HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1800751. An Schiller, 29. Juli 1800

751. An Schiller, 29. Juli 1800

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Meine Arbeit geht ihren Gang fort, meine Übersetzung schreibe ich des Morgens so viel ich kann, mit Bleistift und dictire sie dann in ruhigen Augenblicken, wodurch das erste Manuscript schon ziemlich rein erscheinen wird. Zu Ende dieser Woche bin ich mit den drei letzten Acten fertig und will die zwei ersten auf einen frischen Angriff versparen. Ich sage nichts vom Ganzen, das uns zu unsern Zwecken auf alle Weise behülflich sein wird. Es ist eigentlich ein Schauspiel; denn alles wird darin zur Schau aufgestellt und diesen Charakter des Stücks kann ich noch mehr durchsetzen, da ich weniger genirt bin als der Franzose. Der theatralische Effect kann nicht außen bleiben, weil alles darauf berechnet ist und berechnet werden kann. Als öffentliche Begebenheit und Handlung fordert das Stück nothwendig Chöre, für die will ich auch sorgen und hoffe es dadurch so weit zu treiben als es seine Natur und die erste Gallische Anlage erlaubt. Es wird uns zu guten neuen Erfahrungen helfen.

Zu dieser Arbeit brauch‘ ich ohngefähr vier Stunden und zur Uebersicht dient folgendes Schema, wie mannigfaltig und mitunter lustig die übrige Zeit benutzt worden.

Kurze Uebersicht derer Gaben, welche mir in dieser Stapelstadt des Wissens und der Wissenschaft, zur Unterhaltung sowohl, als zur geistigen und leiblichen Nahrung mitgetheilt worden .

Loder gab:

fürtreffliche Krebse, von denen ich Ihnen einen Teller zugewünscht habe, köstliche Weine, einen zu amputirenden Fuß, einen Nasenpolypen, einige anatomische und chirurgische Aufsätze, verschiedne Anekdoten, ein Mikroskop und Zeitungen.

Frommann:

Griesens Tasso, Tiecks Journal erstes Stück.

Fr. Schlegel:

Ein eignes Gedicht, Aushängebogen des Athenäum.

Lenz:

Neue Mineralien, besonders sehr schön krystallisirte Chalcedone.

Mineralogische Gesellschaft:

Einige Aufsätze hohen und tiefen Standpunkts, Gelegenheit zu allerlei Betrachtungen.

Ilgen:

Die Geschichte Tobi’s, verschiedne heitre Philologica.

Der botanische Gärtner:

Viele Pflanzen nach Ordnungen, wie sie hier im Garten stehen und zusammen blühen.

Cotta:

Philiberts Botanik.

Der Zufall:

Gustav Wasa von Brentano.

Die Literaturhändel:

Lust Steffens kleine Schrift über Mineralogie zu lesen.

Graf Veltheim:

Seine zusammengedruckten Schriften, geistreich und lustig; aber leider leichtsinnig, dilettantisch, mitunter hasenfüßig und phantastisch.

Einige Geschäfte:

Gelegenheit mich zu vergnügen und zu ärgern.

Zuletzt sollte ich Ihres Memnons nicht vergessen, der denn auch wie billig zu den merkwürdigen Erscheinungen und Zeichen der Zeit gerechnet werden muß. Wenn Sie nun alle diese Gespenster durch einander spuken lassen, so können Sie denken daß ich weder auf meinem Zimmer, noch auf meinen einsamen Promenaden allein bin. Für die nächsten Tage ist mir noch die wunderlichste Mannigfaltigkeit angekündigt, wovon mit nächstem Botentag das mehrere. Zugleich werde ich auch den Tag meiner Rückkunft bestimmen können. Leben Sie recht wohl und thätig, wenn Ihnen diese Barometerhöhe so gut als mir bekommt.

Jena am 29. Juli 1800.

G.