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Die Braut von Messina – 1. Akt, 7. Auftritt

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(Stimmen: 1 Durchschnitt: 5)

Don Manuel und der erste Chor.

Chor (Cajetan.)
Verwundrungsvoll, o Herr, betracht‘ ich dich,
Und fast muß ich dich heute ganz verkennen.
Mit karger Rede kaum erwiederst du
Des Bruders Liebesworte, der gutmeinend
Mit offnem Herzen dir entgegen kommt.
Versunken in dich selber stehst du da,
Gleich einem Träumenden, als wäre nur
Dein Leib zugegen, und die Seele fern.
Wer so dich sähe, möchte leicht der Kälte
Dich zeihn und stolz unfreundlichen Gemüths;
Ich aber will dich drum nicht fühllos schelten,
Denn heiter blickst du, wie ein Glücklicher
Um dich, und Lächeln spielt um deine Wangen.

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Don Manuel.
Was soll ich sagen? was erwiedern? Mag
Der Bruder Worte finden! Ihn ergreift
Ein überraschend neu Gefühl; er sieht
Den alten Haß aus seinem Busen schwinden,
Und wundernd fühlt er sein verwandtes Herz.
Ich – habe keinen Haß mehr mitgebracht,
Kaum weiß ich noch, warum wir blutig stritten.
Denn über allen ird’schen Dingen hoch
Schwebt mir auf Freudenfittigen die Seele,
Und in dem Glanzesmeer, das mich umfängt,
Sind alle Wolken mir und finstre Falten
Des Lebens ausgeglättet und verschwunden.
– Ich sehe diese Hallen, diese Säle,
Und denke mir das freudige Erschrecken
Der überraschten, hoch erstaunten Braut,
Wenn ich als Fürstin sie und Herrscherin
Durch dieses Hauses Pforten führen werde.
– Noch liebt sie nur den Liebenden! Dem Fremdling,
Dem Namenlosen hat sie sich gegeben.
Nicht ahnet sie, daß es Don Manuel,
Messina’s Fürst ist, der die goldne Binde
Ihr um die schöne Stirne flechten wird.
Wie süß ist’s, das Geliebte zu beglücken
Mit ungehoffter Größe Glanz und Schein!
Längst spart‘ ich mir dies höchste der Entzücken,
Wohl bleibt es stets sein höchster Schmuck allein;
Doch auch die Hoheit darf das Schöne schmücken,
Der goldne Reif erhebt den Edelstein.

Chor (Cajetan.)
Ich höre dich, o Herr, vom langen Schweigen
Zum erstenmal den stummen Mund entsiegeln.
Mit Späheraugen folgt‘ ich dir schon längst,
Ein seltsam wunderbar Geheimniß ahnend;
Doch nicht erkühnt‘ ich mich, was du vor mir
In tiefes Dunkel hüllst, dir abzufragen.
Dich reizt nicht mehr der Jagden muntre Lust,
Der Rosse Wettlauf und des Falken Sieg.
Aus der Gefährten Aug verschwindest du,
So oft die Sonne sinkt zum Himmelsrande,
Und Keiner unsers Chors, die wir dich sonst
In jeder Kriegs- und Jagdgefahr begleiten,
Mag deines stillen Pfads Gefährte sein.
Warum verschleierst du bis diesen Tag
Dein Liebesglück mit dieser neid’schen Hülle?
Was zwingt den Mächtigen, daß er verhehle?
Denn Furcht ist fern von deiner großen Seele.

Don Manuel.
Geflügelt ist das Glück und schwer zu binden,
Nur in verschloßner Lade wird’s bewahrt.
Das Schweigen ist zum Hüter ihm gesetzt,
Und rasch entfliegt es, wenn Geschwätzigkeit
Voreilig wagt, die Decke zu erheben.
Doch jetzt, dem Ziel so nahe, darf ich wohl
Das lange Schweigen brechen, und ich will’s.
Denn mit der nächsten Morgensonne Strahl
Ist sie die Meine, und des Dämons Neid
Wird keine Macht mehr haben über mich.
Nicht mehr verstohlen werd‘ ich zu ihr schleichen,
Nicht rauben mehr der Liebe goldne Frucht,
Nicht mehr die Freude haschen auf der Flucht,
Das Morgen wird dem schönen Heute gleichen,
Nicht Blitzen gleich, die schnell vorüber schießen
Und plötzlich von der Nacht verschlungen sind,
Mein Glück wird sein, gleichwie des Baches Fließen,
Gleichwie der Sand des Stundenglases rinnt.

Chor (Cajetan.)
So nenne sie uns, Herr, die dich im Stillen
Beglückt, daß wir dein Loos beneidend rühmen
Und würdig ehren unsers Fürsten Braut.
Sag‘ an, wo du sie fandest, wo verbirgst,
In welches Orts verschwiegner Heimlichkeit?
Denn wir durchziehen schwärmend weit und breit
Die Insel auf der Jagd verschlungnen Pfaden,
Doch keine Spur hat uns dein Glück verrathen,
So daß ich bald mich überreden möchte,
Es hülle sie ein Zaubernebel ein.

Don Manuel.
Den Zauber lös‘ ich auf, denn heute noch
Soll, was verborgen war, die Sonne schauen.
Vernehmet denn und hört, wie mir geschah.
Fünf Monde sind’s, es herrschte noch im Lande
Des Vaters Macht und beugete gewaltsam
Der Jugend starren Nacken in das Joch –
Nichts kannt‘ ich als der Waffen wilde Freuden
Und als des Waidwerks kriegerische Lust.
– Wir hatten schon den ganzen Tag gejagt
Entlang des Waldgebirges – da geschah’s,
Daß die Verfolgung einer weißen Hindin
Mich weit hinweg aus eurem Haufen riß.
Das scheue Thier floh durch des Thales Krümmen,
Durch Busch und Kluft und bahnenlos Gestrüpp,
Auf Wurfes Weite sah ich’s stets vor mir,
Doch konnt‘ ich’s nicht erreichen, noch erzielen,
Bis es zuletzt an eines Gartens Pforte mir
Verschwand. Schnell von dem Roß herab mich werfend
Dring‘ ich ihm nach, schon mit dem Speere zielend,
Da seh‘ ich wundern das erschrockne Thier
Zu einer Nonne Füßen zitternd liegen,
Die selbst mit zarten Händen schmeichelnd kost.
Bewegungslos starr‘ ich das Wunder an,
Den Jagdspieß in der Hand, zum Wurf ausholend –
Sie aber blickt mit großen Augen flehend
Mich an. So stehn wir schweigend gegen einander –
Wie lange Frist, das kann ich nicht ermessen,
Denn alles Maß der Zeiten war vergessen.
Tief in die Seele drückt sie mir den Blick,
Und umgewandelt schnell ist mir das Herz.
– Was ich nun sprach, was die Holdsel’ge mir
Erwiedert, möge Niemand mich befragen,
Denn wie ein Traumbild liegt es hinter mir
Aus früher Kindheit dämmerhellen Tagen,
An meiner Brust fühlt‘ ich die ihre schlagen,
Als die Besinnungskraft mir wieder kam.
Da hört‘ ich einer Glocke helles Läuten,
Den Ruf zur Hora schien es zu bedeuten,
Und schnell, wie Geister in die Luft verwehen,
Entschwand sie mir und ward nicht mehr gesehen.

Chor (Cajetan.)
Mit Furcht, o Herr, erfüllt mich dein Bericht.
Raub hast du an dem Göttlichen begangen,
Des Himmels Braut berührt mit sündigem Verlangen,
Denn furchtbar heilig ist des Klosters Pflicht.

Don Manuel.
Jetzt hatt‘ ich eine Straße nur zu wandeln,
Das unstet schwanke Sehnen war gebunden,
Dem Leben war sein Inhalt ausgefunden.
Und wie der Pilger sich nach Osten wendet,
Wo ihm die Sonne der Verheißung glänzt,
So kehrte sich mein Hoffen und mein Sehnen
Dem einen hellen Himmelspunkte zu.
Kein Tag entstieg dem Meer und sank hinunter,
Der nicht zwei glücklich Liebende vereinte.
Geflochten still war unsrer Herzen Bund,
Nur der allsehnde Aether über uns
War des verschwiegnen Glücks vertrauter Zeuge,
Es brauchte weiter keines Menschen Dienst.
Das waren goldne Stunden, sel’ge Tage!
– Nicht Raub am Himmel war mein Glück, denn noch
Durch kein Gelübde war das Herz gefesselt,
Das sich auf ewig mir zu eigen gab.

Chor (Cajetan.)
So war das Kloster eine Freistatt nur
Der zarten Jugend, nicht des Lebens Grab?

Don Manuel.
Ein heilig Pfand ward sie dem Gotteshaus
Vertraut, das man zurück einst werde fordern.

Chor (Cajetan.)
Doch welches Blutes rühmt sie sich zu sein?
Denn nur vom Edeln kann das Edle stammen.

Don Manuel.
Sich selber ein Geheimniß wuchs sie auf,
Nicht kennt sie ihr Geschlecht, noch Vaterland.

Chor (Cajetan.)
Und leitet keine dunkle Spur zurück
Zu ihres Daseins unbekannten Quellen?

Don Manuel.
Daß sie von edelm Blut, gesteht der Mann,
Der einz’ge, der um ihre Herkunft weiß.

Chor (Cajetan.)
Wer ist der Mann? Nichts halte mir zurück,
Denn wissend nur kann ich dir nützlich rathen.

Don Manuel.
Ein alter Diener naht von Zeit zu Zeit,
Der einz’ge Bote zwischen Kind und Mutter.

Chor (Cajetan.)
Von diesem Alten hast du nichts erforscht?
Feigherzig und geschwätzig ist das Alter.

Don Manuel.
Nie wagt‘ ich’s, einer Neugier nachzugeben,
Die mein verschwiegnes Glück gefährden könnte.

Chor (Cajetan.)
Was aber war der Inhalt seiner Worte,
Wenn er die Jungfrau zu besuchen kam?

Don Manuel.
Auf eine Zeit, die Alles lösen werde,
Hat er von Jahr zu Jahren sie vertröstet.

Chor (Cajetan.)
Und diese Zeit, die Alles lösen soll,
Hat er sie näher deutend nicht bezeichnet?

Don Manuel.
Seit wenig Monden drohete der Greis
Mit einer nahen Aendrung ihres Schicksals.

Chor (Cajetan.)
Er drohte, sagst du? Also fürchtest du
Ein Licht zu schöpfen das dich nicht erfreut?

Don Manuel.
Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen,
Wo kein Gewinn zu hoffen, droht Verlust.

Chor (Cajetan.)
Doch konnte die Entdeckung, die du fürchtest,
Auch deiner Liebe günst’ge Zeichen bringen.

Don Manuel.
Auch stürzen konnte sie mein Glück; drum wählt‘ ich
Das Sicherste, ihr schnell zuvor zu kommen.

Chor (Cajetan.)
Wie das, o Herr? Mit Furcht erfüllt du mich,
Und eine rasche That muß ich besorgen.

Don Manuel.
Schon seit den letzten Monden ließ der Greis
Geheimnißvolle Winke sich entfallen,
Daß nicht mehr ferne sei der Tag, der sie
Den Ihrigen zurücke geben werde.
Seit gestern aber sprach er’s deutlich aus,
Daß mit der nächsten Morgensonne Strahl –
Dies aber ist der Tag, der heute leuchtet –
Ihr Schicksal sich entscheidend werde lösen.
Kein Augenblick war zu verlieren, schnell
War mein Entschluß gefaßt und schnell vollstreckt.
In dieser Nacht raubt‘ ich die Jungfrau weg
Und brachte sie verborgen nach Messina.

Chor (Cajetan.)
Welch kühn verwegen-räuberische That!
– Verzeih, o Herr, die freie Tadelrede!
Doch Solches ist des weisern Alters Recht,
Wenn sich die rasche Jugend kühn vergißt.

Don Manuel.
Unfern vom Kloster der Barmherzigen,
In eines Gartens abgeschiedner Stille,
Der von der Neugier nicht betreten wird,
Trennt‘ ich mich eben jetzt von ihr, hieher
Zu der Versöhnung mit dem Bruder eilend.
In banger Furcht ließ ich sie dort allein
Zurück, die sich nichts weniger erwartet,
Als in dem Glanz der Fürstin eingeholt
Und auf erhabnem Fußgestell des Ruhms
Vor ganz Messina ausgestellt zu werden.
Denn anders nicht soll sie mich wiedersehn,
Als in der Größe Schmuck und Staat und festlich
Von eurem ritterlichen Chor umgeben.
Nicht will ich, daß Don Manuels Verlobte
Als eine Heimathlose, Flüchtige
Der Mutter nahen soll, die ich ihr gebe;
Als eine Fürstin fürstlich will ich sie
Einführen in die Hofburg meiner Väter.

Chor (Cajetan.)
Gebiete, Herr! Wir harren deines Winks.

Don Manuel.
Ich habe mich aus ihrem Arm gerissen,
Doch nur mit ihr werd‘ ich beschäftigt sein.
Denn nach dem Bazar sollt ihr mich anjetzt
Begleiten, wo die Mohren zum Verkauf
Ausstellen, was das Morgenland erzeugt
An edelm Stoff und feinem Kunstgebild.
Erst wählet aus die zierlichen Sandalen,
Der zartgeformten Füße Schutz und Zier;
Dann zum Gewande wählt das Kunstgewebe
Des Indiers, hellglänzend, wie der Schnee
Des Aetna, der der Nächste ist dem Licht –
Und leicht umfließ‘ es, wie der Morgenduft,
Den zarten Bau der jugendlichen Glieder.
Von Purpur sei, mit zarten Fäden Goldes
Durchwirkt, der Gürtel, der die Tunica
Unter dem zücht’gen Busen reizend knüpft.
Dazu den Mantel wählt, von glänzender
Seide gewebt, in bleichem Purpur schimmernd,
Ueber der Achsel heft‘ ihn eine goldne
Cicade – Auch die Spangen nicht vergeßt,
Die schönen Arme reizend zu umzirken,
Auch nicht der Perlen und Korallen Schmuck,
Der Meeresgöttin wundersame Gaben,
Um die Locken winde sich ein Diadem,
Gefüget aus dem köstlichsten Gestein,
Worin der feurig glühende Rubin
Mit dem Smaragd die Farbenblitze kreuze.
Oben im Haarschmuck sei der lange Schleier
Gleich einem hellen Lichtgewölk, umfließe,
Und mit der Myrte jungfräulichem Kranze
Vollende krönend sich das schöne Ganze.

Chor (Cajetan.)
Es soll geschehen, Herr, wie du gebietest,
Denn fertig und vollendet findet sich
Dies alles auf dem Bazar ausgestellt.

Don Manuel.
Den schönsten Zelter führet dann hervor
Aus meinen Ställen; seine Farbe sei
Lichtweiß, gleichwie des Sonnengottes Pferde,
Von Purpur sei die Decke, und Geschirr
Und Zügel reich besetzt mit edeln Steinen,
Denn tragen soll er meine Königin.
Ihr selber haltet euch bereit, im Glanz
Des Ritterstaates, unterm freud’gen Schall
Der Hörner, eure Fürstin heimzuführen.
Dies alles zu besorgen, geh‘ ich jetzt,
Zwei unter euch erwähl‘ ich zu Begleitern,
Ihr andern wartet mein – was ihr vernahmt,
Bewahrt’s in eures Busens tiefem Grunde,
Bis ich das Band gelöst von eurem Munde.

(Er geht ab, von Zweien aus dem Chor begleitet.)