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Der Handelsvertrag mit Gott

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Paul Duhalde war der Sohn eines Juweliers zu Paris. Er hatte einen gesunden Verstand und zeigte einige Liebe für die Wissenschaften.

Als er sechzehn Jahre alt war, verlor er seinen Vater. Seine Mutter ließ ihn in allem, was zur Handelswissenschaft gehört, vollständig unterrichten. Sobald er imstande war, den Handel seines Vaters zu betreiben, machte er eine Reise nach Amerika.

Schon damals führte er ein Tagebuch über alles, was er vornahm und woraus man nachher ersah, daß er ein Gelübde getan hatte, die Hälfte des Gewinns, den er auf der Reise machen würde, den Armen zu geben. Allein er gewann nichts, und sein Gelübde war also nichtig.

Eine andre Reise, die er nach Madrid machte, um dort in seinem und zweier andrer Kaufleute Namen eine Anzahl Edelsteine zu verhandeln, hatte auch keinen günstigern Erfolg. Er kam nach Paris zurück, ohne den geringsten Gewinn gemacht zu haben. »Seit ich wieder in Paris bin,« schrieb er um diese Zeit in sein Tagebuch, »muß ich alle möglichen Widerwärtigkeiten von den Menschen erfahren; Freunde und Verwandte scheinen sich ein Vergnügen daraus zu machen, mich zu quälen. Ich gestehe, daß ich mir jetzt weder zu raten, noch zu helfen weiß.«

In dieser melancholischen Stimmung entstand bei ihm eine der sonderbarsten Ideen, die je ein Mensch gehabt hat; er entschloß sich, eine Handelsgesellschaft mit Gott zu errichten. Er schrieb am 24. September 1719 darüber einen ordentlichen Vertrag in sein Tagebuch ein. »Da ich entschlossen bin,« sagte er hier, »eine Handelsgesellschaft mit Gott zu errichten, so verspreche und gelobe ich, alle die Artikel, welche hier unten folgen, aufs genaueste zu erfüllen; und zugleich verpflichte ich meine Erben, wer sie auch seien, alle diese Artikel in Erfüllung zu bringen, wenn ich sterben sollte, ehe ich selbst sie vollziehen kann.«

Diese Gesellschaft, welche den Handel mit Edelsteinen bezweckte, sollte fünf Jahre dauern, vom 1. Oktober 1719 bis zum letzten September 1724.

Sein Vermögen gab er auf 3 000 Piaster oder 15000 Livres französischen Geldes an. Dies war alles, was er teils von seinem Vater geerbt, teils von seiner Mutter zu seiner Einrichtung vorauserhalten hatte. Darin bestand nun das Kapital, das er in der Handelsgesellschaft anlegte.

Ferner begab er sich der Befugnis, während dieser fünf Jahre in eine andre Gesellschaft einzutreten, doch behielt er sich vor, sich verheiraten zu dürfen. Aus einigen Stellen seines Tagebuchs konnte man schließen, daß er damals schon Absichten auf ein Mädchen hatte, das nachher seine Gattin wurde.

Endlich machte er sich verbindlich, nach Verlauf von fünf Jahren eine richtige Bilanz zu ziehen. Er wollte sein Vermögen genau berechnen, alsdann von der ganzen Summe 1. die 3 000 Piaster, die er zur Eröffnung des Handels vorgeschossen habe, 2. das Vermögen seiner Frau, wenn er heiraten sollte, und 3. alles, was ihm während dieser fünf Jahre durch Erbschaften zufallen würde, abziehen; »und der Überschuß,« setzte er hinzu, »wird zwischen Gott und mir geteilt.«

Nachdem er diesen Vertrag entworfen hatte, reiste er noch einmal nach Spanien. Anfangs zeigten sich für seine Geschäfte wieder keine günstigen Aussichten. Der Kardinal Alberoni, an dem er einen Beschützer gefunden hatte, fiel kurz darauf in Ungnade, und so waren auch Duhaldes Hoffnungen wieder zerstört. Der Marquis Scotti, bei dem er nun Unterstützung suchte, verschaffte ihm den Titel eines Juweliers des Königs und der Königin.

Einige Jahre darauf eröffneten sich ihm unvermutet bessere Aussichten. Die doppelte Verbindung der königlichen Häuser Frankreichs und Spaniens, welche damals im Werke war, gab ihm Hoffnung, einen ansehnlichen Gewinn zu machen. Er gab sich alle Mühe, es dahin zu bringen, daß die Lieferung der Edelsteine und Juwelen zu diesen zwei glänzenden Vermählungen ihm übertragen würde. Weil aber zugleich ein spanischer Juwelier Alfuzo sich auch darum bewarb und Duhalde fürchten mußte, daß ihm dieser den Rang ablaufen möchte, so blieb ihm kein anderes Mittel, als sich mit diesem Spanier zu vergleichen und mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen. Nun reiste er im Oktober 1721 mit dem erhaltenen Gelde nach Paris zurück und besorgte den Ankauf der erforderlichen Juwelen. Der Gewinn überstieg seine Erwartung.

Jetzt beschloß er, Paris nie wieder zu verlassen, und verheiratete sich im Januar 1722 mit Marie Anne von Hansy, der Tochter eines Buchhändlers. Sein Vermögen war damals auf 86 000 Livres gestiegen, ungerechnet das Kapital, mit dem er den Handel angefangen hatte. Die Mitgift seiner Gattin bestand aus 30 000 Livres, wovon die Hälfte zu dem gemeinschaftlichen Vermögen geschlagen wurde. In dem Ehekontrakt befand sich die Klausel, daß keines von beiden Ehegatten gehalten sein solle, für die Schulden zu stehen, die das eine oder das andre von ihnen vor der Eheschließung gemacht hätte.

Seine Mutter, die auch um diese Zeit starb, hinterließ ihm noch überdies eine Summe von 70 226 Livres.

Am 1. Oktober 1724 hatte die Handelsgesellschaft ihr Ende erreicht. Duhalde schloß nun seine Bücher ab, machte eine genaue Inventur, zog dann eine richtige Bilanz und berechnete den Gewinn der Gesellschaft gewissenhaft nach den bei dem Handelsvertrage aufgestellten Grundsätzen.

Bei dieser Berechnung bemerkte er, daß ein Teil von den Edelsteinen, in denen der Reingewinn der Gesellschaft angelegt war, in Amsterdam, der andre in Madrid liege, und nur die übrigen in seinem Hause zu finden seien. Da der Anteil an dem Gewinn, den die Armen erhielten, zum Teil auch auf die Edelsteine entfiel, die ins Ausland verschickt und eben jetzt im Preise gefallen waren, so veranschlagte er ihren Wert nicht in Gelde, sondern zeigte durch eine genaue Beschreibung an, welche von den auswärtigen Edelsteinen den Armen gehörten. Diejenigen aber, die er zu Paris hatte, verteilte er in verschiedne Pakete und schrieb auf jedes derselben: »Hiervon gehört die Hälfte den Armen.«

Er trug die Rechnung über den Anteil, den er Gott zugeteilt hatte, in sein Handelsbuch ein und schrieb darunter:

»Unglück und Fluch komme über meine Erben, sie mögen sein, wer sie wollen, wenn sie sich unter irgendeinem Vorwande weigern, die Hälfte von dem Gelde, das aus den oben angezeigten Edelsteinen gelöst werden wird, den Armen zu geben, falls Gott über mich gebieten sollte, ehe ich noch selbst dies bewerkstelligt habe. Sollte sich auch mein Vermögen durch außerordentliche Vorfälle so verringern, daß ich nichts als die besagte, den Armen gehörige Summe hinterließe, so soll diese doch an die Armen bezahlt werden, denn es ist fremdes anvertrautes Gut, das unter keinerlei Vorwand zurückbehalten werden darf.«

Inzwischen traf Duhalde schon bei seinen Lebzeiten Anstalten, den Anteil, den Gott an dem Gewinn der Handelsgesellschaft erhalten hatte, nach und nach an die Armen zu verwenden. Die Almosen, welche er auf diese Art unter sie verteilt hatte, betrugen eine Summe von 13 684 Livres, wie sich aus den Rechnungen zeigte, die er aufs genaueste über diese Ausgaben führte. Einer armen alten Jungfer sicherte er eine Leibrente von 150 Livres zu. Das dazu erforderliche Kapital von 2400 Livres schrieb er in seinen Büchern so auf, als hätte die Jungfer es wirklich an ihn bezahlt; in einem Revers aber, der von ihr ausgestellt und der Almosenrechnung beigelegt worden war, fand man, daß er kein Geld von ihr empfangen, sondern es aus seiner Armenkasse ihr zugeteilt hatte.

Im Januar 1725 stellte er acht Wechsel aus, jeden von 1000 Livres, die nacheinander von Jahr zu Jahr, von 1725 bis 1732, zahlbar waren. Diese Wechsel übergab er dem Vikar seines Kirchspiels mit dem Auftrag, zur jedesmaligen Verfallzeit das Geld von ihm oder seinen Erben zu fordern und zu Almosen zu verwenden. Noch in demselben Monat fiel Duhalde in eine gefährliche Krankheit. Er machte sein Testament und bemerkte darin unter anderm: man werde in seinen Büchern verschiedene Rechnungen und Nachrichten finden, welche die Armen betreffen; er bitte den Vollstrecker seines Testaments, alle diese die Armen betreffenden Artikel aufs allergenaueste zu untersuchen und sie in ihrem ganzen Umfange auszuführen.

Zwei Monate darauf starb Duhalde und hinterließ eine minderjährige Witwe und einen Sohn von dreieinhalb Jahren.

Man untersuchte hierauf seine Bücher. Der Testamentsvollstrecker ließ die Vorsteher des großen Hospitals von dem Vorfall benachrichtigen und in ihrem Beisein das Inventarium über den Nachlaß aufnehmen. Man fand alles in der schönsten Ordnung. Die Summe, die er noch an die Armen zu entrichten hatte, war in seinen Büchern unter seine Schulden eingetragen worden. Die Vorsteher des Hospitals verlangten, Herr de la Planche, der Vormund des Kindes und der Witwe, solle die den Armen gehörige Hälfte der Edelsteine, deren Wert nach der Taxe eine Summe von 18828 Livres betrug, an das Hospital ausliefern.

Der Vormund trug anfänglich bloß auf eine Ermäßigung dieser Forderung an und schloß wirklich einen Vergleich auf 15 000 Livres, die das Hospital noch erhalten sollte; nur verlangte er dabei zu seiner Sicherstellung, daß man die Verhandlung durch ein Parlamentsarret genehmigen lassen solle. Sobald aber die Sache bei dem Parlament angenommen war, änderte er auf einmal die Gesinnung, wollte von keinem Vergleiche mehr etwas hören, sondern verlangte vielmehr, daß alle von Duhalde zum Besten der Armen getroffenen Verfügungen für null und nichtig erklärt werden sollten.

Zuerst machte er den Einwand: die Sache gehe überhaupt die Vorsteher nichts an, denn die Verfügung des Verstorbenen spreche nichts vom großen Hospital, sondern von den Armen überhaupt, und man müsse vermuten, Duhalde habe vorzüglich die Armen seines Kirchspiels gemeint, weil er für diese bereits dem Vikar jene acht Wechsel ausgehändigt habe. Allein dieser Einwand wurde sogleich dadurch umgestoßen, daß die Gesetze des Königreichs bestimmt verordnen, jedes Vermächtnis zum Besten der Armen, wobei nicht gewisse Arme ausdrücklich genannt sind, auf das große Hospital zu deuten.

In der Hauptsache aber stellte doch der Vormund sehr scheinbare Gründe auf, mit welchen er die Forderung der Hospitalvorsteher bestritt. Wir wollen das Merkwürdigste derselben kurz anführen.

»Einen Handelsvertrag mit Gott errichten,« sagte er, »ist ein Gedanke, der schwerlich jemals in eines andern Menschen Kopf entstanden ist. Man mag sich noch so sehr bemühen, dieser Idee einen religiösen Anstrich zu geben, so bleibt es doch ein wunderlicher Einfall, dessen Beweggründe der Richter zwar entschuldigen kann, aber dessen Ausführung er doch hindern muß, weil es ein Vertrag ist, den ein Vater, ein Ehemann zum offenbaren Nachteil seiner minderjährigen Gattin und seines unmündigen Kindes abgeschlossen hat.

»Es sind dreierlei Rücksichten, aus welchen dem Hospital alle Hoffnung abgesprochen werden muß, die Verfügung des Duhalde jemals sich zu Nutzen zu machen. Fürs erste ist diese Verfügung, unter was immer für eine Rubrik man sie auch rechne, in sich selbst ungültig. Fürs zweite, wenn sie auch nicht in sich selbst ungültig wäre, so war doch Duhalde nicht befugt, sie zu machen. Fürs dritte, wenn er auch dazu befugt gewesen wäre, so würde sie doch nichtig sein, weil der gesetzmäßige Abzug, der von der Verlassenschaft voraus geschehen muß, zur Vollziehung nichts übrig läßt.

»Fürs erste also läßt sich dartun, daß die Verfügung, von der die Rede ist, schon an sich nicht gültig sein kann.

»Soll sie als ein Vertrag mit Gott angesehen werden? Offenbar kann mit Gott kein Vertrag geschlossen werden; er kann sich zu keiner Gegenleistung verbindlich machen. Dies folgt aus dem Wesen der Gottheit selbst, deren Freiheit durch nichts eingeschränkt werden kann. Jeder Vertrag muß aber gegenseitig sein, das heißt, er setzt voraus, daß eine wechselseitige Verbindlichkeit zwischen den kontrahierenden Teilen stattfinde. Aber auch Duhalde selbst ist nicht einmal verbindlich. Er hat keine Vertragsurkunde unterzeichnet, und selbst dieses Unterzeichnen würde dem Vertrag nicht mehr Kraft geben können, weil es überhaupt nicht in seiner Macht stand, einen Vertrag mit einem Wesen einzugehen, das sich zu keiner Gegenleistung verbindlich machen kann.

»Oder soll man sie als ein Gelübde ansehen? Es gibt nur zwei Arten von Gelübden, das einfache und das feierliche. Ein feierliches Gelübde muß öffentlich in die Hände des geistlichen Obern abgelegt und in einer Urkunde niedergeschrieben werden, die der Gelobende selbst unterzeichnet. Alle unsre Verordnungen fordern dies und erklären jedes Gelübde für nichtig, dem es an diesen Formalitäten fehlt. Das einfache Gelübde bedarf zwar dieser Formalitäten nicht; allein es muß doch auch zu Papier gebracht und von dem Gelobenden unterschrieben werden, zum Unterschied von einem bloß in Gedanken abgelegten Gelübde, welches zu nichts verpflichtet, weil es im Grunde weiter nichts ist, als ein bei sich gefaßter Entschluß, den man nach Belieben zurücknehmen kann. Das kanonische Recht sagt: ›Angenommen, du hättest den Vorsatz gehabt, einst das Klostergewand zu tragen, hättest aber diesen Vorsatz nicht ausgeführt, so bist du deshalb noch nicht als ein Übertreter eines Gelübdes anzusehen, sobald nur jener Vorsatz bloßer Vorsatz geblieben ist.‹

»Überdies ist es ein ausgemachter Grundsatz, daß jedes widerrechtliche und unbesonnene Gelübde an und für sich nichtig ist, wenn es auch förmlich zu Papier gebracht und unterschrieben wäre. Das Gelübde aber, von welchem hier die Rede ist, ist offenbar widerrechtlich, denn es enthält im Grunde eine gänzliche Enterbung der rechtmäßigen Erben. ›Auch dann,‹ sagt Duhalde, ›wenn mein Vermögen durch außerordentliche Vorfälle so verringert werden sollte, daß ich nichts weiter als die besagte Summe hinterließe, soll diese doch an die Armen bezahlt werden.‹ Angenommen also, Duhalde hätte, seitdem er mit Gott geteilt hatte, durch irgendein Unglück sein Vermögen verloren, und es wäre ihm nichts als die Kleinodien übriggeblieben, die er als Eigentum der Armen ansah, so würden diese den ganzen Nachlaß weggenommen haben und sein Kind würde ohne Vermögen gewesen sein. Kann ein solches Gelübde Verbindlichkeit haben?

»Ein andrer ganz unumstößlicher Grundsatz sagt, daß ein Gelübde ungültig ist, wenn die Erfüllung desselben von dem Willen eines Dritten abhängt, der berechtigt ist, sich zu widersetzen. Nach diesem Grundsatze heißt es in dem kanonischen Recht ausdrücklich: daß der Sklave ohne Erlaubnis seines Herrn, die Frau ohne Einwilligung ihres Mannes und der Mann ohne Mitwissen seiner Gattin kein Gelübde tun könne. Duhalde gelobt den Armen die Hälfte des Gewinns von einer Handelsgesellschaft, die er mit Gott errichtet hatte. Während diese Gesellschaft noch fortdauert, verheiratet er sich. Wenn also die Gesellschaft wirklich Bestand gehabt hätte, so müßte man jetzt damit anfangen, die Hälfte der Edelsteine, die das gemeinschaftliche Vermögen der Eheleute ausmachen, für die Armen voraus wegzunehmen. Der Mutter und dem Sohne bliebe also nur übrig, die andre Hälfte zu teilen. Der Sohn würde aber die ganze übrigbleibende Hälfte für sich verlangen, weil er als Erbe auf die Hälfte des ganzen erworbenen Vermögens Anspruch hat. Da nun der Mutter als Teilhaberin des gemeinschaftlichen Vermögens das gleiche Recht auf die Hälfte des ganzen erworbenen Vermögens zusteht, so würde sie genötigt sein, mit ihrem Sohne Prozeß zu führen. Sie hat also Interesse genug, sich einem Gelübde zu widersetzen, das ihren Rechten Eintrag tun und sie in den Fall setzen würde, mit ihrem eignen Kinde rechten zu müssen.

»Allein, über dies alles ist es durch einen Gerichtsbrauch, der auf Gesetze gegründet und in ganz Frankreich beständig befolgt ist, längst entschieden, daß überhaupt ein einfaches Gelübde nie bürgerliche Wirkungen hervorbringen könne.

»Duhaldes Verfügung ist also, man mag sie als Vertrag oder als Gelübde ansehen, ungültig. Aber vielleicht hat sie Gültigkeit, wenn sie als Legat anzusehen ist?

»Man muß nur die Klausel des Testaments, in welcher das Legat ausgedrückt sein soll, aufmerksam betrachten. Der Testator bezieht sich darin auf einen vorhandnen Handelsvertrag, dessen genaue Vollziehung er anordnet. Er verweist also den Testamentsvollstrecker an die Artikel jenes Vertrags und trägt ihm auf, sich nach ihnen zu richten. Der Testator hat also durch sein Testament eigentlich keine neue Verfügung getroffen; es bezieht sich auf einen Handelsvertrag, der schon vorher errichtet worden war, und hat bloß die Absicht, jene Urkunde zu bestätigen. Es ist also die Frage, ob die Urkunde jenes ersten Handelsvertrags, der, wie wir erwiesen haben, an sich ungültig und nichtig war, durch eine andre spätere Urkunde, nämlich durch das Testament, bestätigt und gültig gemacht werden konnte? Diese Frage beantworten Ricard und Dumoulin folgendermaßen: ›Wenn eine Verfügung, die in der ersten Urkunde fehlerhaft abgefaßt und deshalb an sich ungültig war, in der zweiten, nach der vorgeschriebenen Form richtig abgefaßten und folglich gültigen Urkunde wörtlich wiederholt wird, so erhält die Verfügung selbst vollkommene Gültigkeit; denn nun gründet sie sich auf die zweite Urkunde, die in diesem Falle mehr eine ganz neue Verfügung als eine Bestätigung der ersten ist. Wenn sich aber die zweite Urkunde auf die Verfügung der erstem bloß beruft, ohne sie wörtlich zu wiederholen, so ist dies bloß eine Bestätigung; und da sie notwendig auf die Urkunde, welche sie bestätigt, bezogen werden muß, so läßt sie jene erste Urkunde so ungültig, als sie ist; denn eine Bestätigung ist keine Verfügung, und kein Mensch kann etwas bestätigen, was an sich null und nichtig ist.‹ Da nun Duhalde in seinem Testament auf den vorhergegangenen an sich ungültigen Handelsvertrag sich bloß bezieht, ohne den Inhalt oder auch nur die Hauptpunkte desselben zu wiederholen, so folgt aus jenen Grundsätzen, daß seine Verfügung auch als Testament betrachtet, ungültig ist.

»Aber vielleicht ist sie als eine solche Schenkung anzusehen, die in den Rechten ›Pollicitatio‹ heißt? Diese besondere Art von Schenkung hat ihren Ursprung lediglich aus dem römischen Rechte. Man verstand darunter ein bloßes einseitiges Versprechen, das niemand angenommen hat.

»Man darf aber die Lehre von den Pollicitationen, welche in den Pandekten einen ganzen Titel begreift, kaum flüchtig ansehen, um sich zu überzeugen, daß keine Anwendung davon auf den gegenwärtigen Fall stattfinde. In der Regel begründet eine solche bloße Pollicitation ohnehin keine Klage, das heißt, sie gibt demjenigen, zu dessen Vorteil sie geschehen ist, keine Befugnis, den, der sie ihm gemacht hat, wegen Erfüllung derselben gerichtlich zu belangen. Ein Fall ist nur ausgenommen, wenn nämlich das Versprechen ein Unternehmen zum allgemeinen Besten betrifft. Alles, was die römischen Rechte von Verbindlichkeit dieser Art Versprechen sagen, ist bloß von öffentlichen, dem Publikum nützlichen Gebäuden zu verstehen. Deswegen wird auch in jenem Titel immer wiederholt: ›Wenn du hast Säulen errichten, ein Bad, ein Krankenhaus bauen wollen.‹

»In diesem Falle wird freilich die Vollziehung sehr streng gefordert. Die Pollicitation hat dann nicht nur vollkommne Verbindlichkeit, wenn sie gehörig beurkundet werden kann; sondern auch selbst da, wo ein solcher Beweis fehlt, steht es doch nicht mehr in der Willkür des Pollicitanten, das versprochene Unternehmen auszuführen oder nicht, sobald nur einmal der Anfang zur Ausführung gemacht ist. Unter mehreren Beispielen, die dies beweisen, wollen wir nur eins anführen, das am meisten Aufsehen bei dem Parlament erregt hat. Herr Amyot, Bischof von Auxerre, hatte in seiner bischöflichen Residenz einen Platz gekauft, um ein Hospital darauf bauen zu lassen, und ließ eine Inschrift verfertigen, aus der sich ergab, daß er den Bau auf seine eignen Kosten unternehmen wolle. Er starb aber, ehe man noch angefangen hatte zu bauen; man konnte sogar aus verschiednen Umständen schließen, daß er vor seinem Tode seinen Vorsatz geändert habe. Gleichwohl wurden seine Erben durch ein Arret von 1607 verurteilt, das Hospital erbauen zu lassen.

»Allein wie kann man dies auf den gegenwärtigen Fall anwenden? Hat etwa Duhalde schon den Grund zu einem öffentlichen Gebäude legen lassen? Oder hat er versprochen, einen Bau fürs Publikum aufzuführen? Hat er schon Anstalten dazu gemacht oder wenigstens deshalb etwas verordnet? Nichts von alledem! Folglich begründet seine Pollicitation keine Klage gegen seine Erben.

»Aus was für einem Gesichtspunkt man also auch die Verfügung des Duhalde betrachtet, so muß man einsehen, daß sie in sich selbst nichtig ist und nicht bestehen kann.

»Fürs zweite aber, wenn wir auch zugeben, daß sie innerliche Gültigkeit habe, so kann sie doch nicht stattfinden.

»Duhalde war nicht befugt, die Hälfte seines Vermögens, das ihm und seiner Gattin gemeinschaftlich gehörte, in seinem Testamente den Armen zu vermachen und seiner Gattin bloß die andere Hälfte zur Teilung mit ihrem Sohne zu überlassen. Auf diese Art würde ihr nur der vierte Teil von ihrem Vermögen zukommen, von dem ihr doch unstreitig die Hälfte gehört. In dem 296. Artikel des Pariser Stadtrechts heißt es ganz bestimmt: ›Der Mann kann durch sein Testament oder eine andre letzte Willenserklärung weder über das zusammengebrachte, noch über das während der Ehe erworbene Vermögen zum Nachteil seiner Frau verfügen; er darf ihr auch die Hälfte, die nach seinem Tode ihr zufällt, nicht verkürzen.‹ Und Le Camus sagt in seinen rechtlichen Gutachten: ›Der Mann ist Herr des gemeinschaftlichen Vermögens und kann damit schalten, wie er will, solange er lebt; er kann auch, wenn nur kein Betrug darunter verborgen liegt, durch Schenkungen unter Lebenden jedem, der einer solchen Schenkung fähig ist, etwas davon zuwenden. Mit dem Augenblick seines Todes aber ist die eheliche Gemeinschaft abgeschlossen, und die Frau wird sogleich Eigentümerin von der Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens. Daher kommt es, daß der Mann durch ein Testament, das seiner Natur nach nicht eher als nach dem Tode des Testators in Wirksamkeit tritt, die seiner Gattin zuständige Hälfte nicht vermindern kann.‹

»Soll nun der Handelsvertrag, auf den sich die Hospitalvorsteher berufen, wirklich vollzogen werden, so müßte man die eine Hälfte von dem Vermögen der Gesellschaft den Armen ausliefern. Die andere Hälfte müßte dann ungeteilt der Witwe zuerkanntwerden. Der Grund davon ist, weil in dem Augenblick, da Duhalde starb, seine Gattin an der Hälfte alles vorhandenen zusammengebrachten und während der Ehe erworbenen Vermögens (denn aus diesen beiden besteht die Masse des ehelichen gemeinschaftlichen Vermögens) ein unwiderrufliches Eigentumsrecht erhielt. Dem Mann wurde durch den Tod die Verfügung entzogen, die ihm während seines Lebens über das Ganze der gemeinschaftliche Güter zustand. Da aber sein Testament erst nach seinem Tode Wirkung erhalten konnte, so ist seine Verfügung über die der Frau bereits eigentümlich gewordene Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens, über welche er nicht mehr verfügen kann, ganz und gar ungültig. Er konnte nur über die ihm zugehörige Hälfte von dem gemeinschaftlichen Vermögen eine Verfügung treffen.

»Allein nicht einmal auf diese ganze Hälfte des Vermögens erstreckt sich seine Verfügung, sondern sie ist auf die Hälfte des Gewinnes eingeschränkt, den ihm sein Handel bis zum 1. Oktober 1724 eingebracht hatte; er hat sogar die Juwelen, in welchen dieser Gewinn besteht, besonders beschrieben und bezeichnet. Nur war, wie wir eben gezeigt haben, die Hälfte des ganzen Gewinns aus der Handelsgesellschaft als ein Eigentum der Frau gar nicht in Duhaldes Gewalt; wenn er also von dem Gewinn sprach, den er mit Gott zu teilen hätte, so konnte er nur jene Hälfte meinen, über die er allein etwas zu sagen hatte. Folglich hätte Duhaldes Sohn, der jetzt in die Stelle seines Vaters tritt, jene zweite Hälfte des ganzen Gewinns mit den Armen zu teilen; er bekäme also den vierten Teil von den vorgefundenen Edelsteinen, und die Vorsteher des Hospitals würden sich mit dem andern Vierteile begnügen müssen.

»Man kann dagegen nicht einwenden, das Hospital könne zu seiner Schadloshaltung verlangen, daß ihm das noch fehlende Vierteil aus dem übrigen Nachlasse des Verstorbenen ersetzt werden müsse. Worauf soll das Recht eines solchen Anspruchs auf das übrige Vermögen des Verstorbenen sich gründen? Die Armen haben überhaupt auf diesen Nachlaß gar keine Ansprüche, als die ihnen Duhalde in der bekannten Verfügung eingeräumt hat. Diese Verfügung nun können sie entweder als Mitglieder jener Handelsgesellschaft geltend machen oder als Legat betrachten. Im erstern Fall haben sie weiter keine Ansprüche als auf das Vermögen der Gesellschaft. Da nun diese Gesellschaft sich nicht auf das ganze Vermögen erstreckte, sondern nur auf den Gewinn, der binnen eines bestimmten Zeitraums gemacht werden würde, so sind also auch die Rechte der Mitglieder allein auf diesen Gewinn beschränkt. Wollen sie aber die Verfügung als Legat geltend machen, so ist auch hier ihre Forderung genau begrenzt. Der Testator bestimmte ihnen ausdrücklich einen gewissen Teil von einer bestimmten Gattung seiner Habseligkeiten, die er sehr genau beschrieb. Auf diesen bestimmten Anteil muß also ihre Forderung beschränkt werden.

»Endlich aber, wenn auch Duhalde – was wir eben jetzt als unmöglich erwiesen haben – einen solchen Handelsvertrag hätte errichten oder ein solches Legat aussetzen können, so würde doch die Forderung der Armen hinfällig werden.

»Duhaldes Nachlaß beträgt hundertundfünfzigtausend Livres. Davon muß man zuerst 70 226 Livres abziehen, die er von seiner Mutter geerbt hat, und 30 000 Livres, aus welchen die Mitgift seiner Frau besteht. Von den 49 774 Livres, die nach diesem Abzug übrigbleiben, müssen wieder zwei Fünfteile abgerechnet werden, da die Edelsteine nach dem Anschlag, den Duhalde im Jahre 1724 gemacht hat, jetzt um so viel an Wert gefallen sind. Es bleiben also nur noch 29 865 Livres. Von dieser Summe gehen nun noch ab die sämtlichen Schulden: 8 000 Livres für jene acht ausgestellten Wechselbriefe, das zu jener Leibrente von 150 Livres ausgesetzte Kapital von 2400 Livres, ferner die übrigen in den Büchern noch stehenden Schulden, die Begräbniskosten, die Ausgaben wegen Berichtigung der Erbschaftsangelegenheiten, das was die Witwe zur Trauer und andern Bedürfnissen nach den Rechten vorauserhält usw. Auf diese Art wird der ganze Nachlaß aufgehen, ohne daß etwas an das Hospital kommen kann.

»Vergleicht man überdies die Forderung der Armen mit den Gesetzen der Ehe und mit den Pflichten des Ehemanns und Vaters und bedenkt man, daß Duhalde bereits 25 000 Livres an die Armen verteilt hat, so wird man gestehen müssen, daß das Opfer groß genug ist, das Duhalde schon gebracht hat; man wird überzeugt sein, daß Gott kein Opfer zum Nachteil der Witwe und des unmündigen Kindes verlange; und die Richter werden nicht länger anstehn, jene Verfügung für ungültig zu erklären. Wenn mehrere unsrer Pflichten in Widerstreit geraten, so müssen wir diejenige erfüllen, die die höchste Verbindlichkeit hat. Liebeswerke gegen Fremde müssen allezeit den Verbindlichkeiten nachstehen, die dem Vater gegen seine Kinder und dem Ehemann gegen seine Gattin auferlegt sind.« Dieser Untersuchung stellten die Vorsteher des Hospitals eine andre entgegen, in der sie auch dieselben drei Fragen beantworteten. Erstens: Ist Duhaldes Verfügung an sich gültig? Zweitens: Wenn sie an sich gültig ist, stehen ihrer Vollziehung nicht andre Gründe im Wege? Drittens: Wenn ihrer Vollziehung keine Gründe entgegenstehen, wie kann sie vollzogen werden? »Fürs erste also,« sagen sie, »was die Gültigkeit betrifft, so wird diese bei jeder Verfügung nach drei Gesichtspunkten beurteilt, nämlich in bezug auf die Person, den Gegenstand und die Form. Die Person muß fähig sein, eine Verfügung zu treffen; über den Gegenstand muß disponiert werden dürfen; und die Form, in der die Disposition abgefaßt ist, muß der Vorschrift der Gesetze gemäß sein.

»Nun findet man erstlich an der Person des Duhalde nicht das geringste, was ihn der freien Befugnis, über sein Vermögen zu verfügen, hätte unwürdig machen können. Er war ein Mann von gesundem Verstande, der sehr richtig urteilte, wie man aus den Anmerkungen in seinem Tagebuch deutlich ersieht. Er hat seine Geschäfte immer mit großer Vorsicht und Klugheit geführt. Er war religiös, ohne ein Frömmling zu sein, dessen Schwäche gewisse Personen mißbrauchen konnten, um ihn zu übelangebrachten Liebeswerken zu bereden. In seiner Liebhaberei zu den Wissenschaften scheint er zwar veränderlich gewesen zu sein, denn er erzählt selbst von sich in seinem Tagebuch: ›Ich legte mich auf das Studium der Heiligen Schrift, verfaßte eine Erklärung der fünf Bücher Mosis und zog daraus einen Entwurf der alten Geschichte, wozu ich Anmerkungen machte. Ich verfertigte auch ein kleines geographisches Lexikon. Endlich fing ich an, Musik zu lernen.‹ Allein von dieser Veränderlichkeit kann man doch nicht auf Schwäche des Charakters schließen, oder man müßte denselben Vorwurf auch allen denjenigen machen, die sich mit mehrern Wissenschaften beschäftigten und über ganz verschiedene Materien sogar Bücher geschrieben haben. Wir haben berühmte und allgemein geschätzte Schriftsteller, die lateinische Klassiker übersetzt, theologische und moralische Abhandlungen geschrieben und zugleich griechische und lateinische Grammatiken verfaßt haben. Mit einem Wort, es findet sich kein Zug in Duhaldes ganzer Lebensgeschichte, wegen dessen man ihm die Befugnis absprechen könnte, über sein Vermögen zu verfügen, eine Befugnis, die das Gesetz jedem Bürger zugesteht, der sie vernünftig gebrauchen kann.

»Seine Verfügung geschah zugunsten der Armen und betraf die Hälfte des Gewinnes, den er in einem bestimmten Zeiträume von fünf Jahren aus seinem Juwelenhandel ziehen würde. Der Gegenstand seiner Verfügung ist also das Beste der Armen oder – welches einerlei ist, da das Publikum die Armen zu versorgen hat und jede Wohltat an den Armen also eine Erleichterung jener Last ist – das Beste des Publikums. Ein solcher Gegenstand aber ist unstreitig nicht nur erlaubt, sondern selbst aller Begünstigung würdig. Wenn uns schon das Wohl eines einzelnen ehrwürdig ist, so muß uns das Wohl des Ganzen heilig sein. Auch verdient eine Verfügung für die Armen aus dem Grunde begünstigt zu werden, weil sie ohnehin mehr die Bezahlung einer Schuld, als ein freiwilliges Geschenk ist. Wir sind nur die Verwalter des Vermögens, das die Vorsehung in unsre Hände gelegt hat; die Armen haben einen Anteil daran, der ihnen von Rechts wegen zukommt. Ihnen diesen Anteil ausliefern, heißt vielmehr eine Schuld abtragen, als etwas von unserm Eigentum verschenken. Die Armen sind unsre Gläubiger. »Überdies, worüber hat eigentlich Duhalde seine Verfügung getroffen? Nicht über sein eignes Vermögen, sondern bloß über einen erworbnen Gewinn. Er hat seinen Erben das Vermögen ganz unversehrt erhalten, das von seinen Eltern auf ihn gekommen war; seine Verfügung betraf bloß dasjenige, was er durch seinen Fleiß sich erworben hatte; wie denn auch dieser Rechtsstreit überhaupt nichts andres betrifft, als einen Gewinn. Die Armen verlangen davon den Anteil, den ihnen der Erwerber selbst zugewiesen hat, die Erben hingegen wollen diesen Gewinn ganz behalten. Also nicht um einen Verlust abzuwehren, sondern bloß um einen Gewinn zu erlangen, streiten sich die Parteien. Dabei spricht nun doch noch mehr zugunsten der Armen, als zugunsten der Erben. Diese haben doch die eine Hälfte des Gewinns und streiten bloß darum, auch die andere Hälfte zu behalten, bei ihnen kommt es also bloß darauf an, ob sie mehr oder weniger gewinnen sollen. Bei den Armen hingegen ist die Frage, die eine Hälfte des Gewinns zu erhalten oder zu verlieren, und im letztern Falle also gar nichts zu gewinnen.

»Auch die Beweggründe, durch welche Duhalde zu dieser Verfügung bestimmt wurde, sind gerecht und vernünftig. Er versprach die Hälfte des Gewinns den Armen, um sich des göttlichen Segens zu seinen Geschäften zu versichern. Und in der Tat scheint die Vorsehung selbst den Armen diese unverhoffte Hilfe zugewendet zu haben; da in den gegenwärtigen trübseligen Zeiten ihr Elend und ihre Anzahl in ebendem Verhältnis wächst, als die Zahl und die Mildtätigkeit ihrer Wohltäter abnimmt.

»Der Gegenstand der angefochtenen Verfügung vereinigt also alles in sich, was sie in den Augen der Richter und des Publikums günstig darstellen kann. Lassen sie uns sehen, ob vielleicht die Form, in welcher sie verfaßt ist, ihrer Gültigkeit ein Hindernis in den Weg stelle.

»Die Verfügung läßt sich entweder als Handelsvertrag oder als Schenkung unter Lebenden oder als Pollicitation oder als Legat betrachten. Um zu wissen, unter welche von diesen vier verschiedenen Arten die vorliegende Verfügung zu rechnen sei, werden wir jede dieser Arten nach ihrer Beschaffenheit und nach den Regeln, denen sie unterworfen sind, untersuchen müssen.

»Der Handelsvertrag ist eine wechselseitige Übereinkunft mehrerer Personen, die sich verbindlich machen, den Gewinn, den sie aus einer gewissen Art und aus einer bestimmten Summe ihres Vermögens binnen einer gewissen Zeit ziehen werden, auf eine unter ihnen festgesetzte Art unter sich zu verteilen. Es erhellt also schon aus dem Begriff eines Handelsvertrages, daß er nicht ein einseitiges Versprechen einer einzelnen Person sein kann. Die Verfügung des Duhalde läßt sich also nicht als ein Handelsvertrag betrachten, da das Versprechen darin nur einseitig war.

»Die Schenkung unter Lebenden ist eine Handlung der Freigebigkeit. In dieser Hinsicht könnte man die Verfügung des Duhalde zu dieser Klasse zählen. Allein auch bei der Schenkung müssen beide Teile stipulieren, und man kann sagen, daß sie ebenfalls ein wechselseitiger Vertrag sei, wo beide Teile gegenseitige Verbindlichkeiten eingehn; woraus denn folgt, daß auch die Schenkung nicht in der Verbindlichkeit eines einzelnen bestehen kann. Überdies ist es bei einer Schenkung erforderlich, daß sie angenommen werde, und sie wird nichtig, sobald sie nicht angenommen ist. Die freigebige Verfügung des Duhalde ist aber wirklich bei seinem Leben nicht angenommen worden. Hätte er sie zu einer Schenkung unter Lebenden machen wollen, so hätte sein Versprechen in Gegenwart der Hospitalvorsteher geschehen und von diesen im Namen der Armen angenommen werden müssen.

»Die Pollicitation aber ist eine einseitig geschehene Erklärung, daß man etwas tun oder geben wolle; wobei man sich auch durch eine bloße Tathandlung verbindlich machen kann. Die Pollicitation unterscheidet sich also von dem Vertrage darin, daß bei dem Vertrage mehrere Personen eine Verbindlichkeit eingehen, bei der Pollicitation hingegen die Verbindlichkeit eines einzelnen in Frage kommt. Der Gegenstand der Pollicitation ist etwas, was man zum Besten einer Stadt, einer Kirche oder einer andern öffentlichen Anstalt zu tun verspricht. Da sie das allgemeine Beste betrifft, so muß man sie auf alle Art begünstigen. Zu ihrer Gültigkeit wird nicht gefordert, daß sie schriftlich abgefaßt sei. Sie ist an keine Form gebunden; ihre Verbindlichkeit besteht, sobald der Wille dessen, der sich verbindlich macht, bekannt ist. Daher kommt es, daß man auch durch eine bloße Tathandlung pollicitieren kann. Diese Verbindlichkeit begründet eine bürgerliche Klage, die nicht bloß gegen den Pollicitanten selbst, sondern auch gegen seine Erben geführt werden kann, um sie zu zwingen, daß sie erfüllen, was er versprochen, oder vollenden, was er angefangen hat. Die Pollicitationen haben mit den Schenkungen unter Lebenden das gemein, daß sie unwiderruflich sind, so daß eine spätere Schenkung der früheren Pollicitation keinen Eintrag tun kann und, wenn beide nicht nebeneinander bestehen können, die Schenkung ungültig wird.

»Alle diese Merkmale einer Pollicitation finden sich bei der Verfügung des Duhalde. 1. Er hat sich allein verbindlich gemacht. Diese einseitig eingegangne Verbindlichkeit, aus welcher eben folgt, daß die Urkunde, worin sie enthalten ist, keine Schenkung sein kann, ist eines von den Kennzeichen der Pollicitation. 2. Die Pollicitation muß eine gewisse Veranlassung haben. Das römische Recht nennt unter mehrern solchen Veranlassungen besonders den Einsturz oder das Verbrennen eines öffentlichen Gebäudes, einen Unfall, der das gemeine Wesen betroffen hat u. dgl. Die gegenwärtige Lage der Dinge läßt uns eine traurige Anwendung davon auf uns machen. Die schlechten Zeiten, der Geldmangel, der Verfall so mancher sonst wohlhabenden Häuser waren wohl hinlängliche Veranlassungen und gewiß auch die wahren Beweggründe, durch welche Herr Duhalde zu dieser Verfügung bestimmt wurde. 3. Die Pollicitation muß das allgemeine Beste zum Gegenstand haben. Das Beste der Armen macht aber unstreitig einen Teil des allgemeinen Besten aus. Man hat zwar eingewendet, daß die Pollicitation nichts weiter zum Gegenstand haben könne als die Errichtung öffentlicher Gebäude. Allein das sechste Gesetz in dem Titel von den Pollicitationen zeigt ganz deutlich, daß sie sich auch auf andere Gegenstände des allgemeinen Wohls beziehen könne. 4. Die Pollicitation kann auch durch eine bloße Tathandlung geschehen, durch den Anfang eines gewissen Unternehmens. Es wird nicht gefordert, daß das Versprechen in einer gewissen Form schriftlich abgefaßt sei; es ist genug, wenn das Versprechen auf irgendeine Art bekannt wird. Es ist bekannt, daß Duhalde versprochen hat; sein Versprechen ist in seinen Büchern schriftlich vorhanden. Er hat sogar bereits angefangen, es zu vollziehen; er hat mehrere Summen unter die Armen verteilt; er hat acht Wechsel, jeden zu 1000 Livres, für sie ausgestellt; und er hat in seinen Büchern sehr sorgfältig angemerkt, daß diese Zahlungen auf Rechnung des Anteils geschehen seien, den die Armen an dem Gewinn der Handelsgesellschaft zu fordern haben. Er würde ohne Zweifel sein Versprechen auch ganz eingelöst haben, wenn er entweder länger gelebt hätte oder wenn nur die Edelsteine nicht einige Zeit vor seinem Tode so sehr im Preise gefallen gewesen wären. Er hat aber doch wenigstens alle mögliche Vorsicht angewendet, es dahin zu bringen, daß sein Wille auch nach seinem Tode vollzogen werden möchte. Ohne auf sein Testament zu sehen, darf man nur den Umstand erwägen, daß er auf die Pakete, worin er die Edelsteine verwahrt hatte, die Worte schrieb: ›Hiervon gehört die Hälfte den Armen‹; und daß er in der Bilanz, die er über seinen Vermögensstand zog, den Anteil, den er den Armen zugedacht hatte, unter die Schulden schrieb. Wenn also eine Pollicitation durch eine bloße Tathandlung geschehen kann, aus der ein bestimmter Vorsatz erhellt: wo sind denn Tathandlungen zu finden, die Duhaldes Willen, den Armen die bestimmte Summe auszuliefern, unwidersprechlicher darstellen könnten? 5. Die Klage, welche durch eine Pollicitation begründet wird, muß von Personen erhoben werden, die im Namen des Publikums zu sprechen haben. Hier sind die Personen, welche die Einlösung des von Herrn Duhalde geleisteten Versprechens verlangen, die Vorsteher des Hospitals, das heißt Männer, die erwählt worden sind, das Publikum bei der Verwaltung der den Armen zugehörigen Einkünfte zu vertreten.

»Es ist also entschieden, daß die Verfügung, von der hier die Rede ist, alle Kennzeichen einer Pollicitation hat und folglich als eine wahre Pollicitation angesehen werden muß. Aber noch mehr! Diese Pollicitation, die schon an sich zu einer gerichtlichen Klage auf Vollziehung derselben berechtigt, ist hier noch außerdem durch ein gültiges Legat bestätigt.

»Das Testament des Herrn Duhalde enthält eine Klausel, in welcher er dem Testamentsvollstrecker ausdrücklich befiehlt, die in seinen Büchern enthaltenen, die Armen betreffenden Artikel pünktlich zu vollziehen. Dies ist wenigstens ein neuer Beweis und eine offenbare Bestätigung der von ihm gemachten Pollicitation. Da nun eine Schuld, zu deren Bezahlung man nur natürliche Verbindlichkeit hat, sobald sie durch ein Testament anerkannt ist, eine bürgerliche Klage begründet, so muß auch hier, wenn man die durch die Pollicitation bewirkte Schuld auch nur als eine natürliche ansehen wollte, nunmehr doch eine bürgerliche Klage stattfinden, da sie durch das Testament anerkannt ist. Allein jene Schuld ist schon an sich bürgerlich, und die bürgerliche Klage darüber würde also auch ohne jene testamentliche Bestätigung stattfinden.

»Was übrigens die Gültigkeit eines Legats selbst betrifft, so ist dazu, wenn sonst die Formalitäten des Testaments ihre Richtigkeit haben, nichts weiter erforderlich, als daß die Willenserklärung des Testators nicht bezweifelt werden könne. In dem vorliegenden Falle ist es ohne alle Zweideutigkeit, daß es der Wille des Herrn Duhalde war, den Armen diese Summen zuzuwenden.

»Vergebens wird dagegen eingewendet, die Handelsgesellschaft sei ein Nichts, ein leerer Gedanke gewesen, und habe also durch eine bloße Bemerkung, die in dem Testamente gemacht sei, nicht gültiggemacht werden können. Es ist ja erwiesen, daß die Verfügung des Herrn Duhalde eine wahre Pollicitation war. Da nun der Testator auf die in seinen Büchern enthaltenen Artikel verwies und verlangte, daß sie in allem aufs genaueste vollzogen werden sollen, so war dies ebensoviel, als ob er alles, was in seinen Büchern darüber enthalten war, wörtlich in dem Testamente wiederholt hätte. So war sein Testament in bezug auf diesen Punkt nur eine Bestätigung der schon vorher geleisteten Pollicitation.

»Aus allem diesem folgt, daß die Verfügung des Herrn Duhalde allerdings gültig ist. Aber die zweite Frage ist nun: ob ihrer Vollziehung nichts im Wege stehe? »Die Erben haben zwei Ursachen angegeben, aus denen folgen soll, daß diese Verfügung nicht vollzogen werden könne. Die eine ist: weil dieser Vollziehung die Rechte in den Weg treten, die der Witwe und dem Kinde nach den Gesetzen zustehen; die zweite: weil der gesetzmäßige Abzug, der von dem Nachlaß zum voraus geschehen müsse, zur Vollziehung nichts übrig lasse.

»Die erstere Ursache kann keine ernstliche Schwierigkeit bereiten. Im Grunde kann weder das Interesse der Witwe, noch das Interesse des Sohnes jener Forderung der Armen einen Abbruch tun. Betrachtet man nämlich die Verfügung, von der die Rede ist, als eine Pollicitation, so ist dies eine Handlung unter Lebenden, wo es dem Manne erlaubt war, über das eheliche gemeinschaftliche Vermögen sogar zum Nachteil des seiner Gattin zugehörigen Anteils zu disponieren. Betrachtet man sie aber als ein Legat, so hatte der Mann doch jederzeit das Recht, über die ihm eigentümlich zugehörige Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens nach Gefallen zu verfügen. Man mag also die Sache aus dem einen oder dem andern Gesichtspunkte ansehen, so werden die Armen doch immer die Hälfte von dem Gewinn erhalten müssen. Die übrigbleibende Hälfte des Gewinns muß alsdann, wenn man die Verfügung als Pollicitation ansieht, zwischen der Mutter und dem Sohne geteilt werden, weil das gemeinschaftliche Vermögen noch bei des Mannes Lebzeiten um soviel vermindert wurde; der Anteil der Armen ist als eine Schuld anzusehen, die aus der Erbschaftsmasse abgeführt werden muß und folglich den Anteil vermindert, den die Witwe von dem gemeinschaftlichen Vermögen zu empfangen hat. Nimmt man aber die Verfügung als ein Legat an, so bekommt die Frau die übrigbleibende Hälfte des Gewinns ganz, weil der Testator nur über den einen Teil des gemeinschaftlichen Vermögens disponieren kann, der ihm eigentümlich zugehört; der Sohn kann alsdann keinen Anteil an der übrigbleibenden Hälfte haben, weil sein Vater die seinige an die Armen vermacht hat.

»Über diese Verteilung des gewonnenen Vermögens könnte also freilich zwischen Mutter und Sohn noch ein Rechtsstreit entstehen. Allein was zwischen Mutter und Sohn Rechtens sein möchte, geht uns hier nichts an; wir haben bloß zu beweisen, daß die Verfügung, von der die Rede ist, vollzogen werden müsse. Indes ließe sich (was wir hier nur im Vorbeigehn bemerken wollen) behaupten, daß die übrigbleibende Hälfte des Gewinns zwischen Mutter und Sohn geteilt werden müsse, da die Verfügung eigentlich eine Pollicitation ist und das Legat nur als eine Bestätigung derselben angesehen werden kann. Doch, es ist uns genug, bewiesen zu haben, daß das Interesse der Witwe und des Sohnes der Vollziehung, welche die Vorsteher fordern, nicht im Wege stehe.

»Die zweite Ursache, aus welcher die Erben die Unmöglichkeit der Vollziehung folgern wollen, ist ebenso grundlos als die erste. Durch eine richtige Berechnung ist sie leicht zu widerlegen. Hier ist aber nicht der Ort, eine solche Berechnung anzustellen. Es ist genug, daß wir die Notwendigkeit der Vollziehung erwiesen haben. Die Berechnung wird an ihrem gehörigen Orte vorgelegt werden. Sind übrigens die Erben mit dem Preisanschlag der Edelsteine, der doch zu ihrem Vorteil gemacht ist, nicht zufrieden, so kann man einen andern Anschlag machen lassen.«

Am 4. April wurde dieser Streit durch folgendes Arret entschieden:

»Das Testament des Duhalde und die übrigen Verfügungen desselben, auf die er sich in dem Testamente bezieht, sind nach ihrem wörtlichen Inhalt zu vollziehen. De la Planche als Vormund der Witwe und des Kindes ist also schuldig und gehalten, die von Duhalde durch ein Legat den Armen bestimmten Edelsteine den Vorstehern des großen Hospitals auszuliefern oder ihnen den wahren Wert dafür nach dem Anschlag zu bezahlen, der durch die bereits geschehene Schätzung bestimmt ist oder der durch eine neue Schätzung von sachverständigen Taxatoren, über welche sich die Parteien entweder selbst vergleichen mögen oder welche sie sich von der Obrigkeit können ernennen lassen, bestimmt werden kann. Doch soll es statt alles dessen besagtem De la Planche, wenn er es zuträglich finden sollte, auch gestattet sein, durch eine Summe von 18 000 Livres, die er im Namen der Erben an das Hospital zu bezahlen hätte, die ganze Forderung zu tilgen. Hierüber hat er sich binnen vierzehn Tagen zu erklären. Die von beiden Teilen aufgewendeten Kosten werden gegeneinander verglichen und aufgehoben.«