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Turandot, Prinzessin von China – Zweiter Aufzug. Dritter Auftritt.

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Die Vorigen. Kalaf, von einer Wache begleitet. Er kniet vor dem Kaiser nieder, die Hand auf der Stirn.

Altoum (nachdem er ihn eine Zeit lang betrachtet).
Steh auf, unkluger Jüngling!

(Kalaf steht auf und stellt sich mit edelm Anstand in die Mitte des Divans.)

– Die reizende Gestalt! Der edle Anstand!
Wie mir’s ans Herz greift! – Sprich, Unglücklicher!
Wer bist du? Welches Land gab dir das Leben?

Kalaf (schweigt einen Augenblick verlegen, dann mit einer edeln Verbeugung).
Monarch, vergönne, daß ich meinen Namen
Verschweige.

Altoum.
Wie? Mit welcher Stirn darfst du,
Ein unbekannter Fremdling, namenlos,
Um unsre kaiserliche Tochter werben?

Kalaf.
Ich bin von königlichem Blut, ein Prinz, geboren.
Verhängt der Himmel meinen Tod, so soll
Mein Name, mein Geschlecht, mein Vaterland
Kund werden, eh‘ ich sterbe, daß die Welt
Erfahre, nicht unwürdig hab‘ ich mich
Des Bundes angemaßt mit deiner Tochter.
Für jetzt geruhe meines Kaisers Gnade
Mich unerkannt zu lassen.

Altoum.
Welcher Adel
In seinen Worten! Wie beklag‘ ich ihn!
– Doch wie, wenn du die Räthsel nun gelöst,
Und nicht von würd’ger Herkunft –

Kalaf.
Das Gesetz,
Monarch, ist nur für Könige geschrieben.
Verleihe mir der Himmel, daß ich siege,
Und dann, wenn ich unköniglichen Stamms
Erfunden werde, soll mein fallend Haupt
Die Schuld der kühnen Anmaßung bezahlen,
Und unbeerdigt liege mein Gebein,
Der Krähen Beute und der wilden Thiere.
Schon eine Seele lebt in dieser Stadt,
Die meinen Stand und Namen kann bezeugen.
Für jetzt geruhe meines Kaisers Gnade
Mich unerkannt zu lassen.

Altoum.
Wohl! Es sei!
Dem Adel deiner Mienen, deiner Worte,
Holdsel’ger Jüngling, kann ich Glauben nicht,
Gewährung nicht versagen – Mögst auch du
Geneigt sein, einem Kaiser zu willfahren,
Der hoch von seinem Thron herab dich fleht!
Entweiche, o entweiche der Gefahr,
Der du verblendet willst entgegen stürzen,
Steh ab und fordre meines Reiches Hälfte!
So mächtig spricht’s für dich in meiner Brust,
Daß ich dir gleichen Theil an meinem Thron
Auch ohne meiner Tochter Hand verspreche.
O, zwinge du mich nicht, Tyrann zu sein!
Schon schwer genug drückt mich der Völker Fluch,
Das Blut der Prinzen, die ich hingeopfert;
Drum, wenn das eigne Unglück dich nicht rührt,
Laß meines dich erbarmen! Spare mir
Den Jammer, deine Leiche zu beweinen,
Die Tochter zu verfluchen und mich selbst,
Der die Verderbliche gezeugt, die Plage
Der Welt, die bittre Quelle meiner Thränen!

Kalaf.
Beruhige dich, Sire! Der Himmel weiß,
Wie ich im tiefsten Herzen dich beklage.
Nicht, wahrlich, von so mildgesinntem Vater
Hat Turandot Unmenschlichkeit geerbt.
Du hast nicht Schuld, es wäre denn Verbrechen,
Sein Kind zu lieben und das Götterbild,
Das uns bezaubert und uns selbst entrückt,
Der Welt geschenkt zu haben – Deine Großmuth
Spar‘ einem Glücklicheren auf. Ich bin
Nicht würdig, Sire, dein Reich mit dir zu theilen.
Entweder ist’s der Götter Schluß und Rath,
Durch den Besitz der himmlischen Prinzessin
Mich zu beglücken – oder enden soll
Dies Leben, ohne sie mir eine Last!
Tod oder Turandot! Es gibt kein Drittes.

Pantalon.
Ei, sagt mir, liebe Hoheit! Habt Ihr Euch
Die Köpfe überm Stadtthor wohl besehn?
Mehr sag‘ ich nicht. Was, Herr, in aller Welt
Treibt Euch, aus fernen Landen herzukommen
Und Euch frisch weg, wie Ihr vom Pferd gestiegen,
Mir nichts, dir nichts, wie einen Ziegenbock
Abthun zu lassen? Dame Turandot,
Das seid gewiß, dreht Euch drei Räthselchen,
Daran die sieben Weisen Griechenlands,
Mit sammt den siebenzig Dolmetschern sich
Die Nägel Jahre lang umsonst zerkauten.
Wir selbst, so alte Practici und grau
Geworden über Büchern, haben Noth,
Das Tiefe dieser Räthsel zu ergründen.
Es sind nicht Räthsel aus dem Kinderfreund,
Nicht solches Zeug, wie das:
»Wer’s sieht, für den ist’s nicht bestellt,
»Wer’s braucht, der zahlt dafür kein Geld,
»Wer’s macht, der will’s nicht selbst ausfüllen,
»Wer’s bewohnt, der thut es nicht mit Willen,«
Nein, es sind Räthsel von dem neusten Schnitt,
Und sind verfluchte Nüsse aufzuknacken.
Und wenn die Antwort nicht zum guten Glück
Auf dem Papier, das man den Herrn Doktoren
Versiegelt übergibt, geschrieben stünde,
Sie möchten’s auch mit allem ihrem Witz
In einem Säculum nicht ausstudieren.
Darum, Herr Milchbart, zieht in Frieden heim!
Ihr jammert mich, seid ein so junges Blut,
Und Schade wär’s um Eure schönen Haare.
Beharrt Ihr aber drauf, so steht ein Rettich
Des Gärtners fester, Herr, als Euer Kopf.

Kalaf.
Ihr sprecht verlorne Worte, guter Alter.
Tod oder Turandot!

Tartaglia (stotternd).
Tu – Turandot!
Zum Henker, welcher Steifsinn und Verblendung!
Hier spielt man nicht um wälsche Nüsse, Herr,
Noch um Kastanien – ’s ist um den Kopf
Zu thun – den Kopf – bedenkt das wohl! Ich will
Sonst keinen Grund anführen als den einen;
Er ist nicht klein – den Kopf! Es gilt den Kopf.
Die Majestät höchstselbst, auf ihrem Thron,
Läßt sich herab, Euch väterlich zu warnen
Und abzurathen – Dreihundert Pferde sind
Der Sonne dargebracht, dreihundert Ochsen
Dem höchsten Himmelsgott, dreihundert Kühe
Den Sternen und dem Mond dreihundert Schweine.
Und Ihr seid störrig gnug und undankbar,
Das kaiserliche Herz so zu betrüben?
Wär‘ überall auch keine andre Dame
Mehr in der Welt, als diese Turandot,
Blieb’s immer doch ein loser Streich von Euch,
Nehmt mir’s nicht übel, junger Herr. Es ist,
Weiß Gott! die pure Liebe und Erbarmniß,
Die mich so frei läßt von der Leber sprechen.
Den Kopf verlieren! Wißt Ihr, was das heißt?
Es ist nicht möglich –

Kalaf.
So in Wind zu reden!
Ihr habt in Wind gesprochen, alter Meister!
Tod oder Turandot!

Altoum.
Nun denn, so hab‘ es!
Verderbe dich, und mich stürz‘ in Verzweiflung! (Zu der Wache)
Man geh‘ und rufe meine Tochter her. (Wache geht hinaus.)
Sie kann sich heut am zweiten Opfer weiden.

Kalaf (gegen die Thüre gewendet, in heftiger Bewegung).
Sie kommt! Ich soll sie sehen! Ew’ge Mächte,
Das ist der große Augenblick! O, stärket
Mein Herz, daß mich der Anblick nicht verwirre,
Des Geistes Helle nicht mit Nacht umgebe!
Ich fürchte keine als der Schönheit Macht.
Ihr Götter, gebt, daß ich mir selbst nicht fehle!
Ihr seht es, meine Seele wankt; Erwartung
Durchzittert mein Gebein und schnürt das Herz
Mir in der Brust zusammen. – Weise Richter
Des Divans! Richter über meine Tage!
O, zeiht mich nicht strafbaren Uebermuths,
Daß ich das Schicksal zu versuchen wage!
Bedauert mich! Beweint den Unglücksvollen!
Ich habe hier kein Wählen und kein Wollen!
Unwiderstehlich zwingend reißt es mich
Von hinnen, es ist mächtiger, als ich.