Man hört einen Marsch.
Truffaldin tritt auf, den Säbel an der Schulter, die Schwarzen hinter ihm, darauf mehrere Sklavinnen, die zu den Trommeln accompagnieren. Nach diesen Adelma und Zelima, jene in tartarischem Anzug, beide verschleiert. Zelina trägt einen Schüssel mit versiegelten Papieren. Truffaldin und seine Schwarzen werfen sich im Vorbeiziehen vor dem Kaiser mit der Stirn auf die Erde und stehen sogleich wieder auf; die Sklavinnen knieen nieder mit der Hand auf der Stirn. Zuletzt erscheint Turandot verschleiert, in reicher chinesischer Kleidung. majestätisch und stolz. Die Räthe und Doctoren werfen sich vor ihr mit dem Angesicht auf die Erde. Altoum steht auf; die Prinzessin macht ihm, die Hand auf der Stirn, eine abgemessene Verbeugung, steigt dann auf ihren Thron und setzt sich. Zelima und Adelma nehmen zu ihren beiden Seiten Platz, und die letztere den Zuschauern am nächsten. Truffaldin nimmt der Zelima die Schlüssel ab und vertheilt unter lächerlichen Ceremonien die Zettel unter die acht Doctoren. Darauf entfernt er sich mit denselben Verbeugungen, wie am Anfang, und der Marsch hört auf.
Turandot (nach einer langen Pause).
Wer ist’s, der sich aufs Neu vermessen schmeichelt,
Nach so viel kläglich warnender Erfahrung,
In meine tiefen Räthsel einzudringen!
Der, seines eignen Lebens Feind, die Zahl
Der Todesopfer zu vermehren kommt!
Altoum (zeigt auf Kalaf. der erstaunt in der Mitte des Divans steht).
Der ist es, Tochter – würdig wohl ist er’s,
Daß du freiwillig zum Gemahl ihn wählest,
Ohn‘ ihn der furchtbarn Probe auszusetzen
Und neue Trauer diesem Land, dem Herzen
Des Vaters neue Stacheln zu bereiten.
Turandot (nachdem sie ihn eine Zeit lang betrachtet, leise zur Zelima).
O Himmel! Wie geschieht mir, Zelima!
Zelima.
Was ist dir, Königin?
Turandot.
Noch Keiner trat
Im Divan auf, der dieses Herz zu rühren
Verstanden hätte. Dieser weiß die Kunst.
Zelima.
Drei leichte Räthsel denn, und Stolz – fahr hin!
Turandot.
Was sagst du? Wie, Verwegne? Meine Ehre?
Adelma (hat während dieser Rede den Prinzen mit höchstem Erstaunen betrachtet, für sich).
Täuscht mich ein Traum? Was seh‘ ich, große Götter!
Er ist’s, der schöne Jüngling ist’s, den ich
Am Hofe meines Vaters Keicobad
Als niedern Knecht gesehn! – Er war ein Prinz!
Ein Königssohn! Wohl sagte mir’s mein Herz;
O, meine Ahnung hat mich nicht betrogen!
Turandot.
Prinz, noch ist’s Zeit. Gebt das verwegene
Beginnen auf! Gebt’s auf! Weicht aus dem Divan!
Der Himmel weiß, daß jene Zungen lügen,
Die mich der Härte zeihn und Grausamkeit.
– Ich bin nicht grausam. Frei nur will ich leben;
Bloß keines Andern will ich sein; dies Recht,
Das auch dem allerniedrigsten der Menschen
Im Leib der Mutter anerschaffen ist,
Will ich behaupten, eines Kaisers Tochter.
Ich sehe durch ganz Asien das Weib
Erniedrigt und zum Sklavenjoch verdammt,
Und rächen will ich mein beleidigtes Geschlecht
An diesem stolzen Männervolke, dem
Kein andrer Vorzug vor dem zärtern Weibe
Als rohe Stärke ward. Zur Waffe gab
Natur mir den erfindenden Verstand
Und Scharfsinn, meine Freiheit zu beschützen.
– Ich will nun einmal von dem Mann nichts wissen,
Ich hass‘ ihn, ich verachte seinen Stolz
Und Uebermuth – Nach allem Köstlichen
Streckt er begehrlich seine Hände aus;
Was seinem Sinn gefällt, will er besitzen.
Hat die Natur mit Reizen mich geschmückt,
Mit Geist begabt – warum ist’s denn das Loos
Des Edeln in der Welt, daß es allein
Des Jägers wilde Jagd nur reizt, wenn das Gemeine
In seinem Unwerth ruhig sich verbirgt?
Muß denn die Schönheit eine Beute sein
Für Einen? Sie ist frei, so wie die Sonne,
Die allbeglückend herrliche, am Himmel,
Der Quell des Lichts, die Freude aller Augen,
Doch Keines Sklavin und Leibeigenthum.
Kalaf.
So hoher Sinn, so seltner Geistesadel
In dieser göttlichen Gestalt! Wer darf
Den Jüngling schelten, der sein Leben
Für solchen Kampfpreis freudig setzt! – Wagt doch
Der Kaufmann um geringe Güter Schiff
Und Mannschaft an ein wildes Element;
Es jagt der Held dem Schattenbild des Ruhms
Durchs blut’ge Feld des Todes nach – Und nur
Die Schönheit wär‘ gefahrlos zu erwerben,
Die aller Güter erstes, höchstes ist?
Ich also zeih‘ Euch keiner Grausamkeit;
Doch nennt auch Ihr den Jüngling nicht verwegen
Und haßt ihn nicht, weil er mit glühnder Seele
Nach dem Unschätzbaren zu streben wagt!
Ihr selber habt ihm seinen Preis gesetzt,
Womit es zu erkaufen ist – die Schranken
Sind offen für den Würdigen – Ich bin
Ein Prinz, ich hab‘ ein Leben dran zu wagen.
Kein Leben zwar des Glücks; doch ist’s mein Alles,
Und hätt‘ ich’s tausendmal, ich gäb‘ es hin.
Zelima (leise zu Turandot).
Hört Ihr, Prinzessin? Um der Götter willen!
Drei leichte Räthsel! Er verdient’s.
Adelma.
Wie edel! Welche Liebenswürdigkeit!
O, daß er mein sein könnte! Hätt‘ ich damals
Gewußt, daß er ein Prinz geboren sei,
Als ich der süßen Freiheit mich noch freute!
– O, welche Liebe flammt in meiner Brust,
Seitdem ich ihn mir ebenbürtig weiß!
– Muth, Muth, mein Herz! Ich muß ihn noch besitzen. (Zu Turandot.)
Prinzessin! Ihr verwirret Euch! Ihr schweigt!
Bedenket Euren Ruhm! Es gilt die Ehre!
Turandot.
Und er allein riss‘ mich zum Mitleid hin?
Nein. Turandot, du mußt dich selbst besiegen.
– Verwegener, wohlan! Macht Euch bereit!
Altoum.
Prinz, Ihr beharrt noch?
Kalaf.
Sire! ich wiederhol‘ es:
Tod oder Turandot! (Pantalon und Tartaglia geberden sich ungeduldig.)
Altoum.
So lese man
Das blutige Mandat. Er hör’s und zittre!
(Tartaglia nimmt das Gesetzbuch aus dem Busen, küßt es, legt es sich auf die Brust, hernach auf die Stirn, dann überreicht er’s dem Pantalon.)
Pantalon (empfängt das Gesetzbuch, nachdem er sich mit der Stirn auf die Erde geworfen, steht auf und liest dann mit lauter Stimme.)
»Es kann sich jeder Prinz um Turandot bewerben,
»Doch erst drei Räthsel legt die Königin ihm vor.
»Löst er sie nicht, muß er vom Beile sterben,
»Und schaugetragen wird sein Haupt auf Peckins Thor.
»Löst er die Räthsel auf hat er die Braut gewonnen.
»So lautet das Gesetz. Wir schwören’s bei der Sonnen.«
(Nach geendigter Vorlesung küßt er das Buch, legt es sich auf die Brust und Stirn und überreicht es dem Tartaglia, der sich mit der Stirn auf die Erde wirft, es empfängt und dem Altoum präsentiert.)
Altoum (hebt die rechte Hand empor und legt sie auf das Buch).
O Blutgesetz! du meine Qual und Pein!
Ich schwör’s bei Fohis Haupt, du sollst vollzogen sein.
(Tartaglia steckt das Buch wieder in den Busen, es herrscht eine lange Stille.)
Turandot (in declamatorischem Ton, aufstehend).
Der Baum, auf dem die Kinder
Der Sterblichen verblühn,
Steinalt, nichts desto minder
Stets wieder jung und grün;
Er kehrt auf einer Seite
Die Blätter zu dem Licht;
Doch kohlschwarz ist die zweite
Und sieht die Sonne nicht.
Er setzet neue Ringe,
So oft er blühet, an.
Das Alter aller Dinge
Zeigt er den Menschen an.
In seine grüne Rinden
Drückt sich ein Name leicht,
Der nicht mehr ist zu finden,
Wenn sie verdorrt und bleicht.
So sprich, kannst du’s ergründen,
Was diesem Baume gleicht? (Sie setzt sich wieder).
Kalaf (nachdem er eine Zeitlang nachdenkend in die Höhe gesehen, verbeug sich gegen die Prinzessin).
Zu glücklich, Königin, ist Euer Sklav,
Wenn keine dunklern Räthsel auf ihn warten.
Dieser alte Baum, der immer sich erneut,
Auf dem die Menschen wachsen und verblühen,
Und dessen Blätter auf der einen Seite
Die Sonne suchen, auf der andern fliehen,
In dessen Rinde sich so mancher Name schreibt,
Der nur, so lang sie grün ist, bleibt.
– Er ist – das Jahr mit seinen Tagen und Nächten.
Pantalon (freudig).
Tartaglia! Getroffen!
Tartaglia.
Auf ein Haar!
Doctoren (erbrechen ihre Zettel).
Optime! Optime! Optime! das Jahr, das
Jahr, das Jahr! Es ist das Jahr. (Musik fällt ein.)
Altoum (freudig).
Der Götter Gnade sei mit dir, mein Sohn,
Und helfe dir auch durch die andern Räthsel!
Zelima (bei Seite).
O Himmel, schütz‘ ihn!
Adelma (gegen die Zuschauer).
Himmel, schütz‘ ihn nicht!
Laß nicht geschehn, daß ihn die Grausame
Gewinne, und die Liebende verliere!
Turandot (entrüstet, für sich).
Er sollte siegen? Mir den Ruhm entreißen?
Nein, bei den Göttern! (Zu Kalaf.) Selbstzufriedner Thor!
Frohlocke nicht zu früh! Merk‘ auf und löse!
(Steht wieder auf und fährt in declamatorischem Tone fort.)
Kennst du das Bild auf zartem Grunde?
Es gibt sich selber Licht und Glanz.
Ein andres ist’s zu jeder Stunde,
Und immer ist es frisch und ganz.
Im engsten Raum ist’s ausgeführt,
Der kleinste Rahmen faßt es ein;
Doch alle Größe, die dich rühret,
kennst du durch dieses Bild allein.
Und kannst du den Krystall mir nennen?
Ihm gleicht an Werth kein Edelstein;
Er leuchtet, ohne je zu brennen,
Das ganze Weltall saugt er ein.
Der Himmel selbst ist abgemalet
In seinem wundervollen Ring;
Und doch ist, was er von sich strahlet,
Oft schöner, als was er empfing.
Kalaf (nach einem kurzen Nachdenken, sich gegen die Prinzessin verbeugend).
Zürnt nicht, erhabne Schöne, daß ich mich
Erdreiste, Eure Räthsel aufzulösen.
– Dies zarte Bild, das, in den kleinsten Rahmen
Gefaßt, das Unermeßliche uns zeigt,
Und der Krystall, in dem dies Bild sich malt
Und der noch Schönres von sich strahlt –
Er ist das Aug, in das die Welt sich drückt,
Dein Auge ist’s, wenn es mir Liebe blickt.
Pantalon (springt freudig auf).
Tartaglia! Mein‘ Seel! Ins schwarze Fleck
Geschossen.
Tartaglia.
Mitten hinein, so wahr ich lebe!
Doctoren (haben die Zettel eröffnet).
Optime! Optime! Optime! Das Auge, das Auge,
Es ist das Auge. (Musik fällt ein.)
Altoum.
Welch unverhofftes Glück! Ihr güt’gen Götter!
O, laßt ihn auch das letzte Ziel noch treffen!
Zelima (bei Seite).
O, wäre dies das letzte!
Adelma (gegen die Zuschauer).
Weh mir. Er siegt! Er ist für mich verloren! (Zu Turandot.)
Prinzessin, Euer Ruhm ist hin! Könnt Ihr’s
Ertragen? Eure vor’gen Siege alle
Verschlingt ein einz’ger Augenblick.
Turandot (steht auf in heftigem Zorn).
Eh soll
Die Welt zu Grunde gehn! Verwegner, wisse!
Ich hasse dich nur desto mehr, je mehr
Du hoffst mich zu besiegen, zu besitzen.
Erwarte nicht das letzte Räthsel! Flieh!
Weich aus dem Divan! Rette deine Seele!
Kalaf.
Nur Euer Haß ist’s, angebetete
Prinzessin, was mich schreckt und ängstiget.
Dies unglücksel’ge Haupt sinkt in den Staub,
Wenn es nicht werth war. Euer Herz zu rühren.
Altoum.
Steh ab, geliebter Sohn! Versuche nicht
Die Götter, die dir zweimal günstig waren.
Jetzt kannst du dein gerettet Leben noch,
Gekrönt mit Ehre, aus dem Divan tragen.
Nichts helfen dir zwei Siege, wenn der dritte
Dir, der entscheidende, mißlingt – Je näher
Dem Gipfel, desto schwerer ist der Fall.
– Und du – laß es genug sein, meine Tochter,
Steh ab, ihm neue Räthsel vorzulegen.
Er hat geleistet, was kein andrer Prinz
Vor ihm. Gib ihm die Hand, er ist sie werth,
Und endige die Proben.
(Zelima macht flehende, Adelma drohende Geberden gegen Turandot.)
Turandot.
Ihm die Hand?
Die Proben ihm erlassen? Nein, drei Räthsel
Sagt das Gesetz. Es habe seinen Lauf.
Kalaf.
Es habe seinen Lauf. Mein Schicksal liegt
In Götterhand. Tod oder Turandot!
Turandot.
Tod also! Tod! Hörst du’s?
(Sie steht auf und fährt auf die vorige Art zu declamieren fort.)
Wie heißt das Ding, das Wen’ge schätzen,
Doch ziert’s des größten Kaisers Hand;
Es ist gemacht, um zu verletzen,
Am nächsten ist’s dem Schwert verwandt.
Kein Blut vergießt’s und macht doch tausend Wunden,
Niemand beraubt’s und macht doch reich,
Es hat den Erdkreis überwunden,
Es macht das Leben sanft und gleich.
Die größten Reiche hat’s gegründet,
Die ältsten Städte hat’s erbaut;
Doch niemals hat es Krieg entzündet,
Und Heil dem Volk, das ihm vertraut.
Fremdling, kannst du das Ding nicht rathen,
So weich aus diesen blühenden Staaten!
(Mit den letzten Worten reißt sie sich ihren Schleier ab.)
Sieh her und bleibe deiner Sinne Meister!
Stirb oder nenne mir das Ding!
Kalaf (außer sich, hält die Hand vor die Augen).
O Himmelsglanz! O Schönheit, die mich blendet!
Altoum.
Gott, er verwirrt sich, er ist außer sich.
Faß dich, mein Sohn! O, sammle deine Sinne!
Zelima (für sich).
Mir bebt das Herz.
Adelma (gegen die Zuschauer).
Mein bist du, theurer Fremdling!
Ich rette dich, die Liebe wird mich’s lehren.
Pantalon (zu Kalaf).
Um Gotteswillen, nicht den Kopf verloren!
Nehmt Euch zusammen! Herz gefaßt, mein Prinz!
O weh, o weh! Ich fürcht‘, er ist geliefert.
Tartaglia (gravitätisch für sich).
Ließ‘ es die Würde zu, wir gingen selbst zur Küche
Nach einem Essigglas.
Turandot (hat den Prinzen, der noch immer außer Fassung da steht, unverwandt betrachtet).
Unglücklicher!
Du wolltest dein Verderben. Hab‘ es nun!
Kalaf (hat sich gefaßt und verbeugt sich mit einem ruhigen Lächeln gegen Turandot).
Nur Eure Schönheit, himmlische Prinzessin,
Die mich auf einmal überraschend, blendend
Umleuchtete, hat mir auf Augenblicke
Den Sinn geraubt. Ich bin nicht überwunden.
Dies Ding von Eisen, das nur Wen’ge schätzen,
Das Chinas Kaiser selbst in seiner Hand
Zu Ehren bringt am ersten Tag des Jahrs,
Dies Werkzeug, das, unschuld’ger als das Schwert,
Dem frommen Fleiß den Erdkreis unterworfen –
Wer träte aus den öden, wüsten Steppen
Der Tartarei, wo nur der Jäger schwärmt,
Der Hirte weidet, in dies blühende Land
Und sähe rings die Saatgefilde grünen
Und hundert volkbelebte Städte steigen,
Von friedlichen Gesetzen still beglückt,
Und ehrte nicht das köstliche Geräthe,
Das allen diesen Segen schuf – den Pflug?
Pantalon.
O, sei gebenedeit! Laß dich umhalsen!
Ich halte mich nicht mehr vor Freud‘ und Jubel.
Tartaglia.
Gott segne Eure Majestät! Es ist
Vorbei, und aller Jammer hat ein Ende.
Doctoren (haben die Zettel geöffnet).
Der Pflug, der Pflug! Es ist der Pflug!
(Alle Instrumente fallen ein mit großem Geräusch. Turandot ist auf ihrem Thron in Ohnmacht gesunken.)
Zelima (Um Turandot beschäftigt).
Blickt auf, Prinzessin! Fasset Euch! Der Sieg
Ist sein; der schöne Prinz hat überwunden.
Adelma (an die Zuschauer).
Der Sieg ist sein! Er ist für mich verloren.
– Nein, nicht verloren! Hoffe noch, mein Herz!
(Altoum ist voll Freude, bedient von Pantalon und Tartaglia, vom Throne gestiegen. Die Doctoren erheben sich alle von ihren Sitzen und ziehen sich nach dem Hintergrund. Alle Thüren werden geöffnet. Man erblickt Volk. Alles dies geschieht, während die Musik fortdauert.)
Altoum (zu Turandot). Nun hörst du auf, mein Alter zu betrüben,
Grausames Kind! Genug ist dem Gesetz
Geschehen, alles Unglück hat ein Ende.
– Kommt an mein Herz. geliebter Prinz, mit Freuden
Begrüß‘ ich Euch als Eidam!
Turandot (ist wieder zu sich gekommen und stürzt in sinnloser Wuth von ihrem Throne, zwischen beide sich werfend).
Haltet ein!
Er hoffe nicht, mein Ehgemahl zu werden!
Die Probe war zu leicht. Er muß aufs neu‘
Im Divan mir drei andre Räthsel lösen.
Man überraschte mich. Mir ward nicht Zeit
Vergönnt, mich zu bereiten, wie ich sollte.
Altoum.
Grausame Tochter, deine Frist ist um!
Nicht hoffe mehr, uns listig zu beschwatzen.
Erfüllt ist die Bedingung des Gesetzes,
Mein ganzer Divan soll den Ausspruch thun.
Pantalon.
Mit Eurer Gunst, Prinzessin Kieselherz!
Es braucht nicht neue Räthsel zuzuspitzen
Und neue Köpfe abzuhacken – Da!
Hier steht der Mann! Der hat’s errathen! Kurz:
Das Gesetz hat seine Endschaft, und das Essen
Steht auf dem Tisch – Was sagt der Herr Collega?
Tartaglia.
Das Gesetz ist aus, ganz aus, und damit Punctum.
Was sagen Ihre Würden, die Doctoren?
Doctoren.
Das Gesetz ist aus. Das Köpfen hat ein Ende.
Auf Leid folgt Freud. Man gebe sich die Hände.
Altoum.
So trete man den Zug zum Tempel an.
Der Fremde nenne sich, und auf der Stelle
Vollziehe man die Trauung –
Turandot (wirft sich ihm in den Weg).
Aufschub, Vater!
Um aller Götter willen!
Altoum.
Keinen Aufschub!
Ich bin entschlossen. Undankbares Kind!
Schon allzulang zu meiner Schmach und Pein
Willfahr‘ ich deinem grausamen Begehren.
Dein Urtheil ist gesprochen; mit dem Blut
Von zehen Todesopfern ist’s geschrieben,
Die ich um deinetwillen morden ließ.
Mein Wort hab‘ ich gelöst, nun löse du
Das Deine, oder, bei dem furchtbarn Haupt
Des Fohi sei’s geschworen –
Turandot (wirft sich zu seinen Füßen).
O mein Vater!
Nur einen neuen Tag vergönnt mir –
Altoum.
Nichts!
Ich will nichts weiter hören. Fort zum Tempel!
Turandot (außer sich).
So werde mir der Tempel denn zum Grab!
Ich kann und will nicht seine Gattin sein,
Ich kann es nicht. Eh tausend Tode sterben,
Als diesem stolzen Mann mich unterwerfen,
Der bloße Name schon, schon der Gedanke,
Ihm unterthan zu sein, vernichtet mich.
Kalaf.
Grausame, Unerbittliche, steht auf!
Wer könnte Euren Thränen widerstehn? (Zu Altoum.)
Laßt Euch erbitten, Sire! Ich flehe selbst
Darum. Gönnt Ihr den Aufschub, den sie fordert.
Wie könnt‘ ich glücklich sein, wenn sie mich haßt!
Zu zärtlich lieb‘ ich sie – Ich kann’s nicht tragen,
Ihr Leiden, ihren Schmerz zu sehn – Fühllose!
Wenn dich des treusten Herzens treue Liebe
Nicht rühren kann, wohlan, so triumphiere!
Ich werde nie dein Gatte sein mit Zwang.
O, sähest du in dies zerrißne Herz,
Gewiß, du fühltest Mitleid – Dich gelüstet
Nach meinem Blut? Es sei darum. Verstattet,
Die Probe zu erneuern, Sire – Willkommen
Ist mir der Tod. Ich wünsche nicht zu leben.
Altoum.
Nichts, nichts! Es ist beschlossen. Fort zum Tempel!
Kein anderer Versuch – Unkluger Jüngling!
Turandot (fährt rasend auf).
Zum Tempel denn! Doch am Altar wird Eure Tochter
Zu sterben wissen. (Sie zieht einen Dolch und will gehen.)
Kalaf.
Sterben! Große Götter!
Nein, eh‘ es dahin kommt – Hört mich, mein Kaiser!
Gönn‘ Eure Gnade mir die einz’ge Gunst.
– Zum zweitenmal will ich ihr im Divan,
Ich – ihr ein Räthsel aufzulösen geben.
Und dieses ist: Weß Stamms und Namens ist
Der Prinz, der, um das Leben zu erhalten,
Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen
Und Lasten um geringen Lohn zu tragen;
Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung
Noch unglücksel’ger ist, als je zuvor?
– Grausame Seele! Morgen früh im Divan
Nennt mir des Vaters Namen und des Prinzen.
Vermögt Ihr’s nicht – so laßt mein Leiden enden
Und schenkt mir diese theure Hand! Nennt Ihr
Die Namen mir, so mag mein Haupt zum Opfer fallen.
Turandot.
Ich bin’s zufrieden, Prinz! Auf die Bedingung
Bin ich die Eurige.
Zelima (für sich).
Ich soll von Neuem zittern!
Adelma (seitwärts).
Ich darf von Neuem hoffen!
Altoum.
Ich bin’s nicht
Zufrieden. Nichts gestatt‘ ich. Das Gesetz
Will ich vollzogen wissen.
Kalaf (fällt ihm zu Füßen).
Mächt’ger Kaiser!
Wenn Bitten dich bewegen – wenn du mein,
Wenn du der Tochter Leben liebst, so duld‘ es!
Bewahren mich die Götter vor der Schuld,
Daß sich ihr Geist nicht sättige. Er weide
Mit Wollust sich an meinem Blut – Sie löse
Im Divan, wenn sie Scharfsinn hat, mein Räthsel!
Turandot (für sich).
Er spottet meiner noch, wagt’s, mir zu trotzen!
Altoum (zu Kalaf).
Unsinniger! Ihr wißt nicht, was Ihr fordert,
Wißt nicht, welch einen Geist sie in sich hat,
Das Tiefste auch versteht sie zu ergründen.
– Sei’s denn! Die neue Probe sei verstattet!
Sie sei des Bandes mit Euch los, kann sie
Im Divan morgen uns die Namen nennen.
Doch eines neuen Mordes Trauerspiel
Gestatt‘ ich nicht – Erräth sie, was sie soll,
So zieht in Frieden Euren Weg – Genug
Des Blutes ist geflossen. Folgt mir, Prinz!
– Unkluger Jüngling! Was habt Ihr gethan?
(Der Marsch wird wieder gehört. Altoum geht gravitätisch mit dem Prinzen, Pantalon. Tartaglia, den Doctoren und der Leibwache durch die Pforte ab, durch die er gekommen. Turandot, Adelma, Zelima, Sklavinnen und Truffaldin mit den Verschnittenen entfernen sich durch die andere Pforte, ihren ersten Marsch wiederholend.)