moralischen Größen, in der Mitte liegen, und zum Unterscheid die ästhetische Größe heissen müssen.

Demnach ist das Spiel , ein Schauspiel, welches ästhetische Größen zum Gegenstande hat.

Von der ästhetischen Größe überhaupt und den Arten derselben.

Ich mache mir von dieser Art Größe, nach der vorhin gegebenen Anleitung, vorläufig folgenden Begriff:

Der Sinn muß davon unmittelbar angezogen werden, und die Selbstthätigkeit dennoch frey bleiben. In der Anschauung ist der subjective Theil des Eindrucks, gegen den objectiven gering; in der Empfindung ist das Verhältniß umgekehrt. Die ästhetische Größe wird zwischen beyden schweben, und sich bald der Anschauung, bald der Empfindung nähern. So wird die Selbstthätigkeit damit spielen können. Indem sie den Sinn einen Augenblick dem Genusse überlässt, und im nächsten Augenblick ohne Anstrengung davon zurückzieht, wird sie sich der Freyheit ihrer thätigen Kraft lebhaft bewußt werden. Die ästhetische Größe wird Empfindung seyn, die nicht fesselt; sie wird Anschauung seyn, die bey dem allen noch etwas Reizendes hat.

Wir sammeln einige Data zu diesem vorläufigen Begriff; aber auch diese fürs erste nur wiederum vorläufig und im Allgemeinen.

Wenn das Auge auf dem reizenden Grün einer Wiese verweilt, oder wenn man sich durch den Anblick des blauen Himmels angezogen fühlt: so ist jenes Verweilen, und dieser Zug, frey. Man ist sich bewußt, den Blick beliebig zurückziehen, den Genuß des Sinnes unterbrechen, und den reizenden Gegenstand, so wie man sich eben gestimmt fühlt, auch als ein bloß angeschautes Object behandeln zu können. Offenbar wird durch den Eindruck solcher Gegenstände so wenig eine Begierde erreat, welche die Selbstthätigkeit gefangen zu nehmen drohte, daß vielmehr der thierische Sinn dadurch niedergeschlagen, und der Geist in freyer Betrachtung sich erweckt fühlt. Ein Reizendes und Anziehendes dieser Art, kann daher demjenigen, was etwa den Gaumen kitzelt, oder irgend für das Gefühl behaglich ist, auf keine Weise gleich gestellt, und also auch nicht mit dem letztern unter eine und eben dieselbe Benennung des Angenehmen gebracht werden. Annehmlichkeiten von der letztern Art genießt man, entweder mit ganz abgewandtem Geiste, oder mit verschämter Besorgniß. Es ist ein eckelhafter Anblick, Jemanden darauf begierig zu sehen; und schon die Lüsternheit darnach, scheint, ihrem Begriffe nach, den Spott zu fürchten, der sie auch gewöhnlich trifft. Kurz, es sind Annehmlichkeiten; Genüsse, die man eben annimmt, weil man ihrer Gegenstände bedarf, sein physisches Daseyn zu fristen, gemäß der alten ehrbaren Regel: Nicht zu leben, um zu essen, sondern zu essen, um zu leben, u. s. f. Jene höhern Reize dagegen, geben dem Betrachter ein erheitertes Ansehen, welches etwas Edles bey sich führet; und wenn er den Blick darauf mit Andacht verweilen läßt, gewinnt er vielmehr unsere Achtung als unsern Spott. Ähnliche, ja noch stärkere Reize haben die Töne. Dennoch sind die dadurch erregten Empfindungen frey. Töne können sogar in einem gewissen Verstande trunken machen. Wer indessen von solchen Augenblicken des musikalischen Taumels zu erzählen hat, oder sich darinn betreffen läßt, hat weit mehr Lust stolz darauf zu thun, als sich desßhalb zu schämen. Daher giebt sich auch die Affectation so gerne die Mine von solchen freyen Empfindungen; weil fast Jedermann wenigstens so viel fühlt, daß es rühmlich ist, Sinn dafür zu haben.

Aber welches ist dieser Sinn? Denn wirklich scheint ein eigner Sinn, ein freyes Organ, dazu erforderlich; im Gegensatze mit den gebundenen und in sich verschlungenen Organen, worauf die Thierheit in Uns ihr Object bezieht. Hier fühlt man sich blindlings getrieben, den relativen Gegenstand aufzusuchen, und sieht sich unwillkührlich genöthigt, sich damit, zur Erhaltung des Individuums oder der Gattung, zu vereinigen. Zunöthigungen, wobey wir (so dünkt es dem menschlichen Genie) überhaupt eine erniedrigende Verwandschaft zur Körperwelt bekennen; und deren wir uns noch insbesondere zu schämen haben, sobald die mit der gesuchten Vereinigung verknüpfte Lust, nicht bloß als etwas davon unzertrennliches angenommen, sondern als Zweck, an sich mit Begierde ergriffen und mit Behaglichkeit und Hingebung genossen wird. Da es sich nun mit den freyen Reizen ganz anders verhält: so läßt sich auch eine ganz andere Beziehung derselben auf ein höheres, freyes Organ, nicht wohl in Abrede stellen. Nur muß es, der Einheit des ganzen Subjects gemäß, immer noch in einer gewissen Verbindung mit dem thierischen gedacht werden; eine Verbindung und Übergang, welche sich unter andern auch aus der musikalischen Harmonie, deutlich genug zu ergeben scheinen.

Jedoch die Sache des freyen Organs für jetzt dahin gestellt, so ist unstreitig so viel gewiß: daß in dem Urtheile über die, vorhin als Beyspiele angeführten, freyen Reize, jederzeit zweyerley Momente des Urtheilens sich unterscheiden lassen. Das Eine ist sinnlich und geht auf den Reiz, als etwas, wodurch man sich unmittelbar mit Lust afficirt sieht. Das andere geht auf die Freyheit des Reizes, und ist ein selbstthätiges Urtheil (der Reflexion), dem zu Folge die Lust am Gegenstande als etwas angesehen wird, was in keiner Beziehung au feinen bestimmten Trieb steht, und die Selbstthätigkeit mithin frey (unbefangen) läßt. Denn diese Probe macht sie augenblicklich, bey Vorhaltung solcher Reize, durch Reflexion oder Zurückziehung ihres freyen Vermögens. Daher folgt hier auf Wahrnehmung und Gefühl solcher Gegenstände (vorausgesetzt, daß sich die Person in einer freyen Stimmung befindet) allzeit Contemplation und ein willkührliches Verweilen bey denselben, als Gegenständen, die dem Sinne und der Selbstthätigkeit gleich angemessen sind, indem sie beyde zugleich befriedigen; jenen, durch das unmittelbare Gefühl der Lust, diese, durch das Bewußtseyn der Freyheit, (hier nur Unbefangenheit,) bey und neben der sinnlichen Lust. Vereinigt man nun die beiden Momente wieder so, wie sie, ausserhalb der Analysis, im Gemüth verknüpft erscheinen: so wird durch dieses vereinigte Urtheil der Gegenstand für eine ästhetische Größe erklärt; und das Urtheil selbst ist ein Geschmacksurtheil. Aber freylich nur ein Geschmacksurtheil vom niedrigsten Range; indem es lediglich die Materie der Gegenstände betrifft, und bloß den Grad ihres Eindrucks aufs Gefühl schätzt, ob er dem Subject noch so viel Freyheit (Unbefangenheit) läßt, als zum freyen Spiel mit Gegenständen nothwendig gehört, und doch auch dabey dem Sinne nach so viel Reiz macht, als erforderlich ist, die Selbstthätigkeit überhaupt zur Reflexion anzuregen.

Übrigens halte ich diese Unterscheidung der Geschmacksurtheile (die in Kants Kritik der Urtheilskraft übergangen ist) nicht für unwichtig, und es läßt sich absehen, daß sie in der Anwendung nicht bloß auf die angeführten Beyspiele eingeschränkt seyn wird. Vielmehr beruht alles, was ästhetische Wahrheit des Ausdrucks genannt wird, bis auf die Wahrheit der Charactere in aller Art von ästhetischer Darstellung, auf solchen Geschmacksurtheilen, die mit der freyen Form der Objecte noch gar nichts zu thun haben. Denn, bey unsern Beyspielen stehen zu bleiben, war es wohl die mannigfaltige zur Einheit zufällig übereinstimmende Form des Gegenstandes, was daran gefiel? Gewiß nicht. Was kann einförmiger seyn, als ein grüner reingehaltner Rasenplatz, als ein Feld des blauen Himmels, das sich überall gleich sieht, als einzelne Töne, die auch schon einzeln, gegen die mehr objectiven Schallperceptionen, Reize haben? Fürs Gefühl sind diese Gegenstände nichts als Einheiten, die, als Perceptionen oder Anschauungen, zwar ein Mannigfaltiges haben, ohne welches sie sonst gar nicht könnten aufgefasst und vorgestellt werden; aber als Reize betrachtet, sind sie Eins. Auch geht der freye Reiz derselben, bloß durch die Beziehung auf ein höheres Vermögen, nicht des Mannigfaltigen und der Einheit, sondern der Selbstthätigkeit überhaupt, hervor; als welche hier, wie gesagt, den Gegenstand nur so fern schätzt, als er Einen, den Sinn anziehenden, Eindruck macht, der ihr aber zugleich Veranlassung giebt, mitten auf sinnlichen Grund und Boden, ihrer Unbefangenheit von den Fesseln thierischer Triebe, als des niedrigsten Grades der Freyheit, sich bewußt zu werden.

2. Es folgen die Geschmacksurtheile vom zweyten Range, über die gefällige Form. Man kann den Sinn (sofern er sich an den äussern und innern Organen entdeckt) als passives Vermögen, das ist, nach seiner Fähigkeit betrachten, von relativen Eindrücken mit Lust oder Unlust unwillkührlich gerührt zu werden. Und von dieser Seite ist er so eben in Betrachtung gekommen. Er läßt sich aber auch als Instrument willkührlicher Äusserungen, und als Schätzungs- und Bestimmungsmittel der Selbstthätigkeit ansehen. Die Hand fühlt und befühlt. Das Ohr, das Auge, und die tiefer hinein liegenden sinnlichen Vermögen, sind für Ton, Farbe und sonst so mancherley Gefühle reitzbar; dienen aber auch zugleich Objecte zu fassen und zu bestimmen. Letzteres ist eben der höhere Gebrauch, welchen die Selbstthätigkeit von ihnen macht, der sie, bey geringer Anregung, so fort zu Gebote stehen, gleich fertig, das verlangte Object aufzusuchen, oder Form und Gestalt desselben, unter ihrer Aufsicht und nach ihrer Vorschrift (Begriff, Regel) zu bestimmen und zu ermessen. So wie nun das Thier, wenn dessen willkührliche Organe gerade nicht zum Behuf bestimmter und bestimmender Triebe instinktmäßig geregt werden, sich doch öfters, nach einem allgemeinen Antriebe der Lebensgeister, noch bewegt, und der Hund z. B. bloß um zu laufen, läuft: so ist auch das sinnliche Vermögen willkührlicher Handlungen im Menschen (die sinnlichen Werkzeuge) oft ohne besondern Antrieb rege. Nur daß es, beym Menschen, als zum Dienst des Verstandes gewöhnt, schon für sich weniger wilde Sprünge macht, und auch, lieber in der Sphäre der höhern, ungleich schnellern und feinern Sinne, sein Spiel treibt. An Träumereyen der Phantasie, bey offnen sowohl als geschloßnen Augen, muß aber hier nicht gedacht werden. Denn diesen ist jederzeit Empfindung mit beygemischt. Um die Stimmung zum Spiel mit Formen, von Seiten der Sinnlichkeit, ganz rein zu haben, stelle man sich eine durch blosses, trocknes Denken erhitzte (nicht erwärmte) Phantasie vor, die oft nachher noch lange, selbst wider Willen der Selbstthätigkeit, in Bewegung ist. Hiernächst Bewegungen dieser Art als characteristisch angenommen, werden nicht mehr das Phänomen transitorischer Erhitzung, sondern den bleibenden Ausdruck natürlicher Munterkeit geben, und diese wird gerade dem Begriffe von der Stimmung entsprechen, der zu Folge das Gemüth, in müssigen Stunden, so gern auf Formen und Gestalten absichtsloß herumschweift. Gesetzt nun das Auge trifft bey diesen Streifereyen auf Gegenstände, worüber es ohne Anstoß hingleitet, worauf der Blick mit Leichtigkeit herumreiset, von dessen fliessenden und sanft verschlungenen Umrissen es seinen Lauf noch mehr beflügelt fühlt: so kann diese erleichterte Anwendung seiner müssigen Kraft, nicht anders als ihm Vergnügen machen. Nun denke man sich hier das selbstthätige Vermögen (als Einbildungskraft) an den schweifenden Sinn (der seiner Seits der Form der Gegenstände folgt) so angeschlossen, und dem Schwunge desselben dergestalt überlassen, daß es zweifelhaft bleibt, von welchem von den beiden Vermögen, für jedes Moment, der reifere Antrieb herrührt: so wird das Urtheil des Sinnes und der Selbstthätigkeit über die Form sofern Eins seyn, wenigstens dieses mit jenem in eine Moment des Urtheilens zusammenfallen.

Bis hieher wurde das Geschmacksurtheil, von dem die Rede ist, von der Seite in Betrachtung gezogen, wo es ein Urtheil der Phantasie (Vermögen des unwillkührlichen Mannigfaltigen) und der Einbildungskraft (Vermögen des willkührlichen Mannigfaltigen) über Formen darlegt, die das muntere Spiel dieser Vermögen unmittelbar zu beleben dienen. Aber die Selbstthätigkeit wäre nicht Selbstthätigkeit, wenn sie blindlings1 den gaukelnden Sinnen folgte; sie muß und wird, ob sie gleich fürs erste mehr folgt, die gemachten Fortschwünge, hinterdrein auch ermessen (viam vgantis relegere). Und dieser Rückblick, als ein Punkt der Refelexion, ist es, wodurch das ästhetische Urtheil über die gefällige oder missfällige Form, erst seine Vollendung erhält. Hiebey ist nun nicht ganz gleichgültig, wie weit die Reflexion jedesmal den Weg zurück ermißt, und wie groß das Ganze ist, welches sie auf einmahl mit Leichtigkeit zu fassen, Fähigkeit oder Übung hat. Denn macht jener Umstand das Geschmacksurtheil über die Form etwas wandelbar, so bringt dieser Verschiedenheit hinein. Andere Abweichungen für jetzt zu geschweigen, welche sich bey Beurtheilung ästhetischer Größen hervorthun, je nachdem sie mehr aus transitorischen oder coexistirenden Formen bestehen. Soviel indessen weiß man schon aus dem allgemeinen Begriffe von diesen Urtheilen: Formen, (besonders des Coexistirenden, wo die subjective Fassungskraft weniger in Anschlag kommt) die in der ersten Auffassung gar nicht gefallen, können nie sonderlich gefallen, weil die eine Hälfte des Urtheils, so weit nämlich solches von Phantasie und Einbildungskraft abhängt, damit so gut als geschlossen ist. Denn Mannigfaltiges bleibt der Punkt, worauf im ästhetischen Urtheil über Form und Gestalt, der Stimmung zum Spiel gemäß, zuerst Rücksicht genommen wird. Beleidigt nun das Mannigfaltige allzuverschlungener, eckigter, verwirrter und verwilderter Formen, den Sinn und die Einbildungskraft in der ersten Auffassung, wo sie am meisten geschäftig sind: so mag eine widerhohlte Ansicht das Widerliche zwar in Etwas schwächen, aber alle Reflexionen, die ein aufrichtiges und reines Gefallen hineinlegen will, kommt zu spät, und fällt zu kurz. Hemsterhuis zwar versichert uns, durch wiederhohlte gedultige Contemplation, selbst in die verwirrtesten und bey der ersten Ansicht ganz missfälligen Formen, ein reines und freyes Gefallen hineinstudirt zu haben. Allein das heißt sich entweder aus Pflicht zu einem herzlichen Gelächter zwingen, oder so aufrichtig zu Werke gehen, als etwa ein Glücksspieler, der von der reinen Belebung des Kartenspiels spräche, und dabey an seinen Gewinnst dächte. – Und doch ist es noch weit schlimmer, wenn die Einheit der Form zu platt durchsticht. Denn in diesem Falle bleibt die Einbildungskraft ganz müssig. Folglich findet auch keine Reflexion ihres Schwunges, folglich auch gar kein Geschmacksurtheil eigentlich hier Statt. Formen von dieser Art werden bloß auf den Verstand bezogen, der sie entweder zu einem bestimmten, oder zu einem möglichen (mathematischen, mechanischen) Gebrauche, zweckmäßig finden kann. Hingegen ästhetisch geschätzt, sind sie kalte Figuren, ohne alles Leben, und das Rad des Spiels steht bey ihrem Anblick gänzlich stille.

Überhaupt die Einsicht in dieses verwickelte und flüchtigste aller Geschmacksurtheile etwas mehr zu fixiren, ist nöthig, die Aufmerksamkeit auf folgende Punkte zu schärfen:

Fürs erste, wenn vom ästhetischen Spiel, insbesondere mit Formen und Gestalten, die Rede ist, so ist nicht mehr die Selbstthätigkeit überhaupt, als ein freyes Vermögen im Gegensatze und Verbindung mit der Sinnlichkeit, als passivem Vermögen unwillkührlicher, mit Lust oder Unlust percipirter Eindrücke, im Spiele; sondern es ist die Selbstthätigkeit als Vermögen der Begriffe, im Gegensatze und Verbindung mit der Sinnlichkeit, als ihrem Schätzungsmittel zur Bestimmung der Begriffe. – Zweytens, Sinnlichkeit bedeutet hier jedes vorstellbare Werkzeug des willkührlichen Handelns und Bestimmens, vorzüglich jedoch die Phantasie, als das nächste Instrument der Selbstthätigkeit, es mag sich nun diese mit Begriffen beschäftigen, oder ihre Gedanken realisiren. Doch ist die Phantasie nichts, als ein blindes, untergeordnetes Vermögen. Einbildungskraft dagegen, ist die Selbstthätigkeit selbst, nämlich als Vermögen des (willkührlichen) Mannigfaltigen betrachtet. Eben dieselbe, als Vermögen der Einheit, wird gewöhnlich Verstand genennt; und beyde vereinigt, machen das Vermögen der Begriffe. Hierdurch wird aber die Selbstthätigkeit nur so fern bestimmt, als sie zur Intuition wirksam ist; welches hier, wo vom Spiel mit ästhetischen Größen gehandelt wird, zureicht. Denn dieses Spiel ist ein bloßes Schauspiel, worinn gar kein selbstthätiges Handeln vorkommt. – Drittens, das Vermögen der Begriffe ist von ganz freyem Gebrauche, sowohl der Einheit, als dem Mannigfaltigen nach. Denn nicht nur jeder Begriff läßt sich beliebig erweitern und enger fassen; auch das Vermögen der Begriffe selbst kann sich willkührlich stimmen, und dieser Stimmung zufolge bald mit der Einheit, bald mit dem Mannigfaltigen vorausgehen. Hat sich nun die Selbstthätigkeit zum Spiel gestimmt, so heißt das weder mehr noch weniger, als daß sie zunächst als Vermögen des Mannigfaltigen thätig seyn will. Denn wollte sie hier zunächst als Vermögen der Einheit thätig seyn, so wäre, nothwendiger Weise, vor allen Einheit in ihrer Richtung, und sie mithin zur Bestimmung der Form der Gegenstände thätig. Das ist aber ein Merkmal der ernsthaften Stimmung. Folglich muß sie dießmal mit dem Mannigfaltigen vorausgehen, und, als Vermögen der Begriffe, Formen erwarten oder suchen, welche die Einbildungskraft fürs erste zu beleben dienen, als deren freyen Schwunge sich das Gemüth, seiner gegenwärtigen Stimmung nach, zunächst überließ. Kommen ihr nun dergleichen Gegenstände vor: so entsteht ein ästhetisches Urtheil über die Form derselben, worinn sich folgende zwey Momente des Urtheilens jederzeit unterscheiden lassen: 1) Das Urtheil der Einbildungskraft (in Verbindung mit der Phantasie) über die Angemessenheit der gegebnen Form zur Freyheit (Entledigung vom Zange der Begriffsbestimmung) ihres Schwunges. 2) Das Urtheil des Verstandes, der den Schwung der Einbildungskraft in Etwas anhält, um die, dem Mannigfaltigen der Einbildungskraft, angemessene Form auf seine Einheit zu beziehen, ob sie auch dieser zusagt? Nun sagt sie, der Voraussetzung nach, auch dieser zu. Der Verstand findet mithin auch seine Einheit an eben der Form, auf die leichteste Weise, durch bloßes Anhalten der Einbildungskraft (Reflexion) befriedigt; und nun erst ist dieses ästhetische Urtheil geschlossen. So erhält denn die Selbstthätigkeit, als Vermögen der Begriffe, was sie eben suchte: das Bewußtseyn ihrer spezifischen Thätigkeit des Denkens und Begreifens, ohne dabey die Anstrengung und den Zwang der Richtung zu fühlen, die von aller Begriffsbestimmung sonst unzertrennlich sind. Wie wäre es möglich, daß die Formen, die sich ihrer müssigen Laune so günstig erzeigen, anders als mit Wohlgefallen und Gegengunst betrachten könnte? Letzteres ist jedoch ein Moment der Contemplation, welche auf das ästhetische Urtheil erst folgt; also vom Urtheil selbst kein Ingrediens ausmacht, als welches jederzeit mit der Reflexion sich schließt.

Das ist nun das ästhetische Urtheil vom zweyten Range, über die gefällige oder mißfällige Form. Ich nenne es darum ein Urtheil von höherm Range, als das vorhin in Betrachtung gezogene, weil es eine höhere Stimmung des Gemüths voraussetzt. Die zu Begriffen wirksame Selbstthätigkeit, steht, nebst ihrem zugeordneten Organ, offenbar auf einer höhern Stuffe der Willkühr, als wo sie ausser den Fesseln thierischer Triebe an freyen Reitzen, sich selbst zu fühlen, erst anfängt. Mithin ist auch das ästhetische Urtheil über die Form, was sie von diesem Standort aus fället, höher anzusetzen, als jenes über die Materie. Aber eben darum ist auch die Absonderung dieser beyden Geschmacksurtheile nicht gleichgültig; gesetzt auch, daß sie, in dieser gänzlichen Trennung, nur selten vorkämen. Es ist die kalte, darum aber nichts weniger als unbelebte Phantasie und Einbildungskraft, es ist die begreifende, daher aber auch gleich ursprünglich höher gestellte Selbstthätigkeit, welche, beym Geschmacksurtheil über die mißfällige oder gefällige, allzeit trockne, aber darum nichts weniger als todte Form, concurriren. Kommt nun zu dieser gefälligen Form noch der freye Reitz des Gegenstandes hinzu: dann erst entspringt Schönheit aus der Vereinigung beyder in einem und demselben Objecte. Die beflügelte Einbildungskraft würde über die gefällige Form zu schnell hingleiten, wofern ihr der freye Reitz des Gegenstandes nicht sanfte Fesseln zu weilender Betrachtung anlegte. Kurz, ein so inniges Gefühl, als mit dem Ausdruck schön doch meist verbunden wird, und immer sollte verbunden seyn, könnte, ohne die angezeigte Vereinigung, gar nicht Statt finden.

Der Begriff des Schönen hat auch noch ein Diminutif. Es ist dieses das Niedliche. Die Vereinigung freyer Reitze mit gefälliger Form, ist hier wie beym Schönen; nur alles nach einer kleineren Mensur. Gewisse subtile Geschmacksrichter sind daher sehr geneigt, Gegenstände dieser Art für Maxima des Schönen auszugeben. Allein es ist zu sichtbar, daß es nur die Minima sind. Eben diese Kenner entzücken sich aus eben dem Grunde oft über Niedlichkeiten, die sich ohne Brille kaum wahrnehmen lassen. Eine Gabe, die man ihnen wirklich zum Vorzug rechnen müßte, wenn sie nur nicht dadurch meist unfähig würden, das Große, Edle, Starke und Kraftvolle in der Natur und den Künsten, irgends noch ästhetisch, das ist, ohne Augenschmerz und so zu ermessen, daß ein ächtes Gefühl darauf erfolgen und ein kompetentes Geschmacksurtheil berechtigen könnte.

3. Und hier kommen wir auf das Geschmacksurtheil vom ersten Range, über das Erhabene; welches noch kürzlich zu betrachten übrig ist.

Gegenstände aufzusuchen und aufzufassen, deren Apprehension Schmerzen macht, ist die Sache des Sinnes und der Phantasie, an und für sich, nicht; am wenigsten Sache einer verwöhnten und verengerten. Wo es gleichwohl geschieht, da ist allzeit ein erweiterter Gebrauch des Erkenntnißvermögens, verknüpft mit einer nicht alltäglichen Capacität der höhern sinnlichen Werkzeuge vorauszusetzen. Voraussetzungen übrigens, die überhaupt zur Stimmung fürs Erhabene erforderlich sind. Rückt der individuelle, erhabene Gegenstand wirklich heran, und tritt in den Sinn ein: so muß noch eine positive Anregung, ja Spannung des Sinnes von Seiten der Selbstthätigkeit hinzukommen, die Größe des Eindrucks wo möglich zu überwinden, und der sinnlichen Fassungskraft zu unterwerfen. Eigentliche Anstrengung indessen ist es doch nicht. Denn erstlich ist sie willkührlich, und gleicht sofern gänzlich der muthwilligen Spannung (Spannung des willigen Muthes), wo etwa Jemand zur Lust die Stärke seiner Muskeln an irgend einer körperlichen Last versucht. Nur daß die Spannung des höhern Organs der Phantasie, ungleich leichter wird, und dennoch das Bewußtseyn einer unvergleichbar höhern und erweiterten Kraftanwendung giebt. Hiernächst dringt sich auch der erhabene Gegenstand dem Intuitionsvermögen von selbst zum Versuche auf, und es ist nur positiver Widerstand nöthig. Ferner ist, wie schon bemerkt, nicht die rohe Phantasie hier im Spiele, sondern die durch selbstthätigen Gebrauch erweiterte. Endlich wird der Eindruck des erhabenen Gegenstandes auch nur im letztern Momente erst schmerzhaft, mit welchem aber auch sogleich die Reflexion eintritt. Demnach ist die Genesis des erhabenen Gefühls (die Stimmung dazu vorausgesetzt) überhaupt so vorzustellen: der für den Sinn (Phantasie, Perzeptionsvermögen) überschwengliche Gegenstand beginnt den Eindruck, dessen Größe die Selbstthätigkeit sogleich zum positiven Widerstande, zur Spannung des Sinnes auffordert; der Eindruck wird gesteigert und mit ihm die Spannung der Selbstthätigkeit, die immer einen höhern, befassendern Standort sucht, bis sie endlich, wenn die Phantasie der möglichsten Spannung unterzuliegen droht, sich in ihre eigenthümliche Sphäre des geistigen Bewußtseyns zurückzieht, von welcher aus sie alles, was immer Vorstellung heißt, befasset, und in welcher Höhe sie nichts als was sie unmittelbar im Bewußtseyn hat, nämlich sich selbst als reinen Geist, groß, und nichts als wovon der Mensch selbst da noch sich abhängig sieht, nämlich die Gottheit, erhaben findet.

 

1 Der Verstand, der so folgt, folgt gar nicht; und der Mensch ist in diesem Falle kein ästhetischer Betrachter, sondern ein Gaffer.

"]"]