HomeBriefwechsel Schiller-Goethe1802841. An Schiller, 19. Februar 1802

841. An Schiller, 19. Februar 1802

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Ihrer Einladung werde ich dießmal, mein werther Freund, nicht folgen können. Den Rocken, den ich angelegt habe, muß ich auch gleich abspinnen und abweisen, sonst giebt es von neuem Unordnung und das Gethane muß wiederholt werden. Unserm guten Prinzen will ich ein schriftliches Lebewohl sagen. Grüßen Sie Herrn von Wolzogen vielmals und wünschen ihm eine glückliche Fahrt.

Mein hiesiger Aufenthalt ist mir ganz erfreulich, sogar hat sich einiges Poetische gezeigt und ich habe wieder ein paar Lieder, auf bekannte Melodien, zu Stande gebracht. Es ist recht hübsch daß Sie auch etwas der Art in die Mitte des kleinen Zirkels bringen.

Mit Schelling habe ich einen sehr guten Abend zugebracht. Die große Klarheit, bei der großen Tiefe, ist immer sehr erfreulich. Ich würde ihn öfters sehen, wenn ich nicht noch auf poetische Momente hoffte, und die Philosophie zerstört bei mir die Poesie und das wohl deßhalb, weil sie mich ins Object treibt. Indem ich mich nie rein speculativ erhalten kann, sondern gleich zu jedem Satze eine Anschauung suchen muß und deßhalb gleich in die Natur hinaus fliehe.

Mit Paulus, der mir den dritten Theil seines Commentars über das neue Testament vorlegte, habe ich auch eine sehr angenehme Unterhaltung gehabt. Er ist in diesem Wesen so von Grund aus unterrichtet, an jenen Orten und in jenen Zeiten so zu Hause, daß so vieles der heiligen Schriften, was man sonst in idealer Allgemeinheit anzustaunen gewohnt ist, nun in einer specifischen und individuellen Gegenwart begreiflich scheint. Er hat einige meiner Zweifel sehr hübsch, in der Totalität seiner Vorstellungsweise, aufgelöst, daß ich recht vergnüglich mit ihm übereinstimmen konnte. Auch läßt sich über manche Maximen, die bei so einer Arbeit zum Grunde liegen, mündlich mancher befriedigende Aufschluß geben und am Ende ist ein Individuum immer willkommen, das eine solche Totalität in sich einschließt.

Das englische der Gita Govinda habe ich nun auch gelesen und muß leider den guten Dalberg einer pfuscherhaften Sudelei anklagen. Jones sagt in seiner Vorrede: er habe dieses Gedicht erst wörtlich übersetzt und dann ausgelassen, was ihm für seine Nation zu lüstern und zu kühn geschienen habe. Nun läßt der deutsche Uebersetzer nicht allein nochmals aus, was ihm von dieser Seite bedenklich scheint , sondern er versteht auch sehr schöne, unschuldige Stellen gar nicht, und übersetzt sie falsch. Vielleicht übersetz‘ ich das Ende, das hauptsächlich durch diesen deutschen Mehlthau verkümmert worden ist, damit der alte Dichter wenigstens in der Schöne vor Ihnen erscheinen möge, wie ihn der englische Uebersetzer lassen durfte.

So viel für heute! Doch füge ich noch hinzu daß von Ihrem Gartenverkauf hier und da gesprochen wird. Man zweifelt daß Sie das gewünschte dafür erhalten werden; doch muß man das beste hoffen. Die Schlüssel werde ich im nöthigen Falle bei Hufeland holen lassen. Ein freundliches Lebewohl.

Jena den 19. Februar 1802.

G.