HomeText: ÜbersetzungenTurandot, Prinzessin von China von GozziTurandot, Prinzessin von China – Vierter Aufzug. Erster Auftritt.

Turandot, Prinzessin von China – Vierter Aufzug. Erster Auftritt.

Bewertung:
(Stimmen: 1 Durchschnitt: 4)

Vorhof mit Säulen. In der Mitte eine Tafel mit einem mächtig großen Becken, voll von Goldstücken.

Turandot. Zelima. Skirina. Timur. Barak.

(Barak und Timur stehen, jeder an einer Säule, einander gegenüber, die Verschnittenen um sie herum, alle mit entblößten Säbeln und Dolchen. Zelima und Skirina stehen weinend auf der einen, Turandot drohend und streng auf der andern Seite.)

Turandot.
Noch ist es Zeit. Noch lass‘ ich mich herab,
Zu bitten – Dieser aufgehäufte Berg
Von Gold ist euer, wenn ihr mir in Gutem
Des Unbekannten Stand und Namen nennt.
Besteht ihr aber drauf, ihn zu verschweigen,
So sollen diese Dolche, die ihr hier
Auf euch gezückt seht, euer Herz durchbohren!
He da, ihr Sklaven! Machet euch bereit.

(Die Verschnittenen halten ihnen ihre Dolche auf die Brust.)

Barak (zu Skirina).
Nun, heillos Weib, nun siehst du, Skirina,
Wohin uns deine Plauderhaftigkeit geführt.
– Prinzessin, sättigt Eure Wuth! Ich biete
Den Martern Trotz, die Ihr ersinnen könnt,
Ich bin bereit, den herbsten Tod zu leiden.
– Herbei, ihr Schwarzen! Auf, ihr Marterknechte.
Tyrannische Werkzeuge der Tyrannin,
Zerfleischt mich, tödtet mich, ich will es dulden.
– Sie hat ganz Recht, ich kenne diesen Prinzen
Und seinen Vater, Beider Namen weiß ich;
Doch keine Marter preßt sie von mir aus,
Kein Gold verführt mich; weniger als Staub,
Als schlechte Erde acht‘ ich diese Schätze!
Du, meine Gattin, jammre nicht um mich!
Für Diesen Alten spare deine Thränen,
Für ihn erweiche dieses Felsenherz,
Daß der Unschuldige gerettet werde!
Sein ganz Verbrechen ist, mein Freund zu sein.

Skirina (flehend zu Turandot).
O Königin, Erbarmen!

Timur.
Niemand kümmre sich
Um einen schwachen Alten, den die Götter
Im Zorn verfolgen, dem der Tod Erlösung,
Das Leben eine Marter ist. Ich will
Dich retten, Freund, und sterben. Wisse denn,
Du Grausame –

Barak (unterbricht ihn).
Um aller Götter willen, schweigt!
Der Name komme nicht aus Eurem Munde!

Turandot (neugierig).
Du weißt ihn also, Greis?

Timur.
Ob ich ihn weiß?
Unmenschliche! – Freund, sag‘ mir das Geheimniß,
Warum darf ich die Namen nicht entdecken?

Barak.
Ihr tödtet ihn und uns, wenn Ihr sie nennt.

Turandot.
Er will dich schrecken, Alter, fürchte nichts!
Herbei, ihr Sklaven, züchtigt den Verwegnen!

(Die Verschnittenen umgeben den Barak.)

Skirina.
Ihr Götter, helft! Mein Mann! Mein Mann!

Timur (tritt dazwischen).
Halt! Haltet!
Was soll ich thun! Ihr Götter, welche Marter!
– Prinzessin, schwört mir’s zu bei Eurem Haupt,
Bei Euren Göttern schwört mir, daß sein Leben
Und dieses Fremdlings Leben ungefährdet
Sein soll – Mein eignes acht‘ ich nichts und will
Es freudig Eurer Wuth zum Opfer geben –
Schwört mir das zu, und Ihr sollt Alles wissen.

Turandot.
Bei meinem Haupt, zum furchtbarn Fohi schwör‘ ich,
Daß weder seinem Leben, noch des Prinzen,
Noch irgend eines hier Gefährde droht –

Barak (unterbricht sie).
Halt, Lügnerin – Nicht weiter – Glaubt ihr nicht!
Verrätherei lauscht hinter diesem Schwur.
– Schwört, Turandot, schwört, daß der Unbekannte
Euer Gatte werden soll, im Augenblick,
Da wir die Namen Euch entdeckt, wie recht
Und billig ist; Ihr wißt es, Undankbare!
Schwört, wenn Ihr könnt und dürft, daß er, verschmäht
Von Euch, nicht in Verzweiflung sterben wird
Durch seine eigne Hand – Und schwört uns zu,
Daß, wenn wir Euch die Namen nun entdeckt,
Für unser Leben nichts zu fürchten sei,
Noch, daß ein ew’ger Kerker uns lebendig
Begraben und der Welt verbergen soll –
Dies schwört uns, und der Erste bin ich selbst,
Der Euch die beiden Namen nennt!

Timur.
Was für Geheimnisse sind dies! Ihr Götter,
Nehmt diese Qual und Herzensangst von mir!

Turandot.
Ich bin der Worte müd – Ergreift sie, Sklaven!
Durchbohret sie!

Skirina.
O Königin! Erbarmen!

(Die Verschnittenen sind im Begriff, zu gehorchen, aber Skirina und Zelima werfen sich dazwischen.)

Barak.
Nun siehst du, Greis, das Herz der Tigerin!

Timur (niedergeworfen).
Mein Sohn! Dir weih‘ ich freudig dieses Leben.
Die Mutter ging voran, ihr folg‘ ich nach.

Turandot (betroffen, wehrt den Sklaven).
Sein Sohn! Was hör‘ ich! Haltet! – Du ein Prinz?
Ein König? Du des Unbekannten Vater?

Timur. Ja, Grausame! Ich bin ein König – bin
Ein Vater, den der Jammer niederdrückt!

Barak.
O König! Was habt Ihr gethan!

Skirina.
Ein König!
In solchem Elend!

Zelima.
Allgerechte Götter!

Turandot (in tiefes Sinnen verloren, nicht ohne Rührung).
Ein König und in solcher Schmach! – Sein Vater!
Des unglücksel’gen Jünglings, den ich mich
Zu hassen zwinge und nicht hassen kann!
– O der Bejammernswürdige – Wie wird mir!
Das Herz im tiefsten Busen wendet sich!
Sein Vater! – Und er selbst – Sagt‘ er nicht so?
Genöthiget, als niedrer Knecht zu dienen
Und Lasten um geringen Sold zu tragen!
O Menschlichkeit! O Schicksal!

Barak.
Turandot,
Dies ist ein König! Scheuet Euch und schaudert
Zurück, die heil’gen Glieder zu verletzen!
Wenn solches Jammers Größe Euch nicht rührt,
Euch nicht das Mitleid, nicht die Menschlichkeit
Entwaffnen kann, laßt Euch die Scham besiegen.
Ehrt Eures eignen greisen Vaters Haupt
In diesem Greis – O, schändet Euch nicht selbst
Durch eine That, die Euer Blut entehrte!
Genug daß Ihr die Jünglinge gemordet,
Schonet das Alter, das ohnmächtige,
Das auch die Götter zum Erbarmen zwingt!

Zelima (wirft sich zu ihren Füßen).
Ihr seid bewegt, Ihr könnt nicht widerstehn.
O, gebt dem Mitleid und der Gnade Raum,
Laßt Euch die Größe dieses Jammers rühren!