Turandot und Altoum.
Altoum (nachdem jene weg sind, nähert sich ihr und faßt sie vertraulich bei der Hand).
Ich komme, deine Ehre
Zu retten.
Turandot.
Meine Ehre, Sire? Spart Euch
Die Müh! Nicht Rettung brauch‘ ich meiner Ehre –
Ich werde mir im Divan morgen selbst
Zu helfen wissen.
Altoum.
Ach, du schmeichelst dir
Mit eitler Hoffnung. Glaube mir’s, mein Kind,
Unmöglich ist’s, zu wissen, was du hoffst.
Ich les‘ in deinen Angen, deinen wild
Verwirrten Zügen deine Qual und Angst.
Ich bin dein Vater; sieh, ich hab‘ dich lieb.
– Wir sind allein – Sei offen gegen mich!
Bekenn‘ es frei – weißt du die beiden Namen?
Turandot.
Ob ich sie weiß, wird man im Divan hören.
Altoum.
Nein, Kind, du weißt sie nicht, kannst sie nicht wissen.
Wenn du sie weißt, so sag‘ mir’s im Vertrauen.
Ich lasse dann den Unglücksel’gen wissen,
Daß er verrathen ist, und lass‘ ihn still
Aus meinen Staaten ziehn. So meidest du
Den Haß des Volks – und mit dem Sieg zugleich
Trägst du den Ruhm der Großmuth noch davon,
Daß du dem Ueberwundenen die Schmach
Der öffentlichen Niederlage spartest.
– Um dieses Einz’ge bitt‘ ich dich, mein Kind!
Wirst du’s dem Vater, der dich liebt, versagen?
Turandot.
Ich weiß die Namen oder weiß sie nicht,
Genug! Hat er im Divan meiner nicht
Geschont, brauch‘ ich auch seiner nicht zu schonen.
Gerechtigkeit geschehe! Oeffentlich,
Wenn ich sie weiß, soll man die Namen hören.
Altoum (will ungeduldig werden, zwingt sich aber und fährt mit Mäßigung und Milde fort).
Durft‘ er dich schonen? Galt es nicht sein Leben?
Galt es nicht, was ihm mehr war, deine Hand?
Dich zu gewinnen und sich selbst zu retten,
Mußt‘ er den Sieg im Divan dir entreißen.
– Nur einen Augenblick leg‘ deinen Zorn
Bei Seite, Kind – Gib Raum der Ueberlegung!
Sieh, dieses Haupt setz‘ ich zum Pfand, du weißt
Die Namen nicht – Ich aber weiß sie – hier (auf den Brief zeigend)
Stehn sie geschrieben, und ich sag‘ sie dir.
– Der Divan soll sich in der Früh‘ versammeln,
Der Unbekannte öffentlich erscheinen;
Mit seinem Namen redest du ihn an;
Er soll beschämt, vom Blitz getroffen, stehen,
Verzweifelnd jammern und vor Schmerz vergehen;
Vollkommen sei sein Fall und dein Triumph.
Doch nun, wenn du so tief ihn hast gebeugt
Erheb‘ ihn wieder! Frei, aus eigner Wahl
Reich‘ ihm die Hand und endige sein Leiden.
– Komm, meine Tochter, schwöre mir, daß du
Das thun willst, und sogleich – wir sind allein –
Sollst du die Namen wissen. Das Geheimniß,
Ich schwöre dir, soll mit uns beiden sterben.
So löst der Knote sich erfreulich auf;
Du krönest dich mit neuem Siegesruhm,
Versöhnest dir durch schöne Edelthat
Die Herzen meines Volks, gewinnst dir selbst
Den Würdigsten der Erde zum Gemahl,
Erfreuest, tröstest nach so langem Gram
In seinem hohen Alter deinen Vater.
Turandot (ist während dieser Rede in eine immer zunehmende Bewegung gerathen).
Ach, wie viel arge List gebraucht mein Vater!
– Was soll ich thun? Mich auf Adelmas Wort
Verlassen und dem ungewissen Glück
Vertraun? Soll ich vom Vater mir die Namen
Entdecken lassen und den Nacken beugen
In das verhaßte Joch? – Furchtbare Wahl!
(Sie steht unentschlossen in heftigem Kampf mit sich selbst.)
Herunter, stolzes Herz! Bequeme dich!
Dem Vater nachzugeben ist nicht Schande!
(Indem sie einige Schritte gegen Altoum macht, steht sie plötzlich wieder still.)
Doch wenn Adelma – sie versprach so kühn,
So zuversichtlich – wenn sie’s nun erforschte,
Und übereilt hätt‘ ich den Schwur gethan?
Altoum.
Was sinnest du und schwankest, meine Tochter,
In zweifelnden Gedanken hin und her?
Soll etwa diese Angst mich überreden,
Daß du des Sieges dich versichert haltest?
O Kind, gib deines Vaters Bitte nach –
Turandot.
Es sei! Ich wag es drauf. Ich will Adelma
Erwarten – So gar dringend ist mein Vater?
Ein sichres Zeichen, daß es möglich ist,
Ich könne, was er fürchtet, durch mich selbst
Erfahren – Er versteht sich mit dem Prinzen!
Nicht anders! Von ihm selbst hat er die Namen;
Es ist ein abgeredet Spiel; ich bin
Verrathen, und man spottet meiner!
Altoum.
Nun?
Was zauderst du? Hör auf, dich selbst zu quälen,
Entschließe dich!
Turandot.
Ich bin entschlossen – Morgen
In aller Früh‘ versammle sich der Divan.
Altoum.
Du bist entschlossen, es aufs Aeußerste,
Auf öffentliche Schande hin zu wagen?
Turandot.
Entschlossen, Sire, die Probe zu bestehen.
Altoum (in heftigem Zorn).
Unsinnige! Verstockte! Blindes Herz!
Noch blinder als die Albernste des Pöbels!
Ich bin gewiß, wie meines eignen Haupts,
Daß du dich öffentlich beschimpfst, daß dir’s
Unmöglich ist, das Räthsel aufzulösen.
Wohlan! Der Divan soll versammelt werden,
Und in der Nähe gleich sei der Altar!
Der Priester halte sich bereit, im Augenblick,
Da du verstummst, beim lauten Hohngelächter
Des Volks die Trauung zu vollziehn. Du hast
Den Vater nicht gehört, da er dich flehte.
Leb‘ oder stirb! Er wird dich auch nicht hören! (Er geht ab.)
Turandot.
Adelma! Freundin! Retterin! Wo bist du?
Verlassen bin ich von der ganzen Welt.
Mein Vater hat im Zorn mich aufgegeben,
Von dir allein erwart‘ ich Heil und Leben.
(Entfernt sich von der andere Seite.)
Die Scene verwandelt sich in ein prächtiges Gemach mit mehreren Ausgängen. Im Hintergrund steht ein orientalisches Ruhebett für Kalaf. Es ist finstere Nacht.