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94. An Goethe, 29. August 1795

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Jena den 29. August 1795.

Das Mährchen ist bunt und lustig genug, und ich finde die Idee, deren Sie einmal erwähnten, »das gegenseitige Hülfleisten der Kräfte und das Zurückweisen auf einander,« recht artig ausgeführt. Meiner Frau hat es viel Vergnügen gemacht; sie findet es im Voltairischen Geschmack, und ich muß ihr Recht geben. Uebrigens haben Sie durch diese Behandlungsweise sich die Verbindlichkeit aufgelegt, daß alles Symbol sei. Man kann sich nicht enthalten, in allem eine Bedeutung zu suchen. Die vier Könige präsentiren sich gar prächtig, und die Schlange als Brücke ist eine charmante Figur. Sehr charakteristisch ist die schöne Lilie mit ihrem Mops. Das Ganze zeigt sich überhaupt als die Production einer sehr fröhlichen Stimmung. Doch hätte ich gewünscht, das Ende wäre nicht vom Anfang getrennt, weil doch beide Hälften einander zu sehr bedürfen, und der Leser nicht immer behält, was er gelesen. Liegt Ihnen also nichts daran, ob es getrennt oder ganz erscheint, so will ich das nächste Stück damit anfangen; ich weiß zum Glück für das neunte Rath, und kommt dann das Mährchen im zehnten Stück auf einmal ganz, so ist es um so willkommener.

An dem Epigramm, das ich beilege, fehlt der Schluß. Seien Sie so gütig, es mir mit ehester Gelegenheit zurückzuschicken.

Mit meiner Gesundheit geht es noch nicht viel besser. Ich fürchte, ich muß die lebhaften Bewegungen büßen, in die mein Poetisiren mich versetzte. Zum Philosophiren ist schon der halbe Mensch genug und die andere Hälfte kann ausruhen; aber die Musen saugen einen aus.

Seien Sie herzlich gegrüßt zu Ihrem Geburtstag.

Sch.

 

R. S.

An den Herzog habe ich noch kein Exemplar des achten Stücks gesendet. Sie sind wohl so gütig es zu besorgen.

Wenn Sie Herrn v. Humboldt zu schreiben haben, so kann ich den Brief einschließen.