Turandot im Gespräch mit Zelima. Adelma, anfangs ungesehen.
Turandot.
Hilf, rath mir, Zelima. Ich kann’s nicht tragen,
Mich vor dem ganzen Divan überwunden
Zu geben! – Der Gedanke tödtet mich.
Zelima.
Ist’s möglich, Königin? Ein so edler Prinz
So liebeathmend und so liebenswerth,
Kann nichts als Haß und Abscheu –
Turandot.
Abscheu! Haß! (Sie besinnt sich)
– Ich hass‘ ihn, ja. Abscheulich ist er mir!
Er hat im Divan meinen Ruhm vernichtet.
In allen Landen wird man meine Schande
Erfahren, meiner Niederlage spotten.
O, rette mich – In aller Frühe, will
Mein Vater, soll der Divan sich versammeln,
Und lös‘ ich nicht die aufgegebne Frage,
So soll in gleichem Augenblick das Band
Geflochten sein – – »Weß Stamms und Namen ist
»Der Prinz, der, um sein Leben zu erhalten,
»Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen
»Und Lasten um geringen Preis zu tragen;
»Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung
»Noch unglücksel’ger ist, als je zuvor?« –
– Daß dieser Prinz er selbst ist, seh‘ ich leicht.
Wie aber seinen Namen und Geschlecht
Entdecken, da ihn Niemand kennt, der Kaiser
Ihm selbst verstattet, unerkannt zu bleiben?
Geängstigt, wie ich war, geschreckt, gedrängt,
Ging ich die Wette unbedachtsam ein.
Ich wollte Frist gewinnen – Aber wo
Die Möglichkeit, es zu errathen? Sprich!
Wo eine Spur, die zu ihm leiten könnte?
Zelima.
Es gibt hier kluge Frauen, Königin,
Die aus dem Thee- und Kaffeesatz wahrsagen –
Turandot.
Du spottest meiner! Dahin kam’s mit mir!
Zelima.
Wozu auch überall der fremden Künste?
– O, seht ihn vor Euch stehn, den schönen Prinzen!
Wie rührend seine Klage war! Wie zärtlich
Er aus zerrißnem Herzen zu Euch flehte!
Wie edelmüthig er, sein selbst vergessen,
Zu Eures Vaters Füßen für Euch bat,
Für Euch, die kein Erbarmen mit ihm trug,
Zum zweitenmal sein kaum gerettet Leben
Darbot, um Eure Wünsche zu vergnügen!
Turandot (weggewendet).
Still, still davon!
Zelima.
Ihr kehrt Euch von mir ab!
Ihr seid gerührt! Ja, ja! Verbergt es nicht!
Und eine Thräne glänzt in Eurem Auge –
O, schämt Euch nicht der zarten Menschlichkeit!
Nie sah ich Euer Angesicht so schön.
O, macht ein Ende! Kommt – (Adelma ist im Begriff hervorzutreten.)
Turandot.
Nichts mehr von ihm!
Er ist ein Mann. Ich hass‘ ihn, muß ihn hassen.
Ich weiß, daß alle Männer treulos sind,
Nichts lieben können als sich selbst; hinweg-
Geworfen ist an dies verräterische Geschlecht
Die schöne Neigung und die schöne Treue.
Geschmeid’ge Sklaven, wenn sie um uns werben,
Sind sie Tyrannen, gleich, wo sie besitzen.
Das blinde Wollen, den gereizten Stolz,
Das eigensinnig heftige Begehren,
Das nennen sie ihr Lieben und Verehren.
Das reißt sie blind zu unerhörter That,
Das treibt sie selber auf den Todespfad;
Das Weib allein kennt wahre Liebestreue.
– Nicht weiter, sag‘ ich dir. Gewinnt er morgen,
Ist mir der Tod nicht schrecklicher, als er.
Mich sah‘ die Welt, die mir gehässig ist,
Zu dem gemeinen Loos herabgewürdigt
An eines Mannes und Gebieters Hand!
Nein, nein! So tief soll Turandot nicht sinken!
– Ich seine Braut! Eh‘ in das offne Grab
Mich stürzen, als in eines Mannes Arme!
(Adelma hat sich wieder zurückgezogen.)
Zelima.
Wohl mag’s Euch kosten, Königin, ich glaub‘ es,
Von Eurer stolzen Höh‘ herabzusteigen,
Auf der die Welt Euch staunend hat gesehn.
Was ist der eitle Ruhm, wenn Liebe spricht?
Gesteht es, Eure Stunde ist gekommen!
Weg mit dem Stolze! Weicht der stärkeren
Gewalt – Ihr haßt ihn nicht, könnt ihn nicht hassen,
Warum dem eignen Herzen widerstreben?
Ergebt Euch dem geliebten Mann, und mag
Alsdann die Welt die Glückliche verhöhnen!
Adelma (ist horchend nach und nach näher gekommen und tritt jetzt hervor).
Wer von geringem Stand geboren ist,
Dem steht es an, wie Zelima zu denken.
Ein königliches Herz fühlt königlich.
– Vergib mir! Zelima! Dir ist es nicht gegeben,
An einer Fürstin Platz dich zu versetzen,
Die sich so hoch wie unsre Königin
Gestellt und jetzt, vor aller Menschen Augen,
Im Divan so herunter steigen soll,
Von einem schlechten Fremdling überwunden.
Mit meinen Augen sah ich den Triumph,
Den stolzen Hohn in aller Männer Blicken,
Als er die Rätsel unsrer Königin,
Als wären’s Kinderfragen, spielend löste,
Der überlegnen Einsicht stolz bewußt.
O, in die Erde hätt‘ ich sinken mögen
Vor Scham und Wuth – Ich liebe meine schöne
Gebieterin; ihr Ruhm liegt mir am Herzen.
– Sie, die dem ganzen Volk der Männer Hohn
Gesprochen, dieses Mannes Frau!
Turandot.
Erbittre mich
Nicht mehr!
Zelima.
Das große Unglück, Frau zu werden!
Adelma.
Schweig. Zelima! Man will von dir nicht wissen,
Wodurch ein edles Herz beleidigt wird.
Ich kann nicht schmeicheln. Grausam wär‘ es, hier
Zu schonen und die Wahrheit zu verhehlen.
Ist es schon hart genug, daß wir den Mann,
Den übermüthigen, zum Herrn uns geben,
So liegt doch Trost darin, daß wir uns selbst
Mit freier Wahl und Gunst an ihn verschenken,
Und seine Großmuth fesselt seinen Stolz.
Doch welches Loos trifft unsre Königin,
Wie hat sie selbst sich ihr Geschick verschlimmert!
Nicht ihrer freien Gunst und Zärtlichkeit,
Sich selbst nur, seinem siegenden Verstand
Wird sie der Stolze zu verdanken haben;
Als seine Beute führt er sie davon –
Wird er sie achten, Großmuth an ihr üben,
Die keine gegen ihn bewies, auf Tod
Und Leben ihn um sie zu kämpfen zwang,
Ihm nur als Preis des Sieges heimgefallen?
Wird er bescheiden seines Rechtes brauchen,
Das er nur seinem Recht verdankt?
Turandot (in der heftigsten Bewegung).
Adelma, wisse!
Find‘ ich die Namen nicht, mitten im Tempel
Durchstoß‘ ich diese Brust mit einem Dolch.
Adelma.
Faßt Muth, Gebieterin. Verzweifelt nicht!
Kunst oder List muß uns das Räthsel lösen.
Zelima.
Gut. Wenn Adelma mehr versteht, als ich,
Und Euch so zugethan ist, wie sie sagt,
So helfe sie und schaffe Rath.
Turandot.
Adelma!
Geliebte Freundin! Hilf mir, schaffe Rath!
Ich kenn‘ ihn nicht, weiß nicht, woher er kommt;
Wie kann ich sein Geschlecht und Namen wissen?
Adelma (nachsinnend).
Laß sehn – Ich hab‘ es – hörte man ihn nicht
Im Divan sagen, hier in dieser Stadt,
In Peckin, lebe Jemand, der ihn kenne?
Man muß nachspüren, muß die ganze Stadt
Umkehren, weder Gold noch Schätze sparen –
Turandot.
Nimm Gold und Edelsteine, spare nichts.
Kein Schatz ist mir zu groß, nur, daß ich’s wisse!
Zelima.
An wen uns damit wenden? Wo uns Raths
Erholen? – Und, gesetzt, wir fänden wirklich
Auf diesem Wege seinen Stand und Namen,
Wird es verborgen bleiben, daß Bestechung,
Nicht ihre Kunst das Räthsel uns verrathen?
Adelma.
Wird Zelima wohl der Verräther sein?
Zelima.
Das geht zu weit – Spart Euer Gold, Prinzessin!
Ich schwieg, ich hoffte Euer Herz zu rühren,
Euch zu bewegen, diesen würdigsten
Von allen Prinzen, den Ihr selbst nicht hasset,
Freiwillig zu belohnen – Doch Ihr wollt es!
So siege meine Pflicht und mein Gehorsam!
– Wißt also! Meine Mutter Skirina
War eben bei mir, war entzückt, zu hören,
Daß dieser Prinz die Räthsel aufgelöst,
Und von dem neuen Wettstreit noch nichts wissend,
Verrieth sie mir in ihrer ersten Freude,
Daß dieser Prinz in ihrem Haus geherbergt,
Daß Hassan ihn, ihr Gatte, sehr wohl kenne,
Wie seinen Herrn und lieben Freund ihn ehre.
Ich fragte nun nach seinem Stand und Namen;
Doch, dies sei noch ein Räthsel für sie selbst.
Spricht sie, das Hassan standhaft ihr verberge;
Doch hofft sie noch, es endlich zu ergründen.
– Verdien‘ ich es nun noch, so zweifle meine
Gebieterin an meiner Treu‘ und Liebe! (Geht ab mit Empfindlichkeit.)
Turandot (ihr nacheilend).
Bleib, Zelima! Bist du beleidigt? – Bleib!
Vergib der Freundin!
Adelma (hält sie zurück).
Lassen wir sie ziehen!
Prinzessin, auf die Spur hat Zelima
Geholfen; unsre Sache ist es nun,
Mit Klugheit die Entdeckung zu verfolgen.
Denn Thorheit war’s, zu hoffen, daß uns Hassan
Gutwillig das Geheimniß beichten werde,
Nun er den ganzen Werth desselben kennt.
Verschlagne List, ja, wenn die List nicht hilft,
Gewalt muß das Geständniß ihm entreißen;
Drum schnell – Kein Augenblick ist zu verlieren.
Herbei mit diesem Hassan ins Serail,
Eh‘ er gewarnt sich unserm Arm entzieht.
Kommt! Wo sind Eure Sklaven?
Turandot (fällt ihr um den Hals).
Wie du willst,
Adelma! Freundin! Ich genehm’ge Alles.
Nur daß der Fremde nicht den Sieg erhalte! (Geht ab.)
Adelma.
Jetzt, Liebe, steh mir bei! Dich ruf‘ ich an,
Du Mächtige, die Alles kann bezwingen!
Laß mich entzückt der Sklaverei entspringen;
Der Stolz der Feindin öffne mir die Bahn!
Hilf die Verhaßte listig mir betrügen,
Den Freund gewinnen und mein Herz vergnügen! (Geht ab.)