Charakterisierung der Prinzessin Eboli, Zeichnung von Arthur von Ramberg

Prinzessin Eboli, Charakter aus dem Schiller-Drama Don Carlos, Zeichnung von Arthur von Ramberg, 1859

Prinzessin Eboli, Charakter aus dem Schiller-Drama „Don Carlos“, Zeichnung von Arthur von Ramberg, 1859

Charakterisierung der Prinzessin Eboli

aus der „Schiller-Galerie“, 1859



Ist es das glückliche Vorrecht der Töchter des Südens, gewöhnlich ein so starkes Naturell zu besitzen, dass sie der Reflexion weder bedürfen, noch sie brauchen können, indem sie in allen Stücken, die ihr innerstes Leben berühren, doch bloß jenem zu gehorchen vermögen, so benutzen sie auch in der Regel Verstand und Überlegung bloß dazu, sich der Mittel zu versichern, um seinen Forderungen Genüge leisten zu können. Durch diese Sicherheit des Willens erhalten sie jenen göttlichen Aplomb, der den Nordländer so unwiderstehlich fesselt, und ihnen unter allen Umständen so gut steht. Die südlichen Frauen stehen deshalb meistens nicht nur der Natur sehr viel naher, sondern sind auch viel tatkräftiger als die des Nordens, die Kultur vermag wenig über sie, ändert nichts an ihnen, leiht ihnen höchstens schärfere Waffen, sie ersetzen dieselbe meistens durch die angeborene Feinheit des Geistes, dessen Schlagfertigkeit eben durch das rasche und sichere Naturell unendlich erhöht wird.

Einen solchen Charakter, dessen Kern in einem stark sinnlichen Leben gesucht werden muss, führt uns der Dichter in seiner Eboli vor, bei der er noch durch eine eigentümlich pikante Anmut das zu ersetzen gewusst hat, was ihr an weitem Horizont abgeht.

Die muntern Augen der Prinzessin quälen
Mich schon den ganzen Morgen. Sehen Sie,
Kaum weiss sie ihre Freude zu verbergen,
Weil sie vom Lande Abschied nimmt. —

so wird uns durch Königin Elisabeth das reizende Geschöpf eingeführt, welches des Vaters Wünsche entflammt, während sie selbst für den Sohn eine heiße Glut in dem leicht entzündlichen Herzen birgt. Dass dies Herz nicht von Schwärmerei für Maikäfer und Abendröte ausgefüllt wird, dass sie sich um die tote Natur gar nichts kümmert, sondern bloß um die Menschen; dass ihr das, was man bei uns Deutschen Gemüt nennt, vollständig abgeht, ist ein so bezeichnender Zug für die heißblütige Spanierin, wie ihn nur die höchste Genialität so richtig herausfinden konnte, ohne den Süden und seine schönen Bewohnerinnen jemals aus eigener Anschauung kennen gelernt zu haben. Er ist ein glänzender Beweis für die Stärke der künstlerischen Intuition bei unserm Dichter. Die schwarzäugigen Töchter von Rom wie von Madrid halten es in diesem Stück ganz gleich: ihr Naturgenuss besteht beiderseits darin, den staubigen Corso oder Prado spazieren zu fahren, gerade so weit als alle Welt fährt, umgesehen zu werden und zu sehen.

So weit wie alle Welt geht die Eboli auch in allen andern Dingen, die ihr innerlich gleichgültig sind. Kaum schlägt man ihr aber eine Heirat vor, die ihr nicht gefällt, so empört sich auch ihr Blut dagegen und sie stößt das Anerbieten rücksichtslos von sich; da hat die Konvenienz sofort ein Ende bei ihr.

Dieser Heiratsantrag, der sie an eine Kreatur des Königs und dadurch diesem selbst verkuppeln soll, beschleunigt in den aufgeregten Sinnen der Prinzessin nur den Entschluss, den, welchen sie wirklich liebt, nun auch definitiv zu erobern. Ist sie aber erst an die Ausführung ihres Plans gegangen, so malt sich das heiße Blut des Südens, das allemal den Roman da anfängt, wo er im Norden aufhört, auch gleich in den ungeduldigen Worten gegen den Pagen:

Wie glücklich war’ er schon
In so viel Zeit gewesen, als du brauchtest,
Mir zu erzählen, dass er’s werden wollte!

Der Künstler hat sie uns mit seltener Meisterschaft in dieser Situation, den Geliebten erwartend, gezeichnet. Es ist die schönste Inspiration, die Perle unsers Werks! Und er tat wohl daran, uns gerade diese vorzuführen: kennt doch ihr Leben eigentlich nur zwei Beschäftigungen, die, sich auf den Geliebten vorzubereiten und die, ihn zu besitzen. Alles andere berührt sie nicht, interessiert sie nicht, oder doch nur so weit, als es eben Einfluss auf diese zwei Hauptmomente hat. Wo sie liebt, wird sie witzig, scharfsinnig, geistreich, bedeutend, so leer. sie in allen Dingen ist, die nicht mit dieser Hauptaufgabe ihres Lebens zusammenhängen, der sie mit rücksichtsloser Glut alles opfert, für die sie aber auch alles verlangt. Wie reizend ironisiert sie in dem berühmten Tete-a-Tete Carlos’ Angst und weiß sie durch die graziöseste Herausforderung zu beantworten, wenn sie ihm sagt:

Bei so viel Tugend
Erholt sich jedes Mädchens Angst. …
Sie — der im ganzen strengen Rath der Weiber
Bestochne Richter sitzen hat. …
— O Himmel,
Der du ihm alles, alles gabst, warum,
Warum denn nur die Augen ihm versagen,
Womit er seine Siege sieht?

Die Liebe ist die einzige Materie, über welche die schöne Fürstin jemals reiflich nachgedacht hat; wenn sie aber sagt:

Sie ist
Das Einzige auf diesem Rund der Erde,
Was keinen Käufer leidet, als sich selbst. …
‘Ich theile meine Freuden nicht. Dem Mann,
Dem Einzigen, den ich mir auserlesen,
Geb’ ich für alles alles hin. Ich schenke
Nur einmal, aber ewig —

so ist das freilich nur eine allgemeine Theorie, von der die spezielle Praxis einige leichte Abweichungen zu zeigen pflegt; und bei ihr denn freilich am allermeisten! Bekanntlich behauptet jede Dame auch in andern Ländern als Spanien, und nicht nur dem Geliebten, sondern auch sich selbst gegenüber, nur ihn, den dermal Begünstigten, wirklich und wahrhaft geliebt zu haben und für immer und ewig zu lieben. Eine Deutsche würde, getäuscht in ihren schönsten Hoffnungen, wie die Eboli, sich vielleicht allenfalls aus Konvenienz verheiraten; an einen Wüstling aber ihre Person verschenken, bloß aus Eifersucht, um sich für die Verschmähung zu rächen — schwerlich. Die Eboli dagegen räsoniert als echte Spanierin, die die Theorie der Entsagung nicht kennt, und mit dem richtigen Schönheitsstolz der Frau, wenn sie von Carlos’ Verhältnis zur Königin sagt:

Dass er ganz ohne Hoffnung lieben sollte!
Ich kann’s nicht glauben. — Hoffnungslose Liebe
Besteht in diesem Kampfe nicht. Zu schwelgen,
Wo unerhört der glänzendste Monarch
Der Erde schmachtet. — Wahrlich! solche Opfer
Bringt hoffnungslose Liebe nicht.

Opfert sie aber der Liebe rücksichtslos alles, so tut sie es auch für die Rache; ihr ganzes Naturell malt sich durch die Art, in der sie der ihrigen erwähnt:

Es kostet
Mir einen ungeheuern Preis, doch — das
Entzückt mich, das ist mein Triumph — doch ihr
Noch einen grössern —

und Posa urteilt ganz richtig, wenn er zweifelt, dass sie es je vergeben könne, verschmäht zu sein:

Liebe war
In ihre Tugend wörtlich einbedungen.
Du hast sie nicht belohnt — sie fallt.

Der Instinkt der Frauen ist scharf und sie beurteilen einander selber viel richtiger, als es die Männer tun. So fühlt denn auch die Eboli, sobald sie mit der Königin von Carlos spricht, heraus, dass ihn diese nicht liebt, und von diesem Augenblicke an erwacht ihre Leidenschaft für ihn wieder von neuem und die wildeste Reue, als sie ihn bedroht sieht durch ihren Fehltritt. Ob aber der Zug, dass sie es bis zur Verehrung derjenigen bringt, die in seinem Herzen doch, wenn auch ohne es zu wollen, ihre Nebenbuhlerin ist, nicht eher einer deutschen, als einer südlich leidenschaftlichen Natur angehöre, das freilich müssen wir dahingestellt sein lassen.