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Iphigenie in Aulis – Dritter Akt. Dritter Auftritt.

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Agamemnon zu den Vorigen.

Iphigenie.
Wirst
Du zürnen, Mutter, wenn ich, meine Brust
An seine Vaterbrust zu drücken, ihm
Entgegen eile?

Klytämnestra.
O, mir über Alles
Verehrter König und Gemahl! – Hier sind
Wir angelangt, wie du gebotst.

Iphigenie.
O laß
Mich nach so langer Trennung, Brust an Brust
Geschlossen, dich umarmen, Vater! Laß
Mich deines lieben Angesichts genießen!
Doch zürnen mußt du nicht.

Agamemnon.
Genieß es, Tochter.
Ich weiß, wie zärtlich du mich liebst – du liebst
Mich zärtlicher, als meine andern Kinder.

Iphigenie.
Dich nach so langer, langer Trennung wieder
Zu haben – wie entzückt mich das, mein Vater!

Agamemnon.
Auch mich –auch mich entzückt es. Was du sagst,
Gilt von uns beiden.

Iphigenie.
Sei mir tausendmal
Gegrüßt! Was für ein glücklicher Gedanke,
Mein Vater, mich nach Aulis zu berufen!

Agamemnon.
Ein glücklicher Gedanke – Ach! Das weiß
Ich doch nicht –

Iphigenie.
Wehe mir! Was für
Ein kalter, freudenleerer Blick, wenn du
Mich gerne siehst!

Agamemnon.
Mein Kind! für einen König
Und Feldherrn gibt’s der Sorgen so gar viele.

Iphigenie.
Laß diese Sorgen jetzt, und sei bei mir!

Agamemnon.
Bei dir bin ich und wahrlich nirgends anders!

Iphigenie.
O so entfalte deine Stirn! Laß mich
Dein liebes Auge heiter sehen!

Agamemnon.
Ich
Entfalte meine Stirne. Sieh! so lang
Ich dir ins Antlitz schaue, bin und froh.

Iphigenie.
Doch seh‘ ich Thränen deine Augen wässern.

Agamemnon.
Weil wir auf lange von einander gehn.

Iphigenie.
Was sagst du? – Liebster Vater, ich verstehe
Dich nicht – ich soll es nicht verstehn!

Agamemnon.
So klug
Ist Alles, was sie spricht! – Ach! das erbarmt
Mich desto mehr!

Iphigenie.
So will ich Thorheit reden,
Wenn das dich heiter machen kann.

Agamemnon (für sich).
Ich werde
Mich noch vergessen – – Ja doch, meine Tochter –
Ich lobe dich – ich bin mit dir zufrieden.

Iphigenie.
Bleib lieber bei uns, Vater! Bleib und schenke
Dich deinen Kindern!

Agamemnon.
Daß ich’s könnte! Ach!
Ich kann es nicht – ich kann nicht, wie ich wünsche –
Das ist es eben, was mir Kummer macht.

Iphigenie.
Verwünscht sei’n alle Kriege, alle Uebel,
Die Menelaus auf uns lud!

Agamemnon.
Dein Vater
Wird nicht der Letzte sein, den sie verderben.

Iphigenie.
Wie lang ist’s nicht schon, daß du, fern von uns,
In Aulis‘ Busen müßig liegst!

Agamemnon.
Und auch
Noch jetzt setzt sich der Abfahrt meiner Flotte
Ein Hinderniß entgegen.

Iphigenie.
Wo, sagt man,
Daß diese Phryger wohnen, Vater?

Agamemnon.
Wo –
Ach! wo der Sohn des Priamus nie hätte
Geboren werden sollen!

Iphigenie.
Wie? So weit
Schiffst du von dannen und verlässest mich?

Agamemnon.
Wie weit es auch sein möge – du, mein Kind,
Wirst immer mit mir gehen!

Iphigenie.
Wäre mir’s
Anständig, lieber Vater, dir zu folgen,
Wie glücklich würd‘ ich sein!

Agamemnon.
Was für ein Wunsch!
Auch dich erwartet eine Fahrt, wo du
An deinen Vater denken wirst.

Iphigenie.
Reis‘ ich
Allein, mein Vater, oder von der Mutter
Begleitet?

Agamemnon.
Du allein. Dich wird kein Vater
Begleiten, keine Mutter.

Iphigenie.
Also willst
Du in ein fremdes Haus mich bringen lassen?

Agamemnon.
Laß gut sein! Forsche nicht nach Dingen, die
Jungfrauen nicht zu wissen ziemt.

Iphigenie.
Komm du
Von Troja uns recht bald und siegreich wieder!

Agamemnon.
Erst muß ich noch ein Opfer hier vollenden.

Iphigenie.
Das ist ein heiliges Geschäft, worüber
Du mit den Priestern dich berathen mußt.

Agamemnon.
Du wirst’s mit ansehn, meine Tochter! Gar
Nicht weit vom Becken wirst du stehn.

Iphigenie.
So werden
Wir einen Reigen um den Altar führen?

Agamemnon.
Die Glückliche in ihrer kummerfreien
Unwissenheit! Geh jetzt ins Vorgemach,
Den Jungfrauen dich zu zeigen. (Sie umarmt ihn.)

Eine schwere
Umarmung war das und ein bittrer Kuß!
Es ist ein langer Abschied, den wir nehmen.
O Lippen – Busen – blondes Haar! wie theuer
Kommt dieses Troja mir und diese Helena
Zu stehen! – Doch genug der Worte – Geh!
Geh! Unfreiwillig bricht aus meinen Augen
Ein Thränenstrom, da dich mein Arm umschließet.
Geh in das Zelt! (Iphigenie entfernt sich.)