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Die Braut von Messina – 1. Akt, 4. Auftritt

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Isabella (mit ihren Söhnen hervortretend).
Blick‘ nieder, hohe Königin des Himmels,
Und halte deine Hand auf dieses Herz,
Daß es der Uebermuth nicht schwellend hebe;
denn leicht vergäße sich der Mutter Freude,
Wenn sie sich spiegelt in der Söhne Glanz,
Zum Erstenmal, seitdem ich sie geboren,
Umfass‘ ich meines Glückes Fülle ganz.
Denn bis auf diesen Tag mußt‘ ich gewaltsam
Des Herzens fröhliche Ergießung theilen;
Vergessen ganz mußt‘ ich den einen Sohn,
Wenn ich der Nähe mich des andern freute.
O, meine Mutterliebe ist nur eine,
Und meine Söhne waren ewig zwei!
– Sagt, darf ich ohne Zittern mich der süßen
Gewalt des trunknen Herzens überlassen? (Zu Don Manuel.)
Wenn ich die Hand des Bruders freundlich drücke,
Stoß‘ ich den Stachen nicht in deine Brust? (Zu Don Cesar.)
Wenn ich das Herz an seinem Anblick weide,
Ist’s nicht ein Raub an Dir? – O, ich muß zittern,
Daß meine Liebe selbst, die ich euch zeige,
Nur eures Hasses Flammen heft’ger schüre.

(Nachdem sie Beide fragend angesehen.)

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Was darf ich mir von euch versprechen? Redet!
Mit welchem Herzen kamet ihr hieher?
Ist’s noch der alte unversöhnte Haß,
Den ihr mit herbringt in des Vaters Haus,
Und wartet draußen vor des Schlosses Thoren
Der Krieg, auf Augenblicke nur gebändigt
Und knirschend in das eherne Gebiß,
Um alsobald, wenn ihr den Rücken mir
Gekehrt, mit neuer Wuth sich zu entfesseln?

Chor (Bohemund.)
Krieg oder Frieden! Noch liegen die Loose
Dunkel verhüllt in der Zukunft Schooße!
Doch es wird sich noch, eh wir uns trennen, entscheiden;
Wir sein bereit und gerüstet zu beiden.

Isabella (im ganzen Kreis umherschauend.)
Und welcher furchtbar kriegerische Anblick!
Was sollen Diese hier? Ist’s eine Schlacht,
Die sich in diesen Sälen zubereitet?
Wozu die fremde Schaar, wenn eine Mutter
Das Herz aufschließen will vor ihren Kindern?
Bis in den Schooß der Mutter fürchtet ihr
Der Arglist Schlingen, tückischen Verrath,
Daß ihr den Rücken euch besorglich deckt?
– O diese wilden Banden, die euch folgen,
Die raschen Diener eures Zorns – sie sind
Nicht eure Freunde! Glaubet nimmermehr,
Daß sie euch wohlgesinnt zum Besten rathen!
Wie könnten sie’s von Herzen mit euch meinen,
Den Fremdlingen, dem eingedrungnen Stamm,
Der aus dem eignen Erbe sie vertrieben,
Sich über die der Herrschaft angemaßt?
Glaubt mir! Es liebt ein Jeder, frei sich selbst
Zu leben nach dem eigenen Gesetz;
Die fremde Herrschaft wird mit Neid ertragen.
Von eurer Macht allein und ihrer Furcht
Erhaltet ihr den gern versagten Dienst.
Lernt dies Geschlecht, das herzlos falsche, kennen!
Die Schadenfreude ist’s, wodurch sie sich
An eurem Glück, an eurer Größe rächen.
Der Herrscher Fall, der hohen Häupter Sturz
Ist ihrer Lieder Stoff und ihr Gespräch,
Was sich vom Sohn zum Enkel forterzählt,
Womit sie sich die Winternächte kürzen.
– O meine Söhne! Feindlich ist die Welt
Und falsch gesinnt! Es liebt ein Jeder nur
Sich selbst; unsicher, los und wandelbar
Sind alle Bande, die das leichte Glück
Geflochten – Laune löst, was Laune knüpft –
Nur die Natur ist redlich! Sie allein
Liegt an dem ew’gen Ankergrunde fest,
Wenn alles Andre auf den sturmbewegten Wellen
Des Lebens unstet treibt – Die Neigung gibt
Den Freund, es gibt der Vortheil den Gefährten;
Wohl Dem, dem die Geburt den Bruder gab!
Ihn kann das Glück nicht geben! Anerschaffen
Ist ihm der Freund, und gegen eine Welt
Voll Kriegs und Truges steht er zweifach da!

Chor (Cajetan.)
Ja, es ist etwas Großes, ich muß es verehren,
Um einer Herrscherin fürstlichen Sinn,
Ueber der Menschen Thun und Verkehren
Blickt sie mit ruhiger Klarheit hin.
Uns aber treibt das verworrene Streben
Blind und sinnlos durchs wüste Leben.

Isabella. (zu Don Cesar).
Du, der das Schwert auf seinen Bruder zückt,
Sieh dich umher in dieser ganzen Schaar,
Wo ist ein edler Bild als deines Bruders? (Zu Don Manuel.)
Wer unter Diesen, die du Freunde nennst,
Darf deinem Bruder sich zur Seite stellen?
Ein Jeder ist ein Muster seines Alters,
Und Keiner gleicht, und Keiner weicht dem Andern.
Wagt es, euch in das Angesicht zu sehn!
O Raserei der Eifersucht, des Neides!
Ihn würdest du aus Tausenden heraus
Zum Freunde dir gewählt, ihn an das Herz
Geschlossen haben als den Einzigen;
Und jetzt, da ihn die heilige Natur
Dir gab, dir in der Wiege schon ihn schenkte,
Trittst du, ein Frevler an dem eignen Blut,
Mit stolzer Willkür ihr Geschenk mit Füßen,
Dich wegzuwerfen an den schlechtern Mann,
Dich an den Feind und Fremdling anzuschließen!

Don Manuel. Höre mich, Mutter!

Don Cesar. Mutter, höre mich!

Isabella. Nicht Worte sind’s, die diesen traur’gen Streit
Erledigen – Hier ist das Mein und Dein,
Die Rache von der Schuld nicht mehr zu sondern.
– Wer möchte noch das alte Bette finden
Des Schwefelstroms, der glühend sich ergoß?
Des unterird’schen Feuers schreckliche
Geburt ist Alles, eine Lavarinde
Liegt aufgeschichtet über dem Gesunden,
Und jeder Fußtritt wandelt auf Zerstörung.
– Nur dieses Eine leg‘ ich euch ans Herz:
Das Böse, das der Mann, der mündige,
Dem Manne zufügt, das, ich will es glauben,
Vergibt sich und versöhnt sich schwer. Der Mann
Will seinen Haß, und keine Zeit verändert
Den Rathschluß, den er wohl besonnen faßt.
Doch eures Haders Ursprung steigt hinauf
In unverständ’ger Kindheit frühe Zeit,
Sein Alter ist’s, was ihn entwaffnen sollte.
Fragte zurück, was euch zuerst entzweite;
Ihr wißt es nicht, ja, fändet ihr’s auch aus,
Ihr würdet auch des kind’schen Haders schämen.
Und dennoch ist’s der erste Kinderstreit,
Der, fortgezeugt in unglücksel’ger Kette,
Die neuste Unbill dieses Tags geboren.
Denn alle schweren Thaten, die bis jetzt geschahn,
Sind nur des Argwohns und der Rache Kinder.
– Und jene Knabenfehde wolltet ihr
Nicht jetzt fortkämpfen, da ihr Männer seid? (Beider Hände fassend.)
O, meine Söhne! Kommt, entschließet euch,
Die Rechnung gegenseitig zu vertilgen,
Denn gleich auf beiden Seiten ist das Unrecht.
Seid edel, und großherzig schenkt einander
Die unabtragbar ungeheure Schuld.
Der Siege göttlichster ist das Vergeben!
In eueres Vaters Gruft werft ihn hinab,
Den alten Haß der frühen Kinderzeit!
Der schönen Liebe sei das neue Leben,
Der Eintracht, der Versöhnung sei’s geweiht.

(Sie tritt einen Schritt zwischen beiden zurück, als wollte sie ihnen Raum geben, sich einander zu nähern. Beide blicken zur Erde, ohne einander anzusehen.)

Chor (Cajetan.) Höret der Mutter vermahnende Rede,
Wahrlich, sie spricht ein gewichtiges Wort!
Laßt es genug sein und endet die Fehde,
Oder gefällt’s euch, so setzet sie fort.
Was auch genehm ist, das ist mir gerecht,
Ihr seid die Herrscher, und ich bin der Knecht.

Isabella. (nachdem sie einige Zeit innegehalten und vergebens eine Aeußerung der Brüder erwartet, mit unterdrücktem Schmerz.)
Jetzt weiß ich nichts mehr. Ausgeleert hab‘ ich
Der Worte Köcher und erschöpft der Bitten Kraft.
Im Grabe ruht, der euch gewaltsam bändigte,
Und machtlos steht die Mutter zwischen euch.
– Vollendet! Ihr habt freie Macht! Gehorcht
Dem Dämon, der euch sinnlos wüthend treibt,
Ehrt nicht des Hausgotts heiligen Altar,
Laßt diese Halle selbst, die euch geboren,
Den Schauplatz werden eines Wechselmords.
Vor eurer Mutter Aug zerstöret euch
Mit euren eignen, nicht durch fremde Hände.
Leib gegen Leib, wie das thebanische Paar,
Rückt auf einander an, und wuthvoll ringend,
Umfanget euch mit eherner Umarmung.
Leben um Leben tauschend siege Jeder,
Den Dolch einbohrend nicht des Andern Brust,
Daß selbst der Tod nicht eure Zwietracht heile,
Die Flamme selbst, des Feuers rothe Säule,
Die sich von eurem Scheiterhaufen hebt,
Sich zweigespalten von einander theile,
Ein schaudernd Bild, wie ihr gestorben und gelebt.

(Sie geht ab. Die Brüder bleiben noch in der vorigen Entfernung von einander stehen.)