HomeDie Horen1796 - Stück 5VI. Die Chariten. [Theocritus]

VI. Die Chariten. [Theocritus]

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Theokrits sechzehnte Idylle.

Immer erfreun Zeus Töchter des Amtes sich, immer die Sänger,
Himmlischer Lob zu tönen, und Lob gutwirkender Männer.
Göttinnen sind sie, die Musen, und Göttinnen singen von Göttern.
Wir sind Sterbliche nur, und Sterbliche singen von Männern.
Wer von allen, so viele der bläuliche Tag auch bestralet,
Öfnet das Haus zum Empfange den Chariten unseres Liedes,
Freudiges Sinns, und läßt nicht ohne Geschenk sie entwandern?
Unmutsvoll dann kehren sie heim mit nackenden Füssen,
Und verweisen mir sehr die eitele Mühe des Ganges.
Wiederum mit Verdruß am Boden des ledigen Kastens
Harren sie aus, auf erkaltete Knie’ absenkend ihr Antlitz.
Wüst herbergen sie dort, wann nichts vollbrachte der Ausgang.
Wer ist jetzt ein solcher? wer liebt den Verkünder des Guten?
Nein, nicht trachten die Männer um edeln Thaten, wie vormals,
Jezo gepriesen zu seyn; sie bewältigte schnöde Gewinnsucht.
Jeglicher hält im Busen die Hand, und laurt, wie das Geld ihm
Wuchere; nicht auch verschenkt’ er den abgeschabeten Grünspan.
Gleich ist dieses sein Wort: Viel näher das Knie, wie das Schienbein!
Hab’ ich nur selbst Auskommen; ein Gott mag segnen die Dichter!
Wer wollt’ andere hören? Genug ist allen Homeros!
Das ist der treflichste Dichter, der nichts mir des meinigen abnimmt!
thörichte! welcher Gewinn ein unendlicher Klumpen des Goldes,
Liegend daheim? Nicht brauchen Verständige also des Reichthums!
Lieber ein Theil dem Herzen geschenkt, und ein Theil auch dem Sänger!
Wohl an vielen Verwandten, und wohl an vielen der andern
Menschen gethan! stets Opfer gebracht den Altären der Götter!
Nicht dem Gaste gekargt mit Bewirtungen, sondern am Tisch ihn
Gütlich gepflegt und entlassen, sobald er zu gehen verlanget!
Aber geehrt vor allen die heiligen Priester der Musen,
Daß dir, auch selbst im Dunkel des Aides, gutes Gerücht sey,
Und du nicht ein Vergessner im frostigen Acheron trauerst:
Gleich wie ein Mann, dem die Hände der Karst inwendig durchschwielte,
Arm des Guts, von den Vätern den darbenden Mangel beweinend.
Viel an Zahl, in Antiochos Haus’ und des Herrschers Aleuas,
Kamen, die Monatskost zu empfahn, dienstpflichtige Knappen;
Viel auch einst, dem Skopadengeschlecht in die Hürden getrieben,
Sprangen die brüllenden Kälber um hochgehörnete Kühe;
Zahllos gingen erlesene Schaf’ in die Kühle des Mittags
Durch die kranonische Flur den fremdlingsholden Kreondern:
Doch nicht Freud’ ist dessen; nachdem ihr Geist aus den Gliedern
Sehr ungern in die Fähre des graulichen Acherons einstieg.
Nimmer erwähnt, ob auch vieles und köstliches Gut sie verliessen,
Lägen sie ewige Tag’ im Schwarm unedeler Todten;
Wenn nicht der mächtige Sänger von Kea’, wunderbar tönend
Zur vielsaitigen Laute, sie namhaft schuf bei den Männern
Jüngerer Zeit; selbst prangten die hurtigen Rosse voll Ruhmes,
Die mit dem Siegskranz jenen gekehrt aus heiligen Kämpfen.
Wer auch kennte die Helden der Lykier, wer die umlockten
Söhne des Priamos wohl, und den jungfraufarbigen Kyknos;
Hätten nicht Schlachtengewühl verewiget Barden der Vorzeit?
Nicht Odysseus einmal, der hundert Monden und zwanzig
Irrte zu jeglichem Volk, der zum aussersten Aides einging,
Lebend annoch, und den Klüften entrann des kyklopischen Unholds,
Freute sich daurendes Ruhms; von dir, Sauhüter Eumäos,
Schwiege die Red, und dem treuen Filötios, welcher des Hornviehs
Waltete, selber sogar vom hochbeherzten Laertes;
Hätten nicht ihnen gefrommt des ionischen Mannes Gesänge.
Durch die Musen empfahn die Sterblichen edelen Nachruhm;
Aber das Gut verprassen Gestorbenen lebende Erben.
Doch gleich schweres Geschäft, an dem Meerstrand Wellen zu mustern,
Welche der Wind zum Gestad’ andrängt aus der bläulichen Salzflut,
Oder im dunkelen Quell den thonigen Ziegel zu waschen;
Und zu ermahnen den Mann, den tief durchrang die Gewinnsucht.
Fahre denn hin ein solcher, und häufe sich jenem unzählbar
Geld auf Geld, und die sucht nach mehrerem quäl’ ihn beständig!
Aber ich selbst will Ehr’ und gewogene Liebe der Menschen
Vor dem Gewühl der Mäuler und trabenden Rosse mir wählen.
Wenn der sterblichen Männer, o sagt mir! nah’ ich bewillkommt,
In der Musen Geleit? denn schwer sind die Wege des Liedes,
Ohne die Töchter des Zeus, des hoch obwaltenden Herrschers.
Stets noch dreht unermüdet der Himmel uns Monden und Jahre;
Manches Roß auch künftig bewegt umrollende Räder.
Einst wird kommen der Mann, dem noth ist meines Gesanges,
Wenn er volllbracht, was Achilleus der Held, und der trozige Ajax,
Dort in des Simois Flur, am Mal des frygischen Ilos.
Schon der Föniker Geschlecht, das nah an der tauchenden Sonne
Wohnt auf der äussersten Ferse von Libya, starrt voll Schreckens.
Schon, schon gehen Syrakuser, die Speer’ an der Mitte des Schaftes
Tragend einher, um die Arme mit weidenen Schilden belastet.
Hieron selbst in der Meng’, an Gestalt wie Heroen der Vorwelt,
Stralet von Erz, auf dem Helme die schattende Mähne des Rosses.
Wenn doch, o Zeus, ruhmvoller, und Pallas Athen’, und o Tochter,
Die du, der Mutter gesellt, habseliger Efyräer
Grosse Stadt dir erkohrst an der flutenden Lysimelia:
Wenn er die Feind’ aus der Insel mit schrecklichem Zwange verscheuchte
Durch das sardonische Meer, daß der Ihrigen Loos sie erzählten
Frauen daheim und Erzeugten, ein zählbarer Troß von so vielen!
O daß wieder die Städte bewohneten vorige Bürger,
Alle, so viel in den Staub der Beleidiger Hände gebeuget!
Daß sie in blühender Flur arbeiteten! daß ungezählte
Tausende doch der Schafe, von grasiger Weide gemästet,
Durch die Gefild’ herblöckten; und muthige Küh’ im Gedränge,
Kehrend zur Hürd’, antrieben den langsam schreitenden Wandrer!
Daß sie die Brach’ umkehrten zur Einsaat, wann die Likade,
Ruhende Hirten belauschend am Mittag, hoch in den Bäumen
Tönt vom schwanken Gesproß! Daß ämsig die Spinn’ um die Waffen
Dünnes Geweb’ ausstreckt’, und genannt nicht würde der Schlachtruf!
Daß dann erhabenen Ruhm der Hieron trügen die Sänger
Über die skythische Fluth, und wo, das breite Gemäuer
Bindend mit zähem Asphalt, Semiramis mächtig geherschet!
Einer sey ich! doch viel’ auf der andern Lieben die Töchter
Zeus; und von allen gefeirt sey der Sikeler Quell Arethusa,
Und das umwohnende Volk’, und Hieron, rasch in dem Speerwurf!
Mynische Huldgöttinnen, geheiliget von Eteokles,
Die ihr Orchomenos liebt, die verhaßte vor dem den Thebäern:
Laßt, wenn keiner beruft, mich zurückstehn; doch in des freundlich
Rufenden Haus mutvoll mit unseren Musen hineingehn!
Auch nicht fern seyd Ihr! denn was, wenn die Chariten fehlen,
Bleibt noch holdes den Menschen? O stets bey den Chariten sey ich!

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