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Die Freuden der Gegenwart.

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Lasset die Rosenumkränzeten Stunden
Bei den ätherischen Schwingen uns fassen,
Schnell wie vorüber die Eilenden fliehn.
Wenn wir sie lässig entschlüpfen uns lassen,
Sind auch auf immer die Holden verschwunden,
Welche sich zürnend dem Trägen entziehn.
Haschet im Fluge den Augenblick,
Freunde, er kehret euch nimmer zurück.

Lasst in die jugendlich flatternden Haare
Blühende Zweige der Myrthe uns schlingen,
Fesselt die Locken mit sanfter Gewalt,
Eh von der Scheitel mit sparsamen Ringen
Endlich gebleichet vom Hauche der Jahre
Silbernes Haar in dem Nacken uns wallt.
Haschet im Fluge den Augenblick,
Freunde, er kehret euch nimmer zurück.

Lasset, vergönnet uns Phöbus die Leier,
Heiter sie immer und fröhlich ertönen,
Freuden der Gegenwart singe sie nur,
Diese nur kann mit dem Schicksal versöhnen,
Denn um das künftige wallet ein Schleier,
Und es verweht der Vergangenheit Spur.
Haschet im Fluge den Augenblick,
Freunde, er kehret euch nimmer zurück.

Lasset den Leidenden tröstend sich sagen:
„Zukunft, die ferne, nur krönet mein Hoffen,
„Heitere Hofnung betrüget den Schmerz –“
Jedem Geschenke der Gegenwart offen,
Jeglicher Freude mit zitterndem Schlagen
Bebe das leise bewegliche Herz.
Haschet im Fluge den Augenblick,
Freunde, er kehret euch nimmer zurück.

Aber, o lasst uns den Becher der Freuden
Immer mit mässiger Lippe berühren,
Wenn ihn die Hore, die Freundliche, reicht;
Nie im Genusse sich selbst zu verlieren,
Und in den Armen des Glückes bescheiden,
Weise zu bleiben ist weniger leicht.
Bringe den fliehenden Augenblick
Nimmer die quälende Reue zurück.

F.