HomeDie Horen1797 - Stück 7III. Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville. [V. Carloix]

III. Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls von Vieilleville. [V. Carloix]

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Fortsetzung.

Die deutschen Fürsten beschlossen zu Augsburg eine Gesandtschaft nach Frankreich zu schiken, um den König zu bewegen, ihnen gegen den Kaiser (Karl V) beizustehen, der einige Fürsten hart gefangen hielt und sie schmählich behandelte. Die Gesandtschaft bestand aus dem Herzog von Simmern, den Grafen von Nassau, dessen Sohn, dem nachher so berühmten Prinzen Wilhelm von Oranien und andern vornehmen Herren und Gelehrten. Man schikte ihnen bis St. Dizier entgegen und verschaffte ihnen alle Bequemlichkeiten nach ihrer Art; denn sie reisten nur fünf, sechs Stunden des Tags und zwar vor der Mittagsmahlzeit, bei der sie dann immer bis neun oder zehn Uhr des Nachts sizen blieben; während dieser Zeit durfte man ihnen nicht mit Geschäften kommen. Sie hatten auch mit Fleiß diese Route gewählt, um sich recht satt zu trinken, denn von St. Dizier bis Fontainebleau kommt man durch die besten Weingegenden von Frankreich.

Vieilleville wurde, als sie zwei Stunden von Fontainebleau in Moret sich ausruhten, zu ihnen geschikt, um sie im Nahmen des Königs zu bewillkommen, welches der ganzen Gesandtschaft sehr wohl gefiel, besonders, da er sie sehr gut bewirthete. Er erfuhr daselbst, daß der Graf Nassau ein Verwandter von ihm sey; dieser wendete sich besonders an ihn, da er sehr gewandt in Geschäften war und auch die französische Sprache gut redete. Eines Tages, da Vieilleville viele von der Gesandtschaft zum Mittagsessen hatte, unter andern auch zwei Beisizer des kaiserlichen Kammergerichts zu Speyer und die Bürgermeister von Strasburg und Nürnberg, nahm der Graf Nassau Vieillevillen bei Seite, um ihn genauer von ihrer Sendung zu unterrichten. Diese Unterredung dauerte beinahe eine Stunde, als die vier Richter und Bürgermeister ungeduldig wurden und mit dem Grafen in einem sehr rauhen Ton anfiengen deutsch zu reden. Dieser aber machte ihren Zorn auf eine sehr geschikte Art lächerlich, indem er ganz laut auf französisch, welches sie nicht verstanden, sagte: „Wundern Sie sich nicht, meine Herren, dass diese Deutschen so aufgebracht sind, denn sie sind nicht gewohnt, so bald von Tisch aufzustehen, nachdem sie so vortreflich gegessen und so köstlichen Wein getrunken haben.“

Vieilleville hinterbrachte dem König alles, wie er es gefunden und gehört hatte. Dieser war so wohl damit zufrieden, dass er ihn den andern Morgen rufen ließ, und ihn zum Mitglied des Staatsraths ernannte. Die Gesandten hatten eine feierliche Audienz bei dem König und gleich darauf wurde Staatsrath gehalten, worinnen Heinrich II. vortrug, wie wenig rathsam es sey, Krieg mit dem Kaiser anzufangen. Nach dem König nahm sogleich der Connetable von Montmorency ausser der Ordnung das Wort und stimmte gegen den Krieg, ihm folgten die übrigen, bis die Reihe an Vieillevillen kam, der der ganzen Versammlung auf eine sehr bündige Art vorstellte, wie es die Ehre der Krone erfodere, den deutschen Fürsten beizustehen. Er eröfnete sodann dem König in geheim, was ihm der Graf Nassau anvertraut hätte, dass nehmlich der Kaiser sich in Besiz von Metz, Toul, Verdun und Strasburg sezen wollte, welches dem König sehr nachtheilig seyn würde. Der König sollte daher ganz in der Stille sich dieser Städte, die eine Vormauer gegen die Champagne und Picardie waren, bemächtigen. „Und was den Vorwurf betrifft, Herr Connetable, indem er sich zu ihm wendete, den sie so eben bei Ablegung ihrer Stimme geäusert, daß die Deutschen eben so oft ihren Sinn ändern, als ihren Magen leeren und leicht eine Verrätherey hinter ihrem Anerbieten steken könne, so wünschte ich lieber mein ganzes Vermögen zu verlieren, als daß ihnen dieses zu Ohren käme, denn wenn solche souveraine Fürsten, wie diese sind, davon einer dem Kaiser bei seiner Wahl den Reichsapfel, der die Monarchie anzeigt, in die linke Hand, der andere den Degen, um sich zu schüzen, in die rechte giebt, und der dritte ihm die kaiserliche Krone aufsezt, weder Treu noch Glauben halten; unter was für einer Rasse Menschen soll man diese denn finden?“

Auf dieses wurde auch der Krieg beschlossen, und zu Ende des März 1552 sollte die Armee auf der Grenze von Champagne beisammen seyn, welches auch mit unglaublicher Geschwindigkeit geschah. Der Connetable nahm durch Kriegslist Metz weg, und kurz darauf hielt der König daselbst seinen Einzug. Bei dieser Gelegenheit musterte er seine Armee und fand unter andern fünfhundert Edelleute, die er nie hatte nennen hören, sehr gut equipiert. Der König übergab dieses schöne Corps dem jungen Espinay, Vieilleville’s Tochtermann, welcher auch an der Spize desselben tapfre Taten verrichtete.

Die Einnahme von Metz war aber auch die einzige Frucht dieser Ausrüstung; denn die andern Städte waren aufmerksam geworden und man fand sie gerüstet. Auch ließen die deutschen Fürsten den König wissen, daß ihr Friede mit dem Kaiser gemacht sey. Dieser leztere hatte sich kaum der einheimischen Feinde entlediget, als er mit einer zahlreichen Armee gegen Strasburg rükte, den Franzosen die eroberten Grenzstädte wieder weg zu nehmen. Auf das erste Gerücht dieses Einfalls warf sich der Herzog von Guise mit einem zahlreichen tapfern Adel in die Stadt Metz, auf welche man den Hauptangriff erwartete. Verdün bekam der Marschall von St. André zu vertheidigen, und in Toul, wohin der König den Herrn von Vieilleville bestimmt hatte, hatte sich der Herzog von Nevers geworfen, ohne einen königlichen Befehl dazu abzuwarten. Der König ließ es auch dabei, so gern er Vieilleville belohnt hätte, und schikte diesen nach Verdun, um dem Marschall von St. André, dessen Lieutenant er noch immer war, bei Vertheidigung dieser Stadt gute Dienste zu leisten.

Vieilleville ließ Verdün sehr befestigen, allein zu seinem größten Verdruß erfuhr man, daß der Herzog von Alba nicht auf diesen Plaz losgehen würde, sondern die Belagerung von Metz angefangen hätte. Er nahm sich daher vor, die kaiserliche Armee, die sich wegen ihrer Grösse sehr ausdehnen muste, so viel möglich im Freyen zu beunruhigen und sie in enge Grenzen einzuschliessen. Auch that er dem Feind durch einige unvermuthete Überfälle vielen Schaden. Er erfuhr, daß die Stadt Estain in Lothringen, welches Land vom Kaiser und den Franzosen für neutral erklärt war, den Kaiserlichen viele Lebensmittel zuführte, und beschloß daher, sich von Estain Meister zu machen. Er kam vor die Thore, nur von zwölf Edelleuten zu Pferde begleitet, deren jeder einen Bedienten bey sich hatte; er selbst hatte vier Soldaten als Bediente gekleidet, bey sich. Ein kleines Corps ließ er in einiger Entfernung ihm nachkommen, das auf den Ruf der Trompete herzueilen sollte. Vor dem Thore ließ er den Maire und den Amtmann rufen und machte ihnen Vorwürfe, daß sie die Feinde der Krone unterstüzten. Sie entschuldigten sich damit, daß sie thun müsten, was ihre Herrschaft ihnen beföhle und das Beste ihrer Unterthanen mit sich brächte, die ihre Landesprodukte gern mit Vortheil an Mann bringen wollten. „Und wie, sagte Vieilleville, können wir nicht auch etwas für unser Geld haben. – O! warum nicht, antworteten sie. – Nun so geht, befahl er den Bedienten, und holt für uns und unsere Pferde für sechs Thaler. Blas Trompeter, unterdessen ein lustiges Stükchen, denn bald werdet ihr euch etwas zu Gute thun.“ Die wenigen Lanzenknechte, so der Amtmann bey sich hatte, wollten zwar den Bedienten den Eingang streitig machen, aber sie wurden übel zusammengestoßen. Die vier Soldaten stiegen sogleich auf das Fallgatter daß es nicht heruntergelassen werden konnte. Jezt waren schon die zwölf Pferde in dem Thor, und nun kam auch das Corps an, drang mit in die Stadt, und so waren sie Meister derselben. Zehn bis zwölf Spanier, unter andern ein Verwandter des Herzogs von Alba, waren bey dem Amtmann, hatten aber Lerm gehört und über die Stadtmauer sich gerettet. Vieilleville war so aufgebracht darüber, daß er den Neffen des Amtmanns, der ihnen durchgeholfen hatte, aufhängen ließ.

Sechs Tage nach dieser Expedition überfiel er das Dorf Rougerieules, worinn fünf Companien Lanzenknechte und eben so viele Schwadronen Reiter lagen. Die Deutschen in dem Dorf wurden überfallen und alle niedergemacht oder gefangen. Des Morgens um sieben Uhr war alles vorbei und Vieilleville schon wieder auf dem Weg, so daß, als ein Theil der Armee des Markgraf Alberts von Brandenburg gegen ihn ausrükte, sie nur das leere Nest fanden.

Vieilleville gieng nach Verdun zurük, um seinen Leuten und sich Ruhe zu gönnen, denn er war drei Wochen lang bei strenger Kälte in kein Bett gekommen, hatte auch die Kleider nicht abgelegt. Es freuete ihn sehr, als er in die Hauptkirche von Verdun kam, die Fahnen, welche er dem Feinde abgenommen und dem Marschall von St. André geschikt hatte, rechts und links in zwei Reihen hangen zu sehen. Er fügte diesen noch die lezt eroberten eilf Fahnen und Standarten bei, und so überschikten sie dem König zwei und zwanzig Stüke.

Kaum waren aber acht Tage verflossen, so kam ein Courier vom König an Vieilleville, durch den er Befehl erhielt, sich nach Toul zum Herzog von Nevers zu begeben und diesem beizustehen, indem zu befürchten sey, daß der Kaiser, der mit Metz nicht fertig werden könnte, Toul belagern würde. Er möchte so viel Volk als möglich aus Verdun mit sich nehmen, um den Herzog zu verstärken, ohne jedoch den Marschall von St. André zu sehr zu schwächen; denn man wußte noch nicht eigentlich, welchem von beiden Pläzen es gälte. Vieilleville nahm nur wenig Mannschaft mit sich und ließ die erfahrensten Kapitains bei dem Marschall.

Gleich den andern Tag war Conseil bei dem Herzog von Nevers, worinn beschlossen wurde, den Albanesern und Italiänern, die in Pont-à-Mousson in sehr starker Anzahl lägen, auf alle nur mögliche Art zu Leibe zu gehen und ihren Streifereien ein Ende zu machen. Vieilleville erbot sich, mit seinen aus Verdun mitgebrachten Soldaten den Anfang zu machen und versprach die Räubereien, welche jene Garnison verübt hatte, reichlich zu vergelten. Er schikte, gleich nach obiger Berathschlagung, einen seiner Vertrauten und Spionen, deren er zwei bei sich hatte, heimlich nach Pont-à-Mousson, wohl unterrichtet von dem, was er bei den Fragen, die man an ihn thun würde, antworten sollte, und auf was er sorgfältig zu merken habe. Er sollte vorgeben, als gehörte er zum Hause der verwittweten Herzogin von Lothringen, Christine, einer Nichte des Kaisers, und habe von ihr Aufträge ins kaiserliche Lager. Er ging spät aus, um eine gültige Entschuldigung zu haben, daß er diesen Tag nicht weiter reiste, damit er die Stärke der Feinde, und was sie im Werk haben könnten, desto eher entdeken möchte. Dieser gewandte und entschlossene Mensch, machte sich also, ohne daß jemand etwas davon wußte, mit seiner gelben Scherpe, die das Lothringische Zeichen der Neutralität war, auf den Weg, und kam in weniger als drei Stunden vor den Thoren von Pont-à-Mousson an. Man fragte ihn, wo er herkomme? Wo er hinwolle? was er zu verrichten und ob er Briefe habe? Er verlangte vor die Befehlshaber geführt zu werden, so gewiß war er seiner Antworten. Da er vor sie kam (es waren diese Don Alphonso d’Arbolancqua, ein Spanier, und Fabricio Colonna, ein Römer, wusste er ihnen auch auf alles so schicklich zu antworten, dass sie ihn nicht fangen, noch seine eigentliche Bestimmung entdeken konnten. Er bat sich nun die Erlaubniß aus, in sein Logis zu gehen, und fragte, ob sie nichts bei Sr. Kaiserl. Majestät zu bestellen hätten; er hoffe, morgen dort zu seyn, und würde ihnen treue Dienste leisten.

Sie fragten ihn, da er durch Toul gereist sey, ob er nicht wisse, daß Truppen von Verdun angekommen, die ein gewisser Vieilleville angeführt. Hierauf fieng er an: „O diese verdammte französische Kröte! Neulich ließ er zu Estain, das er überfiel, einen meiner Brüder hängen, der bei meinem Onkel, dem Amtmann, war, weil er Spaniern über die Stadtmauer geholfen hatte. Daß ihn die Pest treffe, mich kostet es mein Leben, oder ich räche mich an ihm, denn die Ungerechtigkeit war zu groß, da wir doch alle verbunden sind, dem Herrn, dem wir dienen, alles zu thun, wie dies der Fall bei dem Kaiser und meiner Gebieterin ist. Denn wenn zwei dieser Herren wären gefangen worden, so hätte man viele heimliche Geschäfte von Sr. Kaiserl. Majestät erfahren. Und dieser Wüterich hat meinen armen Bruder tödten lassen, und er hatte keine weitere Farbe, seine Übelthat zu beschönigen, als daß sie die Neutralität gebrochen hätten. Verdammt sey er auf ewig!“

Fabricio Colonna und Don Alphonso, die um Vieilleville’s Expeditionen recht gut wußten, und besonders diesen lezten Umstand kannten, merkten hoch auf. Sie nahmen ihn bei Seite und versprachen ihm den Tod seines Bruders zu rächen, wenn er thun würde, was sie ihm sagten. Er antwortete darauf: daß er auch sein Leben dabei nicht schonen würde; aber er bitte sie, vorher zum Kaiser gehen zu dürfen, um die Botschaft seiner Gebieterinn zu überbringen. Sie fragten ihn, warum er keine Briefe habe. „Weil, sagte er, meine Botschaft gewisse Staatsgeheimnisse des Königs von Frankreich enthält. Würde ich nun mit Briefen ertappt, so könnte ich die ganze Provinz ins Unglück stürzen, denn durch dieses ist die Neutralität verletzt und ich wäre in Gefahr, gefangen oder wenigstens gefoltert zu werden.“ Sie liessen sich mit diesem zufrieden stellen, und da sie ihn schon gewonnen glaubten, ihn in sein Logis zurükführen, mit dem Befehl, ihm das Thor von Metz mit dem frühesten Morgen zu öfnen, ohne sich um seine Geschäfte zu bekümmern.

Mit Anbruch des Tages zeigt er sich am Thor, das ihm auch ohne weiteres Nachfragen geöfnet wird. Er geht ins Lager, bleibt daselbst den ganzen Tag, und weiß den Herzog von Alba so einzuschläfern, daß er sogar einen Brief von ihm an Fabricio und Alphonso, ihre Geschäfte betreffend, erhält, worinn ihnen besonders aufgetragen wird, auf einen gewissen französischen Befehlshaber, Nahmens Vieilleville, der dem Lager des Markgrafen Albert sehr vielen Schaden zugefügt, und jezt sichern Nachrichten zufolge, seit zwei Tagen mit Truppen in Toul angekommen, aufmerksam zu seyn. Vorzüglich befahl man ihnen den Überbringer dieses Briefes an, dessen Eifer für den Dienst Sr. Majestät bekannt sey. Sie sollten daher keinen Anstand nehmen, ihn zu gebrauchen.

Gleich nach Empfang des Briefes lobten ihn diese spanischen Herren sehr und sagten ihm, dass er gar nicht nöthig gehabt hätte, das Certifikat seiner Treue vom Herzog von Alba mitzubringen, denn seit gestern schon hätten sie sich durch seine Reden überzeugt, daß er kaiserlich gesinnt sey. Wenn er reich werden wollte, sollte er nur alles mögliche anwenden, den Feldherrn Vieilleville, der dem Lager des Markgrafen so geschadet habe, in ihre Hände zu bringen. Er antwortete darauf, dass er nichts anderes verlange, wenn er es dahin bringe, als daß er ihn umbringen dürfe, damit er ihm das Herz aus dem Leibe reiße, um sich wegen Ermordung seines Bruders zu rächen. Er forderte sie noch dazu auf, ihm als treuem Diener des Kaisers mit Macht bei dieser Unternehmung beizustehen, denn sein Bruder sey im Dienst Sr. Kaiserl. Majestät gehängt worden.

Sie, die diesen Eifer mit Thränen begleitet sahen, denn diese hatte er in seiner Gewalt, zweifelten nun gar nicht mehr, umarmten ihn und Don Alphonso will ihm eine goldene Kette, funfzig Thaler werth, umhängen; aber er verwirft dieses Geschenk mit Unwillen, und sagt: daß er nie etwas von ihnen nehmen würde, wenn er nicht dem Kaiser einen ausgezeichneten Dienst geleistet und bei einer andern Gelegenheit als hier, wo sein eigenes Interesse am meisten im Spiel sey, denn er habe hier sein eigen Blut zu rächen. Zugleich bat er sie, nicht weiter in ihn zu dringen und ihm nur freie Hand zu lassen. Nur sollten sie ihm jezt erlauben, sich seiner guten Gebieterin sogleich zu zeigen; er verspreche, auf seiner Rükkunft ihnen gute Nachrichten zu bringen.

Eine so edelmüthige Weigerung, das Geschenk anzunehmen und alle die schönen Worte brachten Don Alphonso und Fabricio ganz in die Schlinge, so daß sie seine Treue gar nicht mehr in Zweifel zogen. Sie ließen ihn jezt abreisen, um ihn bald wieder zu sehen.

Er machte sich nun sogleich auf den Weg und kam zu Vieilleville zurück, der ihn schon für verlohren hielt, denn er war schon drei Tage ausgeblieben. Die Nachrichten, welche er mitbrachte, gaben jenem eine kühne und seltsame Kriegslist ein, welche er auch sogleich ins Werk sezte, ohne einen Menschen dabei zum Vertrauten zu machen. Er instruirt ihn, nach Pont-à-Mousson zurük zu gehen und den Spaniern zu hinterbringen, dass Vieilleville mit Anbruch des Tages nach Condé sur Mozelle reiten würde, um mit seiner Gebieterinn, die daselbst sich aufhielt, Unterhandlungen zu pflegen; denn die Herzogin fürchte, wenn der Krieg zwischen Frankreich und dem Kaiser noch lange dauern sollte, man möchte ihren Sohn das Piemonteser-Stükchen tanzen lassen, (ihn, wie den Herzog von Savoyen, um sein Land bringen); er solle aber ja sich der nämlichen Worte bedienen. Er solle noch hinzusetzen, dass Vieilleville, der die Garnison von Pont-à-Mousson fürchte, hundert und zwanzig Pferde, und darunter einige gepanzerte, zur Begleitung mit sich nehmen würde. Er brauche übrigens gar nicht sehr zu eilen, damit Vieilleville Zeit habe, seine Anstalten zu machen, und könne er nur den gewöhnlichen Schritt seines Pferdes reiten.

Des Nachts um eilf Uhr ritt der Kundschafter weg, und kam um zwei Uhr nach Mitternacht bei den Spaniern in Pont-à-Mousson an, welche durch seinen Bericht in ein frohes Erstaunen gesetzt werden. Mit möglichster Schnelligkeit machen sie ihre Anstalten diesen glüklichen Fang zu thun, an dem sie gar nicht mehr zweifelten. Die ganze Garnison, die noch einmal so stark war, als der Feind, dem man sie entgegenführte, mußte ausreiten, so daß nur etwa fünfzig Schüzen in der Stadt zurükblieben, und man hielt sich des Sieges schon für gewiß.

Vieilleville hatte indessen, sobald der Kundschafter aus den Thoren von Toul war, alle seine Hauptleute bei dem Herzog von Nevers zusammenberufen und ihnen erklärt, daß er ein muthiges Unternehmen vorhabe, wobei sie sich aber nicht verdrießen lassen müßten, zehn Stunden zu Pferde zuzubringen. Er versicherte ihnen, es würde dabei etwas herauskommen, und sie viel Ehre und Vortheil davon tragen. Alle waren es zufrieden und machten sich sogleich bereit. Sie zogen aus der Stadt aus, ritten dritthalb Stunden lang bis an die Brüke, gegen das Holz von Rouzieres. Hier vertheilte Vieilleville die Truppen und legte sie an verschiedene Pläze in Hinterhalt. Er selbst hielt mit hundert und zwanzig Pferden die Ebene und alles, was ihm in den Weg kam, arbeitende Landleute oder Wanderer, wurde festgehalten, damit der Feind nichts erfahren könnte. Sobald man den Feind sähe, sollte man machen, was Er mache; die Trompeter sollten auf Gefahr ihres Kopfes nicht blasen, bis Er es befehle. Noch muß man bemerken, daß er in der Abwesenheit seines Kundschafters sich in der ganzen Gegend umgesehen hatte, um die Lage recht inne zu haben, wo er als ein erfahrner Soldat seinen Hinterhalt am besten anlegen könnte.

Nachdem alles auf diese Weise angeordnet war, verflossen kaum drei Stunden, als der Feind sich zeigte. „Wenden wir uns um nach Toul zurück, sagte Vieilleville, als wenn wir fliehen wollten, jedoch in langsamem Schritt, und fangen sie an uns in Galop zu verfolgen, so galopieren wir auch, bis sie an unserm Hinterhalt vorbei sind. Geschieht dieses, so sind sie unser, ohne daß wir nur einen Mann verlieren.“

Der Feind, der sie fliehen sah, setzte ihnen in starkem Galop nach mit einem schreklichen Siegesgeschrey. So wie sie den Hinterhalt hinter sich haben, commandirt Vieilleville: Halt! und läßt den Trompeter blasen. Zugleich machen sie Fronte gegen den Feind und rüsten sich zum Angriff. Augenblicklich bricht nun auch der Hinterhalt hervor, hundert und zwanzig Pferde von der einen Seite, fünfzig leichte Reuter von der andern, von einer dritten zweihundert Schüzen zu Pferde, die unter einem unglaublichen Schreien und Trommelgetöse in vollem Rennen dahersprengen, welches die Feinde so überraschte, daß sie ganz bestürzt: Tradimento – tradimento riefen. Unterdessen warf Vieilleville alles nieder, was ihm entgegen kam. Schüsse fielen von allen Seiten, daß man nur schreyen hörte: Misericordia, Signor Vieillevilla… Buona Guerra, Signori Francesi. Der Kugelregen warf in ganzen Haufen Menschen und Pferde dahin, so daß Vieilleville das Gefecht und Gemezel aufhören ließ und der übriggebliebene Teil ergab sich, nachdem er die Waffen weggeworfen, auf Gnade und Ungnade. Zweihundert und dreißig blieben auf dem Plaz und fünf und zwanzig wurden verwundet, unter denen auch der Anführer Fabricio Colonna sich befand. Die übrigen blieben gefangen und kam auch nicht ein einziger davon, der das Unglük seiner Kameraden nach Pont-à-Mousson hätte berichten können.

Nach dieser tapfern und siegreichen Unternehmung schikte Vieilleville einen Teil seiner Leute, nebst dem gefangenen feindlichen Anführer zum Herzog von Nevers zurük, die andern Verwundeten oder Gefangenen aber wurden an einen sichern Ort gebracht. Die drey erbeuteten Standarten, ließ er dem Herzog sagen, könne er noch nicht mitschiken, da er sie zu einer Unternehmung nöthig habe, die ihm in dem Augenblik in den Sinn käme. Als man in ihn drang zu sagen, was dies für ein Unternehmen sey, antwortete Vieilleville: er sey keiner von den Thoren, die das Bärenfell verkaufen, ehe sie ihn gefangen haben. Auch wollte er es nicht machen, wie Fabricio Colonna, der ihn an seinen Kundschafter geschenkt habe, um ihn zu tödten und jezt selbst von seiner Gnade abhänge.

Nachdem jene weggeritten, rufte Vieilleville seinen Kundschafter und sagte ihm: „Nimm meine weiße Standarte, meinen Kopfhelm und meine Armschienen, und gehe nach Pont-à-Mousson. Bist du eine Viertelstunde von der Stadt, so fange an zu galoppieren und rufe Victoria, sage, dass Colonna den Vieilleville und sein ganzes Corps geschlagen, und daß er ihn mit dreißig oder vierzig andern französischen Edelleuten gefangen bringe. Zeige ihnen zum Wahrzeichen meine Waffen. Hier hast du vier unbekannte Diener, die dir sie tragen helfen. Nimm noch einen Bündel zerbrochener Lanzen mit dem weißen französischen Fähnchen, um deine Rede zu unterstüzen. Zeige ihnen ein recht fröhliches Gesicht und schimpfe auf mich, was du nur immer kannst, daß du in zwei Stunden mein Herz aus dem Leibe sehen müßtest, wenn ich es nicht mit zehntausend Thalern auslöste. Vergiß aber nicht, sobald du im Thor bist, auf dasselbe zu steigen, als wolltest du meine Feldzeichen daselbst aufhängen, und halte dich bei den Fallrechen und Fallbrücken auf, daß man sie nicht niederlasse. Gott wird das weitere thun.“

Saligny, so hieß der Kundschafter, machte sich frisch auf, um seinen Auftrag zu vollziehen, dem er auch pünktlich nachkam. Unterdessen befiehlt Vieilleville allen seinen Lanzenknechten und Schüzen, das weiße Feldzeichen zu verbergen und die rothen Schärpen der Toten und sonst alles, was sie von Kaiserlichen oder Burgundischen Zeichen an sich tragen, anzulegen. Von den eroberten spanischen Standarten gab er eine dem Herrn von Montbourger, die andere dem von Thuré und die dritte dem von Mesnil-Barré, mit dem Befehl, alle die, so aus der Stadt herauskämen, um die französischen Gefangenen zu sehen, umzubringen, wenn es nicht Einwohner seyen. Vergäße aber Don Alphonso sich so sehr, dass er selbst den Platz verliesse, um dem Colonna über einen so wichtigen Sieg Glück zu wünschen, so sollten sie ihn festhalten und entwaffnen, ohne ihm jedoch etwas anders zu Leid zu thun. Jezt voran im Namen Gottes, sagte er, die Stadt ist unser, wenn sich niemand verräth.

Jedermann stand erstaunt da, denn er hatte sich niemanden vorher entdekt und wußte man nicht, was er im Schild führte, als er den Kundschafter abschikte. Dieser sprengte, sobald er sich der Stadt näherte, mit seinen vier Waffenträgern im Gallop an, und rief: „Victoria, Victoria! der verdammte Hund von Franzmann, der Vieilleville und seine Leute alle sind geschlagen. Fabricio führt ihn gefangen dem Don Alphonso zu. Hier sind seine Waffen, seine Armschienen, sein Feldzeichen. Mehr als hundert Todte liegen auf dem Plaz, die andern alle sind geschlagen oder verwundet. Man hätte sie alle sollen in Stüke hauen, wenn es nach meinem Sinn gegangen wäre. Victoria! Victoria!“

Die Freude unter den Soldaten war so groß, daß die wenigen, so zurük geblieben, die Zeit nicht erwarten konnten, Vieilleville zu sehen, und Fabricio alle Ehre zu erzeigen; denn man zweifelte gar nicht an der Wahrheit. Don Alphonso, sobald er die Waffen und Armschienen, eines Prinzen würdig, so viele Lanzenstücke und weisse Standarten sah, fragte weiter nicht, sondern sezte sich zu Pferde und ritt, begleitet von zwanzig Mann, dem Fabricio entgegen. Orvaulx und Olivet, ganz roth gekleidet, kommen ihm mit dem Geschrei entgegen: Viktoria, Viktoria; los Franceses, son todos matados, (die Franzosen sind alle getötet.) Alphonso dem dieses Geschrey und die Sprache gar wohl gefiel, gieng immer vorwärts. Auf einmal fallen sie über ihn her, umringen ihn, machen alles nieder, was er bei sich hat, selbst die Bedienten, und nehmen ihn gefangen. Es kamen der Reihe nach immer mehrere nach, aber alle hatten dasselbe Schiksal.

Nun befahl Vieilleville dem Mesnil-Barré, dem Don Alphonso die Standarte, welches gerade die von seiner Companie war, in die Hand zu geben, und ihn zwischen den zwei andern reuten zu lassen. Einer, Namens le Grec, der spanisch redete, mußte ihm sagen, daß wenn er bei Annäherung gegen die Stadtthore nicht Victoria schrie, er eine Kugel vor den Kopf bekäme. Mesnil-Barré sollte dieses ausführen. Alles fieng jetzt an zu galopieren, als man einen Büchsenschuß vor den Thoren war. Le Grec war voran, der auf spanisch Wunder erzählte, so daß die Garnison, die ächt spanisch war, als sie Alphonso unter den Gallopierenden und Schreienden sah, Plaz machte und alles herein ließ. Man ließ ihnen aber nicht mehr Zeit die Brüke aufzuziehen, denn plötzlich änderte man die Sprache, und hieb sie alle zusammen. France, France! wird jetzt gerufen. Die Schützen kommen auch dazu, und besezen die Thore, und so ist Vieilleville Herr der Stadt. Man fand in derselben einen unerwartet großen Vorrath von Proviant, welchen die verwittwete Herzogin von Lothringen durch den Fluß heimlich hatte hinschaffen lassen, um unter der Hand die Armee des Kaisers, ihres Onkels, davon zu erhalten.

Was Don Alphonso anbetrifft, so fand man ihn den andern Morgen ganz angekleidet todt auf seinem Bette ausgestrekt. Vincent de la Porta, ein Neapolitanischer Edelmann, dem er von Vieillevillen übergeben worden, hatte ihn nicht dahin bringen können, sich auszukleiden, ob er gleich sehr in ihn drang. Die Kälte konnte nicht Schuld an seinem Tode seyn, denn der Edelmann und sechs Soldaten, mit denen er die Wache hielt, unterhielten im Zimmer ein so grosses Feuer, daß man es kaum darinn aushalten konnte. Es war Verzweiflung und Herzleid, sich so leichtsinnig in die Falle gestürzt zu haben, was ihm das Leben gewaltsamer Weise nahm. Dazu kam noch die Schande und die Furcht vor seinem Herrn jemals zu erscheinen, der ohnedem schon gegen alle Feldherren und vornehme Offiziere seiner Armee aufgebracht war, wie ihm der Herzog von Alba den Tag vor seiner Gefangennehmung geschrieben hatte, denn dieses war der Innhalt des Briefs, den le Grec ins Französische übersezte, wo einige lächerliche Züge vorkommen. Der Brief fieng nach einigen Eingangs Complimenten also an:

„Der Kaiser, der wohl wußte, daß die Bresche (vor Mez) ziemlich beträchtlich sey, aber keiner seiner Offiziere sich wagte hineinzudringen, ließ sich von vier Soldaten dahin tragen, und fragte, da er sie gesehen, sehr zornig: „Aber um der Wunden Gottes willen! warum stürmt man denn da nicht hinein? sie ist ja groß genug und dem Graben gleich, woran fehlt es denn bei Gott?“ Ich antwortete ihm, wir wüßten für gewiß, daß der Herzog von Guise hinter der Bresche eine sehr weite und grosse Verschanzung angelegt habe, die mit unzähligen Feuerschlünden besezt sey, so daß jede Armee dabey zu Grund gehen müßte. „Aber, beim Teufel! fuhr der Kaiser weiter fort, warum habt ihrs nicht versuchen lassen?“ Ich war genöthigt ihm zu antworten, daß wir nicht vor Düren, Ingolstadt, Passau, noch andern deutschen Städten wären, die sich schon ergeben, wenn sie nur berennt sind, denn in dieser Stadt seyen zehntausend brave Männer, sechzig bis achtzig von den vornehmsten französischen Herren und neun bis zehn Prinzen von königlichem Geblüth, wie Se. Majestät auf den blutigen und siegreichen Ausfällen, bei denen wir immer viel verlohren, ersehen könnten. Auf diese Vorstellungen wurde er nur noch zorniger, und sagte: „Bei Gott, ich sehe wohl, daß ich keine Männer habe; ich muß Abschied von dem Reich, von allen meinen Planen, von der Welt nehmen, und mich in ein Kloster zurükziehen; denn ich bin verrathen, verkauft, oder wenigstens so schlecht bedient, als kein Monarch es seyn kann; aber bei Gott, noch ehe drey Jahre um sind, mach ich mich zum Mönch.“ –

Ich versichere Euch, Don Alphonso, ich hätte sogleich seinen Dienst verlassen, wenn ich kein Spanier wäre. Denn ist er bei dieser Belagerung übel bedient worden, so muß er sich an Brabancon, Feldherrn der Königinn von Ungarn, halten, der diese Belagerung hauptsächlich kommandirt, und gleichsam als ein Franzose anzusehen ist, so wie auch die Stadt Metz im französischen Clima liegt; und rühmte er sich überdieß ein Verständnis mit vielen Einwohnern zu haben, unter denen die Tallanges, die Baudoiches, die Gornays, lauter alte Edelleute der Stadt Metz seyen. Auch haben wir die Stadt von ihrer stärksten Seite angegriffen, unsere Minen sind entdekt worden, und haben nicht gewirkt, so ist uns alles übel gelungen, und gegen alle Hofnung schlecht von statten gegangen. Wir haben Menschen und Wetter bekriegen müssen. Er bereut es nicht und bleibt dabei, und um seine Halsstarrigkeit zu deken, greift er uns an, und wirft auf uns alles Unglük und seine Fehler. Alle Tage sieht er sein FußVolk zu Haufen dahin stürzen, und besonders unsere Deutschen, die im Koth bis an die Ohren steken. Schikt uns doch ja die eilf Schiffe mit Erfrischungen, die uns Ihre Durchlaucht von Lothringen bestimmt haben, denn unsere Armee leidet unendlich. Vor allem andern aber seyd auf eurer Hut gegen Vieilleville, der von Verdun nach Toul mit Truppen gekommen, denn der Kaiser ahndet viel schlimmes, da er schon lange her seine Tapferkeit und Verschlagenheit kennt; so daß er sogar sagt, ohne ihn wäre er jetzt König von Frankreich; denn als er in die Provence, ins Königreich eingedrungen, sey Vieilleville ihm zuvor gekommen, und habe sich durch eine feine Kriegslist von Avignon Meister gemacht, daß der Connetable seine Armee zusammen ziehen konnte, die ihn hinderte, weiter vorzudringen. Ich gebe Euch davon Nachricht, als meinem Verwandten, denn es sollte mir leid thun, wenn unsere Nation, die er jedoch weniger begünstigt und in Ehren hält, als andere, dem Herrn mehr Ursache zur Unzufriedenheit gäbe, u. s. f. Nach Lesung dieses Briefs war es klar, welches die wahre Ursache seines Todes gewesen, denn Alphonso hatte gegen alle darinn enthaltene Punkte gefehlt.

Der Herzog von Nevers kam auf diese Nachrichten selbst vor den Thoren von Pont-à-Mousson an, eben da man sich zum Mittagsessen setzen wollte. Vieilleville gieng ihm sogleich entgegen; es wurde beschlossen, einen Courier an den König abzuschiken, dem man auch den Brief des Herzogs von Alba an Don Alphonso mitzugeben nicht vergaß. Einen andern Kundschafter, mit Namen Habert, schikte man ins kaiserliche Lager, um aufmerksam zu seyn, wenn der Herzog von Alba etwas gegen Pont-à-Mousson unternehmen würde, denn die Stadt war sehr schlecht befestigt, und Vieilleville war der Meinung, sie lieber sogleich zu verlassen, als zu befestigen; um die Neutralität nicht zu verletzen, und dem Kaiser keine Ursache zu geben, sich der andern Städte von Lothringen zu versichern.

Den andern Tag schlug Vieilleville vor, unter dem Schuz der Kaiserlichen Feldzeichen einige Streifereien in der Gegend vorzunehmen, und so die Feinde anzuloken. Der Herzog von Nevers wollte, aller Widerrede ungeachtet dabei seyn, doch überließ er Vieilleville alle Anstalten und das Commando. Sie zogen mit ungefähr vierhundert Mann aus und machten auf dem Weg viele Gefangene, da einige feindliche Trupps ihnen in die Hände ritten, die sie für Spanier und Deutsche hielten. So kamen sie bis Corney, den halben Weg von Pont-à-Mousson nach Metz, und nur zwei kleine Stunden vom kaiserlichen Lager. Da sie hier nichts fanden, trug Vieilleville, ungeachtet sie nicht sicher waren, dennoch darauf an, noch eine halbe Stunde weiter vorwärts zu gehen. Auf diesem Weg trafen sie ein großen Konvoi von sechzig Wägen unter einer Bedekung von zweihundert Mann an, die ihnen alle in die Hände fielen. Jezt war es aber zu spät, um nach Pont-à-Mousson zurükzukommen, denn sie waren auf vier Stunden entfernt, und es schneite außerordentlich stark. Es wurde daher beschlossen, in Corney zu übernachten, obgleich ein sehr unbequemes Nachtquartier daselbst war. Gleich den andern Morgen wurde wieder ausgeritten; dießmal traf man auf sechs Wägen mit Wein und andern ausgesuchten Lebensmitteln, welche die Herzogin von Lothringen dem Kaiser, ihrem Onkel, für seine Tafel schikte. Acht Edelleute und zwanzig Mann begleiteten diese Lekerbissen, worunter unter andern zwölf Rheinlachse und die Hälfte in Pasteten waren. Wie sie die roten Feldzeichen sahen, riefen sie: da kommt die Eskorte, so der Kaiser uns entgegen schikt! Wie groß aber war nicht ihr Erstaunen, als sie auf einmal rufen hörten: France! und alle gefangen genommen wurden.

Einer von den gefangenen Edelleuten, Namens Vignaucourt fragte: „ob dieser Trupp nicht dem Herrn von Vieilleville zugehörte.“ Warum? fragte Vieilleville selbst; „Weil er es ist, der Pont-à-Mousson mit den kaiserlichen Feldzeichen eingenommen hat, worüber der Kaiser außerordentlich aufgebracht ist. Ich war gestern bei seinem Lever, und ich hörte ihn schwören, daß, wenn er ihn ertappte, er ihm übel mitspielen wollte. Dieser Verräther Vieilleville, sagte er, hat mit meinem Feldzeichen Pont-à-Mousson weggenommen, und mit kaltem Blut meinen armen Don Alphonso umgebracht, auch alle darinn befindliche Kranke tödten lassen, und die Lebensmittel, die für mich bestimmt waren, weggenommen. Aber ich schwöre bei Gott dem Lebendigen, daß wenn er jemals in meine Hände fällt, ich ihn lehren will, solche Treulosigkeiten zu begehen und sich meines Namens, meiner Waffen und Zeichen zu meinem Schaden zu bedienen. Auch der mächtigste und tapferste Fürst müßte auf diese Art hintergangen werden. Er soll versichert seyn, daß ihm nichts anders bevorsteht, als gespießt zu werden, und verdamm ich ihn von diesem Augenblik an zu dieser Strafe, wenn ich ihn bekomme. Und ihr andern, euch mein ich, die ihr mein Heer commandiert, was für Leute seyd ihr, daß ihr nichts gegen diesen Menschen unternehmet? denn ich hörte noch gestern von jemand, der mir treu ist, daß er noch immer alle Tage mit seinen Soldaten herumstreift in rothen Scherpen mit den spanischen und burgundischen Feldzeichen, unter welchen er viele tausend meiner Leute ermordet, denn niemand sezt ein Mistrauen darein. Beim Teufel auch, seyd ihr Leute, so etwas zu ertragen, und liegt euch meine Ehre und mein Dienst nicht besser am Herzen.“ Auf diese zornige Äußerung entstand unter den Prinzen und Grafen, die in seinem Zimmer waren, ein Gemurmel, und sie entfernten sich voll Zorn. Vieilleville mag sich in Acht nehmen; denn sie sind sehr giftig auf ihn, besonders die Spanier, wegen des Don Alphonso d’Arboulanga, den er auf eine so grausame Art hat umbringen lassen.

Vieilleville antwortete darauf, daß Don Alphonso auf seinem Bette todt gefunden worden, und niemand seinen Tod befördert hätte. Vieilleville würde lieber wünschen, niemals gelebt zu haben, als sich einer solchen That schuldig zu wissen. Er fürchte sich jedoch nicht vor des Kaisers Drohungen. Seine Ehre erfodere, zu beweisen, daß es eine Unwahrheit sey, ihn einer solchen Unmenschlichkeit zu beschuldigen. Vignaucourt merkte an diesen Reden, daß Vieilleville mit ihm spreche; auch winkten ihm die andern zu, daher er nicht weiter fortfuhr.

Auf dieses beschloß Vieilleville, mit dem Herzog von Nevers sich zurükzuziehen. Kaum waren sie eine halbe Stunde von Corney als Habert einher gesprengt kam, und sie warnte, ja nicht in Corney zu übernachten; denn der Prinz von Infantasque käme mit dreitausend Schüzen und tausend Pferden gegen Mitternacht an; indem er dem Kaiser geschworen, Vieilleville lebendig oder todt zu liefern. Seyd willkommen, Habert, Ihr bringt mir gute Botschaft, sagte er darauf, und drang nun in den Herzog von Nevers sich nach Pont-à-Mousson zurükzuziehen, indem er einen solchen Prinzen nicht der Gefahr aussetzen könne; er selbst aber wolle bleiben, und diesen Spanier mit seinen grossen Worten erwarten. Wollet ihr alle, die ihr hier seyd, sprach er dann mit erhöhter Stimme, meinen Entschluß unterstützen? Auch habt ihr noch nie den Krieg anders geführt, als durch List und Überfall. Er nimmt darauf die rothen Standarten, und reißt sie in Stüken, befiehlt die spanischen Schärpen zu verbergen, und die französischen Zeichen anzulegen. Alle antworteten einmüthig, sie wollten zu seinen Füssen sterben, und zerrissen alles, was sie rothes an sich hatten. Der Herzog von Nevers stellte ihm vor, daß es eine Verwegenheit sey, in einem Dorfe, das keine Befestigung hätte, wo man von allen Seiten hinein könne, sich zu halten. Das ist alles eins, antwortete Vieilleville, ich weiß, womit ich diese Armee schlage, oder sie wenigstens fortjage. Sehen Sie dort jenes Buschholz und links diesen Wald; in jedes versteke ich zweihundert Pferde, die sollen ihnen unversehens auf den Leib fallen, wenn sie im Angriff auf unser Dorf begriffen sind, und wenn auch hundert Prinzen von Infantasque da wären, so würden sie davon müssen. Lassen Sie mich nur machen, mit Hülfe Gottes hoffe ich alles gut auszuführen, und in weniger als zwei Stunden will ich gerächt seyn.

Da der Herzog von Nevers sahe, daß er nicht abzubringen sey, bestand er darauf, bei dieser Unternehmung zu bleiben, welche Vorstellung ihm auch Vieilleville dagegen machte. Jezt wurde beschlossen, nach Corney zu gehen, um alles zu veranstalten; sie waren nur noch tausend Schritte davon entfernt, als sie einen Mann durch das grüne Korn daher laufen sahen, worauf sie Halt machten. Es war der Maire von Villesaleron, der ihnen schon gute Dienste geleistet hatte. Dieser sagte, daß sie sich retten sollten, denn auch der Markgraf Albert von Brandenburg rüke mit viertausend Mann Fußvolk, zweitausend Pferden, und sechs Kanonen auf das Dorf an. Auf dieses waren sie zum großen Verdruß von Vieilleville genöthigt, das Dorf zu verlassen. Die acht lothringischen Edelleute wurden freigelassen. Noch beim Weggehen sagte Vignaucourt, er wundere sich gar nicht, wenn Vieilleville solche Dinge ausführte, da er so vortreflich bedient sey, denn er wolle verdammt seyn, wenn er nicht jenen Namens Habert im Zimmer des Kaisers gesehen habe, wo er vorgegeben, daß er von Oberst Schertel geschikt sey, und diesen krank in Strasburg verlassen habe. Und diesen lezten, den Maire, habe er vor vier Tagen Brod und Wein in des Markgrafen Lager verkaufen sehen.

Den Sonntag darauf, den 1sten Jan. 1553 erfuhr Vieilleville durch Deserteurs, daß der Kaiser die Belagerung von Metz aufgehoben, worauf er zu dem Herzog von Nevers sagte: Ich dachte es immer, der Kaiser sey zu alt und zu podagrisch, um ein so schönes, junges Mädchen zu entjungfern. Der Herzog verstand dieß nicht, ich mache Anspielung, sagte er, auf die Stadt Metz, das im Deutschen eine Metze, auf französisch pucelle bedeutet. Sie fanden diese Anspielung so artig und erfindungsreich, daß sie sie in der Depesche, die sie sogleich an den König abschikten, um die ersten zu seyn, die die Aufhebung der Belagerung meldeten, mit anführten.

(Die Fortsezung folgt.)

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